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1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 14. November 2024 - Aktenzeichen1 Ca 456/24 – hinsichtlich der Ziff. 2 abgeändert und unter Zurückweisung des Antrages im Übrigen wie folgt neu gefasst:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 68.153,80 € brutto zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 12 % und die Beklagte zu 88 %, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines von der Klägerin gestellten Auflösungsantrags, die Höhe der festzusetzenden Abfindung sowie die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses.
3Die 32 Jahre alte Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.11.2019 zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 7744,75 Euro auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Bl. 46ff. der erstinstanzlichen Akte) beschäftigt.
4Die Beklagte hat regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
5Am Montag, den 19.02.2024, übermittelte der Geschäftsführer der Beklagten, Herr O Ba, der Klägerin folgende WhatsApp-Sprachnachricht:
6„Morgen Chefin, Morgen schöne Frau, Morgen mein Kopfschmerz, Morgen mein Aspirin, Morgen Dumpfbacke, Morgen Tippex, ich habe ne Frage […], am Mittwoch kommen die Bänker ne, die drei Möchtegern-Banker mit einer Frau vorbei und so, ob du Lust hast dabei zu sein und wenn du dabei bist, dass du einfach mal so ein bisschen rockmäßig was kurzes und Dekolteemäßig irgendwie was anziehen kannst, Haare machen, natürlich mögen die rote Fingernägel hab ich gehört, High-Heels und rote Fußnägel, ganz speziell der Herr We der mag das und es wäre super, wenn du da in die Richtung was machen könntest. Nicht das du denkst, dass das von mir kommt, die haben mir gestern Abend noch geschrieben, dass sie sich auf dich freuen, wenn du dabei wärst und ich muss dann natürlich die Kopfschmerzen aushalten in der Zeit wenn du da bist.“
7Nachdem die Klägerin hierauf jedenfalls geantwortet hatte, dass sie es „nicht mehr schafft, die Fingernägel rot zu lackieren“, meldete sich der Geschäftsführer erneut auf Whatsapp wie folgt:
8„[…] und mit den roten Fingernägeln müssen wir gucken, dann muss ich den Bänkern Bescheid sagen, dass du Handschuhe tragen wirst, da die das Tippex nicht mehr sehen können, haben die mir gestern Abend gesagt. Oder ich lass mir was einfallen.“
9Des Weiteren schrieb er:
10„Gasaaaaaaanz wichtig. Nichts unter dem Rock anziehen“
11Die Klägerin antwortete mit vier sog. Lachsmileys und „Nene“. Hierauf wiederum schrieb der Geschäftsführer:
12„Nur Spaß. Sonst könnte ich ja abgelenkt werden. Komm am Mittwoch ganz normal. Brauchst am Meeting nicht mit teilnehmen. Ist glaube ich besser Dankeeeeee Bis Mittwoch.“
13Nachdem die Klägerin die weitere Mitteilung des Geschäftsführers „Reden am Mittwoch oder Donnerstag“ mit „Ja in Ordnung“ erwiderte, schrieb er:
14„Du lernst es nie (Messerabbildung) Das heißt, Ja gerne mein Schatz. Oder Kann es kaum abwarten meinen Traum(Alp)Mann zu sehen.“
15Nachdem die Klägerin nach dieser Aufforderung den Geschäftsführer in einer weiteren Nachricht mit „mein Bester“ bezeichnet hatte, entgegnete dieser:
16„Hi mein bester, Anscheinend schaffst du wirklich nicht was nettes zu finden. Könnte gerade echt kotzen. Deine Einstellung kotzt mich sowas von an. Ich hab das gemacht und mache immer noch, weiß kein andere je für dich machen würde. Du müsstest auf die Knie fallen und Danke sagen. Was bist bloß für ein Mensch. Hast mich wie immer in die Irre geführt, Nicht in der Lage was nettes zu schreiben, geschweige denn ein Kompliment. Weiß du weiß, ab jetzt Scheiß ich drauf. Du bleibst diese und nächste Woche von zu Hause. Urlaub. Will dich erstmal nicht sehen. Du kannst einfach nicht Mensch sein. Viele Grüße dein Bester“
17Ohne weitere Nachricht der Klägerin schrieb er außerdem:
18„Wag es dich zu kommen und du lernst mich kennen. Nach deinem scheiß Urlaub machst du Home Office!!!!!! Anscheinend ist an der Bewertung was dran. Komme mir so doof vor. Besser doof als dumm. Du weißt mich gar nicht zu schätzen, was ich versuche dir beizubringen. Bist halt eine dumme Frau. Keine Klasse, Kein Anstand, einfach ein Bauern-Mädchen. Du hast im Leben nichts verstanden. Nichts!!!!!! Es geht nicht nur um Mini Madam“
19Nachdem die Klägerin zwei Stunden später geschrieben hatte:
20„Wieso machst Du das? Ich möchte mich auch nicht streiten“,
21erwiderte der Geschäftsführer:
22„Anscheinend bist du auch noch zu dumm zu lesen. Sei froh, das ich nicht noch mehr schreibe. Du bleibst so lange zu Hause, bis ich es dir sage. Will deine dumme hässliche fresse nicht sehen!!!! Du hast alle drei Eigenschaften, die ich an Menschen hasse. Glückwunsch, wenigstens das hast du.“
23Am Mittwoch, den 21.02.2024, erhielt die Klägerin um 6.13 Uhr folgende WhatsApp-Nachricht von dem Geschäftsführer Ba:
24„Hier ist dein Bester. A möchte, das du arbeiten kommst. Mir ist es Scheiß egal. Du bringst mir alle Geschenke, die ich dir in den letzten Jahren geschenkt habe. Alles!!!!! Uhren, Ringe, Ketten, Armreifen usw. Dein Gehalt wird auf 5.500 runter gestuft. Ich lasse mich von dir noch von anderen verarschen. Du kannst bleiben und deine Arbeit machen. Wir zwei werden kein Wort miteinander wechseln. Auto darfst du behalten bis du Ersatz für dich gefunden hast. Tankkarte gibst du ebenfalls ab. Das Geld brauchst du nicht zurückzahlen, was ich dir die Tage gegeben habe. Ich will weder das du mich begrüßt noch hallo oder Tschüss kommt. Hast du das verstanden? Antworte einfach mit ja oder nein!!!!“
25Am 22.02.2024 fuhr die Klägerin in das Büro und fand auf ihrem Schreibtisch einen Blumenstrauß mit einer Karte des Geschäftsführer Ba vor, auf der er die Klägerin nach einem gemeinsamen Sauna-bzw. Thermenbesuch fragte.
