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Gibt ein Arbeitgeber in der Vergangenheit einem außertariflich beschäftigten Angestellten die für die Branche vereinbarten Tariflohnerhöhungen in vollem Umfang auf sein gesamtes Gehalt weiter, hindert ihn kein Anspruch aus betrieblicher Übung daran, künftig Tariflohnerhöhungen nur noch auf den dem Tariflohn entsprechenden Teil des Gehalts weiterzugeben.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.07.2024 – 13 Ca 5468/23 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet ist, Tariflohnerhöhungen an den Kläger weiterzugeben, die auch den übertariflichen Teil seines Gehalts erfassen.
3Der Kläger, der nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, ist seit dem 01.10.2000 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der C Krankenversicherung AG, aufgrund des Arbeitsvertrags vom 13.07.2000 beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis ging gem. § 613 a BGB aufgrund eines Betriebsübergangs am 01.12.2019 auf die Beklagte über.
4In Ziffer 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages wurde unter anderem folgendes vereinbart:
5„Als Vergütung erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Bruttogehalt von:
6frei vereinbart DM 7.500,--“
7Unter Ziffer 11 heißt es unter anderem wie folgt:
8„Nach Ablauf der Probezeit und erfolgreicher Einarbeitung erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Bruttogehalt von frei vereinbart DM 8.000,--.“
9Ziffer 12 regelt sodann folgendes:
10„Für das Arbeitsverhältnis gelten im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen, die jeweils gültigen Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft sowie die Betriebsvereinbarungen.“ (Bl. 10ff der erstinstanzlichen Akte)
11Für den Kläger würde sich in der TG VIII des Tarifvertrags für die private Versicherungswirtschaft ab 14 Jahren Betriebszugehörigkeit ein Tarifgehalt in Höhe von 5.314,00 € brutto ergeben. Sein tatsächliches Gehalt beträgt 6.511,20 € brutto.
12Nach dem Betriebsübergang erhöhte die Beklagte das Gehalt des Klägers entsprechend den Tariflohnerhöhungen der privaten Versicherungswirtschaft zum 01.04.2020 und 01.06.2021. Ab dem 01.09.2022 stiegen die Tarifgehälter der privaten Versicherungswirtschaft um 3,0 % und ab dem 01.09.2023 um weitere 2,0 %.
13Die Beklagte zahlte dem Kläger ab dem 01.09.2022 ein um 159 Euro brutto und ab dem 01.09.2023 ein um 109 Euro brutto erhöhtes Entgelt. Sie gab damit annäherungsweise die Tariferhöhung nur beschränkt auf den tariflichen Anteil der klägerischen Vergütung weiter.
14Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Tariflohnerhöhung nicht nur auf den tariflichen, sondern auch auf den übertariflichen Teil seiner Vergütung anwende. Demzufolge stünde ihm ab dem 01.09.2022 eine monatliche Erhöhung von 195,34 Euro brutto und ab dem 01.09.2023 von weiteren 134,13 Euro brutto zu.
15Er hat behauptet, die Beklagte habe bis in die jüngere Vergangenheit ohne Vorbehalt auch die Gehälter der AT-Angestellten entsprechend der Tariferhöhungen in der Versicherungsbranche insgesamt erhöht, ohne zwischen dem tariflichen und dem außertariflichen Teil zu unterscheiden. Dies gelte auch für die Zeit bei der C Krankenversicherung AG. Hierdurch sei eine betriebliche Übung entstanden.
16Soweit sich die Beklagte auf einen vermeintlichen Freiwilligkeitsvorbehalt berufe, sei dieser erst dann erfolgt, als eine betriebliche Übung bereits entstanden sei. Angebliche Intranetmeldungen seien ihm nicht bekannt.
17Für den Zeitraum 01.09.2022 bis 30.06.2024 errechne er unter Einbeziehung des tariflichen Urlaubsgelds in Höhe von 50% eines Monatsgehalts, des Weihnachtsgelds in Höhe von 80 % eines Monatsgehalts sowie des erfolgsabhängigen Bonus von 90% eines Monatsgehalts insgesamt einen Differenzbetrag in Höhe von 1.268,37 Euro.
