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Dem Arbeitgeber kann weder die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung noch die eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zugerechnet werden.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.07.2024 – Aktenzeichen 18 Ca 1075/24 –wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
3Der Kläger war seit 1987 bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 21.01.1991 nimmt unter anderem Bezug auf die Arbeitsordnung der Beklagten und enthält zudem folgende Regelung:
4„Das Arbeitsverhältnis endet – ohne das es einer Kündigung bedarf – mit dem Zeitpunkt, von dem an Sie Altersruhegeld beziehen, spätestens mit dem letzten Arbeitstag des Monats, in dem Sie das gesetzliche Rentenalter erreichen oder in dem Ihnen durch Zustellung des Bescheids eines Sozialversicherungsträgers die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mitgeteilt wird. Der Rentenbescheid ist der Personalabteilung nach Zugang unverzüglich vorzulegen.“
5Eine entsprechende Regelung enthielt auch die Arbeitsordnung der Beklagten.
6Mit Wirkung zum 01.03.2011 wurde dem Kläger auf seinen Antrag hin von der Rentenversicherung eine bis zum 30.09.2013 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt (Bl. 32 der erstinstanzlichen Akte).
7Als der Kläger den entsprechenden Bescheid der Beklagten am 03.11.2011 übergab, legte diese ihm ein Schreiben folgenden Inhalts vor, welches beide Parteien unterschrieben:
8„Ende des Arbeitsverhältnisses wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit – Wiedereinstellungszusage
9Sehr geehrter Herr Y,
10gemäß dem uns am 03.11.2011 von Ihnen vorgelegten Bescheid Ihres Sozialversicherungsträgers erhalten Sie ab dem 01.12.2011 eine Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung bis zum 30.09.2013.
11Die Arbeitsordnung der F- GmbH in der Fassung vom 1. Mai 2003 regelt gemäß Ziff. L, Ende des Beschäftigungsverhältnisses - Beendigungsarten -, Nr. 1, unter anderem, dass mit dem Zeitpunkt, in dem dem Beschäftigten durch die Zustellung des Bescheides eines Sozialversicherungsträgers die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mitgeteilt wird, das Arbeitsverhältnis endet.
12Zu den nachstehenden Bedingungen sichern wir Ihnen Ihre Wiedereinstellung zu
13- mit dem Angebot für eine zumutbare Tätigkeit, sobald rechtskräftig das Ende Ihrer vollen Erwerbsminderung festgestellt wurde,
14- wenn Ihr Arbeitsangebot spätestens am Tage nach dieser Feststellung in der für Sie zuständigen Personalabteilung erfolgt,
15- und der betriebsärztliche Dienst (Gesundheitsdienst der F- GmbH) Ihre Einsatzfähigkeit für die angebotene oder eine andere vergleichbare Tätigkeit festgestellt hat.
16Ihre bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zurückgelegte Betriebszugehörigkeit wird Ihnen angerechnet, wenn während der Zeit Ihrer vollen Erwerbsminderung kein anderes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
17Bitte legen Sie dieses Schreiben mit Ihrem Arbeitsangebot vor.
18Ihr Einverständnis mit diesen Regelungen bestätigen Sie uns bitte durch Ihre Unterschrift.“ (Bl. 33 der erstinstanzlichen Akte)
19Nachfolgend gewährte die Beklagte dem Kläger für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit eine Betriebsrente. Ziff. 2 c) (1) der Versorgungsregelung der F Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung regelt unter der Überschrift Versorgungsleistungen bei Arbeitsunfähigkeit, dass Arbeitsunfähigkeit auch vorliegt, wenn ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit festgestellt hat und deswegen Rente gewährt, sowie, dass die Arbeitsunfähigkeitsrente erstmals für den Monat gezahlt wird, der auf die wirksame Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses folgt (Bl. 80 der Akte).
