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Der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet es nicht, im besonderen Beschlussverfahren zur Entscheidung über den nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag eine notarielle Mehrheitsfeststellung in Auftrag zu geben.
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 31.08.2023 – 14 BV 238/21 – wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten streiten über die im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland der Arbeitgeberin anzuwendenden Tarifverträge.
4Die Arbeitgeberin ist das für den Personennahverkehr in Deutschland zuständige Tochterunternehmen der D B AG und beschäftigt in dem auf der Grundlage eines Tarifvertrags gebildeten Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland ca. 1.480 Arbeitnehmer.
5Die Antragstellerin (im Folgenden: GD) ist eine Berufsgewerkschaft und Tarifpartnerin der D B AG mit nach eigenen Angaben etwa 38.000 Mitgliedern. Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: EV) ist eine Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, die ca. 185.000 Mitglieder hat. Der Beteiligte zu 3. (im Folgenden: A) ist die Arbeitgeberorganisation und der Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleiter, der Unternehmen der Eisenbahninfrastruktur sowie artverwandter Unternehmen. Die Arbeitgeberin ist ein tarifgebundenes Mitglied dieses Arbeitgeberverbands.
6Im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland der Arbeitgeberin wurden bis zum 31.03.2021 sowohl die Tarifverträge der GD als auch die Tarifverträge der EV parallel angewendet.
7Mit Schreiben vom 22.03.2021 informierte die D B AG die Arbeitnehmer der Wahlbetriebe über die schrittweise Umsetzung des Tarifeinheitsgesetzes. Aus der diesem Schreiben beigefügten Übersicht über die anwendbaren Tarifverträge ergibt sich, dass der A und die Arbeitgeberin der Auffassung waren, die EV organisiere in dem Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland die Mehrheit der Arbeitnehmer.
8Ebenfalls mit Schreiben vom 22.03.2021 informierte die D B AG den A darüber, dass sie auf Basis der ihr vorliegenden Daten jeweils eine begründete Annahme darüber getroffen habe, welche Gewerkschaft die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder in dem jeweiligen Betrieb organisiere. Dabei habe sie sich auf die Ergebnisse der Betriebsratswahlen, die ihr vorliegenden Tarifbindungsanzeigen, die im Rahmen eines notariellen Verfahrens mit der EV ermittelten gewerkschaftlichen Mehrheitsverhältnisse in den Betrieben und eine Analyse der betrieblichen Situation mit den betrieblichen Personalverantwortlichen gestützt.
9Mit ihrer am 15.11.2021 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten Antragsschrift begehrt die GD die Feststellung, dass sie die Mehrheitsgewerkschaft im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland sei und dass deshalb die mit ihr abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung fänden.
10Mit Beschluss vom 21.01.2022 hat das Arbeitsgericht der GD und der EV aufgegeben, bis zum 11.02.2022 mitzuteilen, wie viele ihrer Mitglieder am 07.10.2021 im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland tätig gewesen sind. Mit einem weiteren Beschluss vom 14.04.2023 hat das Arbeitsgericht die Antragstellerin aufgefordert, aussagekräftige Hilfstatsachen zu dem von ihr behaupteten Umstand vorzutragen, sie stelle die Mehrheit der im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten organisierten Arbeitnehmer.
11Die GD hat die Auffassung vertreten, eine Offenlegung ihrer Mitgliederzahlen im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland komme aus datenschutzrechtlichen Gründen, aber insbesondere aus Gründen der Kampfparität nicht in Betracht. Sie sei nicht berechtigt, die Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers ohne Zustimmung Dritter zur Kenntnis zu geben. Es handele sich dabei um ein sensibles, personenbezogenes Datum, mit dem sie nicht nach Belieben verfahren könne. Sofern sie eine konkrete Mitgliederzahl nennen würde, könnte sie diese Zahlen nicht durch einen entsprechenden Beweisantritt untermauern. Weder wäre sie berechtigt, Namen von Mitgliedern als zum Zwecke des Zeugenbeweises mitzuteilen, noch wären die Arbeitnehmer verpflichtet, über ihre Mitgliedschaft bei ihr, der GD, Auskunft zu geben.
12Dass eine Offenlegung von Mitgliederzahlen nicht in Betracht komme, habe der Gesetzgeber erkannt und daher mit § 58 Abs. 3 ArbGG die Möglichkeit geschaffen, dass insbesondere über die Zahl der in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder Beweis auch durch die Vorlegung öffentlicher Urkunden angetreten werden könne. Aus ihrer Sicht sei die gesetzliche Konzeption der §§ 99, 58 Abs. 3 ArbGG darauf ausgerichtet, dass eine Gewerkschaft im Verfahren nach § 99 ArbGG ihre Mitgliederzahl im Betrieb nicht offenbaren müsse. Vielmehr sei es Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Amtsermittlung nach § 83 Abs. 1 ArbGG eine notarielle Urkunde erstellen zu lassen. Die notarielle Beurkundung habe nur zu umfassen, dass der Notar die Arbeitgeberliste mit den Gewerkschaftslisten verglichen und einen Gleichstand oder eine Differenz ermittelt habe. Damit sei zwar nicht die Richtigkeit der eingereichten Listen bewiesen. Sie, die GD, behalte sich demgemäß vor, die Listen der anderen Beteiligten kritisch zu behandeln und ihre Richtigkeit zu bestreiten. Gleichwohl stelle diese Verfahrensweise im Vergleich zu der bislang erfolgten „Ermittlung" der (angeblichen) Mehrheitsverhältnisse eine weitaus sicherere Grundlage für die weitreichende Entscheidung über den anwendbaren Tarifvertrag im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland dar.