18Der Kläger hat beantragt,
19die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.268,37 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 515,97 Euro brutto seit 01.09.2023 und aus weiteren 752,40 EUR brutto seit 01.09.2024 zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger das Vorliegen einer betrieblichen Übung in Form der vorbehaltslosen Gewährung einer bestimmten Leistung mehrmals hintereinander nicht substantiiert dargelegt habe. Zwar seien in der Vergangenheit Tariferhöhungen an den Kläger weitergegeben worden, ob und wann ihre Rechtsvorgängerin tatsächlich alle Tariferhöhungen seit Beginn des Arbeitsverhältnisses weitergegeben habe, könne von ihr aktuell nicht abschließend nachvollzogen werden.
23Die Beklagte hat behauptet, dass die Weitergabe von Tariflohnerhöhungen an die Mitarbeiter mit frei vereinbarten Gehältern jedenfalls seit 2015 stets mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen gewesen sei. Aber auch vor 2015 seien mehrfach entsprechende Freiwilligkeitsvorbehalte kommuniziert worden. Hierzu verweist sie auf Intranetmeldungen vom 15.12.2003 sowie vom 18.08.2011.
24Die Beklagte bestreitet die Berechnung des Klägers zudem der Höhe nach.
25Mit Urteil vom 02.07.2024 hat das Arbeitsgericht Köln die Klage abgewiesen. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger keine betriebliche Übung dargelegt habe, wonach sich die Beklagte verpflichtet hat, im Falle von Tariflohnerhöhungen auch den übertariflichen Anteil der vereinbarten Vergütung in die Erhöhung einzubeziehen. Ein dahingehender Bindungswille der Beklagten sei aus dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar.
26Gegen das dem Kläger am 10.07.2024 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 06.08.2024 eingegangene Berufung, die er am 10.10.2024 innerhalb der bis zum 10.10.2024 verlängerten Begründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:
27In der Vergangenheit seien dem Kläger während seiner gesamten Betriebszugehörigkeit die Tariflohnerhöhungen für das private Versicherungsgewerbe zu 100 % auf sein gesamtes Gehalt übertragen worden. Dies habe die Beklagte nicht substantiiert bestritten. Das Arbeitsgericht habe nicht zwischen einer Tariflohnerhöhung als solcher und der Frage differenziert, auf welchen Lohnbestandteil sich eine durchgeführte Tariflohnerhöhung bezieht. Nach seiner Ansicht sei die Beklagte aufgrund einer betrieblichen Übung verpflichtet, das gesamte Gehalt des Klägers zu erhöhen, sofern Tariflohnerhöhungen erfolgten. Denn sie habe auch in der Vergangenheit nie zwischen dem Tarifgehalt und dem übertariflichen Gehaltsanteil differenziert. Auf eine fehlende Tarifgebundenheit der Beklagten komme es nicht an, da sich die streitgegenständliche Frage nur dann stelle, wenn die Beklagte die Tariflohnerhöhungen auch für die außertariflich vergüteten Angestellten weitergebe.
28Für den Zeitraum 01.09.2022 bis 31.08.2023 errechnet der Kläger einen Differenzbetrag von 1391,31 Euro.
29Er beantragt,
30die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Köln vom 02.07.2024 – 13 Ca 5468/23 – zu verurteilen, an den Kläger 1.391,31 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 515,97 EUR brutto seit 01.09.2023 und aus weiteren 875,34 EUR brutto seit 01.09.2024 zu zahlen.
31Die Beklagte beantragt,
321. die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen;
332. den im Rahmen der Klageerweiterung geltend gemachten weiteren Zahlungsanspruch kostenpflichtig zurückzuweisen.
34Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und verweist auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Sie ist der Auffassung, dass der Kläger nach wie vor nicht konkret dargelegt habe, wann die Arbeitgeberin welche Tariflohnerhöhung zu welchem Stichtag an ihn gezahlt habe, ohne zwischen Tariflohn und übertariflichen Lohnanteil zu differenzieren. Aufgrund der Regelungen zum Datenschutz halte sie die Daten zu den Gehaltszahlungen an den Kläger teilweise nicht mehr vor und dürfe daher die Behauptungen des Klägers mit Nichtwissen bestreiten.
