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Die Angabe von Urlaubstagen in einer Abrechnung stellte keine Streitlosstellung eines (späteren) Urlaubsabgeltungsanspruchs dar
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 06.07.2023 – 14 Ca 166/23 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers.
3Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 06.07.2023 Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Ansprüche abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers sei nach Nr. 20 des Arbeitsvertrags, der eine dreimonatige Verfall- bzw. Ausschlussfrist vorsieht, verfallen. Auch in der Angabe der Urlaubstage auf den Abrechnungen für die Monate Februar und März 2021 sei kein Anerkenntnis mit Blick auf eine mögliche Urlaubsabgeltung zu sehen, das ein Berufen der Beklagten auf die vereinbarte Verfallfrist ausschließe. Denn durch die Angabe der Urlaubstage stelle der Arbeitgeber gerade keine konkret bezifferte Forderung streitlos, sondern dokumentiere lediglich den im fraglichen Zeitpunkt nach seinem Wissen bestehenden Urlaubsanspruch. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils Bezug genommen.
4Gegen dieses ihm am 20.07.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.07.2023 Berufung eingelegt und diese am 07.08.2023 begründet. Er ist der Ansicht, die streitgegenständlichen Urlaubs- und somit auch Urlaubsabgeltungsansprüche seien durch die Lohnabrechnungen der Beklagten, die unstreitig 32 Urlaubstage auswiesen, anerkannt worden. Soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20.10.1982 (5 AZR 110/82) entschieden habe, dass abgerechnete Lohnforderungen streitlos gestellt seien, dürfe für die Angabe von Urlaubstagen und die diesen folgenden Urlaubsabgeltungsansprüchen nichts Anderes gelten. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass jedem ungenommenem Urlaubstag des Arbeitnehmers zwangsläufig der Urlaubsabgeltungsanspruch als dessen Kehrseite bereits innewohne.
5Der Kläger meint weiter, die arbeitsvertragliche Regelung der Ausschlussfrist sei intransparent und damit unwirksam. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass der Verfall von Ansprüchen an zwei Stellen des Arbeitsvertrags, nämlich unter Nr. 10 einerseits und unter Nr. 20 andererseits, unterschiedlich geregelt sei. Zum anderen ergebe sich die Intransparenz daraus, dass anerkannte und unstreitige Ansprüche aus dem Anwendungsbereich der Ausschlussklausel nicht herausgenommen seien.
6Der Kläger beantragt,
7das Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 14 Ca 166/23 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.747,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und meint, das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers verfallen seien. Entgegen der Auffassung des Klägers seien die Regelungen der Nrn. 10 und 20 des Arbeitsvertrags auch nicht unklar oder intransparent, da es sich bei der in Nr. 10 enthaltenen Regelung um eine solche zum Urlaubsanspruch handele, die unabhängig von der in Nr. 20 geregelten Verfallklausel sei. Schließlich sei auch die ausdrückliche Herausnahme anerkannter Ansprüche aus einer vertraglichen Verfallklausel keine Wirksamkeitsvoraussetzung.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1, 46g ArbGG, 519, 520 ZPO).
14II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
15Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.747,84 Euro brutto gegen die Beklagte aus § 7 Abs. 4 BurlG. Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers ist nach der in Nr. 20 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags getroffenen Regelung verfallen.
161. Gem. Nr. 20 des zwischen den Parteien am 20.12.2019 geschlossenen Arbeitsvertrags sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten gegenüber der jeweils anderen Vertragsparte in Textform geltend zu machen, wobei die Ausschlussfrist beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder grob fahrlässig keine Kenntnis erlangt hat. Bei Versäumung der Frist verfällt der Anspruch.
17Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung hat der Kläger nicht gewahrt, mit der Folge, dass der streitgegenständliche Anspruch auf Urlaubsabgeltung verfallen ist. Der Anspruch ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.06.2022 fällig geworden (vgl. BAG, Urteil vom 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21 –, juris, Rn. 55). Der Lauf der dreimonatigen Frist endete daher mit Ablauf des 30.09.2022 (§ 188 Abs. 2 BGB). Der Kläger hat einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung jedoch erstmals mit seiner am 09.01.2023 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage geltend gemacht.
182. Eine schriftliche Geltendmachung durch den Kläger war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte die Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers zuvor bereits anerkannt bzw. streitlos gestellt hatte. Ein Anerkenntnis der Beklagten ergibt sich insbesondere nicht aus den Abrechnungen für die Monate Februar und März 2021, die den offenen Urlaubsanspruch des Klägers jeweils mit 32 Tagen angaben.
19a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, stellt die Angabe von Urlaubstagen in einer Entgeltabrechnung regelmäßig lediglich eine Wissens-, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung darstellt. Die bloße Mitteilung durch den Arbeitgeber entfaltet in der Regel keine rechtsgeschäftliche Wirkung (vgl. ausf. BAG 19. März 2019 - 9 AZR 881/16 - Rn. 16; BAG, Urteil vom 26. April 2022 – 9 AZR 367/21 –, Rn. 30, juris). Besondere Umstände, die bei den Entgeltabrechnungen des Klägers ausnahmsweise auf einen Geschäftswillen der Beklagten schließen lassen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen; sie sind auch anderweitig nicht ersichtlich.
