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Einzelfallentscheidung zur fehlenden Annahme eines Änderungsangebots bei Unterbreitung von Änderungswünschen sowie einem Anspruch auf Gewährung einer Gehaltserhöhung aus einer Gesamtzusage
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.09.2023 – 6 Ca 345/23 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.959,62 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 210,20 Euro brutto seit dem 01.08.2022, seit dem 01.09.2022, seit dem 04.10.2022, seit dem 02.11.2022, seit dem 01.12.2022, seit dem 02.01.2023, seit dem 01.02.2023, seit dem 01.03.2023, seit dem 01.04.2023, seit dem 02.05.2023, seit dem 01.06.2023 und seit dem 03.07.2023 sowie aus jeweils 218,61 Euro brutto seit dem 01.08.2023 und seit dem 01.09.2023 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Wirkung zum 01.07.2022 gewährte Hauserhöhung in Form der Erhöhung der monatlichen Grundgehälter um 5 % auf den Kläger anzuwenden.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, das Grundgehalt des Klägers zu kürzen und teilweise in eine Betriebsleiterzulage von 300 Euro brutto umzuwandeln.
4. Es wird festgestellt, dass die Versetzung, mit der die Beklagte den Kläger auf die Position als Service-Monteur mit Betriebsleiterfunktion im Service-Center V versetzt hat, unwirksam ist.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Leiter Service-Center zu beschäftigen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 1.967,49 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 218,61 Euro brutto seit dem 02.10.2023, seit dem 01.11.2023, seit dem 01.12.2023, seit dem 02.01.2024, seit dem 01.02.2024, seit dem 01.03.2024, seit dem 01.04.2024, seit dem 02.05.2024 und seit dem 03.06.2024 zu zahlen.
IV. Im Übrigen wird die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.
V. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Änderung der Arbeitsbedingungen sowie über Vergütungsansprüche des Klägers.
3Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 14.09.2023 Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, das Grundgehalt des Klägers zu kürzen bzw. es teilweise in eine Betriebsleiterzulage umzuwandeln, die Beklagte verpflichtet ist, die mit Wirkung zum 01.07.2022 gewährte Hauserhöhung um 5% auf den Kläger anzuwenden und die Versetzung des Klägers auf die Position als Service-Monteur mit Betriebsleiterfunktion unwirksam ist; es hat die Beklagte ferner verurteilt, den Kläger als Leiter Service-Center zu beschäftigen und an diesen 2.959,62 Euro brutto nebst Zinsen als Nachzahlung aus der nicht gewährten Hauserhöhung zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zahlungsansprüche sowie der Feststellungsantrag hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der Hauserhöhung seien auf Grundlage der arbeitgeberseitigen Gesamtzusage, eine entsprechende Gehaltserhöhung zu gewähren, in Verbindung mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begründet. Die Herausnahme des Klägers und anderer von der Organisationsentscheidung der Beklagten betroffenen Mitarbeiter von der Hauserhöhung sei wegen eines Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unzulässig, da sie nicht auf einem sachlichen Grund beruhe. Die Klageanträge zu 3. (Feststellung der fehlenden Berechtigung zur Kürzung des Grundgehalts und teilweisen Umwandlung in eine Betriebsleiterzulage) und 4. (Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung des Klägers auf die Position eines Service-Monteurs mir Betriebsleiterzulage im Service-Center V) seien begründet, da keine einvernehmliche Änderung der Arbeits- und Vergütungsbedingungen zwischen den Parteien zustande gekommen sei und die Beklagte den Kläger daher weder habe versetzen noch Veränderungen der Vergütungsstruktur habe vornehmen dürfen. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte auch verpflichtet, den Kläger – vorbehaltlich einer neuerlichen wirksamen Versetzung – wieder auf seinem bisherigen Arbeitsplatz zu beschäftigen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils Bezug genommen.