35Mit den mehrfach kommunizierten Freiwilligenvorbehalten habe die Beklagte zu erkennen gegeben, dass es sich bei den Tariflohnerhöhungen um eine freiwillige Leistung handelt. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger diese Kommunikation zur Kenntnis genommen hat.
36Für eine betriebliche Übung mit dem Inhalt, dass sich die Beklagte trotz des frei vereinbarten Gehalts verpflichten wollte, dem Kläger Tariflohnerhöhungen immer bezogen auf sein gesamtes Gehalt weiterzugeben, habe der Kläger nichts vorgetragen.
37Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Die in der Berufungsinstanz erfolgte Klageerweiterung um die Differenzbeträge für Juli und August 2023 ist gem. §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 533 ZPO zulässig, weil sie sachdienlich ist. Die Erweiterung dient der Prozesswirtschaftlichkeit, da ihre Zulassung zu einer sachgemäßen und auch für die weiteren zwei Monate endgültigen Erledigung des Streits führt. Zudem wird sie auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat (BAG, Urteil vom 14.12.2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 18, juris).
40II. Die Berufung ist nicht begründet.
41Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Weitergabe der Tariflohnerhöhungen der privaten Versicherungswirtschaft bezogen auf den Teil des Gehalts, der über das für ihn einschlägige Tarifgehalt hinausgeht.
421. Der Anspruch ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag vom 13.07.2000. Denn dort haben die Parteien das Gehalt „frei vereinbart“ und auf die Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft nur „im Übrigen“ Bezug genommen.
432. Es ist auch keine betriebliche Übung zu Gunsten des Klägers entstanden mit dem Inhalt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger stets die Tariflohnerhöhungen der privaten Versicherungswirtschaft weiterzugeben bzw. für den Fall, dass sie sich zu einer Weitergabe entschließt, die Tariflohnerhöhung auch auf den übertariflichen Teil des Gehalts zu beziehen.
44a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG, Urteil vom 19.09.2018 – 5 AZR 439/17 –, Rn. 16, juris; Urteil vom 24.02.2016 – 4 AZR 990/13 –, Rn. 19, juris; Urteil vom 23.03.2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 59).
45aa) Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn aus der Sicht des Erklärungsempfängers der Erklärende einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat (BAG, Urteil vom 23.03.2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 60; Urteil vom 17.03.2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 20).
46bb) Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet, kann eine betriebliche Übung dann entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, dass er die Erhöhungen - auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung - künftig, dh. auf Dauer übernehmen will (BAG, Urteil vom 24.03.2016 – 4 AZR 990/13 – Rn. 21; Urteil vom 19.10.2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 14; 23.03.2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 61).
47(1) Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Tarifentgelterhöhungen weiterzugeben (BAG, Urteil vom 20.06.2001 - 4 AZR 290/00 – Rn. 60ff). Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will sich grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Dies ist gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts zu einem Arbeitgeberverband. Die fehlende Tarifgebundenheit verdeutlicht - für die Arbeitnehmer erkennbar - den Willen des Arbeitgebers, die Erhöhung der Löhne und Gehälter zukünftig nicht ohne Beitrittsprüfung entsprechend der Tarifentwicklung vorzunehmen (BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 4 AZR 990/13 – Rn. 22; Urteil vom 19.10.2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 15; Urteil vom 23.03.2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 61).
48(2) Auch ein tarifgebundener Arbeitgeber, der die Tarifentgelterhöhungen - ungeachtet der Tarifgebundenheit des einzelnen Arbeitnehmers - an alle Arbeitnehmer weitergibt, will sich - auch insoweit für die Arbeitnehmer erkennbar - im Regelfall nicht über die Zeit seiner Tarifgebundenheit hinaus ohne die Möglichkeit einer Kündigung des Tarifvertrags oder eines Verbandsaustritts dauerhaft (vertraglich) binden (grundlegend BAG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 21ff; Urteil vom 24.03.2016 – 4 AZR 990/13 – Rn. 22f, juris; Urteil vom 19.09.2018 – 5 AZR 439/17 –, Rn. 17, juris).
49b) Nach diesen vorgenannten Grundsätzen ist eine betriebliche Übung mit dem vom Kläger gewünschten Inhalt durch die (vom Kläger behaupteten ausnahmslose) Weitergabe der Tariflohnerhöhungen in der Vergangenheit nicht entstanden.