20Der Kläger stellte weitere Anträge auf Gewährung einer – befristeten – Erwerbsunfähigkeitsrente. Die letzte befristete Rentengewährung endete zum 29.02.2020. Sein Antrag auf Gewährung einer unbefristeten Erwerbsunfähigkeitsrente wurde von der Rentenversicherung abgelehnt. In dem hiergegen gerichteten Verfahren vor dem Sozialgericht nahm der Kläger, nachdem Gutachten seine Erwerbsfähigkeit bestätigten und das Sozialgericht ihm einen entsprechenden Hinweis erteilt hatte, seine diesbezügliche Klage am 27.11.2023 zurück. Am gleichen Tag informierte er die Beklagte über die erfolgte Klagerücknahme unter Hinweis auf die ihm erteilte Wiedereinstellungszusage. Die Beklagte lehnte eine Wiedereinstellung mit der Begründung ab, der Kläger habe sich zu spät bei ihr gemeldet und deswegen den Anspruch auf Wiedereinstellung verwirkt.
21In der Personalakte befindet sich ein Antrag des Klägers vom 19.05.2005, in dem er mitteilt, dass er bei seinem zuständigen Versorgungsamt einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt hat und für den Fall einer rückwirkenden Anerkennung den ihm zustehenden Zusatzurlaub fordert. Auf einen Widerspruch vom 16.09.2010 hin wurde dem Kläger mit Bescheid vom 02.03.2010 ein Grad der Behinderung von 50% ab dem 25.02.2010 zuerkannt (Bl. 95 der Akte).
22Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Arbeitsvertrag sehe unstreitig vor, dass das Arbeitsverhältnis u. a. dann endet, wenn dem Kläger eine EU-Rente gewährt wird. Wie die Beklagte zutreffend erkannt habe, stehe der Arbeitsvertrag insoweit unter einer auflösenden Bedingung, die unstreitig eingetreten sei und von der der Kläger die Beklagte unverzüglich in Kenntnis gesetzt habe. Ihm sei bekannt gewesen, dass mit der Rentengewährung das Arbeitsverhältnis beendet gewesen sei – was u. a. zur Folge gehabt habe, dass er fortan von der Beklagten eine Betriebsrente erhielt. Er habe gar keine Veranlassung gehabt, eine ihm günstige Vereinbarung – nämlich die Zusage der Weiterbeschäftigung bei wegfallender Verrentung, mittels einer Klage zu attackieren und dies auch noch innerhalb von drei Wochen. Von einer Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei bei Unterzeichnung der Wiedereinstellungszusage keine Rede gewesen, und zwar schon deswegen, weil sein Wiedereinstellungsinteresse im Falle einer Beendigung der Rentengewährung durch die ihm zugesagte Wiedereinstellungszusage hinreichend abgedeckt gewesen sei.
23Mit Schriftsatz vom 09.07.2024 hat er sodann die Auffassung vertreten, dass es an einer formwirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt.
24Im Übrigen hat er behauptet, dass er wieder leistungsfähig und bei der Beklagten entsprechend der Wiedereinstellungszusage einsetzbar sei.
25Der Kläger hat beantragt,
26festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet ist, sondern unverändert weiter fortbesteht.
27Hilfsweise:
28festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Wiedereinstellungszusage der Beklagten vom 03.11.20211 nicht beendet worden ist, sondern weiterhin zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
29Die Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsverhältnis durch den Eintritt der auflösenden Bedingung der Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente, die im Arbeitsvertrag vereinbart worden sei und in der in Bezug genommenen Arbeitsordnung wortgleich geregelt sei, beendet worden ist. Mit dem Schreiben, in dem die Wiedereinstellungszusage enthalten sei, sei der Kläger über den Eintritt dieser auflösenden Bedingung unterrichtet worden. Daher habe der Kläger mit seiner im Februar 2024 erhobenen Klage die Klagefrist der §§21, 17 Satz 2 TzBfG versäumt.