26Nachdem die Klägerin sich per Whatsapp für die Blumen bedankt hatte, fragte er an, ob sie die Karte gelesen habe. Als sie dies bejahte hatte, fragte er:
27„„Das heißt ja oder nein zu Therme?“
28Und weiter
29„Eine Antwort musst du geben“,
30woraufhin binnen zwei Minuten sechs weitere Whatsapps mit je einem Fragezeichen und drei Nachrichten mit Handgestiken folgten.
31Die Klägerin schrieb daraufhin:
32„Das ist lieb gemeint, aber du weißt doch wie ich dazu stehe“.
33Der Geschäftsführer erwiderte:
34„Wie meinst du das? Wegen Therme oder wegen mir?“
35Die Klägerin erklärte daraufhin:
36„Wegen diesem ganzen Thema. Wir haben wirklich oft Gespräche darüber geführt.“
37Der Geschäftsführer schickte daraufhin eine weitere Nachricht, die er zwar nach dem Absenden löschte, von der die Klägerin aber einen Screenshot anfertigte:
38„Gut, Dann machen wir es offiziell. Das du Mitarbeiterin bist und darfst keine Geschenke von mir annehmen solltest. Bitte bring morgen alles, was ich dir geschenkt habe. Auto darfst du fahren, bist du eins besorgt hast. Tasche kannst du auch behalten. Uhren und Schmuk. Das Geld was du in den Jahren bekommen hast, mache ich mir noch Gedanken. Ach bitte auch die Tankkarte. Dankeeeeeee.“
39Nach dem Löschen schrieb er 15 Minuten später:
40„Hast recht. Vergiss nicht morgen alles mit zu bringen“
41Am 24.02.2024 wurden die Sachen bei der Klägerin abgeholt.
42Mit Schreiben vom 26.02.2024, der Klägerin am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.03.2024 (Bl. 8 der erstinstanzlichen Akte).
43Neben dem Kündigungsschutzantrag hat die Klägerin in der Klageschrift vom 12.03.2024 für den Fall, dass die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklärt, dass sie die Klägerin weiter beschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt. Sie hat weiterhin die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, hilfsweise die Erteilung eines endgültigen Zeugnisses geltend gemacht.
44In dem Gütetermin vom 18.04.2024 ist das Verfahren wegen Vergleichsverhandlungen der Parteien zunächst terminlos gestellt worden. Die Parteien haben im Anschluss ergebnislos über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandelt, wobei die Klägerin eine Verpflichtung des Geschäftsführers Ba verlangte, keinerlei Kontakt mehr weder unmittelbar noch durch Dritte herzustellen (siehe Emailverkehr Bl. 142 d. erstinstanzlichen Akte). Nach dem Scheitern dieser Verhandlungen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.05.2024 den Kündigungsschutzantrag, den allgemeinen Feststellungsantrag sowie den Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses anerkannt und die Klägerin aufgefordert, ab Freitag, den 24.05.2024 ihre Arbeit wiederaufzunehmen. Sie hat in ihrem Schriftsatz weiter ausgeführt, dass es sich bei dem Weiterbeschäftigungsantrag um eine bloße Absichtserklärung handelt, dieser also noch gar nicht rechtshängig geworden ist und eine förmliche Antragsstellung i.S.d. § 261 Abs. 2 ZPO gegebenenfalls erst noch erfolgen muss. Es liege lediglich eine Ankündigung einer Klageerweiterung vor, die noch nicht rechtshängig gemacht worden sei.
45Seit dem 24.05.2024 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.
46Am 06.08.2024 hat das Arbeitsgericht Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren erlassen (Bl. 153f. der erstinstanzlichen Akte). Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht vom 14.11.2024 hat die Klägerin den Weiterbeschäftigungsantrag zurückgenommen.
47Die Klägerin hat behauptet, sie sei als Assistentin der Geschäftsführung bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Sie hat gemeint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr trotz Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht zuzumuten. Ihr sei bekannt, dass es sich bei dem Verhalten des Geschäftsführers Ba nicht um einen Einzelfall handele. Ein solches Verhalten sei an der Tagesordnung. Ihre beiden ehemaligen Kolleginnen H und L hätten ähnliche Erfahrungen mit dem Geschäftsführer Ba gemacht. Der Chatverkehr lege außerdem den Schluss nahe, dass sie im Falle einer Rückkehr gegenüber anderen Mitarbeiterin benachteiligt werde oder unkorrekt behandelt werde. Sie habe Angst vor den unberechenbaren Wutausbrüchen des Geschäftsführers.
48Eine Pflichtverletzung habe sie nicht begangen. Sie sei auch nie abgemahnt oder ermahnt worden.
49Es treffe zu, dass sie mit dem Geschäftsführer Ba in die T geflogen sei. Es habe sich dabei aber um eine Reise mit mehreren Kollegen und Kolleginnen gehandelt. Sie habe auch nicht mitkommen wollen. Der Geschäftsführer habe aber insistiert und sie gebeten, wegen seines Kindes mitzukommen.
50Im Betrieb der Beklagten sei es üblich, dass den Arbeitnehmern Geschenke gemacht würden.
51Sie halte einen Abfindungsbetrag in Höhe von 70.000 Euro, der 10 Monatsgehältern entspreche, für angemessen.
52Die Klägerin hat beantragt,
531. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein endgültiges Zeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen;
542. das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung, mindestens jedoch 70.000,00 Euro, mit Wirkung zum 31.03.2024 aufzulösen.