20b) Soweit das Bundesarbeitsgericht in dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil vom 12.10.1982 (BAG, Urteil vom 20. Oktober 1982 – 5 AZR 110/82 –, BAGE 40, 258-261) entschieden hat, dass ein Arbeitnehmer, um einen Verfall zu vermeiden, bereits innerhalb der Verfallfrist abgerechnete Lohnforderungen dennoch nicht noch einmal geltend machen muss, weil diese streitlos gestellt sind, (so zuletzt auch: BAG, Urteil vom 3. Mai 2023 – 5 AZR 268/22 –, juris), ist diese Rechtsprechung – wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - auf die hier vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Denn – anders als im Falle vorbehaltlos abgerechneter Lohnforderungen – steht im Falle der Angabe offener Urlaubstage in einer Lohnabrechnung ein hieraus folgender Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht fest. Denn im Unterscheid zu den Lohnansprüchen für eine zurückliegende Abrechnungsperiode, kann es sich bei der Angabe der Urlaubstage nur um eine Wissenserklärung des Arbeitsgebers zum aktuellen Umfang des Urlaubsanspruchs handeln, der im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses, etwa durch Verfall oder Urlaubsnahme, der Möglichkeit weiter Veränderungen unterworfen ist. Zum Umfang eines möglichen späteren Urlaubsabgeltungsanspruchs enthält sie keine Aussage.
21Zudem kann die Angabe von Urlaubstagen in einer Abrechnung auch deshalb keine Streitlosstellung eines (späteren) Urlaubsabgeltungsanspruchs darstellen, weil es sich bei diesem um einen reinen Geldanspruch handelt, dessen Höhe nicht alleine von der Anzahl der Urlaubstage, sondern auch von weiteren Faktoren abhängt. Vor diesem Hintergrund wäre es der Beklagten allenfalls dann verwehrt, sich auf einen Verfall zu berufen, wenn sie die Urlaubsabgeltung selbst in der Abrechnung ausgewiesen hätte (so auch Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 11. Dezember 2019 - 7 Sa 161/19 –, Rn. 30, juris).
223. Die Regelungen zur Verfallfrist in Nr. 20 des Arbeitsvertrags sind auch nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzverbot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
23a) Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen. Bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen (BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 130/13 - Rn. 24; 21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10 - Rn. 43, BAGE 138, 148). Dem Vertragspartner kann nicht jedes eigene Nachdenken erspart bleiben (BGH 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 162, 210). Durch eine allzu detaillierte Regelung könnten unübersichtliche oder nur schwer durchschaubare Klauselwerke entstehen, die den Interessen des Vertragspartners zuwider laufen (BAG, Urteil vom 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21 –, Rn. 28, juris).
24b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze erweist sich die Klausel aus Nr. 20 des Arbeitsvertrags nicht deshalb als intransparent, weil sie in Widerspruch zu der in Nr. 10 des Arbeitsvertrags getroffenen Regel steht bzw. nicht klar verständlich wäre, welche der geregelten Fristen im Falle eines Urlaubsabgeltungsanspruchs eingreifen würde.
25Vielmehr betreffen beide Klauseln klar ersichtlich unterschiedliche Regelungsgegenstände. Während Nr. 10 unter der Überschrift „Urlaub“ eine Regelung zum Verfall von (übergesetzlichen) Urlaubstagen trifft, regelt Nr. 20 unter der Überschrift „Verfallfristen“ das Erfordernis zur Geltendmachung aller beidseitiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monate nach Anspruchsentstehung. Für einen aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr ist hierbei ohne Weiteres klar und verständlich, dass sich die Regelung aus Nr. 10 des Arbeitsvertrags ausschließlich auf den Verfall von Urlaubstagen bezieht und nicht etwa auch Zahlungsansprüche wie den Urlaubsabgeltungsanspruch, erfasst.
26c) Schließlich ist Nr. 20 des Arbeitsvertrags auch nicht intransparent, weil sie anerkannte und unstreitig Ansprüche nicht von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Denn Anerkenntnis, Streitlosstellung oder Erfüllungszusage betreffen nicht den abstrakten Geltungsbereich einer Ausschlussfristenregelung, sondern sie bewirken einen punktuellen, auf einen konkreten Einzelfall bezogenen tatsächlichen Verzicht auf die Geltendmachung der Forderung innerhalb der vereinbarten Ausschlussfrist (BAG, Urteil vom 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21 –, Rn. 29, juris). Einer klarstellenden Regelung, dass der Gläubiger seine Ansprüche nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend machen muss, wenn der Schuldner hierauf verzichtet, bedarf es aus Transparenzgründen nicht (BAG, Urteil vom 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21 –, Rn. 29, 32, juris).
27III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 97 Abs. 1 ZPO.
28IV. Gründe für die Zulassung der Revision iSd. § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.