13Die GD hat beantragt,
141. festzustellen, dass im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland der DB R AG zum Stichtag der Mehrheitsfeststellung — hier der 31.05.2022 – ausschließlich die Normen der folgenden zwischen ihr und dem A abgeschlossenen Tarifverträge anwendbar sind:
- Bundes-Rahmentarifvertrag für das Zugpersonal der Schienenbahnen des Personen- und Güterverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland (BuRa-ZugTV A) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
17- Tarifvertrag für Lokomotivführer von Schienenverkehrs-unternehmen des A (LfTV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
18- Tarifvertrag für Zugbegleiter und Bordgastronomen von Schienenverkehrsunternehmen des A (ZubTV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
19- Tarifvertrag für Lokrangierführer von Schienenverkehrsunternehmen des A (LrfTV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
20- Tarifvertrag für Disponenten von Schienenverkehrsunternehmen des A (DispoTV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
21- Tarifvertrag über besondere Bedingungen bei Verlust der Fahrdiensttauglichkeit (FDU-TV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
22- Tarifvertrag zur Einführung des BuRa-ZugTV A und der ergänzenden Haustarifverträge (BuRa-ZugTV EinfTV) vom 30.06.2015, gemäß § 1 Abs. 1 des Tarifvertrags 1/2021 zur Änderung des GD-Tarifwerks DB vom 24.02.2022 rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
23- Tarifvertrag über die gemeinsame Einrichtung zur Gewährung von Sozialleistungen (GE-TV GD) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
24- Tarifvertrag zur Förderung des Übertrags von Zeitguthaben in die betriebliche Altersvorsorge (FörderTV bAV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
25- Tarifvertrag für Nachwuchskräfte verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (NwkTV GD 2018) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
26- Vereinbarung zur Umsetzung der persönlichen Planungssicherheit des Zugpersonals vom 04.01.2019, gemäß § 1 Abs. 2 des Tarifvertrags 1/2021 zur Änderung des GD-Tarifwerks DB vom 24.02.2022 rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
27- Rahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (KonzernRTV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
28- Tarifvertrag zur Einführung des Tarifvertrags für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des A (EinfTV LfTV) vom 31.01.2009,
29- Tarifvertrag zur Sicherung und Anpassung von Entgeltdifferenzen (KonzernZÜTV) vom 04.01.2019,
30- Regelungsabrede Leistungsprämie Training für Instruktoren (Lp Tr ML) vom 14.09.2015,
31- Tarifvertrag zu Grundsätzen der Entgeltumwandlung für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (K-EUTV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
32- Gemeinsames Verständnis im Sinne des BuRa-ZugTV A Anlage 3 a und § 84 Lfl-V vom 04.01.2019,
33- Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrags über die betriebliche Zusatzversorgung für die Arbeitnehmer der DB AG (ÄTV ZVersTV) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.01.2021,
34- Tarifvertrag über die betriebliche Zusatzversorgung für die Arbeitnehmer der DB AG vom 21.12.1994 ((ZVersTV), Anlage 5 des 7. Tarifvertrag zur Änderung der Tarifverträge für die Arbeitnehmer der DB AG vom 21.12.1994), gemäß § 1 des Tarifvertrags zur Änderung des Tarifvertrags über die betriebliche Zusatzversorgung der Arbeitnehmer der DB (ZversTV)(ÄTV ZversTV 2021) rückwirkend wirksam seit dem 01.01.2021,
35- 7. Tarifvertrag zur Änderung der Tarifverträge für die Arbeitnehmer der DB AG (7. ÄnderungsTV) vom 21.12.1994,
36- Vereinbarung zur Verlängerung des BetrRz-TV GD (Verlängerung BetrRz-TV GD) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2022,
37- Tarifvertrag über einen Zuschuss zur betrieblichen Zusatzversorgung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB-Konzerns (BetrRz-TV) vom 05.09.2011,
38- Tarifvertrag zum Job-Ticket für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (KonzernJob-TicketTV A GD) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.01.2021,
39- Bundesrahmentarifvertrag für die betriebsnahe Instandhaltung in Eisenbahnverkehrsunternehmen (BuRa-EVU FZITV A GD) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
40- Tarifvertrag für die betriebsnahe Instandhaltung in Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU FZITV A GD) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
41- Tarifvertrag für allgemeine Aufgaben (TVA A GD) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