4Gegen dieses ihr am 13.10.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.11.2023 Berufung eingelegt und diese am 13.12.2023 begründet. Sie hält die klägerseitigen Feststellungsanträge wegen des Vorrangs der Leistungsklage bzw. mangels Vorliegens des erforderlichen Feststellungsinteresses für unzulässig. Sie macht weiter geltend, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung zwischen den Parteien zustande gekommen. Richtig sei, dass es sich bei dem Schreiben vom 08.04.2022 um ein Änderungsangebot der Beklagten und nicht um eine einseitige Versetzungsanordnung gehandelt habe. In diesem habe der Kläger zwar Schwärzungen vorgenommen und Anpassungen erbeten. Dennoch habe er das Angebot zum Zeichen seines Einverständnisses unterzeichnet und die neue Position als Service-Monteur Betriebsleiterfunktion ab dem 01.05.2022 auch tatsächlich übernommen, ohne sich hiergegen zur Wehr zu setzen. Zudem habe die Beklagte mit dem Kläger über die vorgenommenen Streichungen im Änderungsvertragsangebot gesprochen und hinsichtlich der ersten Streichung Einigkeit erzielt. Im Rahmen dieser Gespräche habe der Kläger nicht zum Ausdruck gebracht, dass die (bereits umgesetzte) Änderungsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen sein sollte; es liege somit jedenfalls eine konkludente Einigung der Parteien vor.
5Die Beklagte ist weiter der Ansicht, bei der Herausnahme des Klägers und anderer von der Reorganisation des Bereichs Operations betroffenen Mitarbeiter von der Gewährung der Hauserhöhung liege kein Verstoß gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor; vielmehr sei diese durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt, da die in dieser Vergleichsgruppe befindlichen Mitarbeiter trotz eines Positionswechsels von einer Gehaltssicherung profitiert hätten. Das legitime Ziel der Gewährleistung einer unternehmensweit angemessenen Gehaltsstruktur werde konterkariert, wenn die betroffenen Mitarbeiter zusätzlich zu der Gehaltssicherung an den Hauserhöhungen teilnehmen würden. Dementsprechend seien auch die erstinstanzlich und zweitinstanzlich geltend gemachten Zahlungsansprüche unbegründet.
6Die Beklagte beantragt,
7das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.09.2023 – 6 Ca 345/23 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
8Der Kläger beantragt,
9die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen an den Kläger weitere 1.967,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 218,61 € brutto seit dem 01.10.2023, seit dem 01.11.2023, seit dem 01.12.2023, seit dem 01.01.2024, seit dem 01.02.2024, seit dem 01.03.2024, seit dem 01.04.2024, seit dem 01.05.2024 und seit dem 01.06.2024 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
12Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und begehrt mit seiner Klageerweiterung die aus der Nichtgewährung der Hauserhöhung folgenden Vergütungsdifferenzen für die Monate September 2023 bis Mai 2014 in Höhe von monatlich 218,61 Euro brutto. Der Kläger ist der Ansicht, eine einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen sei nicht zustande gekommen; vielmehr habe er durch seine Anmerkungen auf dem Schreiben der Beklagten unmissverständliche zum Ausdruck gebracht, mit den Änderungen nicht einverstanden zu sein. Auch mündlich sei keine Einigung zustande gekommen. Nachdem die Änderungen dennoch im Dezember 2022 vollzogen worden seien, sei er unverzüglich gegen diese vorgegangen. Im Übrigen sei er davon ausgegangen, dass das „Versetzungsschreiben“ – wie auch in der Vergangenheit– eine einseitige Ausübung des Direktionsrechts der Beklagten darstelle bzw. unabhängig davon vorgenommen werde, ob und wie er auf diese reagieren.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1, 46g ArbGG, 519, 520 ZPO).
16II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben.
171. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ des Klägers auf die Position als Service-Monteur mit Betriebsleiterfunktion im Service-Center V ist zulässig und begründet.
18a) Das gem. § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, da der Feststellungsantrag geeignet ist, die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Änderungen der Arbeitsbedingungen einer abschließenden Klärung zuzuführen.
19b) Der Antrag ist auch begründet. Die „Versetzung“ des Klägers auf die Position eines Service-Monteurs mit Betriebsleiterfunktion ist unwirksam.
