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I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 09.02.2023 - 7 BV 98/22 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag des Betriebsrats bereits unzulässig ist.
II. Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligten zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Beschlusses einer tariflichen Einigungsstelle.
4Die kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebundene Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Metallindustrie mit ca. 200 Arbeitnehmern und auf die Herstellung von Kupfer- und Kupferlegierungsbändern spezialisiert. Auf die Arbeitsverhältnisse finden der Manteltarifvertrag (MTV) und das Entgeltrahmenabkommen (ERA) der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Anwendung.
5Entgeltgrundsätze im Sinne des ERA sind nach § 5 Nr. 1 ERA das Leistungsentgelt (Akkord, Prämie, Zielvereinbarung I) und das Zeitentgelt (mit Leistungszulage gemäß § 10 ERA, Zielvereinbarung II). Der anzuwendende Entgeltgrundsatz und die Entgeltmethode sind zwischen den Betriebsparteien gemäß § 5 Nr. 2 Satz 3 ERA zu vereinbaren. Möglich ist auch eine Kombination von mehreren tariflichen Entgeltgrundsätzen und –methoden.
6Die Beteiligten hatten seit Einführung des ERA für den überwiegenden Teil der Arbeitsplätze im Bereich der Produktion (Kostenstellen) Prämienregelungen getroffen, zuletzt mit der Betriebsvereinbarung vom 12.10.2016, die den Arbeitnehmern ein monatliches Prämienentgelt in Höhe von ca. 30 % des tariflichen monatlichen Grundentgelts gewährte. Gemäß Nr. 10.1 der Betriebsvereinbarung war sie mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist kündbar und soll weiter bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung wirken. Mit Schreiben vom 14.04.2021 kündigte die Arbeitgeberin die Betriebsvereinbarung. Sie strebt einen Wechsel von dem Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt mit Prämie zu dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt mit Leistungszulage an.
7Nach ergebnislosen innerbetrieblichen Verhandlungen riefen die Beteiligten die tarifliche Einigungsstelle mit dem Auftrag an, „festzustellen, welchem Entgeltgrundsatz i.S.v. §§ 5, 6, 7, 8, 9 und 10 des Entgeltrahmenabkommens (…) die als Anlage 1 aufgeführten Tätigkeiten der Betriebsvereinbarung über ein Prämienentgelt vom 12. Oktober 2016 (…) entsprechen. Wenn und soweit für die in der Anlage 1 aufgeführten Tätigkeiten der genannten Betriebsvereinbarung festgestellt wird, dass der Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt zutreffend ist, ist über eine sach- und fachgerechte Entwicklung und Ausgestaltung eines Prämienentgelts zu entscheiden.“
8Gemäß dem Protokoll der ersten Einigungsstellensitzung am 08.04.2022 trafen die Beteiligten eine Absprache für den Fall, dass es im Ergebnis der Überprüfung von Entgeltgrundsatz und -methode zu Wechseln von dem Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt mit dem Unterfall der Entgeltmethode Prämienentgelt in den Entgeltgrundsatz Zeitentgelt kommt. Dann soll es für die betroffenen Arbeitnehmer eine Übergangsregelung für die Dauer von 24 Monaten geben. Diese soll einen linearen Abbau- und Abschmelzprozess auf der Grundlage der durchschnittlichen Prämie der letzten zwölf Monate sowie die Anrechnung von Tariferhöhungen auf das Delta zwischen alter und neuer Vergütung im Bereich der Leistung vorsehen.
9Die Einigungsstelle führte insgesamt fünf Sitzungen durch. Ein von ihr eingeholtes Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass 32 der 35 Kostenstellen in Ermangelung der für eine Prämienfähigkeit nach dem Tarifvertrag erforderlichen Nachvollziehbarkeit und Beeinflussbarkeit dem tariflichen Entgeltgrundsatz Zeitentgelt mit Leistungszulage entsprechen.
10Am 05.10.22 fasste die Einigungsstelle entsprechend dem Antrag des Unternehmerverbandes der M einen Beschluss, gemäß dessen Ziffer I. die ganz überwiegende Zahl der Kostenstellen dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt entspricht. In dem Beschlussantrag des Unternehmerverbandes war auch die Kostenstelle 1147 (Fertigbeize) enthalten. In dem Einigungsstellenspruch vom 05.10.2022 fehlte diese Kostenstelle. Unter Ziffer II. beschloss die Einigungsstelle für die drei verbliebenen Kostenstellen eine „Betriebsvereinbarung über die Anwendung des Entgeltgrundsatzes Leistungsentgelt mit der Entgeltmethode Prämie“. Gemäß Ziffer II. Nr. 11 trat diese Betriebsvereinbarung mit Wirkung zum 01.11.2022 in Kraft und soll für alle unter ihren Geltungsbereich fallenden Beschäftigten die bisher gültigen Regelungen der Entgeltberechnung ersetzen sowie die Betriebsvereinbarung über ein Prämienentgelt vom 12.10.2016 vollumfänglich ablösen.