42- Zusatztarifvertrag 2021 zum BuRa-EVU FZITV A GD, EVU FZITV A GD, TVA A GD (ZusatzTV 2021 A GD) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
43- Tarifvertrag zur Führung von Langzeitkonten für die Arbeitnehmer im Arbeitszeitmodell „EXPRESS“ bei der DB F AG und der S-Bahn H GmbH (Lzk-TV TV EX PRESS A GD) vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2021,
44- Tarifvertrag zur Zahlung von Corona-Beihilfen für Arbeitnehmer der DB F AG, DB R AG, DB Re GmbH, DB Z GmbH () – Bereich Schiene – , S-Bahn B GmbH, S-Bahn H GmbH und DB C AG (TV Corona-Beihilfe 2021 A GD) vom 24.02.2022,
45- Tarifvertrag 1/2021 zur Änderung des GD-Tarifwerks DB vom 24.02.2022, rückwirkend wirksam seit dem 01.03.2022,
46- Tarifvertrag 1/2019 zur Änderung des GD-Tarifwerks DB vom 04.01.2019,
47- 52. Tarifvertrag zur Änderung der Tarifverträge für die Arbeitnehmer und Auszubildenden der DB AG sowie verschiedener Unternehmen des DB-Konzerns (52. ÄnderungsTV);
482. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland der DB R AG zum Stichtag der Mehrheitsfeststellung — hier der 31.05. 2022 – ausschließlich die Normen der im Antrag zu 1. benannten Tarifverträge bezogen auf die Arbeitnehmer, die Mitglied bei ihr, der GD, sind, anwendbar sind.
Die übrigen Beteiligten haben beantragt,
51die Anträge abzuweisen.
52Sie haben behauptet, dass die EV zum maßgeblichen Stichtag die Mehrheit der Mitglieder im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland gestellt habe.
53Das Arbeitsgericht hat die Anträge der GD mit einem am 31.08.2023 verkündeten Beschluss als unbegründet abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
54Die GD habe weder substantiiert vorgetragen, dass sie die Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb der Arbeitgeberin sei, noch hierfür einen Beweis erbracht, etwa durch Vorlegen einer notariellen Urkunde gemäß § 58 Abs. 3 ArbGG. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die GD die Mehrheitsgewerkschaft im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland sei. Angesichts dessen müsse das Gericht auch unter Berücksichtigung des im Beschlussverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes und mit Blick auf die zu Lasten der Staatskasse anfallenden Kosten keine notarielle Urkunde zur Feststellung der Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb der Arbeitgeberin erstellen lassen.
55Gegen diesen ihr am 07.09.2023 zugestellten Beschluss richtet sich die am 09.10.2023, einem Montag, bei dem Landesarbeitsgericht eingelegte Beschwerde der GD, die sie nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 07.12.2023 mit einem an diesem Tag bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Im Hinblick auf eine am 09.10.2023 erfolgte Neuunterzeichnung der zwischen der EV und dem A geschlossenen Tarifverträge erstreckt sie ihre bisherigen Anträge im Wege der Antragsänderung zusätzlich auf diesen Zeitpunkt.
56Die GD behauptet, das Tarifwerk der EV finde nur aufgrund der unzureichenden Mehrheitsfeststellung der Arbeitgeberseite Anwendung. Während des gesamten Zeitrahmens des vorherigen Kollisionszeitpunktes (31.05.2022 bis 08.10.2023) sei sie Mehrheitsgewerkschaft im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland gewesen.
57Die GD rügt, dass das Arbeitsgericht von ihr die Durchführung einer auf ihre Kosten durchzuführende notarielle Zählung zum Nachweis des Status als Mehrheitsgewerkschaft verlangt habe. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sie keine Darlegungs- und Beweislast für ihre Mehrheit im Betrieb der Arbeitgeberin treffe. Ihr gesetzlicher Auftrag als Antragstellerin erschöpfe sich in der Behauptung, die Mehrheitsgewerkschaft zu sein. Für den Nachweis verweise sie auf § 58 ArbGG, wonach eine notarielle Urkunde als Nachweis dienen könne. Das notarielle Verfahren habe das Arbeitsgericht jedoch rechtsfehlerhaft verweigert.
58Die mit ihr, der GD, bis zum 08.10.2023 angewandten Tarifverträge würden weiterhin Rechtswirkung entfalten. Während dieses Zeitraums seien Rechte und Pflichten aus ihren Tarifverträgen hergeleitet worden, die weiterhin bestünden. Es stehe zu befürchten, dass die bloße Antragsänderung auf den neuen Stichtag dazu führen würde, dass trotz Sperrwirkung die Verdrängungswirkung erst ab dem 09.10.2023 berücksichtigt werde.
59Die Antragsänderung sei, weil jedenfalls sachdienlich, zulässig. Der bisherige Prozessstoff könne vollumfänglich verwendet werden, da die Arbeitgeberin keine neue Mehrheitsfeststellung vorgenommen habe.