55Die Beklagte beantragt,
56die Klage abzuweisen.
57Unter Hinweis auf den Arbeitsvertrag der Klägerin und auf die dort angegebene Beschäftigung als „Mitarbeiter im Büro“ hat die Beklagte behauptet, Änderungen seien nicht erfolgt. Ihre Tätigkeit habe zwar auch untergeordnete Assistenztätigkeiten für die Geschäftsführungen umfasst, sie sei jedoch nicht hierauf beschränkt.
58Sie ist außerdem der Auffassung gewesen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei der Klägerin zuzumuten. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin sei gekündigt worden, weil sie diverse Pflichtverletzungen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit begangen habe.
59In Bezug auf die Korrespondenz per WhatsApp trage die Klägerin unvollständig vor. Zwischen ihr und dem Geschäftsführer habe es eine engere persönliche (aber keine romantische) Beziehung gegeben, die über mehrere Jahre angedauert habe. Die Klägerin sei sogar mit dem Geschäftsführer Ba in den Urlaub in die T geflogen und habe ihn des Öfteren zu Hause besucht.
60Es habe einen regen WhatsApp-Austausch gegeben, in dem die Klägerin und der Geschäftsführer durchaus geflirtet hätten. Die vorgelegten Nachrichten seien völlig ungeeignet, einen tatsächlichen Überblick über das Verhältnis zu verschaffen. Sämtliche Nachrichten zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer seien auf einer einvernehmlichen Basis erfolgt und der Flirt sei auch von der Klägerin forciert worden. Die Äußerungen des Geschäftsführers in der ersten Nachricht muteten möglicherweise eigenartig an, hätten jedoch dem Duktus der über Jahre hinweg bestehenden Kommunikation entsprochen. Auch die Folgeantwort verdeutliche den humorvollen Umgang zwischen ihm und der Klägerin. Die Antwort der Klägerin mit den Lachsmileys zeige, dass sie verstanden habe, dass die Nachricht nur als Spaß gemeint gewesen sei.
61Weitere Auszüge aus dem Gesprächsverlauf ließen zwar tatsächlich eine etwas deftige Wortwahl des Geschäftsführers erkennen, diese seien jedoch den Unstimmigkeiten auf der ein privaten Ebene geschuldet. Der Geschäftsführer habe der Klägerin im Laufe der Jahre privat zahlreiche Geschenke gemacht und hätte hier etwas Dankbarkeit der Klägerin erwartet. Die Wortwahl sei ausschließlich der persönlichen Enttäuschung des Geschäftsführers geschuldet. Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses lasse sich mit dieser Eskalation auf rein privater Ebene nicht begründen.
62Gerade die Nachricht vom 21.02.2024, 6.13 Uhr, zeige sehr klar, dass die Klägerin auch zukünftig ihrer Arbeit nachgehen könne, ohne dass sie irgendwelche Nachteile befürchten müsse. Die angedrohte Rückstufung des Gehalts auf 5.500,00 Euro sei nie vollzogen worden. Nachdem der Bestandsschutzantrag nach anwaltlicher Beratung anerkannt worden sei, sei auch das Gehalt ohne Kürzung ausbezahlt worden.
63Der Geschäftsführer habe der Klägerin sogar zugestanden, den überlassenen Dienstwagen so lange zu behalten, bis sie Ersatz gefunden habe. Auch habe er auf die Rückzahlung von Zuwendungen verzichtet, die er der Klägerin in den letzten Jahren habe zukommen lassen.
64Der Geschäftsführer habe auch weitere Bemühungen um Deeskalation gezeigt, indem er ihr den Blumenstrauß geschenkt habe. Die Nachricht der Klägerin zeige, dass sie nicht so betroffen gewesen sei, wie sie darzustellen versuche. Aus der Antwort der Klägerin auf die Frage nach dem gemeinsamen Thermenbesuch ergebe sich der Bestand einer langjährigen persönlichen Beziehung. Mit der Nachricht in Anlage K12 (Bl. 104 der erstinstanzlichen Akte) habe der Geschäftsführer einen Schlussstrich unter die persönliche Beziehung setzen wollen. Die Antwort sei nicht unberechenbar und maßlos. Sie sei respektvoll geschrieben und er bedanke sich sogar im Voraus für die Rückgabe der Geschenke.
65Im Betrieb der Beklagten bestehe ein äußerst gutes und familiäres Betriebsklima, in welchem spaßige Bemerkungen und ein vertrauter Umgang untereinander an der Tagesordnung seien.
66Die Beklagte hat behauptet, die von der Klägerin genannten Auflösungsgründe stünden in keinem inneren Zusammenhang mit der Kündigung.
67Mit Urteil vom 14.11.2024 hat das Arbeitsgericht Bonn der Klage stattgegeben. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass das von dem Geschäftsführer unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung gezeigte Verhalten in erheblicher Weise die Grenze des für die Klägerin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses noch Zumutbaren überschreitet. Die von der Klägerin geforderte Abfindung in Höhe von 70.000 Euro sei für den vorliegenden Fall angemessen.
68Gegen das der Beklagten am 30.12.2024 zugestellte Urteil richtet sich deren am 28.01.2025 eingegangene Berufung, die sie am 28.03.2025 innerhalb der bis zum 30.03.2025 verlängerten Begründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:
69Dem Antrag der Klägerin auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses stehe ihr bereits mit Klageerhebung gestellter Weiterbeschäftigungsantrag entgegen. Die Klägerin verhalte sich widersprüchlich, wenn sie nach Klageerhebung einen Auflösungsantrag stelle und ihn auf Gründe stütze, die ihr bei Stellung des Weiterbeschäftigungsantrags bereits bekannt gewesen seien. Dies gelte insbesondere, wenn der Arbeitgeber noch vor Rücknahme des Weiterbeschäftigungsantrags durch den Arbeitnehmer die Rücknahme der Kündigung erkläre.