11Die Arbeitgeberin zeigte mit Schreiben vom 18.11.2022 gegenüber dem Einigungsstellenvorsitzenden das Fehlen der Kostenstelle 1147 in dem ihr zugeleiteten Einigungsstellenbeschluss an und bat um Klarstellung. Nach Anhörung der I M und des Betriebsrats ergänzte der Vorsitzende den Einigungsstellenbeschluss am 08.12.2022 entsprechend.
12Mit seiner am 07.10.2022 bei dem Arbeitsgericht Aachen eingereichten Antragsschrift begehrt der Betriebsrat die Feststellung, dass der Beschluss der Einigungsstelle unwirksam sei.
13Er hat die Auffassung vertreten, dass die Einigungsstelle den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und mit Ziffer I. ihres Beschlusses die Grenzen billigen Ermessens überschritten habe. Das eingeholte Sachverständigengutachten sei fehlerhaft, widersprüchlich und habe nicht als Entscheidungsgrundlage dienen können. Der Berichtigungsbeschluss vom 08.12.2022 sei rechtsunwirksam, denn das Einigungsstellenverfahren sei mit dem Zugang des durch den Einigungsstellenvorsitzenden den Betriebsparteien übermittelten Beschluss vom 05.10.2022 abgeschlossen gewesen. Eine Alleinentscheidungs-/Abänderungskompetenz des Einigungsstellenvorsitzenden habe nicht bestanden. Über das als Berichtigungsantrag auszulegende Schreiben der Arbeitgeberin hätte die Einigungsstelle und nicht deren Vorsitzender alleine entscheiden müssen.
14Der Betriebsrat hat beantragt:
151. Ziffer I. des Beschlusses der Einigungsstelle vom 05.10.2022, wonach die Arbeitsplätze der Kostenstelle 1100 (Bandfertigung allgemein), Kostenstelle 1110 (Auftragsvorbereitung /Schrotthandling), Kostenstelle 1132 (Walze mit Schabvorrichtung), Kostenstelle 1139 (Feinquarto), Kostenstelle 1146 (Vorbeize) , Kostenstelle 1148 (Entfettung), Kostenstelle 1153 (Haubenöfen), Kostenstelle 1158 (Durchziehofen), Kostenstelle 1187 (Streckbiegerichtmaschine), Kostenstelle 1188 (Streckbiegerichtmaschine), Kostenstelle 1192 (Verzinnungsanlage), Kostenstelle 1211 (Mechanische Werkstatt), Kostenstelle 1213 (Elektrowerkstatt/Energie), Kostenstelle 1620 (Mechanisches/Chemisches Labor), Kostenstelle 1972 (Transport Werk Bandfertigung), Kostenstelle 1973 (Transport Werk Adjustage), Kostenstelle 1974 (Be-/Entladen (verladehalle + Hof), Kostenstelle 2100 (Adjustage allgemein), Kostenstelle 2182 (Streckbiegerichten in Einzelbreite), Kostenstelle 2141 (Fertigungsschere NOBS I), Kostenstelle 2142 (Fertigungsschere NOBS II), Kostenstelle 2143 (PKM-Verpackung), Kostenstelle 2188 (Adjustage Spulmaschinen 1, 2, 3, 4) , Kostenstelle 2189 (Multilayer 1, 2, 3, 4), Kostenstelle 2191 (Verzinnungsanlage II), Kostenstelle 2300 (allgemein Stufenfräse), Kostenstelle 2311 (allgemein Fräsmaschine 1), Kostenstelle 2312 (Fräsmaschine 2), Kostenstelle 2313 (Fräsmaschine 3), Kostenstelle 2318 (Richtmaschine) und Kostenstelle 4342 (Versandlager) dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt des Entgeltrahmenabkommens zwischen M N Verband der M und N e.V., und der I M B N vom 1. März 2004 entsprechen, ist rechtsunwirksam.
2. Der Berichtigungsbeschluss vom 08.12.2022 ist rechtsunwirksam.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
20die Anträge zurückzuweisen.
21Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats mit einem am 09.02.2023 verkündeten Beschluss als unbegründet zurückgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
22Der Einigungsstellenbeschluss sei wirksam und bewege sich in den Grenzen des Ermessens gem. § 76 Abs. 5 Satz 3 und 4 BetrVG. Das Interesse der Arbeitgeberin an einem Wechsel vom Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt mit Prämie hin zum Entgeltgrundsatz Zeitentgelt mit Leistungszulage überwiege das Interesse der Arbeitnehmer an dem Erhalt der Vergütung bzw. der Beibehaltung des Entgeltgrundsatzes Leistungsentgelt mit Prämie, da es sich bei dem Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt mit Prämie bezogen auf die konkreten Arbeitsplätze/Kostenstellen um einen nach den tariflichen Vorgaben nicht geeigneten Entgeltgrundsatz handele. Der Berichtigungsbeschuss vom 08.12.2022 sei ebenfalls rechtswirksam. Das Einigungsstellenverfahren habe zur Berichtigung des offenkundigen Übertragungsfehlers nicht wiedereröffnet werden müssen. Denn der Aufzählungspunkt „Kostenstelle 1147 (Fertigbeize)" sei rein versehentlich in den Dokumenten nicht enthalten gewesen und habe in analoger Anwendung des § 319 ZPO von dem Vorsitzenden alleine berichtigt werden können.
23Gegen diesen ihm am 10.07.2023 zugestellten Beschluss richtet sich die am 08.08.2023 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Beschwerde des Betriebsrats, die er nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 28.09.2023 mit einem am 26.09.2023 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
24Der Betriebsrat hält den Beschluss der Einigungsstelle vom 05.10.2022 für unwirksam. Denn die Einigungsstelle habe den ihr erteilten Auftrag nicht ausgeführt und keine Entscheidung getroffen, die den einen Entgeltgrundsatz als anzuwenden erkenne und den anderen Entgeltgrundsatz als nicht anwendbar ausschließe. Eine hinreichende Sachverhaltsaufklärung sei ebenso wenig erfolgt, wie eine Abwägung, welchem der Entgeltgrundsätze in der Anwendung auf die Kostenstellen der Vorzug einzuräumen sei. Der Beschluss der Einigungsstelle vom 05.10.2022 lasse nicht erkennen, warum das Interesse der Arbeitnehmer am Erhalt des Entgeltgrundsatzes Leistungsentgelt – nicht notwendigerweise Prämie – gegenüber dem Änderungsinteresse der Arbeitgeberin zurückstehen müsse. Der Berichtigungsbeschluss vom 08.12.2022 sei aus den bereits erstinstanzlich vorgetragenen Gründen unwirksam.
25Der Betriebsrat beantragt,
26den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen – 7 BV 98/22 – vom 09.02.2023 abzuändern und
271. festzustellen, dass Ziffer I. des Beschlusses der Einigungsstelle vom 05.10.2022 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 08.12.2022, wonach die Arbeitsplätze der Kostenstelle 1100 (Bandfertigung allgemein), Kostenstelle 1110 (Auftragsvorbereitung/Schrotthandling), Kostenstelle 1132 (Walze mit Schabvorrichtung), Kostenstelle 1139 (Feinquarto), Kostenstelle 1146 (Vorbeize) , Kostenstelle Nr. 1147, Fertigbeize, Kostenstelle 1148 (Entfettung), Kostenstelle 1153 (Haubenöfen), Kostenstelle 1158 (Durchziehofen), Kostenstelle 1187 (Streckbiegerichtmaschine), Kostenstelle 1188 (Streckbiegerichtmaschine), Kostenstelle 1192 (Verzinnungsanlage), Kostenstelle 1211 (Mechanische Werkstatt), Kostenstelle 1213 (Elektrowerkstatt/Energie), Kostenstelle 1620 (Mechanisches/Chemisches Labor), Kostenstelle 1972 (Transport Werk Bandfertigung), Kostenstelle 1973 (Transport Werk Adjustage), Kostenstelle 1974 (Be-/Entladen (verladehalle + Hof), Kostenstelle 2100 (Adjustage allgemein), Kostenstelle 2182 (Streckbiegerichten in Einzelbreite), Kostenstelle 2141 (Fertigungsschere NOBS I), Kostenstelle 2142 (Fertigungsschere NOBS II), Kostenstelle 2143 (PKM-Verpackung), Kostenstelle 2188 (Adjustage Spulmaschinen 1, 2, 3, 4) , Kostenstelle 2189 (Multilayer 1, 2, 3, 4), Kostenstelle 2191 (Verzinnungsanlage II), Kostenstelle 2300 (allgemein Stufenfräse), Kostenstelle 2311 (allgemein Fräsmaschine 1), Kostenstelle 2312 (Fräsmaschine 2), Kostenstelle 2313 (Fräsmaschine 3), Kostenstelle 2318 (Richtmaschine) und Kostenstelle 4342 (Versandlager) dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt des Entgeltrahmenabkommens zwischen M N V der M und E N e.V., und der I M B N vom 1. März 2004 entsprechen, rechtsunwirksam ist.