20aa) Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist insbesondere nicht auf Grund einer einvernehmlichen Vertragsänderung wirksam zustande gekommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffende Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz bietet lediglich Anlass zu den folgenden ergänzenden Ausführungen.
21(1) Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass es sich bei ihrem Schreiben vom 08.04.2022 um ein an den Kläger gerichtetes Angebot zum Abschluss einer Änderungsvereinbarung handelt. Zwar ist das Schreiben mit dem Betreff „Ihre Versetzung“ versehen. Dass es sich tatsächlich um ein Änderungsangebot handelt, ergibt sich aus dem Inhalt des Schriftstücks. Dort heißt es etwa auf Seite 2: „Alle bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen zur fixen Vergütung sowie zur variablen Vergütung werden aufgehoben und durch diese Vereinbarungen vollständig ersetzt.“ Des Weiteren enthält das Schreiben die Aufforderung an den Kläger, das Schreiben zu unterzeichnen, hierdurch sein Einverständnis zu erklären und ein unterzeichnetes Exemplar an die Personalabteilung zu senden, was ebenfalls die Intention eines Vertragsschlusses verdeutlicht.
22(2) Dieses Änderungsangebot hat der Kläger nicht angenommen. Gemäß § 150 Abs. 2 BGB gilt die Annahme eines Angebots unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. Daraus folgt, dass eine wirksame Annahme nur dann vorliegt, wenn sie dem Antrag inhaltlich völlig entspricht, also mit diesem deckungsgleich ist. Jede Annahme unter inhaltlichen Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt dagegen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrage (MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, BGB § 150 Rn. 6, beck-online, m.w.N.; BeckOGK/Möslein, 1.2.2018, BGB § 150 Rn. 3). Unter Anwendung dieser Grundsätze liegt keine Annahme vor. Der Kläger hat unstreitig das Angebot der Beklagten nicht vollständig angenommen, sondern gebeten, durch Schwärzung markierte Passagen zu streichen und erklärt, der Verzicht auf 4 Jahre Hausverbot sei nicht akzeptabel. Schließlich hat er um Bestätigung der Änderungen gebeten, die durch die Beklagte nicht erfolgte, mit der Konsequenz, dass auch keine Einigung über die von Kläger angebotenen Bedingungen zustande gekommen ist. Dafür, dass der Kläger das Angebot auf jeden Fall annehmen wollte, auch wenn seine Änderungsvorschläge nicht akzeptiert würden, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
23(3) Auch eine in späteren Gesprächen erfolgte Einigung über eine Vertragsänderung ist nicht feststellbar. Selbst wenn die Beklagte das ursprüngliche und gem. § 146 Alt. 1 BGB erloschene Änderungsangebot dem Kläger mündlich erneut unterbreitet haben sollte, fehlt es wiederum an einer wirksamen, mit dem Angebot der Beklagten deckungsgleichen, Annahme durch den Kläger. Denn auch nach dem eigenen Vortrag der Beklagten konnten die Parteien zwar eine Verständigung über die erste vom Kläger vorgenommene Streichung erzielen, nicht aber über die Teilnahme oder Nichtteilnahme des Klägers an den Hauserhöhungen der Jahre 2022 bis 2025. Einer weiteren dahingehenden Äußerung des Klägers, dass er die Änderung als nicht wirksam zustande gekommen betrachte, bedurfte es vor diesem Hintergrund zur „Verhinderung“ eines Vertragsschlusses nicht mehr.
24(4) Schließlich ist auch keine konkludente Vertragsänderung zustande gekommen.
25Zwar kann das Angebot einer Vertragspartei grundsätzlich nicht nur durch eine ausdrückliche Erklärung, sondern auch durch schlüssiges Verhalten (Realofferte und deren konkludente Annahme) angenommen werden (vgl. BAG, Urteil vom 28. April 2021 – 7 AZR 212/20 –, Rn. 19, juris). Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung und Angebotsannahme zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch außerhalb der Vereinbarung liegende Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG, Urteil vom 28. April 2021 – 7 AZR 212/20 –, Rn. 19, juris).
26Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist eine konkludente Einigung über eine Vertragsänderung nicht feststellbar. Nachdem das ursprüngliche Angebot zum Abschluss einer Änderungsvereinbarung vom 08.04.2022 sowie ein ggf. in den folgenden Gesprächen unterbreitetes mündliches Vertragsangebot durch die in der „modifizierten Annahme“ des Klägers liegende Ablehnung gem. § 146 Alt. 1 BGB erloschen war, hätte es für einen Vertragsschluss von beiden Seiten neuerlicher übereinstimmender Willenserklärungen bedurft. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt in der Aufnahme und Fortsetzung der Tätigkeit des Klägers kein konkludentes Angebot, zu den neuen Arbeitsbedingungen tätig zu werden, das die Beklagte durch widerspruchsloses „Arbeiten lassen“ angenommen hätte. Insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger sowohl auf dem schriftlichen Änderungsangebot der Beklagten als auch in den folgenden mündlichen Gesprächen mit der Beklagten ausdrücklich erklärt hatte, mit den von der Beklagten angebotenen Arbeitsbedingungen, vor allem mit der Nichtgewährung der Hauserhöhung für die nächsten vier Jahre, nicht einverstanden zu sein, konnte aus Sicht der Beklagten als Erklärungsempfängerin die Tatsache, dass der Kläger die ihm zugewiesenen Tätigkeit ausgeübt hat, nicht als Willenserklärung des Inhalts zu verstehen sein, dass er nunmehr seinerseits die von der Beklagten beabsichtigte und von ihm zuvor abgelehnte Vertragsänderung der Beklagten anbieten wollte. Der Kläger ist insoweit lediglich der Weisung der Beklagten nachgekommen. Auch die Hinnahme der ersten Gehaltsabrechnungen mit der geänderten Vergütungsstruktur ohne sofortigen Widerspruch oder gerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit führt zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr hätte es insoweit weiterer Anhaltspunkte dafür bedurft, dass der Kläger seine ursprüngliche Meinung geändert und nunmehr doch eine einvernehmliche Vertragsänderung hätte herbeiführen wollen. Zudem würde es selbst in dem Fall, dass man ein auf eine Vertragsänderung gerichtete Willenserklärung des Klägers annehmen wollte, es dieser an der hinreichenden Bestimmtheit mangelt. Denn alleine die Weiterarbeit und widerspruchslose Entgegennahme der ersten Gehaltsabrechnungen lässt keine Rückschlüsse auf die weitere (angebotene) Gehaltsentwicklung, z.B. die Dauer der Herausnahme aus der Hauserhöhung erkennen.
272. Da die Arbeitsbedingungen des Klägers nicht wirksam geändert worden sind, ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger weiter auf seiner bisherigen Position als Leiter Service-Center zu beschäftigen.
283. Auch der zulässige Feststellungsantrag hinsichtlich der fehlenden Berechtigung der Beklagten zur Kürzung des Grundgehalts des Klägers bzw. der teilweisen Umwandlung des Grundgehalts in eine Betriebsleiterzulage in Höhe von 300,00 Euro ist vor dem Hintergrund, dass keine wirksame Änderung der Vertragsbedingungen des Klägers erfolgt ist, begründet.
294. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die mit Wirkung zum 01.07.2022 gewährte Hauserhöhung auf den Kläger anzuwenden.
30a) Der Feststellungsantrag ist zulässig. Er richtet sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO, nämlich die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger bei der Gewährung der Hauserhöhung im (vgl. BAG 20. Juni 2023 - 3 AZR 208/22 - Rn. 24). Da hierüber zwischen den Parteien Streit besteht, hat der Kläger auch ein Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung (vgl. BAG, Urteil vom 25. Januar 2022 - 3 AZR 406/21 - Rn. 25; BAG, Urteil vom 10. Oktober 2023 – 3 AZR 312/22 –, Rn. 15, juris). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht nicht entgegen, weil durch die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen den Zwang zur Leistungsklage sprechen und die Feststellungsklage ein geeignetes Instrument darstellt, die Leistungsverpflichtung der Beklagten auch für noch in der Zukunft liegende Zeiträume einer Klärung zuzuführen (vgl. BAG, Urteil vom 25. Januar 2022 – 3 AZR 406/21 –, Rn. 25 - 26, juris).