70Die Beklagte behauptet, der Klägerin sei wegen diverser Pflichtverletzungen gekündigt worden. Sie habe Ende Januar 2023 das für sie geltende Bestelllimit von 10.000,00 Euro bei einem Kauf auf Rechnung für ausländische Kunden überschritten, eine Bestellung in Höhe von 28.959,90 Euro angenommen und sodann die Warenversendung veranlasst. Die Ware sei bis zum heutigen Tag nicht bezahlt.
71Sie, die Beklagte, sei insgesamt mit der Arbeitsleistung der Klägerin, beispielsweise im Hinblick auf die Überwachung der Zahlungseingänge, sehr unzufrieden gewesen. Zudem habe die Klägerin Anfang Februar 2024 die Ausführung einer ihr durch ihren Vorgesetzten Y erteilten Arbeitsanweisung verweigert.
72Der Klägerin sei darüber hinaus wegen ihrer intensiven Handynutzung mehrfach mitgeteilt worden, dies sei nicht mehr tolerabel. Schließlich habe die Klägerin vermutlich versehentlich im Warenbestellungssystem falsche Rabatte für Wiederverkäufer hinterlegt, wodurch der Beklagten ein finanzieller Schaden entstanden sei.
73Die Klägerin habe in keinem der verschiedenen Bereiche der Beklagten wie Vertrieb, Versand, Reklamationen, Personalabteilung und Mitarbeiterin im Büro, in denen sie im Laufe ihres Arbeitsverhältnisses eingesetzt worden sei, den Erwartungen entsprochen.
74Man habe nach anwaltlicher Beratung die Kündigungsschutzklage anerkannt, weil Abmahnungen gegenüber der Klägerin nie erfolgt seien bzw. sich nicht beweisen ließen. Offensichtlich sozialwidrig sei die Kündigung jedenfalls nicht gewesen.
75Aufgrund der Entschuldigung des Geschäftsführers und der Zusicherung der Beklagten, dass die Klägerin bei Rückkehr auf den Arbeitsplatz keine Repressionen zu befürchten habe, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Klägerin nicht unzumutbar. Für die Bewertung der Zumutbarkeit komme es auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an.
76Die Klägerin habe sich zudem den Nachrichten des Geschäftsführers problemlos entziehen können, indem sie entweder hätte ihre Mobilnummer wechseln oder den Geschäftsführer bei WhatsApp blockieren können.
77Die Klägerin habe nur Auszüge des Gesprächsverlaufs eines sehr kurzen Zeitraums vorgelegt, obwohl sie und der Geschäftsführer der Beklagten seit mehreren Jahren regelmäßig, wenn nicht sogar täglich, Nachrichten gewechselt hätten. Die vorgelegten Nachrichten zeigten lediglich die Eskalation auf privater Ebene innerhalb von wenigen Tagen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass es angezeigt gewesen wäre, sich den vollständigen Gesprächsverlauf durch die Klägerin vorlegen zu lassen, um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen. Dieser Gesamteindruck würde ergeben, dass zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten ein besonderes Verhältnis bestand, das durchaus als Flirt zu bezeichnen sei.
78Das Arbeitsgericht sei im Hinblick auf die Freistellung und die angedrohte Gehaltskürzung zu Unrecht von willkürlichen Sanktionen ausgegangen. Denn die Gehaltskürzung sei nicht umgesetzt worden. Der Klägerin sei auch nicht der Dienstwagen entzogen worden. Vielmehr habe der Geschäftsführer ausdrücklich geschrieben, sie dürfe den Wagen so lange behalten, bis sie Ersatz gefunden habe. Es habe keine vertragliche Regelung oder Verpflichtung zur Überlassung eines Dienstwagens gegeben. Hierbei habe es sich um eine reine Gefälligkeit des Geschäftsführers gehandelt.
79Zudem habe der Geschäftsführer die im Prozess vorgelegten WhatsApp-Nachrichten kurz nach dem Versenden wieder gelöscht. Allerdings habe die Klägerin zuvor noch einen Screenshot gemacht.
80Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Höhe der Abfindung völlig überzogen ist. Wichtigstes Kriterium bei ihrer Bemessung seien Lebensalter und Dauer der Betriebszugehörigkeit. Daher dürfe die Höhe der Abfindung allenfalls im Bereich der „Regelabfindung“ in Höhe von 15.500 Euro liegen. Eine Gleichsetzung des Abfindungsanspruchs mit einem Schadensersatzanspruch nach AGG sei fehlerhaft. Für einen solchen Anspruch habe die Klägerin die Geltendmachungsfrist versäumt. Mit der Abfindung dürfe nur der Verlust des Arbeitsplatzes kompensiert werden, nicht aber ein Schadensersatz für die Äußerungen des Geschäftsführers ausgeurteilt werden.
81Hinsichtlich der Erteilung eines Endzeugnisses vertritt die Beklagte die Ansicht, dass es der Klägerin hierfür an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn die Klägerin habe ein solches Zeugnis vorgerichtlich nicht von ihr gefordert.
82Die Beklagte beantragt,
83auf ihre Berufung hin das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 14.11.2024, Aktenzeichen 1 Ca 456/24, abzuändern und die Klage abzuweisen.
84Die Klägerin beantragt,
85die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
86Sie ist der Auffassung, dass ihr Weiterbeschäftigungsantrag aus der Klageschrift als Hilfsantrag lediglich eine Absichtserklärung dargestellt habe, den sie vor Ende der mündlichen Verhandlung zurückgenommen habe. Zudem sei das Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag erst mit dem Teilanerkenntnisurteil vom 06.08.2024 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Auflösungsantrag bereits gestellt gewesen.
87Die Klägerin bestreitet die von der Beklagten behaupteten Pflichtverletzungen. Hinsichtlich der behaupteten Limit-Überschreitung von Januar 2023 behauptet sie, dass keine Bestellung hinausging, ohne vorher über den Schreibtisch des Geschäftsführers zu gehen.