60Die GD beantragt,
61den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 31.08.2023- 14 BV 238/21 - abzuändern und
621. festzustellen, dass im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland der DB R AG zum Stichtag der Mehrheitsfeststellung - hier der 31.05.2022 bis zum 08.10.2023 (aufgrund des neuen Stichtages des 09.10.2023) - ausschließlich die Normen der folgenden zwischen ihr und dem A abgeschlossenen Tarifverträge anwendbar sind:
- Bundes-Rahmentarifvertrag für das Zugpersonal der Schienenbahnen des Personen- und Güterverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland (BuRa-ZugTV A) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
65- Tarifvertrag für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des A (LfTV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
66- Tarifvertrag für Zugbegleiter und Bordgastronomen von Schienenverkehrsunternehmen des A (ZubTV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
67- Tarifvertrag für Lokrangierführer von Schienenverkehrsunternehmen des A (LrfTV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
68- Tarifvertrag für Disponenten von Schienenverkehrsunternehmen des A (DispoTV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
69- Tarifvertrag über besondere Bedingungen bei Verlust der Fahrdiensttauglichkeit (FDUTV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
70- Tarifvertrag zur Einführung des BuRa-ZugTV A und der ergänzenden Haustarifverträge (BuRa-ZugTV EinfTV) vom 30. Juni 2015, gemäß §1 Abs. 1 des Tarifvertrags 1/2021 zur Änderung des GD-Tarifwerks DB vom 24. Februar 2022 rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
71- Tarifvertrag über die gemeinsame Einrichtung zur Gewährung von Sozialleistungen (GETV GD) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
72- Tarifvertrag zur Förderung des Übertrags von Zeitguthaben in die betriebliche Altersvorsorge (FörderTV bAV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
73- Tarifvertrag für Nachwuchskräfte verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (NwkTV GD 2018) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
74- Vereinbarung zur Umsetzung der persönlichen Planungssicherheit des Zugpersonals vom 4. Januar 2019, gemäß § 1 Abs. 2 des Tarifvertrags 1/2021 zur Änderung des GDTarifwerks DB vom 24. Februar 2022 rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
75- Rahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (KonzernRTV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
76- Tarifvertrag zur Einführung des Tarifvertrags für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des A (EinfTV LfTV) vom 31. Januar 2009,
77- Tarifvertrag zur Sicherung und Anpassung von Entgeltdifferenzen (KonzernZÜTV) vom 4. Januar 2019,
78- Regelungsabrede Leistungsprämie Training für lnstruktoren (Lp Tr ML) vom 14. September 2015,
79- Tarifvertrag zu Grundsätzen der Entgeltumwandlung für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (K-EUTV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
80- Gemeinsames Verständnis im Sinne des BuRa-ZugTV A Anlage 3 a und § 84 LfTV vom 4. Januar 2019,
81- Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrags über die betriebliche Zusatzversorgung für die Arbeitnehmer der DB AG (ÄTV ZVersTV) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. Januar 2021,
82- Tarifvertrag über die betriebliche Zusatzversorgung für die Arbeitnehmer der DB AG vom 21. Dezember 1994 ((ZVersTV), Anlage 5 des 7. Tarifvertrag zur Änderung der Tarifverträge für die Arbeitnehmer der DB AG vom 21. Dezember 1994), gemäß § 1 des Tarifvertrags zur Änderung des Tarifvertrags über die betriebliche Zusatzversorgung der Arbeitnehmer der DB (ZversTV) (ÄTV ZversTV 2021) rückwirkend wirksam seit dem 1. Januar 2021,
83- 7. Tarifvertrag zur Änderung der Tarifverträge für die Arbeitnehmer der DB AG (7. ÄnderungsTV),
84- Vereinbarung zur Verlängerung des BetrRz-TV GD (Verlängerung BetrRz-TV GD) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2022,
85- Tarifvertrag über einen Zuschuss zur betrieblichen Zusatzversorgung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB-Konzerns (BetrRz-TV) vom 5. September 2011,
86- Tarifvertrag zum Job-Ticket für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (KonzernJob-TicketTV A GD) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. Januar 2021,
87- Bundesrahmentarifvertrag für die betriebsnahe Instandhaltung in Eisenbahnverkehrsunternehmen (BuRa-EVU FZITV A GD) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
88- Tarifvertrag für die betriebsnahe Instandhaltung in Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU FZITV A GD) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
89- Tarifvertrag für allgemeine Aufgaben (TVA A GD) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
90- Zusatztarifvertrag 2021 zum BuRa-EVU FZITV A GD, EVU FZITV A GD, TVA A GD (ZusatzTV 2021 A GD) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
91- Tarifvertrag zur Führung von Langzeitkonten für die Arbeitnehmer im Arbeitszeitmodell „EXPRESS“ bei der DB F AG und der S-Bahn H GmbH Lzk-TV TV EXPRESS A GD) vom 24. Februar 2022, rückwirkend wirksam seit dem 1. März 2021,
92- Tarifvertrag zur Zahlung von Corona-Beihilfen für Arbeitnehmer der DB F AG, DB R AG, DB Re GmbH, DB Z GmbH () - Bereich Schiene -, S-Bahn B GmbH, S-Bahn H GmbH und DB C AG (TV Corona-Beihilfe 2021 A GD) vom 24. Februar 2022,
93- Tarifvertrag 1/2021 zur Änderung des GD-Tarifwerks DB vom 24. Februar 2022, rückwirkend,
94- Tarifvertrag 1/2019 zur Änderung des GD-Tarifwerks DB vom 4. Januar 2019,
95- 52. Tarifvertrag zur Änderung der Tarifverträge für die Arbeitnehmer und Auszubildenden der DB AG sowie verschiedener Unternehmen des DB-Konzerns (52. ÄnderungsTV);
96hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.