32Indem der Kläger sein Arbeitsangebot erst am Tag der sozialgerichtlichen Klagerücknahme gemacht habe, habe er die in der Wiedereinstellungszusage gestellte Frist von einem Tag nach Feststellung des Endes der vollen Erwerbsminderung nicht eingehalten. Darüber hinaus hat sie seine Einsatzfähigkeit bestritten. Dies habe eine Untersuchung des Betriebsarztes ergeben.
33Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.05.2024 die Parteien darauf hingewiesen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Versäumung der Klagefrist beendet sein dürfte und der zwischen den Parteien bestehende Streit über die Frage eines Wiedereinstellungsanspruchs nicht streitgegenständlich sei.
34Mit Urteil vom 10.07.2024 hat das Arbeitsgericht Köln die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund des Eintritts der auflösenden Bedingung, nämlich der Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente, sowie des Eintritts der Fiktionswirkung nach § 21 i.V.m. § 17 Satz 2 TzBfG i.V.m. § 7 KSchG wegen Versäumung der Klagefrist sein Ende gefunden hat. Es sei zwischen den Parteien auch kein neues Arbeitsverhältnis durch die Mitteilung des Klägers über das Ende der Erwerbsunfähigkeit begründet worden, weil es an einer entsprechenden Willenserklärung der Beklagten fehle. Diese sei nicht bereits in der Wiedereinstellungszusage aus dem Jahr 2011 enthalten. Der Klageantrag des Klägers könne auch nur so ausgelegt werden, dass er den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geltend mache. Denn er habe trotz des Hinweisbeschlusses des Gerichts keinen Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung gestellt.
35Gegen das ihm am 29.07.2024 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.08.2024 Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt und diese nach Verlängerung bis zum 29.10.2024 am 29.10.2024 begründet.
36Er ist der Auffassung, dass vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2011 die Zustimmung des Integrationsamtes notwendig gewesen sei. Ohne diese Zustimmung habe die Klagefrist nicht zu laufen begonnen. Die Schwerbehinderung sei der Beklagten bereits im Jahr 2010 bekannt gewesen. Denn die Gesamtschwerbehindertenvertretung der Beklagten habe sein Antrags– und erfolgreiches Widerspruchsverfahren bis hin zur Erteilung des Widerspruchsbescheids vom 02.03.2011 geführt. Beantragung und Bewilligung eines Grades der Behinderung von 50% ab 25.02.2010 seien dieser Abteilung und damit der Beklagten seither bekannt. Seine Schwerbehinderung habe er zudem seinem unmittelbaren Vorgesetzten und Kolonnenführer sowie den übrigen Mitgliedern der Schwerbehindertenvertretung umgehend nach Eingang des Widerspruchbescheids mitgeteilt.
37Der Kläger ist der Auffassung, dass er sein Recht nicht verwirkt habe, sich auf die fehlende Wirksamkeit der auflösenden Bedingung wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamts zu berufen. Denn ihm sei die Notwendigkeit der Beteiligung des Integrationsamtes bis jetzt nicht bekannt gewesen. Auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Unterzeichnung des „Wiedereinstellungsschreibens“ scheitere an der fehlenden Zustimmung des Integrationsamtes.
38Er habe sein Arbeitsangebot nicht verspätet abgegeben. Der in der Berufung gestellte neue Hilfsantrag rechtfertige sich daraus, dass er nach den Attesten seiner Ärzte uneingeschränkt arbeitsfähig und an seinem alten Arbeitsplatz, jedenfalls als Prüfer in der Endkontrolle einsetzbar sei.
39Der Kläger beantragt,
401.) unter Aufhebung des auf die mündliche Verhandlung vom 10.7.2024 ergangenen erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Köln 18 Ca 1075/24 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet ist, sondern unverändert fortbesteht,
412.) hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Wiedereinstellungszusage der Beklagten vom 3.11.2011 nicht beendet worden ist, sondern weiterhin zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,
423.) äußerst hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte den Kläger ab dem 27.11.2023 als Prüfer in der Endkontrolle zu beschäftigen hat.