50Es fehlt an den erforderlichen - über die bloße Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen hinausgehenden - deutlichen Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für den Kläger erkennbar der Wille ergäbe, sie wolle auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien jeweils ausgehandelten Erhöhungen erstens ohne Weiteres übernehmen und zweitens auf das gesamte übertarifliche Gehalt des Klägers anwenden.
51Ausweislich der vertraglichen Regelung haben die Parteien hinsichtlich des Gehalts gerade nicht auf den Tarifvertrag für die private Versicherungswirtschaft Bezug genommen, sondern dieses frei vereinbart. Es besteht auch keine beidseitige Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, da jedenfalls der Kläger nicht Mitglied einer tarifschließenden Gewerkschaft ist oder eine Allgemeinverbindlichkeit des Gehaltstarifvertrags erklärt wurde (§ 5 Abs. 4 TVG).
52Die Beklagte ist damit gegenüber dem Kläger hinsichtlich der Höhe und der Entwicklung seines Gehalts nicht tarifgebunden.
53Indem sie in der Vergangenheit Tariflohnerhöhungen auf sein Gehalt weitergegeben hat, ist ein Anspruch des Klägers auf Fortzahlung dieses erhöhten Entgelts entstanden. Die Beklagte hat sich damit aber nicht gleichzeitig verpflichtet, auch künftige Tariflohnerhöhungen weiterzugeben.
54Bereits mit der vertraglichen Gestaltung hat die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin deutlich gemacht, dass sie mit dem Kläger ein Gehalt vereinbaren will, das unabhängig von den Tarifverträgen der privaten Versicherungswirtschaft ist. Insofern kommt es auf die Frage, ob die Rechtsvorgängerin der Beklagten bereits vor 2015 bei Gewährung der Lohnerhöhungen durchgängig einen Freiwilligkeitsvorbehalt kommuniziert hat, nicht an. Vielmehr hätte es deutlicher Anhaltspunkte in dem Verhalten der Rechtsvorgängerin und der Beklagten bedurft, die für ihren Verpflichtungswillen sprechen, auch künftig ohne das Bestehen einer vertraglichen oder tarifvertraglichen Verpflichtung jede Tariflohnerhöhung weiterzugeben. Solche Anhaltspunkte hat der Kläger nicht vorgetragen.
55Soweit das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19.09.2018 - 5 AZR 439/17 -) entschieden hat, dass es dieser besonderen Anhaltspunkte zur Annahme eines Verpflichtungswillens dann nicht bedarf, wenn der Arbeitgeber Entgelterhöhungen nicht auf den Arbeitsverdienst beschränkt, den er durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrags zu zahlen verpflichtet ist, sondern er zugleich den zusätzlich gewährten übertariflichen Entgeltbestandteil in gleicher Weise wie den tariflichen erhöht, ist diese Rechtsprechung vorliegend nicht einschlägig. Denn die Beklagte ist bereits mangels arbeitsvertraglicher Inbezugnahme oder beidseitiger Tarifgebundenheit schon nicht verpflichtet, generell tarifliche Entgelterhöhungen an den Kläger weiterzugeben. Ist sie jedoch in ihrer Entscheidung frei, ob sie überhaupt Tariflohnerhöhungen weitergibt (anders als in dem vom BAG entschiedenen Fall), kann sie erst recht darüber befinden, ob sie die Erhöhung in vollem Umfang oder nur teilweise gewährt. Nichts Anderes hat sie gemacht, als sie 2022 und 2023 die Tariflohnerhöhungen nur auf das für den Kläger einschlägige Tarifgehalt aufgeschlagen hat. Auf das Gesamtgehalt betrachtet bedeutet dies letztlich, dass die Beklagte das Gehalt des Klägers zum 01.09.2022 um 2,44% und zum 01.09.2023 um weitere 1,63% erhöht hat. Da es ihr zugestanden hätte, auf eine Gehaltserhöhung ganz zu verzichten, war sie auch frei, das Gehalt des Klägers mit einem geringeren Prozentsatz als den tariflich Vereinbarten zu erhöhen.
56III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.