88Das Arbeitsgericht habe zu Recht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der demütigenden und sexistischen Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten für unzumutbar gehalten und bei der Bemessung der Höhe der Abfindung auch die Genugtuungsfunktion einer Abfindung ähnlich dem Schmerzensgeld bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen berücksichtigt. Sie leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die vom 17.12.2024 bis zum 23.01.2025 stationär behandelt worden sei. Die Diagnose stehe im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt.
89Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
90E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
91I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
92II. Die Berufung ist ganz überwiegend unbegründet.
931. Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis zu Recht und mit überzeugender Begründung zum 31.03.2024 aufgelöst. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist der Klägerin nicht zumutbar. Der mit der Klage für den Fall einer fehlenden entsprechenden Erklärung in der Güteverhandlung und eines Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage gestellte Weiterbeschäftigungsantrag, den die Klägerin im Kammertermin zurückgenommen hat, steht dem Auflösungsantrag nicht entgegen. Es war eine angemessene Abfindung in Höhe von 68.153,80 Euro brutto festzusetzen
94a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG hat das Gericht das durch eine sozialwidrige Kündigung nicht beendete Arbeitsverhältnis durch Urteil aufzulösen, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Dafür muss kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegen, der dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen würde. Es reicht aus, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Dauer unzumutbar ist (BAG, Urteil vom 27. März 2003 - 2 AZR 9/02 – Rn. 35, juris; Urteil vom 26. November 1981 - 2 AZR 509/79 – Rn. 22ff, juris). Dafür wiederum genügt nicht allein die Sozialwidrigkeit der Kündigung. Es bedarf vielmehr zusätzlicher, vom Arbeitnehmer darzulegender Umstände. Diese müssen im Zusammenhang mit der Kündigung oder doch dem Kündigungsschutzprozess stehen (BAG 24. September 1992 - 8 AZR 557/91 – Rn. 28, juris; Pleßner, BeckOK Arbeitsrecht, 75. Edition Stand: 01.03.2025, § 9 KSchG Rn. 32f). Auflösungsgründe können sich demnach aus den Modalitäten der Kündigung als solcher und aus weiteren Handlungen des Arbeitgebers ergeben, die mit der Kündigung einhergehen (BAG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 2 AZR 241/12 –, Rn. 15, juris; Urteil vom 24. September 1992 - 8 AZR 557/91 – Rn.30, juris).
95Gründe, die zur fristlosen Kündigung berechtigen, sollen zwar stets auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 S. 1 unzumutbar machen. Andererseits könnten schon solche Tatsachen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 S. 1 unzumutbar machen, die für eine fristlose Kündigung nicht ausreichen. Je schwerwiegender die Sozialwidrigkeit der Kündigung jedoch ist, desto geringer sind die Anforderungen an zusätzliche Gründe, die zur Feststellung der Unzumutbarkeit führen. Belastet der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch den Ausspruch einer „offensichtlich“ unbegründeten Kündigung erheblich, werden regelmäßig schon geringfügige weitere Gründe genügen, um den Auflösungsantrag des Arbeitnehmers zu rechtfertigen (Biebl, Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht 7. Auflage 2024 § 9 KSchG Rn. 35; Pleßner, BeckOK Arbeitsrecht, 75. Edition Stand: 01.03.2025, § 9 KSchG Rn. 33).
96Das Verhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, bei oder nach Ausspruch der Kündigung, kann die Annahme der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses begründen.
97Vor Ausspruch der Kündigung kommt etwa eine erhebliche Ehrverletzung durch herabsetzende Äußerungen über die beruflichen Fähigkeiten des Arbeitnehmers als Auflösungsgrund in Betracht (BAG, Urteil vom 27. März 2003 – 2 AZR 9/02 –, Rn. 36, juris; BAG, Urteil vom 26. November 1981 – 2 AZR 509/79 –, Rn. 25, juris; Pleßner, BeckOK Arbeitsrecht, 75. Edition Stand: 01.03.2025, § 9 KSchG Rn. 35). Weiter können solche Umstände eine Unzumutbarkeit begründen, die den Schluss nahelegen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Falle der Rückkehr in den Betrieb unkorrekt behandeln wird (KR-Spilger, 12. Auflage 2019, § 9 KSchG, Rn. 51).
98b) Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist für die Klägerin unzumutbar.
99Die Kammer folgt insoweit in Gänze der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts.
100Im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz wird noch Folgendes ergänzt: Die Entschuldigungskarte des Geschäftsführers Ba samt Blumenstrauß ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts. Denn sein anschließendes Verhalten nach der Ablehnung der Klägerin, mit ihm eine Therme zu besuchen, zeigt, dass die Klägerin auch zukünftig Repressalien zu befürchten hat. Zum einen forderte Herr Ba an die Klägerin als Geschenk übereignete Gegenstände zurück und ließ sie auch tatsächlich zwei Tage später abholen. Dieses Verhalten war rechtswidrig, da die Klägerin durch die Übergabe der Gegenstände im Rahmen einer Schenkung deren rechtmäßige Eigentümerin geworden war und ein Herausgabeanspruch des Geschäftsführers nicht ersichtlich ist. Ebenfalls rechtswidrig forderte er den Dienstwagen und die Tankkarte zurück, die der Klägerin bisher im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses überlassen worden waren. Die Beklagte irrt, wenn sie meint, die Klägerin habe keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf das Auto, weil es keine schriftliche Vereinbarung hierzu gebe. Sie hat der Klägerin mit der Gestellung des Dienstwagens (auch zur privaten Nutzung) konkludent ein Vertragsangebot auf eine Lohnerhöhung durch Gewährung eines Sachbezugs gemacht, den sie auch entsprechend abgerechnet hat. Dieses Angebot hat die Klägerin durch Nutzung des PKWs ebenfalls konkludent angenommen. Die dadurch entstandene vertragliche Bindung konnte Herr Ba nicht mehr einseitig beseitigen. Er hat dies dennoch mit seiner Ankündigung, die Klägerin dürfe den Wagen noch so lange behalten, bis sie sich selbst einen besorgt habe, versucht. Gleiches gilt für die Forderung nach Rückgabe der Tankkarte.