97festzustellen, dass im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland der DB R AG zum Stichtag der Mehrheitsfeststellung - hier der 31.05.2022 bis zum 08.10.2023 (aufgrund des neuen Stichtages des 09.10.2023) - ausschließlich die Normen der im Hauptantrag zu 1. benannten Tarifverträge bezogen auf die Arbeitnehmer, die Mitglied bei der Antragstellerin sind, normativ anwendbar sind:
98[gleiche Aufzählung der Tarifverträge wie im Hauptantrag unter Nr. 1.];
99sowie im Wege der Antragsänderung
1002. festzustellen, dass im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland der DB R AG zum Stichtag der Mehrheitsfeststellung - hier der 09.10.2023- ausschließlich die Normen der folgenden zwischen der Beteiligten zu 1. und dem Beteiligten zu 3. abgeschlossenen Tarifverträge anwendbar sind:
[gleiche Aufzählung der Tarifverträge wie im Hauptantrag unter Nr. 1.];
103hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2
104festzustellen, dass im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland der DB R AG zum Stichtag der Mehrheitsfeststellung - hier der 09.10.2023 - ausschließlich die Normen der im Hauptantrag zu 1. benannten Tarifverträge bezogen auf die Arbeitnehmer, die Mitglied bei der Antragstellerin sind, normativ anwendbar sind:
105[gleiche Aufzählung der Tarifverträge wie im Hauptantrag unter Nr. 1.
106Die übrigen Beteiligten beantragen,
107die Beschwerde zurückzuweisen.
108Der A und die Arbeitgeberin widersprechen den Antragsänderungen. Sie halten sie weder kraft Gesetzes für zulässig noch für sachdienlich.
109Der Hauptantrag zu 1. sei – so ihre Ansicht – unbegründet. Es bestehe kein Rechtsschutzinteresse bzgl. der Feststellung eines anwendbaren Tarifvertrags im Hinblick auf einen überholten Zeitraum, nachdem am 09.10.2023 durch den Abschluss neuer Tarifverträge zwischen der EV und dem A eine neue Kollisionslage entstanden sei. Die GD habe die vermeintlich fortwirkenden Rechtsfolgen auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Jedenfalls sei der Antrag aus den vom Arbeitsgericht dargelegten Gründen unbegründet. Die GD sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und habe trotz einer gerichtlichen Auflage an der Ermittlung der Mehrheitsverhältnisse nicht konstruktiv mitgewirkt. Tatsächlich sei die EV und nicht die GD zum maßgeblichen Kollisionszeitpunkt im streitgegenständlichen Betrieb die Mehrheitsgewerkschaft gewesen.
110Auch die EV hält ein Feststellungsinteresse für den Zeitraum vom 31.05.2023 bis 08.10.2023 nicht für gegeben, da die Feststellung des Mehrheitstarifvertrages inzident in einem Urteilsverfahren erfolgen könne.
111Jedenfalls seien die Hauptanträge mangels Mitwirkung der GD unbegründet. Soweit das Gericht den Vortrag der GD dennoch für ausreichend erachten sollte, sei das notarielle Mehrheitsfeststellungsverfahren entgegen der Auffassung der ersten Instanz dergestalt durchzuführen, dass die Beauftragung durch das Gericht erfolge. Insoweit schließe sie sich der Rechtsauffassung der GD an.
112Die jeweiligen Hilfsanträge, die die aus der Mehrheitsfeststellung resultierende Anwendung der Tarifverträge auf die eigenen Mitglieder beschränkten, seien – so die Ansicht vom A, der Arbeitgeberin und der EV – unzulässig, da die Mehrheitsfeststellung allgemein für alle Arbeitnehmer des Betriebes getroffen werden könne.
113Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
114II.
115Die an sich statthafte sowie gemäß § 87 Abs. 1, 2, § 89 Abs. 1, 2, § 64 Abs. 4, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegte und begründete Beschwerde der GD hat in der Sache auch mit den geänderten Anträgen keinen Erfolg.