2. hilfsweise festzustellen, dass der Berichtigungsbeschluss vom 08.12.2022 rechtsunwirksam ist.
Die Arbeitgeberin beantragt,
32die Beschwerde zurückzuweisen.
33Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Vertiefung ihres Sachvortrags. Die Arbeitgeberin meint, die Einigungsstelle sei ihrem Regelungsauftrag ausreichend nachgekommen und habe eine abschließende Regelung getroffen. Die Einigungsstelle habe nach Maßgabe des § 5 Nr. 7 ERA zu klären gehabt, welchem Entgeltgrundsatz nach ERA die Kostenstellen/Arbeitsplätze entsprächen. Dem sei die Einigungsstelle durch entsprechende Fragestellung an den Sachverständigen nachgekommen und habe auf der Grundlage des insoweit eindeutigen Ergebnisses des Gutachtens eine abschließende und ihrem Auftrag entsprechende Regelung getroffen. Das Einigungsstellenverfahren sei mit dem Ziel und in dem Bewusstsein einer im Beschlussfalle verbindlichen Regelung bezogen auf den anzuwendenden Entgeltgrundsatz betrieben worden. Einer gesonderten Umsetzung von Abschnitt I. des Einigungsstellenspruchs zur Einführung des Entgeltgrundsatzes Zeitengelt habe es nicht bedurft.
34Die Entscheidung der Einigungsstelle vom 05.10.2022 sei auch ermessensfehlerfrei. Ein Einigungsstellenspruch in einer tariflichen Einigungsstelle, der auf eine tarifliche Vergütung durch einen tarifgebundenen Arbeitgeber erkenne, könne nicht ermessensfehlerhaft sein.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
36II.
37Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte, gemäß §§ 89 Abs. 2, 87 Abs. 2 Satz1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht seinen Antrag zurückgewiesen. Die Anträge sind jedoch nicht unbegründet, sondern mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Teilanfechtung fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse, weil die tarifliche Einigungsstelle mit Ziffer I. ihres Beschlusses zwar ihrem Auftrag nachgekommen ist, damit aber keine für die Beteiligten verbindliche Regelung treffen konnte, sondern lediglich eine Vorfrage geklärt hat. Denn der Gegenstand der Einigungsstelle unterlag insoweit nicht der zwingenden Mitbestimmung. Vielmehr handelte es sich um ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren, bei dem die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG nur dann ersetzt wird, wenn beide Seiten sich dem Einigungsstellenbeschluss im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben. Im Einzelnen:
381. Die von der Einigungsstelle zu klärende Frage, welchem Entgeltgrundsatz iSd. ERA bestimmte Tätigkeiten entsprechen, unterlag nicht der zwingenden Mitbestimmung. Mit Ziffer I. ihres Beschlusses hat die Einigungsstelle die Einigung der Beteiligten auf den Entgeltgrundsatz Zeitentgelt für die erfassten Kostenstellen damit nicht iSd. § 87 Abs. 2 BetrVG, § 5 Nr. 8 Satz 3 ERA ersetzt.
39a) Die im vorliegenden Fall einschlägigen tariflichen Regelungen lauten:
40Entgeltrahmenabkommen (ERA) in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003
41§ 5Entgeltgrundsätze und Entgeltmethoden
421. Die Beschäftigten erhalten entweder ein Leistungsentgelt (Akkord, Prämie, Zielvereinbarung I gemäß §§ 7, 8, 9 Nr. 2) oder ein Zeitentgelt (mit Leistungszulage gemäß § 10, Zielvereinbarung II gemäß § 9 Nr. 3).
432. Die Beschäftigten haben Anspruch auf das sich aus dem Entgeltabkommen ergebende Monatsgrundentgelt der jeweiligen Entgeltgruppe als Ausgangsentgelt. Die über das anforderungsbezogene Monatsgrundentgelt hinausgehenden leistungs- oder leistungsbeurteilungsbezogenen Entgeltbestandteile sind Teil des Monatsentgelts. Für die Beschäftigten sind der Entgeltgrundsatz und die Entgeltmethode zwischen den Betriebsparteien zu vereinbaren.
443. Die Betriebsparteien können auch freiwillig eine Kombination mehrerer tariflicher Entgeltgrundsätze und -methoden vereinbaren.
45Die Einflussgrößen, die die Entgelthöhe bestimmen, müssen für den Beschäftigten nachvollziehbar und durchschaubar sein und dürfen sich nicht widersprechen.