101Schließlich zeigt der Ausspruch der Kündigung 4 Tage nach der vermeintlichen Entschuldigung und nach Ablehnung der Offerte, mit in eine Therme zu gehen, dass die Nachhaltigkeit der Entschuldigung nicht allzu hoch einzuschätzen ist. Der Geschäftsführer hat damit gezeigt, dass er die Zurückweisung privater Annäherungsversuche zum Anlass nimmt, die einschneidendste arbeitsrechtliche Maßnahme, die einem Arbeitgeber zur Verfügung steht, nämlich die Kündigung, zu ergreifen.
102Den Umstand, dass der Geschäftsführer seine Nachrichten teilweise wieder gelöscht hat, nachdem die Klägerin sie bereits gelesen hatte, hält die Kammer für irrelevant. Die Beleidigungen, Forderungen und Anweisungen hatten ihre Adressatin erreicht. Eine Mitteilung, dass an den Erklärungen nicht festgehalten wird, erfolgte nicht. Mit der Löschung könnte auch nur das Ziel verfolgt worden sein, eine Dokumentation des arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens zu vermeiden.
103Soweit die Beklagte behauptet, Pflichtverletzungen der Klägerin seien der Grund für die Kündigung gewesen, weshalb diese nicht in hohem Maße sozialwidrig sei, ist ihr Vortrag unschlüssig und unsubstantiiert.
104Die einzige konkret vorgetragene Pflichtverletzung, die Überschreitung des Bestelllimits, soll die Klägerin mehr als ein Jahr vor Ausspruch der Kündigung begangen haben. Abgesehen davon, dass die Klägerin unwidersprochen im Kammertermin erläutert hat, dass sie eigenmächtig keine Bestellungen und Warenversendungen vorgenommen hat, weil alles erst über den Schreibtisch des Geschäftsführers gehen musste, bevor es „rausging“, hätte es einer näheren Erläuterung durch die Beklagte bedurft, warum sie eine einmalige Pflichtverletzung nach mehr als einem Jahr Zuwarten zum Anlass für eine Kündigung nehmen will.
105Die übrigen behaupteten Pflichtverletzungen sind so pauschal vorgetragen, dass der Klägerin bis auf ein einfaches Bestreiten keine nähere Einlassung hierzu möglich war. Die Beklagte ist diesbezüglich ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Weder ist klar, um welche Arbeitsanweisung es sich Anfang Februar gehandelt haben soll, die die Klägerin nicht befolgt hat, inwiefern von der Klägerin hinterlegte Rabatte falsch waren, noch, in welcher Hinsicht die Überwachung der Zahlungseingänge unzureichend erledigt wurde.
106Angesichts der privaten WhatsApp-Nachrichten des Geschäftsführers Ba, der teilweise eine sofortige Antwort erwartete (siehe Anfrage nach Thermenbesuch), ist auch der Vorwurf übermäßiger privater Nutzung des Handys nicht ohne Weiteres als vorwerfbare Pflichtverletzung anzusehen.
107Der pauschal behauptete erfolglose Einsatz in verschiedenen Abteilungen des Unternehmens ist angesichts der klägerischen Gehaltsentwicklung zwischen Januar 2021 bis Februar 2024 von 4500 Euro (siehe § 3 Arbeitsvertrag) auf 7744,75 Euro mindestens näher erklärungsbedürftig.
108Zur Beurteilung der Zumutbarkeit war eine Kenntnis des dem 19.02.2024 vorhergehenden WhatsApp-Verkehrs zwischen der Klägerin und Herrn Ba nicht notwendig. Hierbei unterstellt die Kammer zugunsten der Beklagten die Behauptung als richtig, dass der Chat Ausdruck eines freundschaftlichen Verhältnisses mit Flirtelementen war, bei dem der Kontakt auch von der Klägerin gesucht wurde.
109Dies erscheint völlig unproblematisch, so lange dieses private Verhältnis keine negative Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis hatte.
110Die Äußerungen ab dem 19.02.2024 zeigen zum einen von Seiten des Geschäftsführers kein freundschaftliches Verhältnis mehr. Vielmehr meint er sich das Recht herausnehmen zu können, der Klägerin erst sexuell anzügliche Arbeitsanweisungen geben zu dürfen und sie im Folgenden beleidigen zu dürfen, ohne dass die Klägerin hierzu in irgendeiner Weise Anlass gegeben hätte. Zum anderen war es der Geschäftsführer, der jedenfalls ab dem 19.02.2024 seinen Unmut über die Entwicklung des privaten Verhältnisses in das Arbeitsverhältnis hineintrug und arbeitsrechtliche Sanktionen für das seiner Ansicht nach fehlende Wohlverhalten der Klägerin im privaten Bereich ankündigte. Dieses jedenfalls ab Februar 2024 seine Machtstellung als Geschäftsführer missbrauchende Verhalten von Herrn Ba zur Durchsetzung privater Belange ist der Grund für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Es wird durch ein friedliches Miteinander der beiden Protagonisten in den Jahren zuvor nicht relativiert.
111Da der Geschäftsführer offenbar seine Wünsche und Drohungen gerne über WhatsApp kommuniziert, ist der Hinweis der Beklagten, wegen seiner überwiegenden Home-Office-Tätigkeit bestünden bei einer Rückkehr der Klägerin in den Betrieb keine Berührungspunkte, nicht geeignet, um von einer Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Denn die digitale Kontaktmöglichkeit bleibt bestehen.
112Der Hinweis der Beklagten, die Klägerin hätte sich den Nachrichten durch Wechsel der Mobilnummer oder durch Blockieren des Geschäftsführers leicht entziehen können, offenbart, dass sie den Kern des Problems nicht erkennt. Wenn die falsche Anrede („mein Bester“ anstatt „Mein Schatz“) bereits zu einem Wutausbruch mit Beleidigungen und arbeitsrechtlichen Sanktionen führt, dann hätte die Klägerin bei einem von ihr vollzogenen Kontaktabbruch mit noch gravierenderen arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Die Klägerin war aufgrund ihrer Abhängigkeit im Arbeitsverhältnis eben nicht frei, das private Verhältnis zu dem Geschäftsführer nach ihren Wünschen zu gestalten und gegebenenfalls auch zu beenden.
