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1. Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer wegen des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit kündigt, muss darlegen und beweisen, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt hat und die vom Arbeitnehmer behauptete Krankheit nicht vorliegt. Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, so tritt hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attestes bestand. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, seinen Vortrag z.B. mit Hinweisen zu den Fragen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente gegeben wurden, weiter zu substantiieren. Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Substantiierungspflicht nachgekommen ist und ggf. die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat, muss der Arbeitgeber auf Grund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen.
2. Wenn der behandelnde Arzt die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach dem Kalenderdatum bestimmt hat, wird die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der betriebsüblichen Arbeitszeit am letzten umfassten Kalendertag bescheinigt.
3. Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz.2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht vorenthalten.
4. Ergeben sich nach Abschluss der Betriebsratsanhörung und vor Ausspruch der Kündigung neue Erkenntnisse, die für die Beurteilung des Sachverhalts durch den Betriebsrat relevant sind, muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnen.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.04.20224 – 12 Ca 993/23 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über mehrere verhaltensbedingte Kündigungen und die vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers.
3Der am 1973 geborene, verheiratete, zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete und mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehinderte Kläger ist seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Mitarbeiter Logistik zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 6.120,50 Euro beschäftigt.
4Die Tätigkeit in der Logistik ist geprägt von körperlichen Tätigkeiten, die vor Ort erledigt werden müssen. Aufgrund der gesundheitlichen Probleme des Klägers gestaltete die Beklagte die Tätigkeiten des Klägers so, dass dieser große Teile im Homeoffice erledigen konnte, in der Regel bis zu drei Tage pro Woche.
5Der Kläger arbeitet im Arbeitszeitmodell der flexiblen Arbeitszeit nach der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Arbeitszeit bei der G GmbH vom 08.12.2010. Bei diesem Arbeitszeitmodell kann jeder Mitarbeiter unter Berücksichtigung der dienstlichen Belange und der Servicezeiten Umfang und Lage der täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen.
6Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat und eine Schwerbehindertenvertretung sind gebildet.
7Der Kläger war für den Zeitraum vom 31.10.2022 bis zum 04.11.2022 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Er ist Mitglied des K K „P“.
8Am Abend des 04.11.2022 nahm er an einer Veranstaltung der „P“, dem sog. Mobilmachungsappell, in der W in K teil. Die Beklagte leistete bis zum 04.11.2022 Entgeltfortzahlung.
9Für den Zeitraum vom 27.12.2022 bis zum 30.12.2022 legte der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Erstbescheinigung und für den Zeitraum vom 02.01.2023 bis zum 06.01.2023 eine erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Folgebescheinigung vor.
10Der Kläger nahm am 05.01.2023 an einer Veranstaltung der „P“, dem sog. Generalkorpsappell, im Hotel M in K teil. Die Veranstaltung begann um 19:00 Uhr. Ausweislich eines Videos, das auf Y veröffentlicht wurde, marschierte der Kläger in voller Uniform in den Saal ein. Die Beklagte leistete u.a. für den 05.01. und 06.01.2023 Entgeltfortzahlung.
11Am 12.01.2023 wurde die Beklagte auf die Teilnahme des Klägers an den o.g. Veranstaltungen aufmerksam.
12Der Kläger wurde am 20.01.2023 und am 26.01.2023 via MS Teams u.a. zu den Vorwürfen angehört, dass er am 05.01.2023 und am 04.11.2022 trotz vorliegender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an einer Karnevalsveranstaltung teilgenommen habe. Der Kläger machte im Wesentlichen keine Angaben.
13Die Beklagte hörte am 27.01.2023 ihren Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Tatkündigung des Klägers an. Die Kündigung solle „aufgrund erheblicher nachgewiesener Pflichtverletzungen erfolgen“, die der Kläger „im Zusammenhang mit vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeiten“ begangen habe. Auf den genauen Inhalt des Anhörungsschreibens wird Bezug genommen (Bl. 43ff. der erstinstanzlichen Akte).
14Mit E-Mail vom 30.01.2023 teilte der Betriebsrat mit, dass der fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zustimme und erläuterte ergänzend: „wir haben uns hier ausschließlich vom vorgetragenen Sachstand bei der Entscheidung leiten lassen und evtl. gesundheitliche Gründe - in Ermangelung von Informationen - ohne Berücksichtigung lassen müssen.“ (Bl. 49 der erstinstanzlichen Akte).