46Wird für die Beschäftigten die Kombination von tariflichem Leistungsentgelt und Zeitentgelt mit Leistungsbeurteilung vereinbart, so gilt für sie der Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt. Entsprechend hat sich die Vergütung nach den Kriterien des Leistungsentgelts zu richten.
474. Soweit für die Beschäftigten kein anderer Entgeltgrundsatz festgelegt ist, werden die Arbeiten im Zeitentgelt vergütet.
48…
496. Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kann anstelle der tariflichen Entgeltmethoden dieses Tarifvertrags ausnahmsweise eine andere leistungs- oder eine erfolgsabhängige Entgeltmethode vereinbart werden. Dabei ist von Beginn der Verhandlungen an die jeweils zuständige Tarifvertragspartei zu konsultieren. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung bedarf der Zustimmung durch die Tarifvertragsparteien.
50In diesem Fall ist der Anspruch aus diesem Tarifvertrag der Höhe nach zu gewährleisten.
517. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auswahl des Entgeltgrundsatzes und/oder der Entgeltmethode ist der Entgeltgrundsatz bzw. die Entgeltmethode anzuwenden, der / die unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und Gegebenheiten am ehesten den Kriterien der Nachvollziehbarkeit und Beeinflussbarkeit genügt.
528. Der Betriebsrat hat gemäß § 87 BetrVG nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Entgeltgestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entgeltgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entgeltmethoden sowie deren Änderung und Ausgestaltung.
53Kommt eine Einigung zwischen den Betriebsparteien nicht zustande, findet § 87 Abs. 2 BetrVG mit der Maßgabe Anwendung, dass die tarifliche Einigungsstelle nach § 24 EMTV (jetzt § 51 EMTV 2018) zuständig ist.
54Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
55…
56§ 6Allgemeine Bestimmungen zum Leistungsentgelt
571. Beschäftigte, für die der Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt vereinbart ist, erhalten je nach Leistung ein leistungsbezogenes Entgelt.
582. Das Leistungsentgelt ist abhängig von Größen, die durch die Leistung des Beschäftigten beeinflussbar sind. Wird die Leistung durch mehrere Beschäftigte gemeinsam erbracht, so kann auch die durch die Gruppe beeinflussbare Gruppenleistung die Höhe des Leistungsentgelts bestimmen.
59….
60§ 10Zeitentgelt und Leistungszulage
611. Beschäftigte im Zeitentgelt erhalten neben dem sich aus dem Entgeltabkommen ergebenden tariflichen Monatsgrundentgelt nach Ablauf ihrer Probezeit (§ 2 Nr. 2 EMTV) eine Leistungszulage.
622. Die Anforderungen an die Leistung im Zeitentgelt sind so zu gestalten, dass sie von für die auszuführenden Arbeiten geeigneten, genügend eingearbeiteten und eingeübten Beschäftigten auf Dauer ohne Gefährdung für ihre Gesundheit bewältigt werden können.
63….
64Manteltarifvertrag (MTV) für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 08.11.2018
65§ 51 Einigungsstelle
6651.1 Einigungsstelle
67Sofern nicht ausdrücklich die besondere Einigungsstelle nach § 51.2 zur Anwendung kommt, sind in allen sonstigen Fällen, in denen dieser Tarifvertrag eine Einigung einschließlich Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vorsieht und eine solche nicht zustande kommt, die Vertreter der tarifvertragsschließenden Parteien hinzuzuziehen. Gelingt auch dann eine Übereinstimmung nicht, so ist die Angelegenheit einer Einigungsstelle vorzutragen, die aus je zwei von den Tarifvertragsparteien zu benennenden Beisitzern und einem/einer unparteiischen Vorsitzenden besteht, auf den / die sich die Parteien einigen sollen.
68Kommt eine Einigung über die Person des/der Vorsitzenden nicht zustande, so entscheidet unter den Vorschlägen das Los.
69Die Einigungsstelle regelt den Streitfall verbindlich.
70b) Mitbestimmungspflichtig war im vorliegenden Fall gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, § 5 Nr. 8 ERA der Grundsatz des Entgeltsystems (Zeitentgelt und/oder Leistungsentgelt), wobei die abstrakt-generellen Faktoren zur Bemessung der Leistungen und das Verfahren, nach denen das Entgelt bestimmt werden soll, für den Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt in § 10 ERA tariflich geregelt sind. Um die von Ziffer I. des Einigungsstellenbeschlusses erfassten Kostenstellen dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt zu unterwerfen und die nachwirkende Betriebsvereinbarung vom 12.10.2016 gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG abzulösen, hätte es im vorliegenden Fall einer Vereinbarung der Betriebsparteien iSd. § 5 Nr. 2 Satz 3 ERA bedurft.