113c) Der von der Klägerin mit der Kündigungsschutzklage hilfsweise für den Fall einer fehlenden Erklärung im Gütetermin und eines Obsiegens in der Hauptsache gestellte Weiterbeschäftigungsantrag stellt kein widersprüchliches Verhalten dar, welches die Berufung auf Auflösungsgründe treuwidrig erscheinen lässt.
114Das Stellen eines Weiterbeschäftigungsantrages im Kündigungsschutzprozess ist nicht treuwidrig oder gar rechtsmissbräuchlich im Hinblick auf einen Auflösungsantrag. Der (seinerseits hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag) gestellte Auflösungsantrag kann sogar ergänzt werden um einen höchst hilfsweisen Weiterbeschäftigungsantrag, falls der Auflösungsantrag abgewiesen wird (Teschner, beckonline.Großkommentar Stand: 01.03.2025, § 9 KSchG Rn. 97; KR-Spilger, 12. Aufl. 2019, § 9 KSchG Rn. 57). Widersprüchliches Verhalten wird teilweise sogar dann abgelehnt, wenn der Arbeitnehmer in einem vorangegangenen Kündigungsschutzprozess sich erfolgreich gegen die arbeitgeberseitig beantragte Auflösung gewehrt hat, im Folgeprozess um eine erneute arbeitgeberseitige Kündigung nunmehr seinerseits einen Auflösungsantrag stellt und diesen u. a. auf Tatsachen stützt, welche schon im Zeitpunkt des Vorprozesses vorgelegen haben (vgl. LAG Hamm (Westfalen), Urteil vom 26. Mai 2011 – 8 Sa 95/11 –, Rn. 23ff, juris; Pleßner, BeckOK Arbeitsrecht, 75. Edition Stand: 01.03.2025 § 9 KSchG Rn. 41; a.A. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17. September 2014, 3 Sa 53/14, Rn. 26, juris).
115Jedenfalls war in der vorliegenden von Rechtsanwälten oft standardmäßig vorgenommenen Verknüpfung des Kündigungsschutzantrags mit einem Weiterbeschäftigungsantrag bei Einreichung der Klage nicht die materiell-rechtliche Aussage zu sehen, es lägen keine Auflösungsgründe vor und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei zumutbar. Die Beklagte kann sich mit ihrer Rechtsansicht nicht auf das Urteil des Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (vom 17. September 2014, 3 Sa 53/14, juris) stützen. Denn in dem dort zu entscheidenden Fall hatte die Klägerin in der Klageschrift, anders als hier, ausdrücklich argumentiert, das Arbeitsverhältnis sei gerade nicht zerrüttet. Vorliegend hat sich die Klägerin zu dieser Frage in der Klageschrift nicht geäußert.
116Die Beklagte selbst hat den Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin im Übrigen nicht als eine positive Aussage zu der Zumutbarkeit einer Fortsetzung verstanden. Unabhängig davon, ob diese Rechtsauffassung richtig ist, hat sie dem Weiterbeschäftigungsantrag keine Bedeutung beigemessen. Sie hat nämlich in ihrem Schriftsatz vom 22.05.2024 ausgeführt, dass es sich bei dem Antrag um eine bloße Absichtserklärung handelt, dieser also noch gar nicht rechtshängig geworden ist und eine förmliche Antragsstellung i.S.d. § 261 Abs. 2 ZPO gegebenenfalls erst noch erfolgen muss. Es liege lediglich eine Ankündigung einer Klageerweiterung vor, die noch nicht rechtshängig gemacht worden sei.
117Nach dieser Auffassung der Beklagten war die Klägerin also frei, auf das Anerkenntnis des Kündigungsschutzantrags mit einem Auflösungsantrag zu reagieren und den Weiterbeschäftigungsantrag, wie tatsächlich geschehen, im Kammertermin nicht mehr zu stellen. Sich später darauf zu berufen, dass der Weiterbeschäftigungsantrag doch bereits gestellt war und dies widersprüchlich ist, erscheint seinerseits widersprüchlich zu sein.
118Aufgrund der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen über eine Trennung der Parteien und der Forderung der Klägerin nach einer Verpflichtung des Geschäftsführers Ba, jeglichen Kontakt zu ihr persönlich oder durch Dritte zu unterlassen, hat die Klägerin zudem bereits vor dem Anerkenntnis gegenüber der Beklagten deutlich gemacht, dass sie keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mehr anstrebt.
119d) Die Abfindung war auf 68.153,80 Euro brutto festzusetzen. Sie ergibt sich aus dem Berechnungsansatz von 2 Gehältern pro Beschäftigungsjahr. Nur hinsichtlich des Differenzbetrags zu den erstinstanzlich ausgeurteilten 70.0000 Euro hat die Berufung Erfolg.