15Parallel zur Anhörung des Betriebsrats beteiligte die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung, die jedoch keine Stellungnahme abgab.
16Am 01.02.2023 beantragte die Beklagte beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung und am 07.02.2023 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung. Das Integrationsamt teilte mit Schreiben vom 17.02.2023 hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung den Eintritt der Fiktion mit.
17Der behandelnde Arzt des Klägers, Dr. S aus W, stellte unter dem 08.02.2023 folgendes Attest aus: „Bei der letzten AU von Herrn M 27.12.2022 bis 06.01.2022 bestand kein Ausgehverbot“.
18Die Beklagte kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 17.02.2023 außerordentlich fristlos.
19Das Integrationsamt stimmte der ordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 23.03.2023 zu.
20Die Beklagte kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 19.04.2023 ordentlich zum 31.12.2023.
21Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 08.09.2023 zu einer vorsorglichen ordentlichen Verdachtskündigung an. Im Übrigen entspricht die Anhörung im Wesentlichen den früheren Anhörungen. Auf den genauen Inhalt des Anhörungsschreibens wird Bezug genommen (Bl. 319 der erstinstanzlichen Akte).
22Der Betriebsrat stimmte am 14.09.2023 zu.
23Parallel zur Anhörung des Betriebsrats beteiligte die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung, die jedoch keine Stellungnahme abgab.
24Das am 25.09.2023 eingeschaltete Integrationsamt stimmte der Kündigung mit Bescheid vom 06.11.2023 zu. Mit Email vom 09.11.2023 wurde der Betriebsrat über die Kündigungsentscheidung informiert. Die Beklagte kündigte sodann erneut mit Schreiben vom 14.11.2023 hilfsweise fristgerecht zum 30.06.2024.
25Mit der am 23.02.2023 eingegangenen und kontinuierlich erweiterten Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigungen gewendet und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Der Kläger hat behauptet, er sei jeweils an einem akuten Atemwegsinfekt erkrankt gewesen.
26Am 04.11.2022 (Freitag) seien die Symptome bis auf den Husten und eine leichte Erschöpfung nicht mehr vorhanden gewesen. Er habe an der Veranstaltung teilgenommen, jedoch im Vorfeld bereits besprochen, dass er nach zwei Stunden wieder abgeholt werde.
27Am 05.01.2023 habe er die benannte Veranstaltung besucht, um seine Belastungsfähigkeit zu testen. Nach ca. einer Stunde habe er darum gebeten, abgeholt zu werden, da sich nicht wohl fühlte und vermeiden wollte, in der nächsten Woche erneut arbeitsunfähig zu erkranken.
28Er hat die Ansicht vertreten, dass die Verdachtskündigung u.a. auch wegen nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam sei. Zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrates sei das Kündigungsschutzverfahren bereits seit Monaten anhängig gewesen und es seien Schriftsätze und Unterlagen ausgetauscht worden. Es seien Atteste des behandelnden Hausarztes vorgelegt worden, aus denen sich das Erkrankungsbild und das nichtbestehende Ausgehverbot ergebe. Hierüber habe die Beklagte ihren Betriebsrat nicht informiert.
29Der behandelnde Arzt des Klägers hat auf Anfrage des Arbeitsgerichts vom 17.10.2023 mit Schreiben vom 05.11.2023 auszugsweise wie folgt geantwortet (Bl. 200 der erstinstanzlichen Akte):
30„Die Arbeitsunfähigkeit vom 31.10.2022 bis 04.11.2022 begründete sich durch folgende Diagnose: Akuter Infekt der oberen Atemwege [J06.9G]. Den Symptomenkomplex, der von Herrn M benannt wurde, konnte ich durch eine klinisch/körperliche Untersuchung objektivieren. Die Teilnahme an der Veranstaltung am 04.11.2022 erfolgte am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit, sodass man davon ausgehen kann, dass die Symptome abgeklungen waren, somit von einer Verzögerung der Genesung nicht auszugehen ist. Auch sehe ich darin kein gefährdendes Verhalten.“
31„Die Arbeitsunfähigkeit vom 27.12.2022 bis 06.01.2023 begründete sich durch folgende Diagnosen: Akuter Infekt der oberen Atemwege [J06.9G]. Auch hier war die Diagnose durch die körperliche Untersuchung objektivier- und nachvollziehbar. Die 1,5 stündige Teilnahme an der genannten Veranstaltung dürfte die Genesung nicht gefährdet oder verlängert haben, da in beiden Fällen eine zeitgerechte Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt war.“
32Diese Stellungnahme hat das Arbeitsgericht am 08.11.2023 an die prozessbevollmächtigte Syndikusrechtsanwältin der Beklagten weitergeleitet. Sie ist am 08.11.2023 um 12:08 Uhr in deren beA eingegangen.
33Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:
341. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17.02.2023 nicht außerordentlich fristlos aufgelöst wird.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die erneute Kündigung der Beklagten vom 19.04.2023 nicht aufgelöst wird.
3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2023 nicht aufgelöst wird.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Mitarbeiter in der Logistik weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit jeweils vorgetäuscht. Wer einen Infekt habe, sei körperlich eingeschränkt, leide unter unspezifischen Störungen des Allgemeinbefindens, unter Erschöpfung oder unter auf bestimmte Körperregionen beschränkten Einschränkungen. Sofern der Kläger an den beiden Daten überhaupt (noch) Symptome eines Infektes gehabt hätte, waren diese offensichtlich so gering ausgeprägt, dass eine Teilnahme an den beiden Karnevalsveranstaltungen möglich war. Die körperlichen Anforderungen einer Karnevalsveranstaltung seien nicht weniger hoch als die Arbeitstätigkeit des Klägers.
45Für den 06.01.2023 gelte zudem: Wäre der Kläger nicht zu der Veranstaltung am 05.01.2023 gegangen, sondern hätte entsprechend der Empfehlung des Arztes geruht, so wäre er unter Umständen bereits am 06.01.2023 wieder arbeitsfähig gewesen. Hier liege also zudem genesungswidriges Verhalten vor.
46Mit Urteil vom 10.04.2024 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben.
47Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sei, der behandelnde Arzt diese aber auf gerichtliche Anfrage bestätigt habe. Genesungswidriges Verhalten sei nicht zu prüfen, weil hierzu der Betriebsrat nicht angehört worden sei.
48Die Verdachtskündigung sei mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats unwirksam, da die Beklagte ihm die Einlassungen des Klägers im Prozess sowie die Auskünfte des behandelnden Arztes vorenthalten habe.
49Gegen dieses ihr am 19.04.2024 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.05.2024 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.07.2024 am 18.07.2024 begründet.
50Das Arbeitsgericht Köln habe zum einen die prozessualen Anforderungen an Darlegung und Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit und zum anderen das materiell-rechtliche Pflichtengefüge eines Arbeitnehmers während Arbeitsunfähigkeit verkannt.
51Nach Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte der Kläger seinerseits den Nachweis einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 04.11.2022 und am 05.01.2023 führen müssen. Der Kläger trage die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Sie bestreite nunmehr die Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 31.12.2022 und 01.01.2023, da für diesen Zeitraum keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorliegen.
52Die gerichtliche Würdigung der ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. S sei fehlerhaft. Rechtsirrig und unter Verkennung der gesetzlichen Anforderungen sei zudem die Auffassung des Arbeitsgerichts, die in Rede stehenden Betriebsratsanhörungen im Vorfeld der ausgesprochenen Kündigungen seien unzureichend. Sie habe den Einlassungen des Klägers im Prozess und den ärztlichen Stellungnahmen schlicht keine maßgebliche Bedeutung zugemessen und den Betriebsrat deshalb nicht informiert.
53Die Beklagte beantragt,
54das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.04.2024, Az: 12 Ca 993/23, abzuändern und die Klage abzuweisen.
55Der Kläger beantragt,
56die Berufung zurückzuweisen.
57Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Er sei vom 27.12.2022 bis zum 06.01.2023 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Bei den Veranstaltungen vom 04.11.2022 und 05.01.2023 habe es sich nicht um Karnevalsveranstaltungen gehandelt, sondern um organisatorische Veranstaltungen der P, ähnlich einer Mitgliederversammlung in einem Verein. Zudem sei er jeweils nur für 1,5 – 2 Stunden anwesend gewesen. Es sei von der körperlichen Belastung ein Unterschied, ob man für 1,5 oder 2 Stunden an einer organisatorischen Veranstaltung teilnehme oder für 7 - 8 Stunden konzentriert am Arbeitsplatz tätig sei.