43Die Beklagte beantragt,
44die Berufung zurückzuweisen.
45Sie bestreitet, von der Schwerbehinderung des Klägers gewusst zu haben. Die Personalakte enthalte nach dem in 2005 vorsorglich gestellten Antrag auf Gewährung von Zusatzurlaub keine Informationen darüber, ob und wie über den Antrag des Klägers entschieden worden sei. Insbesondere liege ihr kein entsprechender Bescheid vor. Zusatzurlaub habe der Kläger nie erhalten. Sie bestreite die Kenntnis des Kolonnenführers und Fachvorgesetzten S mit Nichtwissen. Etwaige Kenntnisse der Schwerbehindertenvertretung und des Fachvorgesetzten seien ihr zudem nicht zurechenbar. Bei den Kolonnenführern bei der Beklagten handele es sich um normale Produktionsmitarbeiter, die mit ihrer Arbeitsgruppe die entsprechenden Arbeiten ausführten und die zusätzlich Koordinierungs- und Aufsichtsfunktionen ausübten. Dabei entlaste der Kolonnenführer den vorgesetzten Meister, indem er die vom Meister gemachten Vorgaben und Anweisungen an die Mitarbeiter weitergebe und damit sozusagen als „Sprachrohr des Meisters“ agiere.
46Die Beklagte ist zudem der Auffassung, dass der Kläger sein Recht zur Klageerhebung verwirkt habe. Durch den jahrelangen Bezug der betrieblichen Arbeitsunfähigkeitsrente, für den die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach der Versorgungsordnung Voraussetzung war, habe der Kläger bei der Beklagten den Eindruck erweckt, sein Recht nicht mehr wahrnehmen zu wollen. Damit sei neben dem Zeitmoment auch das erforderliche Umstandsmoment erfüllt.
47Zudem sei das Arbeitsverhältnis durch Unterzeichnung des mit „Ende des Arbeitsverhältnisses wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit Wiedereinstellungszusage“ überschriebenen Textes durch beide Parteien einvernehmlich beendet worden. Aufhebungsverträge bedürften für ihre Wirksamkeit keiner Zustimmung des Integrationsamtes.
48Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Wiedereinstellungszusage bestehe nicht mangels eines rechtzeitigen Arbeitsangebots und der Einsatzfähigkeit des Klägers.
49Der Kläger hat in der Kammersitzung vom 26.03.2025 klargestellt, dass die Anträge zu 2. und 3. unechte Hilfsanträge für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. seien.
50Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
51E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
52A. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 Arb-GG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
53B. Die Berufung ist jedoch zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist.
54I. Ein Arbeitsverhältnis besteht zwischen den Parteien nicht, so dass der Hauptantrag von dem Arbeitsgericht zurecht abgewiesen wurde.
551. Mit seinem Hauptantrag will der Kläger den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten geltend machen. Der Antrag kann insbesondere nicht als Leistungsantrag gerichtet auf die Abgabe einer Willenserklärung zur Neubegründung des Arbeitsverhältnisses verstanden werden. Dieser in seinem Urteil ausführlich begründeten Auslegung seines Antrags durch das Arbeitsgericht ist der Kläger in der Berufungsbegründung nicht entgegengetreten, so dass sie auch von dem Berufungsgericht der Entscheidung zugrunde gelegt wird.
562. Das ursprünglich bestandene Arbeitsverhältnis der Parteien hat infolge des mit Bescheid vom 25.10.2011 gewährten Bezugs der Erwerbsunfähigkeitsrente durch den Kläger und der entsprechenden Mitteilung der Beklagten an den Kläger im Rahmen der am 03.11.2011 übergegebenen Wiedereinstellungszusage spätestens am 17.11.2011 gem. §§ 21, 15 Abs.2 TzBfG sein Ende gefunden. Denn die Parteien haben als auflösende Bedingung im Arbeitsvertrag vereinbart, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Zeitpunkt endet, in dem dem Kläger durch Zustellung des Bescheids eines Sozialversicherungsträgers die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mitgeteilt wird.