71c) Die von der Einigungsstelle getroffene Feststellung, dass die Tätigkeiten der von Ziffer I. ihres Beschlusses erfassten Tätigkeiten dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt entsprechen, ersetzt diese Vereinbarung nicht. Der Auftrag und der Beschluss der Einigungsstelle unter Ziffer I. waren erkennbar auf § 5 Nr. 7 ERA zugeschnitten. § 5 Nr. 7 ERA enthält für den Fall von Meinungsverschiedenheiten über den anzuwendenden Entgeltgrundsatz eine ermessensleitende Bestimmung, die von den Betriebsparteien durch die Aufstellung des entsprechenden Entgeltgrundsatzes erst noch umgesetzt werden muss. Die Feststellung, welcher Entgeltgrundsatz unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und Gegebenheiten am ehesten den Kriterien der Nachvollziehbarkeit und Beeinflussbarkeit genügt, reicht dafür nicht aus. Dies gilt jedenfalls dann, wenn für die betroffenen Tätigkeiten eine Betriebsvereinbarung mit Prämienregelung kraft Nachwirkung gilt.
72aa) Bereits ihrem Wortlaut nach enthält Ziffer I. des Einigungsstellenbeschlusses keine Regelung. Der Beschluss hat eine Tatsachenfrage zum Gegenstand, die aufzuklären war, die aber nicht geregelt werden kann.
73bb) Die von der Einigungsstelle getroffene Feststellung kann zudem deswegen nicht ohne eine weitere Vereinbarung der Betriebsparteien über den Entgeltgrundsatz
74verbindlich sein, weil § 5 Nr. 7 ERA nicht ausschließt, dass sich die Betriebsparteien aus tragfähigen Gründen für einen anderen Entgeltgrundsatz entscheiden und durch die Beilegung ihrer Meinungsverschiedenheit der getroffenen Feststellung der Einigungsstelle den Boden entziehen. Denn die überwiegende Zahl von Tätigkeiten ist nicht von vorneherein nur zeit- oder leistungsentgeltgeeignet. Das ERA selbst trägt dieser Tatsache dadurch Rechnung, indem es unter § 5 Nr. 3 eine Kombination mehrerer tariflicher Entgeltgrundsätze und -methoden zulässt (vgl. Claudia Niewerth, Leistungsentgelt im ERA NRW, S. 31).
75cc) Auch die Tarifvertragsparteien sind nicht davon ausgegangen, dass die Feststellung nach § 5 Nr. 7 ERA einen Tatbestand der zwingenden Mitbestimmung darstellt. Dies ergibt sich schon aus § 5 Nr. 8 ERA, wonach der Betriebsrat gemäß § 87 BetrVG nach Maßgabe der „nachstehenden“ Bestimmungen, nicht aber bei der vorstehenden Bestimmung des § 5 Nr. 7 ERA mitzubestimmen hat.
76dd) Zudem widerspräche das gegenteilige Verständnis dem Umstand, dass die Beteiligten den Entgeltgrundsatz gemäß § 5 Nr. 2 Satz 3 ERA zu vereinbaren haben. Wäre die Auffassung der Arbeitgeberin richtig, dass sich bereits aus § 5 Nr. 7 ERA zwingend ein bestimmter Entgeltgrundsatz ergibt, könnte die Vereinbarung nach § 5 Nr. 2 Satz 3 ERA allenfalls einen deklaratorischen Charakter haben. Anderenfalls verstieße sie gegen den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG. Denn der maßgebliche Entgeltgrundsatz wäre bereits durch den Tarifvertrag zwingend und abschließend vorgegeben. Die tarifgebundene Arbeitgeberin wäre tariflich – und betriebsverfassungsrechtlich – verpflichtet, diesen Entgeltgrundsatz in ihrem Betrieb anzuwenden (vgl. BAG, Beschluss vom 14. Februar 2023 – 1 ABR 9/22 –, Rn. 29, juris; BAG, Beschluss vom 18. Oktober 2011 – 1 ABR 25/10 –, BAGE 139, 332-341, Rn. 20).
77ee) Schließlich waren auch die beteiligten Betriebsparteien von der Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung zur Ablösung der alten Prämienregelung ausgegangen. Denn nach Nr. 10.1 der Prämienbetriebsvereinbarung vom 12.10.2016 soll sie bis zum Abschluss einer neuen „Betriebsvereinbarung“ nachwirken. Anders als § 77 Abs. 6 BetrVG, in dem von einer anderen „Abmachung“ die Rede ist, haben die Betriebsparteien die Nachwirkung bis zum Abschluss einer neuen „Betriebsvereinbarung“ vereinbart. Unabhängig von der Frage, ob diese Rechtsformbestimmung in der Betriebsvereinbarung konstitutiv ist (zur Zulässigkeit von Nachwirkungsvereinbarungen vgl. BAG, Urteil vom 19. September 2023 – 1 AZR 281/22 –, Rn. 34, juris; grdl. BAG, Beschluss vom 28. April 1998 – 1 ABR 43/97 –, BAGE 88, 298-309, Rn. 38 ff.), belegt sie zumindest, dass die Betriebsparteien seinerzeit übereinstimmend von dem Erfordernis einer ablösenden Betriebsvereinbarung ausgegangen sind.