1161.) Der auf den Kollisionszeitraum 31.05.2022 bis 08.10.2023 bezogene Antrag zu 1. sowie der auf denselben Kollisionszeitraum abstellende Hilfsantrag sind bereits unzulässig. Sie sind unstatthaft geworden, nachdem die zwischen der EV und dem A geschlossenen Tarifverträge am 09.10.2023 neu unterzeichnet worden waren. Denn im Verfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG iVm. § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG hat das Gericht lediglich zu prüfen, welche Gewerkschaft zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder im Betrieb hat (GMP/Schlewing/Günther-Gräff, 10. Aufl. 2022, § 99 ArbGG, Rn. 16). Anders als im Verfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung (dazu BAG, Beschluss vom 11. Juni 2013 – 1 ABR 32/12 –, BAGE 145, 211-224, Rn. 54), schließt der Gesetzeswortlaut eine vergangenheitsbezogene Antragstellung im besonderem Beschlussverfahren nach § 99 ArbGG aus. Ob sich aus der Geltung der GD-Tarifverträge noch Rechtsfolgen für die GD oder ihre Mitglieder ergeben können, ist insoweit irrelevant. Da § 99 ArbGG keine Aussetzung von Individualprozessen vorsieht, in denen ein Anspruch allein auf die normative Geltung eines ehemals kollidierenden Tarifvertrags gestützt wird (vgl. Klose in Hamacher, Antragslexikon ArbR, Tarifkollision iSd. § 4 a TVG, Rn. 1, beck-online), können diese Rechtsfolgen ggf. in einem Klageverfahren geklärt werden.
1172.) Der auf den Kollisionszeitpunkt 09.10.2023 bezogene und in der Beschwerdeinstanz eingeführte Hauptantrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet.
118a) Der Antrag ist zulässig.
119aa) Auch im besonderen Beschlussverfahren nach § 99 ArbGG hängt die Zulässigkeit eines im Wege der Antragsänderung anhängig gemachten Begehrens bei verweigerter Zustimmung der übrigen Beteiligten zur Antragsänderung gemäß §§ 99 Abs. 2, 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG von der Sachdienlichkeit des neuen Antrags ab. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es darauf an, ob und inwieweit die Zulassung der Änderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängenden Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Verfahren vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Eine geänderte Antragstellung ist nur dann nicht mehr als sachdienlich anzusehen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (vgl. BAG, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 -, Rn. 32, juris; BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83 -, Rn. 22-25, juris zur Klageänderung im Zivilprozess).
120bb) Dies ist hier nicht der Fall. Der bisherige Prozessstoff besteht im Wesentlichen aus dem unstreitigen Vortrag der Beteiligten, dass sich die vom A mit den zwischen ihm und den beteiligten Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge in ihren Geltungsbereichen überschneiden, sowie aus den nicht näher belegten Behauptungen der beteiligten Gewerkschaften, jeweils Mehrheitsgewerkschaft zu sein. Dieser Vortrag kann vollumfänglich verwendet werden, weil die Arbeitgeberin zum 09.10.2023 keine erneute Mehrheitsfeststellung vorgenommen hat.
121b) Der Hauptantrag zu 2. ist jedoch unbegründet. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die GD am 09.10.2023 die Mehrheit im Wahlbetrieb R.9.2. hatte und dass dort gemäß § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG ausschließlich die zwischen ihr und dem A abgeschlossenen Tarifverträge anwendbar sind. Die GD hat weder ihre im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland tätigen Mitglieder noch deren Zahl benannt und unter Beweis gestellt. Es besteht auch keine Veranlassung, die Zahl der im Betrieb vertretenen Mitglieder der GD und der EV über die bereits vom Arbeitsgericht erteilten und fruchtlos gebliebenen Auflagenbeschlüsse hinaus zu ermitteln.
122aa) Gemäß §§ 99 Abs. 2, 83 Abs. 1 ArbGG erforscht das Gericht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge zwar von Amts wegen. Es muss von sich aus eigene Erhebungen anstellen und auch Beweise erheben, die nicht vom Antragsteller angetreten sind (BAG, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 6 ABR 41/78 –, BAGE 34, 230-238, Rn. 28; GK-ArbGG/Ahrendt § 83 ArbGG, Rn. 18). Aus § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ergibt sich jedoch eine abgestufte Pflichtenverteilung zwischen Antragsteller und Beteiligten einerseits und dem Gericht andererseits. Danach hat der Antragsteller zunächst den Sachverhalt vorzutragen, aus dem sich seines Erachtens die begehrte Rechtsfolge ableitet. Er muss in seiner Antragsschrift die Umstände schildern, die nach seiner Auffassung den Antrag rechtfertigen. Lediglich globale Behauptungen ohne konkrete Substanz genügen auch im Beschlussverfahren nicht. Der Sachvortrag des Antragstellers muss ausreichend Inhalt haben, damit sich für das Gericht Ansatzpunkte ergeben, in welcher Richtung eine weitere Sachverhaltsaufklärung durchzuführen ist (GK-ArbGG/Ahrendt § 83 ArbGG, Rn. 10; Prütting/Weth, DB 1989, 2273-2278, zitiert nach juris).