58Der Kläger wird von der Beklagten seit dem 21.05.2024 allein zum Zwecke der Vermeidung von vom Kläger angedrohten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bezüglich des erstinstanzlich ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruchs weiterbeschäftigt.
59Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
60E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
61I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
62Dies gilt ebenfalls hinsichtlich der Berufung gegen den ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsantrag, obwohl die Berufung insoweit nicht eigenständig begründet wurde. Denn eine eigenständige Begründung war vorliegend ausnahmsweise entbehrlich, da mit der Begründung der Berufung über den einen Streitgegenstand, hier der Kündigungsschutzanträge, zugleich dargelegt ist, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (vgl. BAG, Urteil vom 25. Mai 2016 – 2 AZR 345/15 –, BAGE 155, 181-190, Rn. 17).
63II. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
64Denn das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen nicht aufgelöst wurde und der Kläger weiter zu beschäftigen ist.
651. Die außerordentliche Kündigung vom 17.02.2023 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit ihrem Zugang beendet.
66Es fehlt bereits an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.
67Die Kündigung wurde – aus welchen Gründen auch immer – ausdrücklich nur als Tatkündigung ausgesprochen. Der Beklagten ist es aber nicht gelungen, den Tatnachweis zu führen, d.h. dem Kläger nachzuweisen, dass er seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hat.
68Im Einzelnen:
69a) Die Kündigung gilt nicht bereits gemäß §§ 4, 7 KSchG als wirksam, weil der Kläger durch Erhebung der Kündigungsschutzklage die Unwirksamkeit der Kündigung innerhalb der Frist des § 4 KSchG rechtzeitig geltend gemacht hat.
70b) Es stellt „an sich“ einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB dar, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines Attestes der Arbeit fernbleibt, obwohl er in Wahrheit nicht arbeitsunfähig ist und es sich nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt. Der Arbeitnehmer, der zugleich Entgeltfortzahlung begehrt, wird dann regelmäßig sogar einen (versuchten) Betrug begehen, da er durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den Arbeitgeber unter Vortäuschung falscher Tatsachen dazu veranlassen will, ihm unberechtigterweise die Vergütung fortzuzahlen (BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - Rn. 23).
71Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände des wichtigen Grundes iSv. § 626 BGB bzw. des Kündigungsgrundes nach § 1 Abs. 2 KSchG. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Er muss daher auch darlegen und beweisen, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt hat und die vom Arbeitnehmer behauptete Krankheit nicht vorliegt.
72Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen; er muss darlegen, warum sein Fehlen als entschuldigt anzusehen ist. Nur die hierzu vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen. Beruft sich der Arbeitnehmer für sein Fehlen auf eine Krankheit, so hat er, solange ein ärztliches Attest nicht vorliegt, vorzutragen, welche tatsächlichen physischen oder psychischen Hintergründe vorgelegen haben und wo er sich zum fraglichen Zeitpunkt aufgehalten hat. Dies hat dann der Arbeitgeber zu widerlegen. Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, so begründet dieses regelmäßig den Beweis für die Tatsache einer Arbeitsunfähigkeit. Ein solches Attest hat einen hohen Beweiswert, es ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Bezweifelt der Arbeitgeber die attestierte Arbeitsunfähigkeit, beruft er sich insbesondere darauf, der Arbeitnehmer habe den die Bescheinigung ausstellenden Arzt durch Simulation getäuscht oder der Arzt habe den Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verkannt, dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen und notfalls beweisen, um die Beweiskraft des Attestes zu erschüttern.
73Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, so tritt hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attestes bestand. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, seinen Vortrag z.B. mit Hinweisen zu den Fragen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente gegeben wurden, weiter zu substantiieren.
74Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Substantiierungspflicht nachgekommen ist und ggf. die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat, muss der Arbeitgeber auf Grund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen. Mit der Patientenkartei und der Vernehmung des behandelnden Arztes kommen dabei regelmäßig Beweismittel in Betracht, die eine weitere Sachaufklärung versprechen.
75In derartigen Fällen ist auch stets zu prüfen, ob die Umstände, die den Beweiswert des ärztlichen Attests erschüttern, nicht sogar so gravierend sind, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung des Arbeitgebers darstellen, die Krankheit des Arbeitnehmers sei nur vorgetäuscht; dann müsste der Arbeitnehmer dieses Indiz entkräften (vgl. BAG, Urteil vom 17. Juni 2003 – 2 AZR 123/02 –, Rn. 25 ff.).