57a) Etwaige rechtliche Mängel der entsprechenden auflösenden Bedingung sind aufgrund der Fiktionswirkung nach § 21 iVm. § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG unbeachtlich. Die dreiwöchige Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe – so beispielsweise auch die Nichteinhaltung des Zustimmungserfordernisses gem. § 175 SGB IX, der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG, oder des Grundrechtsschutzes aus Art. 12 Abs. 1 GG (BAG, Urteil vom 09.02.2011 – 7 AZR 221/10 –, Rn. 17, juris; Urteil vom 15.02.2012 – 10 AZR 111/11 –, Rn. 40, juris; Urteil vom 18.10.2006 – 7 AZR 662/05 –, Rn. 19ff, juris).
58b) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die dreiwöchige Klagefrist der
59§§ 21, 17 Satz 1 TzBfG spätestens am 17.11.2011 in Lauf gesetzt und konnte daher mit der Klageerhebung am 20.02.2024 nicht mehr gewahrt werden.
60aa) Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG beginnt im Fall von Kündigungen nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts wegen der Ausnahmeregelung des § 4 Satz 4 KSchG erst, wenn dem Arbeitnehmer eine Zustimmung des Integrationsamts zu der beabsichtigten Kündigung mitgeteilt wurde. Zentrales Argument ist die nach dem Gesetzeszweck gebotene unterschiedliche Behandlung der Kenntnis und der Unkenntnis des Arbeitgebers von den Umständen, die den Sonderkündigungsschutz begründen. § 4 Satz 4 KSchG will ein Informationsdefizit des Arbeitnehmers im Hinblick auf die erforderliche behördliche Zustimmung ausgleichen. Kennt der Arbeitgeber die Umstände, die den Sonderkündigungsschutz auslösen, dagegen nicht, kann kein Informationsdefizit des betroffenen Arbeitnehmers ausgeglichen werden (vgl. BAG, Urteil vom 09.03.2011 – 7 AZR 221/10 –, Rn. 21, juris; vom 19.02.2009 - 2 AZR 286/07 - Rn. 29, juris).
61Für die Bedingungskontrollklage eines schwerbehinderten Menschen gilt hinsichtlich der Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG dasselbe. Die analoge Anwendung des für das Kündigungsschutzrecht vorgesehenen § 4 Satz 4 KSchG auf die auflösende Bedingung bei Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung ist aufgrund der vergleichbaren Interessenlage geboten. Der nötige Interessenausgleich ist - wie im Fall des Sonderkündigungsschutzes - herzustellen zwischen dem von §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG geschützten Interesse an Rechtsklarheit sowie Rechtssicherheit und dem in §§ 175, 168 SGB IX, § 4 Satz 4 KSchG ausgedrückten besonderen Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer vor der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Dieser besondere Schutz wird durch die vorherige behördliche Zustimmung gewährleistet. Der besondere Beendigungsschutz tritt im Fall der auflösenden Bedingung zurück, wenn der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis mit einem Schwerbehinderten beenden möchte, die Schwerbehinderung bei Zugang der Beendigungsmitteilung iSv. § 15 Abs. 2 TzBfG nicht kennt. Zwischen bekannten und unbekannten Umständen eines behördlichen Beendigungsschutzes ist zu unterscheiden. Kennt der Arbeitgeber die Schwerbehinderung, beginnt die Dreiwochenfrist erst mit Bekanntgabe der Zustimmung des Integrationsamts beim Arbeitnehmer. Kennt der Arbeitgeber den besonderen Beendigungsschutz der Schwerbehinderung dagegen nicht, wird die Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG in Lauf gesetzt (BAG, Urteil vom 09.02. 2011 – 7 AZR 221/10 –, Rn. 21ff, juris).
62bb) Die Beklagte kannte die Schwerbehinderung des Klägers im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im November 2011 nicht.