782. Ziffer I. des Einigungsstellenspruchs kann nicht gemäß § 140 BGB in eine konstitutive Einführung des Zeitentgelts und eine den Anforderungen der § 87 Abs. 1 Nr. 10, §§ 5 Nr. 2 Satz 3, 5 Nr. 8 ERA genügende Ablösung der Prämienregelung umgedeutet werden. Selbst wenn man eine solche Umdeutung grundsätzlich für möglich halten sollte, müssten besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, die Einigungsstelle habe die Einführung des Entgeltgrundsatzes Leistungsentgelt in diesem Sinne abschließend geregelt. Dies ist jedoch nicht der Fall.
79a) Auch, wenn das Einigungsstellenverfahren, wie die Arbeitgeberin vorträgt, mit dem Ziel und in dem Bewusstsein einer im Beschlussfalle verbindlichen Regelung bezogen auf den anzuwendenden Entgeltgrundsatz betrieben worden war, hat sich die Einigungsstelle bewusst auf die bloße Feststellung des passenden Entgeltgrundsatzes beschränkt und die aus ihrer Sicht notwendigen ergänzenden Regelungen nicht selbst getroffen. Zur Einführung des neuen Entgeltgrundsatzes und zur Ablösung der Prämienregelung wollten die Beteiligten nämlich außerhalb des Einigungsstellenverfahrens weitere Regelungen treffen, wie sich aus dem Protokoll der ersten Einigungsstellensitzung ergibt. Diese Regelungen hätte aber auch die Einigungsstelle treffen können. Die Vorgaben zum Zeitlohn in § 10 ERA beschränken sich auf Regelungen zur Bestimmung der Leistungszulage, ihrer Höhe und das Beanstandungsverfahren. Das ERA enthält jedoch keine Bestimmungen zur Ablösung eines Entgeltgrundsatzes.
80b) Die Einigungsstelle hat demgemäß, anders als bei der unter Ziffer II. ihres Beschlusses beschlossenen Prämienbetriebsvereinbarung, nicht einmal eine Regelung zum Inkrafttreten des neuen Entgeltgrundsatzes getroffen. Die Ablösung der alten Prämienbetriebsvereinbarung ergibt sich auch nicht zwangsläufig aus der Einführung der neuen Prämienregelung unter Ziffer II. des Einigungsstellenspruchs. Denn Ziffer II. Nr. 1 sieht eine „vollumfängliche“ Ablösung der alten Betriebsvereinbarung nur für die vom Geltungsbereich der neuen Prämienbetriebsvereinbarung erfassten Kostenstellen 1143 (Abwickelmaschine), 1270 (Werkzeugaufbereitung) und 2161 (Packerei) und die an diesen beschäftigten Arbeitnehmer ab dem 01.11.202 vor, nicht hingegen für die von Ziffer I. des Beschlusses erfassten Tätigkeiten derjenigen Arbeitnehmer, die nach Auffassung der Einigungsstelle dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt entsprechen.
813. Dies alles bedeutet nicht, dass die Beteiligten die Klärung der streitigen Frage nicht der Entscheidung durch die Einigungsstelle hätten zuführen dürfen. Denn die Betriebsparteien sind nicht gehindert, einer betrieblichen Einigungsstelle die Kompetenz einzuräumen, Regelungen ungeachtet ihrer mitbestimmungspflichtigen Grenzen zu treffen (BAG, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – 1 ABR 17/17 –, BAGE 164, 248-260, Rn. 33). Auch die Klärung einer Tatsachen- oder Rechtsfrage kann der Einigungsstelle in einem freiwilligen Einigungsstellenverfahren gemäß § 76 Abs. 6 BetrVG übertragen werden (vgl. BAG, Beschluss vom 20. November 1990 – 1 ABR 45/89 –, BAGE 66, 243-257, Rn. 62; LAG Köln, Beschluss vom 22. April 1994 – 13 TaBV 8/94 –, NZA 1995, 445; Fitting, 31. Aufl. 2022, § 76 BetrVG, Rn. 110). Für eine tarifliche Einigungsstelle, bei der es sich der Sache nach um eine tarifliche Schlichtungsstelle iSd. § 76 Abs. 8 BetrVG handelt, gilt nichts Anderes (vgl. BAG, Beschluss vom 14. September 2010 – 1 ABR 30/09 –, BAGE 135, 285-290, Rn. 13), auch wenn sie, wie hier nach § 51 Nr. 1 MTV, auf Regelungsgegenstände der zwingenden betrieblichen Mitbestimmung zugeschnitten ist. Die Verbindlichkeit des Einigungsstellenspruchs hängt dann aber entsprechend § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG davon ab, ob sich beide Seiten dem Einigungsstellenbeschluss im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben. Weder die beteiligten Betriebsparteien noch die Tarifvertragsparteien haben dies im vorliegenden Fall getan.