123bb) Dies ist hier nicht der Fall. Die GD ist der Aufforderung in dem Auflagenbeschluss des Arbeitsgerichts vom 21.02.2022, mitzuteilen, wie viele ihrer Mitglieder im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland tätig sind, nicht nachgekommen. Entgegen der weiteren Auflage des Arbeitsgerichts vom 14.04.2023 hat die GD auch keine aussagekräftigen Hilfstatsachen für ihre Behauptung angeführt, sie stelle die Mehrheit der im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten organisierten Arbeitnehmer. Vielmehr sprechen objektive Anhaltspunkte wie die Mitgliederzahl und das Ergebnis der letzten Betriebsratswahl dafür, dass die GD eben nicht die Mehrheitsgewerkschaft im Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland ist.
124cc) Anders als die GD meint, besteht im Rahmen der Amtsermittlung nach § 83 Abs. 1 ArbGG keine Verpflichtung des Gerichts, eine notarielle Urkunde erstellen zu lassen, aus der sich die Mehrheit einer Gewerkschaft ergibt.
125(1) § 58 Abs. 3 ArbGG, wonach der Beweis über die Zahl der in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder einer Gewerkschaft in einem Betrieb auch durch eine öffentliche Urkunde erbracht werden kann, sieht ebenso wie § 420 ZPO vor, dass die Urkunde durch die Beteiligten vorgelegt wird. Der Urkundenbeweis umfasst dagegen nicht, dass das Gericht eine (öffentliche) Urkunde errichten lässt. Abgesehen hiervon könnten die Arbeitsgerichte die Beteiligten nicht zu einer Mitwirkung zwingen. Weder folgt aus § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG eine konkret geschuldete Form der Mitwirkung noch bietet das Gesetz eine passende Handhabe dafür, bestimmte Vorgaben durchzusetzen oder ihre Verletzung zu sanktionieren (Ulrici, NZA 2017, 1161, 1165). Die Aufgabe des Gerichts beschränkt sich daher auch im Beschlussverfahren darauf, auf die Vorlage dieser Urkunde hinzuwirken (BVerfG, Urteil vom 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 –, BVerfGE 146, 71-163, Rn. 199; zum Beweisantritt nach § 420 ZPO BGH, Urteil vom 19. September 1985 – VII ZR 158/84 –, Rn. 9, juris).
126(2) Dass damit Kosten für die Beteiligten entstehen, widerspricht nicht dem in § 2 Abs. 2 GKG festgelegten Grundsatz der Gerichtskostenfreiheit. Dieser Grundsatz bedeutet nur die Befreiung von Gerichtskosten, also von Gebühren und Auslagen; d.h.: die durch die gerichtliche Beauftragung eines Notars entstehenden Auslagen dürften nicht den Beteiligten auferlegt werden (vgl. Spilger, jurisPR-ArbR 45/2023, Anm. 8; Hofer, ZTR 2015, 185-192, zitiert nach juris). § 2 Abs. 2 GKG verhält sich jedoch nicht zu den von den Beteiligten vorzulegenden Urkunden. Insoweit gilt der Grundsatz: Die den Beteiligten durch das Beschlussverfahren entstehenden Kosten haben diese selbst zu tragen (BAG, Beschluss vom 27. Juli 1994 – 7 ABR 10/93 –, BAGE 77, 273-285, Rn. 24). Sehen die beteiligten Gewerkschaften zur Wahrung ihrer Kampfparität ausdrücklich davon ab, Urkunden über ihre Mitgliederstärke vorzulegen, und trägt der Antragsteller keine ausreichenden Indizien für seine behauptete Stellung als Mehrheitsgewerkschaft vor, hat das Gericht seiner Aufklärungspflicht genügt.
127dd) Zudem bestehen, ohne dass es darauf noch ankäme, Bedenken, ob eine Urkunde, die sich, wie die GD anregt, lediglich über eine vom Notar getroffene Mehrheitsfeststellung verhält, ein taugliches und praktikables Beweismittel darstellt.
128(1) Denn anders als § 58 Abs. 3 ArbGG es vorsieht, würde sie sich nicht auf die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder, sondern auf das bloße Ergebnis eines Datenabgleichs beziehen. Auch wenn § 58 Abs. 3 ArbGG („insbesondere“) keine abschließende Aufzählung der Beweisthemen enthält, setzt die vom Gesetzgeber gewählte Lösung des Problems der Tarifkollision in § 4a Abs. 2 TVG voraus, dass die genaue Zahl der Arbeitnehmer mit einer Mitgliedschaft in einer (oder mehrerer) Gewerkschaften bekannt ist. Diese zahlenmäßigen Zusammenhänge – und nicht nur das Endergebnis in Form einer Mehrheitsfeststellung – müssen bei Streit in einem gerichtlichen Beweisverfahren festgestellt werden (vgl. GMP/Prütting, 10. Aufl. 2022, § 58 ArbGG, Rn. 93; Helml/Pessinger/Helml, 5. Aufl. 2021, § 58 ArbGG, Rn. 73).