63(1) Der Kläger hat nicht behauptet, dass er der Personalabteilung der Beklagten den Bescheid über seine Schwerbehinderung hat zukommen lassen oder er entsprechendes der Beklagten mitgeteilt hat. Auf die von ihm behauptete Kenntnis der (Gesamt)-Schwerbehindertenvertretung oder seines Kolonnenführers S kommt es hingegen nicht an. Denn die Beklagte muss sich deren Kenntnis nicht zurechnen lassen.
64Die Kenntnis eines Dritten – und insoweit auch eines Vorgesetzten des Arbeitnehmers –muss sich ein Arbeitgeber dann zurechnen lassen, wenn dessen Stellung im Betrieb nach den Umständen erwarten lässt, dass er sich adäquat um personalrechtliche Belange kümmert. Diese Person muss also eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb haben und in einer ähnlichen Stellung stehen wie ein rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers (vgl. zur Kenntnis des Kündigungsgrunds gem. § 626 Abs. 2 BGB: BAG, Urteil vom 18.06.2015 – 2 AZR 256/14 –, Rn. 48, juris; zur Kenntnis der Weiterarbeit gem. § 15 Abs. 5 TzBfG: Bayreuther in BeckOK Arbeitsrecht, Hrsg. Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching 75. Edition Stand: 01.03.2025, Rn. 22a).
65Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Klägers haben eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich ist. Die Schwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten Menschen gegenüber dem Arbeitgeber, sie ist nicht seiner Sphäre zuzurechnen. Sie kümmert sich auch nicht um personalrechtliche Belange aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern allenfalls aus der Sicht der schwerbehinderten Mitarbeiter. Zudem darf sie gem. § 179 Abs. 7 Nr. 1 SGB IX ihnen wegen ihres Amtes anvertraute Geheimnisse, namentlich aus dem persönlichen Lebensbereich, nicht offenbaren.
66Auch der Kolonnenführer S steht als Fachvorgesetzter in keiner ähnlichen Stellung wie ein rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers. Nach dem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten handelt es sich bei den Kolonnenführern um normale Produktionsmitarbeiter, die mit ihrer Arbeitsgruppe die entsprechenden Arbeiten ausführen und als Sprachrohr des Meisters fungieren. Damit kümmert er sich nicht um personalrechtliche Belange und nimmt erst recht keine ähnliche Stellung ein wie ein rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers.
67(2) Aus dem Urlaubsantrag vom 19.05.2025 folgt ebenso wenig eine Kenntnis der Beklagten. Denn aus diesem ergab sich lediglich, dass der Kläger einen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderteneigenschaft gestellt hatte. Die Stellung eines solchen Antrags ist aber nicht mit der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gleichzusetzen. Dies beweist bereits der Umstand, dass dem Antrag aus 2005 ausweislich der erst im Jahr 2010 erfolgten Anerkennung offenbar kein Erfolg beschieden war, sondern einige Jahre später wiederholt worden ist.
68c) Da die Klagefrist im November 2011 in Lauf gesetzt wurde und damit vor Klageerhebung die Fiktionswirkung nach § 21 iVm. § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG bereits eingetreten ist, kam es vorliegend nicht mehr auf die Frage an, ob der Kläger sein Klagerecht verwirkt hat.
693. Hat das Arbeitsverhältnis durch den Eintritt der auflösenden Bedingung am 17.11.2011 sein Ende gefunden, kann ebenso dahinstehen, ob es sich bei dem mit „Ende des Arbeitsverhältnisses wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit Wiedereinstellungszusage“ überschriebenen Schreiben um einen Aufhebungsvertrag handelte, der das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendete.
70II. Die ausweislich der Klarstellung im Kammertermin als unechte Hilfsanträge gestellten Anträge zu 2. und 3. fielen angesichts des Unterliegens mit dem Hauptantrag nicht zur Entscheidung an.
71C. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
72Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.