824. Mangels Verbindlichkeit des Einigungsstellenbeschlusses fehlt es dem Antrag des Betriebsrats an dem notwendigen Feststellungsinteresse.
83a) Die auf die Feststellung der Unwirksamkeit von Ziffer I. des Einigungsstellenbeschlusses sowie des Berichtigungsbeschlusses gerichteten Anträge sind zwar als solche zulässig (vgl. BAG, Beschluss vom 14. September 2010 – 1 ABR 30/09 –, BAGE 135, 285-290, Rn. 10). Auch gegen die Teilanfechtung eines Spruchs bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sie sich auf eine eigenständige Teilregelung bezieht und die Betriebsparteien, wie hier bezogen auf Ziffer II. des Einigungsstellenbeschlusses, die übrigen Regelungen übereinstimmend gelten lassen wollen. Das Feststellungsbegehren ist die zutreffende Verfahrensart (BAG, Beschluss vom 24. Januar 2006 – 1 ABR 6/05 –, BAGE 117, 27-43, Rn. 15).
84b) Nach der auch im Beschlussverfahren anwendbaren Vorschrift des § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses aber nur dann beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der entsprechenden richterlichen Entscheidung hat (BAG, Beschluss vom 17. November 2021 – 7 ABR 40/19 –, Rn. 29 - 30, juris; BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 ABR 93/09 –, BAGE 136, 334-339, Rn. 12). An dem Feststellungsinteresse fehlt es aber, wenn der Einigungsstellenbeschluss, wie hier, mangels vorheriger Unterwerfung und nachträglicher Annahme ohnehin keine Geltung beanspruchen kann.
85c) Die Anträge des Betriebsrats können auch unter dem Gebot der rechtsschutzgewährenden Antragsauslegung (BAG, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 1 ABR 41/18 –, BAGE 171, 340-346, Rn. 11; BAG, Beschluss vom 22. Oktober 2019 – 1 ABR 17/18 –, Rn. 15, juris) nicht so verstanden werden, als seien sie auf die Feststellung gerichtet, dass Ziffer I. des Einigungsstellenbeschlusses und der Berichtigungsbeschluss keine Vereinbarungen der Betriebsparteien zu der Frage darstellen, welcher Entgeltgrundsatz für bestimmte Tätigkeiten zur Anwendung kommen soll.
86(aa) Zwar hat der Betriebsrat diese Auffassung nach dem Hinweis des Gerichts vom 30.01.2024 in seinem Schriftsatz vom 05.02.2024 vertreten. Auch sind Anträge im Grundsatz so auszulegen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BAG, Urteil vom 13. Juni 2012 – 7 AZR 459/10 –, Rn. 14, juris; BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 – XII ZR 324/98 –, Rn. 13, juris). Wegen des Erfordernisses der Prozessklarheit darf sich die Auslegung jedoch nicht völlig vom Wortlaut entfernen und sich über einen eindeutigen Antrag hinwegsetzen (BAG, Beschluss vom 27. Oktober 1992 – 1 ABR 17/92 –, Rn. 27, juris; BAG, Beschluss vom 15. Dezember 1972 – 1 ABR 5/72 –, Rn. 15, juris).
87bb) Sein ausdrücklich auf die Unwirksamkeit und nicht auf die Unverbindlichkeit der Beschlüsse gerichtetes Rechtsschutzziel hatte der Betriebsrat hier bereits in seiner Antragsschrift festgelegt und die Unwirksamkeit in zwei Instanzen mit einer unzureichenden Sachaufklärung und einer Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle begründet. Er hat den Antrag im Anhörungstermin vom 09.02.2024 auch nicht geändert, sodass sich die Kammer an diesen Antrag gebunden sieht.
88III.
89Die Kammer hat für den Betriebsrat und die durch die Abweisung seines Antrags als unzulässig ebenfalls beschwerte Arbeitgeberin die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, weil sie der Auslegung des ERA und den sich ergebenden mitbestimmungsrechtlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung zumisst.