76c) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich das Bestehen des Tatvorwurfs, nämlich das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit, nicht mit der für einen Tatnachweis notwendigen Sicherheit feststellen. Es besteht hinsichtlich der „Erkrankung“ im Januar 2023 lediglich ein entsprechender Verdacht.
77aa) Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 31.10.2022 bis zum 04.11.2022 wurde bereits nicht durch die Teilnahme des Klägers am Mobilmachungsappell am Abend des 04.11.2022 erschüttert.
78Denn zum Zeitpunkt der Teilnahme war die Arbeitsunfähigkeit bereits beendet.
79In erster Linie ist es Aufgabe des behandelnden Arztes, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem die Arbeitsunfähigkeit endet. Er kann die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende eines Kalendertages bescheinigen; er kann aber auch jeden anderen Zeitpunkt wählen. Schließlich kann er seine zunächst getroffene vorausschauende Beurteilung abändern, wenn er den Patienten erneut untersucht.
80Falls der behandelnde Arzt die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach dem Kalenderdatum bestimmt hat, wird die Arbeitsunfähigkeit für das Ende der betriebsüblichen Arbeitszeit an dem in der Bescheinigung erwähnten letzten Kalendertag bescheinigt (vgl. BAG, Urteil vom 14. September 1983 – 5 AZR 70/81 –, BAGE 43, 291-297, Rn. 15 - 16).
81Dass der Kläger am Abend des 04.11.2022 bei unterstellter Arbeitsfähigkeit noch eine Arbeitsleistung hätte erbringen müssen, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich.
82Der Besuch einer Karnevalsveranstaltung kurz nach Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erschüttert nicht den Beweiswert der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Dies gilt zumindest vor dem Hintergrund des diagnostizierten Infekts der oberen Atemwege.
83bb) Anders sieht es jedoch hinsichtlich der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vom 02.01.2023 bis zum 06.01.2023 aus. Insoweit geht die Kammer mit dem Arbeitsgericht und zu Gunsten der Beklagten davon aus, dass durch die Teilnahme des Klägers am Generalkorpsappell am 05.01.2023 der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist. Denn die Veranstaltung lag innerhalb des Arbeitsunfähigkeitszeitraums und nur drei Tage nachdem der behandelnde Arzt die weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit festgestellt haben will.
84Dies führt entgegen der Auffassung der Berufung jedoch nicht dazu, dass der Kläger nunmehr seine Arbeitsunfähigkeit beweisen muss. Dies wäre nur der Fall, wenn der Kläger im Prozess für diese Tage Entgeltfortzahlung begehren würde.
85Im Kündigungsprozess besteht für den Kläger wie oben ausgeführt nur eine sekundäre Darlegungslast. Dieser ist er jedoch nachgekommen: Er hat vorgetragen, an welcher Erkrankung er gelitten und welche Symptome er hatte. Er hat seinen behandelnden Arzt benannt und ihn von der Schweigepflicht entbunden.
86Daraufhin lag es wieder an der Beklagten, das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit konkret darzulegen und zu beweisen. Dies hat sie jedoch nicht getan, sondern sich auf das Anzweifeln der Angaben des Klägers und seines Arztes beschränkt. Das ist nicht ausreichend.
87Die Umstände, die den Beweiswert des ärztlichen Attests erschüttern, sind vorliegend auch nicht so gravierend, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung des Arbeitgebers darstellen, die Krankheit des Arbeitnehmers sei nur vorgetäuscht.
88Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer wegen eines akuten Bandscheibenvorfalls arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, aber beim Tanz auf der Karnevalsbühne gesichtet wird.
89Bei einem diagnostizierten Infekt der oberen Atemwege und der bloßen Teilnahme an einer Karnevalsveranstaltung ist die Sache jedoch nicht derart eindeutig. Bei einem Atemwegsinfekt ist die Grenze zwischen Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit –gerade zum Ende der attestierten Arbeitsunfähigkeit hin– ohnehin fließend und subjektiv geprägt.