120aa) Die Bemessung der Abfindung im Einzelfall liegt innerhalb der Höchstgrenzen des § 10 Abs. 1 und 2 KSchG im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Angemessenheit der Abfindung im Einzelfall ist die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. Biebl, Ascheid/Preis/Schmidt, 7. Auflage 2024, § 10 KSchG Rn. 20). Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, festzulegen, welche Umstände mit welchem Gewicht bei der Bemessung der Abfindung maßgeblich sein sollen. Die Angemessenheit der Abfindung hat sich an ihrem Zweck zu orientieren, der in erster Linie darin besteht, dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu gewähren, die sich aus dem an sich nicht gerechtfertigten Verlust des Arbeitsplatzes ergeben. Die Abfindung beinhaltet außerdem eine Sanktion, die den Arbeitgeber davon abhalten soll, in Zukunft sozial ungerechtfertigte Kündigungen auszusprechen (BAG, Urteil vom 15.02.1973 - 2 AZR 16/72 -, Rn. 18, juris; ErfK-Kiel, 25. Aufl. 2025, § 10 KSchG, Rn.4). Als Bemessungsfaktor für die Höhe der Abfindung kommt neben der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter auch das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung in Betracht (vgl. BAG, Urteil vom 20.11.1997 – 2 AZR 803/96 –, Rn. 53; Urteil vom 25.11.1982 – 2 AZR 21/81-, Rn. 80; Urteil vom 15.02.1973 - 2 AZR 16/72 -, Rn. 23, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.03.2022 - 25 Sa 335/20 -, Rn. 324, juris; ErfK-Kiel, 25. Aufl. 2025, § 10 KSchG, Rn. 6). Es ist grundsätzlich eine besonders hohe Abfindung festzusetzen, wenn der Arbeitgeber die Auflösungsgründe zwar nicht arglistig, aber doch schuldhaft herbeigeführt hat (BAG, Urteil vom 15.02.1973 - 2 AZR 16/72 -, Rn. 23, juris). Die Abfindung hat zusätzlich die Funktion, die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen ideellen Nachteile wie die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen psychischen Belastungen auszugleichen (BAG, Urteil vom 29.02.1972, 1 AZR 176/71, Rn. 29, juris; KR-Spilger, 12. Aufl. 2019, § 10 KSchG Rn. 65). Ihr kommt ähnlich dem Schmerzensgeld bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Genugtuungsfunktion zu (Biebl, Ascheid/Preis/Schmidt, 7. Auflage 2024, § 10 KSchG Rn. 29; ErfK-Kiel, 25. Aufl. 2025, § 10 KSchG, Rn. 6).
121bb) Die Berechnung der Abfindung orientiert sich zunächst am monatlichen Bruttoeinkommen der Klägerin in Höhe von 7744,75 Euro und der Dauer der Betriebszugehörigkeit von 4 Jahre und 5 Monate = 4,4. Hierbei geht die Kammer als Basis einer Abfindungsberechnung gem. § 10 KSchG von einem Gehalt pro Beschäftigungsjahr aus.
122Die sogenannte Regelabfindung von einem halben Gehalt pro Beschäftigungsjahr wird in der Arbeitsgerichtsbarkeit angewendet, wenn die Wirksamkeit der Kündigung noch im Streit steht und das Ergebnis des Rechtsstreits ungewiss ist (vgl. Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 19. Mai 2015 – 4 Sa 46/15 –, Rn. 52, juris). Bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist hingegen bereits klar, dass die Kündigung sozialwidrig und unwirksam ist, so dass für die Kammer ein Gehalt pro Beschäftigungsjahr die angemessene Basisbewertung darstellt.
123Dieser Faktor 1 ist um 0,5 Punkte heraufzusetzen, weil die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung grob sozialwidrig war. Das Arbeitsgericht hat dies bereits zutreffend ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen. Wie oben dargelegt, hat die Beklagte keine Pflichtverletzungen substantiiert vorgetragen, die dieses Ergebnis in Frage stellen könnten.
124Darüber hinaus ist wegen der erheblichen Herabwürdigung der Person der Klägerin, wegen der mit dem Arbeitsplatzverlust verbundenen psychischen Belastung der Klägerin, die sich in ihrer seit Mai 2024 fortdauernden Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung zeigt, und nicht zuletzt wegen der Genugtuungsfunktion der Abfindung im vorliegenden Fall eine Erhöhung des Faktors um weitere 0,5 angezeigt, um die genannten Aspekte auszugleichen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Auflösungsgründe in Form der Ehrverletzungen und der Androhung bzw. Umsetzung rechtswidriger arbeitsrechtlicher Sanktionen vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Beklagte trifft insoweit ein hohes Maß an Auflösungsverschulden.
125Abfindungsmindernde Aspekte erkennt die Kammer nicht. Das Alter der Klägerin, welches im Hinblick auf das AGG eher als Kriterium der Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu umschreiben ist (vgl. ErfK-Kiel, 25. Aufl. 2025, § 10 KSchG, Rn. 5), führt nicht zu einer Absenkung der Abfindung, zumal die Klägerin über ein Jahr nach der Kündigung noch kein neues Arbeitsverhältnis hat.
1262. Der Klägerin steht gem. § 109 GewO ein Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses zu.
127a) Die Klage ist zulässig.
128Es mag sein, dass dem Antrag bei Einreichung der Klage noch das Rechtsschutzbedürfnis fehlte. Jetzt ist das Rechtsschutzbedürfnis jedoch zu bejahen.
129Aus der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des LAG Köln ergibt sich, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Erteilung eines qualifizierten (Zwischen-) Zeugnisses dann besteht, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zuvor zur Erteilung eines solchen Zeugnisses aufgefordert hat, der Arbeitgeber sich aber weigert, ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen oder die Zeugniserteilung unangemessen verzögert (LAG Köln, Beschluss vom 16. Mai 2013 – 7 Ta 98/13 –, Rn. 2, juris).
130Die Klägerin hat von der Beklagten im März 2024 mit ihrer Klage die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verlangt.
131Spätestens mit Zustellung der Klage wusste die Beklagte, dass die Klägerin die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses begehrt und damit ihr Wahlrecht zugunsten eines qualifizierten Zeugnisses ausgeübt hat. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Bonn hat die Klägerin die Erteilung des Zeugnisses neben dem Auflösungsantrag nicht nur im Wege eines unechten Hilfsantrags, sondern unbedingt verlangt. Diesem Begehren ist die Beklagte über viele Monate hinweg nicht nachgekommen und hat die Zeugniserteilung damit unangemessen verzögert. Daher liegt spätestens jetzt das Rechtsschutzbedürfnis für die Zeugnisklage vor.
132b) Der Klageantrag ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte angesichts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 109 Abs. 1 GewO einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten, endgültigen Arbeitszeugnisses.
133III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Für die erstinstanzliche Entscheidung verbleibt es bei der ausgeurteilten Kostenquotelung wegen der Klagerücknahme, für das Berufungsverfahren waren der Beklagten aufgrund der nur geringfügigen Abweichung von der erstinstanzlich festgesetzten Abfindung gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Kosten alleine aufzuerlegen.
134Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.