31b) Der Antrag ist auch begründet. Der Anspruch des Klägers auf die zum 01.07.2022 gewährte „Hauserhöhung“ in Form einer Gehaltserhöhung um fünf Prozent folgt aus der von der Beklagten erteilten Gesamtzusage.
32aa) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags iSv. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet und es bedarf ihrer auch nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer - auch die nachträglich in den Betrieb eintretenden - erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Dabei wird die Gesamtzusage bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart wird, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis des einzelnen Arbeitnehmers kommt es nicht (BAG, Urteil vom 13. Oktober 2020 – 3 AZR 410/19 –, Rn. 59, juris, m.w.N.)
33bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellt die Rundmail der Beklagten vom 21.07.2022 eine Gesamtzusage dar. In dieser teilte die Beklagte mit, dass sich für alle anspruchsberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das monatlich Grundgehalt durch die gewährte Hauserhöhung zum 01.07.2022 um 5 % erhöhe.
34(1) Der Kläger fällt auch in den persönlichen Anwendungsbereich der Gesamtzusage. Zwar hat die Beklagte im Rahmen der Rundmail vom 21.07.2022 erklärt, nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehörten u.a. solche Mitarbeiter*innen, die einem Interessenausgleich unterlägen, der die Teilnahme an einer Hauserhöhung ausschließe (Umstrukturierung Operative Servicestruktur). Der Interessenausgleich vom 14.02.2022 schließt den Anspruch auf die Hauserhöhung aber nur für die „Leiter Service-Center“ aus, die „aufgrund der in diesem Interessenausgleich geregelten Organisationsveränderung ihre Tätigkeit in einer für sie neuen Funktion als Standortverantwortlicher, Service Monteur oder Service Berater fortsetzen. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor, da der Kläger einem einvernehmlichen Funktionswechsel nicht zugestimmt hat und auch keine anderweitige personelle Maßnahme zu einer Änderung seiner Tätigkeit geführt hat. Die Funktion des Klägers ist daher unverändert die eines Leiters Service-Center.
35(2) Für die Annahme, dass von dem Ausschluss von der Hauserhöhung auch solche Mitarbeiter:innen erfasst sein sollten, bei denen (noch) keine wirksame Änderung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Leiter Service-Center erfolgt ist, aber eine solche von der Beklagten beabsichtigt war bzw. weiter beabsichtigt ist, bietet die Auslegung des Interessenausgleichs keinen Anlass.
36Die Auslegung eines - wie hier – in Form einer Betriebsvereinbarung geschlossenen Interessenausgleichs richtet sich wegen der normativen Wirkung des § 77 Abs. 4 Satz 1BetrVG nach den Grundsätzen der Tarifvertrags- und Gesetzesauslegung (LAG Köln, Urteil vom 10. September 2020 – 7 Sa 818/18 –, Rn. 68, juris). Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 1 AZR 562/20 –, BAGE 176, 346-359, Rn. 14; BAG, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 AZR 37/17 - Rn. 15 mwN).
37Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Interessenausgleichs unter Ziff. 3.4. sollten die in der Anlage 3 beschriebenen Vergütungsregelungen, die ihrerseits unter Ziff. 11 den Ausschluss von Hauserhöhungen vorsehen, für alle Mitarbeiter gelten, die „aufgrund der in diesem Interessenausgleich geregelten Organisationsveränderung ihre Tätigkeit in einer für sie neuen Funktion (…) fortsetzen“. Der Interessenausgleich setzt mit dem Abstellen auf eine Fortsetzung der Tätigkeit in der neuen Funktion seinem Wortlaut nach eine (wirksame) Umsetzung der im Interessenausgleich geregelten Organisationsänderung voraus, die im Falle des Klägers auf Grund seiner fehlenden Zustimmung zu einvernehmlichen Vertragsänderung - jedenfalls zunächst – nicht stattgefunden hat.
38Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen dagegen, Mitarbeiter:innen, deren vertragliche Tätigkeit unverändert die eines Leiters Service- Centers ist, auch ohne vollzogenen Funktionswechsel von der Hauserhöhung auszunehmen. Denn nach dem eigenen Vortrag der Beklagten sollte die Herausnahme der betroffenen Mitarbeiter von der Hauserhöhung für einen Zeitraum von vier Jahren – ohne tatsächliche Kürzungen vorzunehmen - eine Anpassung des Gehalts an das angestrebte Niveau für die geringerwertige neue Tätigkeit erfolgen. Ohne eine wirksame Änderung der vertraglich geschuldeten, höherwertigen Arbeitsleistung, ist im Hinblick auf die Zielrichtung der Regelung auch keine Anpassung der Vergütung erforderlich.
39Schließlich spricht auch das Gebot der möglichst gesetzeskonformen Auslegung gegen eine Herausnahme der Mitarbeiter von der Hauserhöhung, bei denen eine Änderung der Tätigkeit zwar beabsichtigt, aber nicht wirksam erfolgt ist. Denn die Nichtgewährung der Hauserhöhung für diese Personengruppe, zu der auch der Kläger gehört, verstieße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 75 BetrVG. Denn dieser wird bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2022 – 1 AZR 129/21 –, Rn. 16, juris; BAG, Urteil vom 7. Dezember 2021 - 1 AZR 562/20 - Rn. 23, 52 mwN).
40Solche, eine Ungleichbehandlung bei der Gewährung der Hauserhöhung rechtfertigenden, Unterschiede zwischen den Leitern Service-Center, für die eine Tätigkeitsänderung zwar beabsichtigt, aber zumindest bislang nicht umgesetzt worden ist und denjenigen Mitarbeiter:innen, die von der Betriebsänderung von voreherein nicht betroffen sein sollten, liegen nicht vor. Da die Beklagte mangels einer wirksamen Änderung des Arbeitsvertragsinhalts nicht berechtigt war, dem Kläger eine geringerwertige Tätigkeit zuzuweisen, bestand auch kein Grund für eine - im Verhältnis zu den übrigen Mitarbeiter:innen – relative Reduzierung der Vergütung. Dies gilt umso mehr, als die Hauserhöhung für das Jahr 2022 gemäß den Erläuterungen der Beklagten in der Rundmail vom 21.07.2022 als Inflationsausglich dienen und als Dank für bereits erbrachte Leistungen erbracht werden sollte.
415. Dem Kläger stehen auf Grundlage der Gesamtzusage auch die geltend gemachten und rechnerisch unstreitigen Zahlungsansprüche in Höhe von 2.959,62 Euro brutto für die Monate Juli 2022 bis Juni 2023 zu. Der Zinsanspruch der gem. Ziff. 3 des Arbeitsvertrags zum jeweiligen Monatsende fälligen Beträge folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs.1 BGB. Soweit der Fälligkeitszeitpunkt auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag fällt, verschiebt sich die Fälligkeit gemäß § 193 BGB auf den nächsten Werktag. Verzug tritt dann erst am Folgetag ein (vgl. nur LAG Düsseldorf, Urteil vom 8. Dezember 2017 – 6 Sa 193/17 –, Rn. 97, juris). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergeben sich die aus dem Tenor ersichtlichen Zinsanfangstermine.
42III. Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig und im Wesentlichen begründet; lediglich hinsichtlich der Zinsdaten ist sie teilweise unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch für die Monate September 2023 bis Mai 2024 einen Anspruch auf Zahlung der aus der Nichtgewährung der Hauserhöhung folgenden Differenzlohnansprüche von 218,61 Euro brutto, d.h. insgesamt in Höhe von 1.967,49 Euro brutto. Der Zinsanspruch folge aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs.1 BGB.
43IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs.1, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
44IV. Gründe für die Zulassung der Revision iSd. § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.