90d) Soweit die Beklagte „lediglich hilfsweise“ Ausführungen zu einem genesungswidrigen Verhalten macht, ist bereits nicht erkennbar, ob sie die Kündigung auf ein genesungswidriges Verhalten stützen möchte. Denn insoweit wäre die Kündigung unwirksam, weil sie ihren Betriebsrat hierzu nicht angehört hat. Denn der Vorwurf des genesungswidrigen Verhaltens ist nicht etwa als Minus im Vorwurf des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit enthalten, sondern etwas Anderes. Die beiden schließen sich sogar aus. Wer sich genesungswidrig verhält, muss erkrankt sein. Wer eine Erkrankung vortäuscht, ist nicht erkrankt. Im Übrigen bieten die Ausführungen der Beklagten auch keinen Anhaltspunkt für ein genesungswidriges Verhalten.
912. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 19.04.2023 ist ebenfalls unwirksam.
92Sie ist am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu überprüfen, da das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestand (§ 1 Abs. 1 KSchG) und die Beklagte in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt. Der Kläger hat auch rechtzeitig gemäß § 4 S. 1 KSchG innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung Klage erhoben.
93Dieser Überprüfung hält sie nicht stand, da sie aus den o.g. Gründen nicht sozial gerechtfertigt ist iSd. § 1 Abs. 2 KSchG.
943. Letztlich ist auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 14.11.2023, die erstmals als Verdachtskündigung ausgesprochen wurde, unwirksam. Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass die Beklagte ihren Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt hat.
95a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine Kündigung ist dabei nach Satz 3 nicht erst unwirksam, wenn eine Unterrichtung ganz unterblieben ist, sondern schon dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Der notwendige Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung. Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d.h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbständige - objektive - Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern ggf. eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen.
96Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist deshalb grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen solchen irreführenden Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam.
97Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 700/15 –, Rn. 25 - 27, juris).
98b) Gemessen hieran hat die Beklagte ihrem Betriebsrat nur unvollständig informiert, weil sie ihr bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat vorenthalten hat. Der Inhalt der Betriebsratsanhörung vom 08.09.2023 entspricht im Wesentlichen dem Inhalt der früheren Anhörungen, nur dass die Kündigung nunmehr auf den dringenden Verdacht gestützt werden soll. Zwischenzeitlich hat sich jedoch der Sachstand –und somit auch der Erkenntnisstand der Beklagten– verändert, da die Parteien im über bereits Monate laufenden Kündigungsschutzprozess umfangreiche Schriftsätze ausgetauscht haben, in denen sich der Kläger zum Vorwurf eingelassen hat. So hat der Kläger sich zu der diagnostizierten Erkrankung und seinen Symptomen geäußert und eine Bescheinigung seines behandelnden Arztes eingereicht. Diese neuen Informationen hätte die Beklagte ihrem Betriebsrat nicht vorenthalten dürfen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Betriebsrat aufgrund der Anhörungen des Klägers vom 20./26.01.2023 von der fehlenden Mitwirkung des Klägers ausgehen musste und der Betriebsrat in seiner Stellungnahme vom 30.01.2023 ausdrücklich angegeben hat, dass er sich „ausschließlich vom vorgetragenen Sachstand bei der Entscheidung leiten lassen“ habe „und evtl. gesundheitliche Gründe - in Ermangelung von Informationen - ohne Berücksichtigung“ lassen musste.
99Die Beklagte hätte dem Betriebsrat zudem die vom Arbeitsgericht eingeholte Stellungnahme des behandelnden Arztes vom 05.11.2023 vorlegen müssen. Diese ging der Beklagten am 08.11.2023 und damit fast eine Woche vor Ausspruch der Kündigung zu.
100Zwar war zu diesem Zeitpunkt das Anhörungsverfahren bereits abgeschlossen. Aufgrund der neuen Erkenntnisse, die für die Beurteilung des Sachverhalts durch den Betriebsrat relevant sind, musste die Beklagte diesem erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnen (vgl. auch BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 700/15 –, Rn. 33, juris). Dies hat sie jedoch nicht getan.
1014. Wegen der festgestellten Unwirksamkeit der Kündigungen hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Weiterbeschäftigung nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 27.02.1985 entwickelten Grundsätzen (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Von der Beklagten wurden keine besonderen Umstände vorgetragen, die ihr ausnahmsweise eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.
102Die zwischenzeitlich nur zur Abwehr der Zwangsvollstreckung erfolgte Weiterbeschäftigung des Klägers hat keinen Erfüllungscharakter. Wird aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil vollstreckt, tritt keine Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB - und damit auch keine Erledigung - ein. Dasselbe gilt für Leistungen, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel erbracht werden (BGH, Urteil vom 19. November 2014 – VIII ZR 191/13 –, Rn. 19, juris).
103III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.