129(2) Eine öffentliche Urkunde begründet überdies gemäß § 415 ZPO nur den vollen Beweis für den beurkundeten Vorgang. Ihre formelle Beweiskraft erstreckt sich nicht darauf, ob die in ihnen enthaltene Erklärung richtig ist (BGH, Urteil vom 6. Juli 1979 – I ZR 135/77 –, Rn. 16, juris). Eine nicht auf eigenen Wahrnehmungen des Notars beruhende Feststellung würde nicht zur Beweisvermutung der §§ 415, 418 ZPO führen. Der Wahrnehmung des Notars müsste demgemäß ein stichhaltiger, ihn hinreichend überzeugender Beleg dafür zugänglich gemacht werden, dass bestimmte Personen zum Kollisionszeitpunkt Mitglied der betreffenden Gewerkschaft und Arbeitnehmer des Betriebs waren. Dafür wäre die Vorlage von Mitgliederlisten nicht ausreichend (vgl. Greiner, NZA 2015, 769, 773). Denn der Notar könnte nicht überprüfen, dass die Angaben in der Liste richtig sind (Hofer, ZTR 2015, 185-192, zitiert nach juris). Erforderlich wäre daher entweder, dass jedes einzelne Gewerkschaftsmitglied persönlich vor dem Notar erscheint und eine Erklärung über seine Mitgliedschaft abgibt oder dass die Gewerkschaften die Mitgliedschaft durch Vorlage der Beitrittserklärung sowie von Kontoauszügen belegen (Greiner, NZA 2015, 769, 773 f.). Zudem wäre der Notar gehalten, die konkrete Arbeitnehmereigenschaft in Abgrenzung zu Selbständigen, zu Praktikanten und zu überlassenen Arbeitnehmern feststellen (GMP/Prütting, 10. Aufl. 2022, § 58 ArbGG, Rn. 94). Da sich die GD zudem ausdrücklich vorbehalten hat, die Listen der anderen Beteiligten kritisch zu behandeln und ihre Richtigkeit zu bestreiten, müsste der Notar darüber hinaus die komplexe Rechtsfrage prüfen, welche Gewerkschaftsmitglieder zugleich dem Wahlbetrieb R.9.2. Rheinland angehören (Greiner, NZA 2015, 769, 774).
130(3) Eine solche, dem Notar aufzugebende Klärung von Rechtsfragen, ist aber eigentlich Sache des Gerichts (GMP/Prütting, 10. Aufl. 2022, § 58 ArbGG, Rn. 94). Denn der Status als Arbeitnehmer, die Zughörigkeit zum Betrieb und das Bestehen einer Gewerkschaftsmitgliedschaft sind keine unmittelbar wahrnehmbaren Tatsachen, sondern das Ergebnis einer Würdigung und rechtlichen Bewertung von wahrgenommenen Tatsachen (Helml/Pessinger/Pessinger, 5. Aufl. 2021, § 99 ArbGG, Rn. 15). Angesichts dessen könnte eine notarielle Urkunde, die lediglich eine Mehrheitsfeststellung enthält, allenfalls eine der freien richterlichen Beweiswürdigung unterliegende Hilfstatsache für einen Indizienbeweis darstellen (vgl. BAG, Beschluss vom 25. März 1992 – 7 ABR 65/90 –, BAGE 70, 85-103, Rn. 23; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 – IX ZR 96/92 –, Rn. 26, juris). Ein höherer Beweiswert dürfte ihr nicht zugebilligt werden, weil ansonsten würde die Grundsätze der Unmittelbarkeit, der Öffentlichkeit und der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme verletzt würden (dazu Prütting/Weth, DB 1989, 2273-2278, zitiert nach juris; GMP/Prütting, 10. Aufl. 2022, § 58 ArbGG, Rn. 97).
1313.) Der Hilfsantrag zu 2. ist unstatthaft. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG eröffnet das besondere Beschlussverfahren nach § 99 ArbGG hinsichtlich der nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG im Betrieb anwendbaren Tarifverträge und nicht nur bezogen auf Arbeitnehmer, die Mitglied der antragstellenden Gewerkschaft sind. Durch das besondere Beschlussverfahren soll eine einheitliche Entscheidung über diese Streitfrage ermöglicht werden (GK-ArbGG/Ahrendt, § 2a ArbGG, Rn 93; GMP/Schlewing/Dickerhof-Borello, 10. Aufl. 2022, § 2a ArbGG, Rn. 91). Denn mit der rechtskräftigen Entscheidung tritt die Verdrängungswirkung des Mehrheitstarifvertrags kraft Gesetzes gewerkschaftsübergreifend für alle Arbeitnehmer des Betriebs ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 –, BVerfGE 146, 71-163, Rn. 173; Klose in Hamacher, Antragslexikon ArbR, Tarifkollision iSd. § 4 a TVG, Rn. 4, beck-online).
132III.
133Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zugelassen.