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Ein abstrakter „Kontrollverlust“ allein oder die Auflistung generell-abstrakter Gefahren ohne konkrete Darlegung persönlicher oder psychologischer Beeinträchtigungen reichen allein für einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO nicht aus. Für eine darüberhinausgehende Beeinträchtigung trägt der Anspruchsteller die Beweislast.
Einzelfallentscheidung zu den Anforderungen an die Darlegung eines kausalen Schadens bei einem Datenschutzverstoß.
1. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.04.2024 – 12 Ca 6050/23 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger macht im Rahmen des Berufungsverfahrens Schadensersatzansprüche wegen der unberechtigten Weitergabe von personenbezogenen Daten geltend.
3Der Kläger war vom 01.02.2017 bis Anfang 2022 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Nachdem das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete, bewarb sich der Kläger am 06.08.2023 bei der L GmbH, einer Konzernschwester der Beklagten, auf eine ausgeschriebene Stelle als Elektrotechniker. Ihm gelangte danach zur Kenntnis, dass ein Mitarbeiter der L GmbH ohne sein Einverständnis die Beklagte kontaktiert und Informationen erfragt habe. Tatsächlich hat der Geschäftsführer der L GmbH, Herr Dr. T, sich aufgrund der Bewerbung des Klägers vom 06.08.2023 bei dem neuen Produktionsleiter der Beklagten, Herrn Th, am 14.08.2023 per E-Mail nach dem Kläger erkundigt. Herr Th war zur Zeit der Beschäftigung des Klägers noch nicht bei der Beklagten tätig. Der Kläger zog seine Bewerbung bei der L GmbH am 22.08.2023 zurück, u. a. auch unter Hinweis auf ein Angebot, dass sich mit seinen beruflichen Zielen besser vereinbaren lässt.
4Mit Klage vom 03.11.2023 hat der Kläger dann klageweise Schadensersatz und die Unterlassung der Weitergabe personenbezogener Daten ohne seine Einwilligung geltend gemacht.
5Die Beklagte hat mit Teilvergleich vom 24.04.2024 verbindlich erklärt, künftig über den Kläger keinerlei Auskünfte mehr zu erteilen, es sei denn, es gibt gesetzliche oder behördliche Auskunftspflichten.
6Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, davon auszugehen, dass die Auskunft negativ ausgefallen sei. Hierdurch sei ihm ein wirtschaftlicher und immaterieller Schaden zugefügt worden.
7Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2023 zu zahlen.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat vorgetragen, Herr Th habe lediglich mitgeteilt, dass der Kläger vor seiner Zeit bei der Beklagten tätig war und aus Erzählungen sehr ordentlich gearbeitet habe und ein guter Mitarbeiter war. Sie bestreitet, dass dem Kläger durch ihr Verhalten ein Schaden entstanden ist.
12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen damit begründet, dass bereits zweifelhaft sei, ob das Verhalten der Beklagten ein Verstoß gegen die DSGVO ist, weil es sich insoweit um eine persönliche Einschätzung gehandelt habe. Jedenfalls habe der Kläger einen Schaden und die Kausalität der Handlung der Beklagten für den Schaden nicht nachgewiesen.
13Gegen das dem Kläger am 30.04.2024 zugestellte Urteil hat er am 29.05.2024 Berufung eingelegt und die Berufung am 01.07.2024 begründet.
14Zur Begründung führt er aus, dass ihm durch die Weitergabe der Daten ein starker emotionaler Schaden entstanden sei. Auch die Weitergabe einer Einschätzung eines Mitarbeiters seien personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 DSGVO. Die ungewollte Informationsweitergabe, die dem Kläger erst später zur Kenntnis gelangt sind, habe bei ihm u. a. die Angst darüber ausgelöst, dass die Beklagte falsche Behauptungen und Informationen an den neuen Arbeitgeber des Klägers weitergeben könnten und durch eine solche Weitergabe seine Existenz ruiniert werden könnte. Seit der Kenntnis über die streitgegenständliche Informationsweitergabe nähmen die schweren Depressionen, Panikattacken und die Angst des Klägers zu und er könne sich seitdem nicht mehr konzentrieren, er schlafe sehr schlecht und werde von Alpträumen geplagt. Insoweit verweist er auf ein ärztliches Attest von Herrn Dr. J vom 12.06.2024 (Bl. 26 der Berufungsakte).
15Der Kläger beantragt,
16unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 24.04.2024, Az. 12 Ca 6050/23, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld – mindestens jedoch in Höhe von 5.000,00 € – nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.10.2023 zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie trägt vor, der Mitarbeiter Th habe mit E-Mail vom 14.08.2023 lediglich folgendes mitgeteilt:
20„A war vor meiner Zeit hier, der hat allerdings aus Erzählungen raus sehr ordentlich gearbeitet. Nach meinem Kenntnisstand wohnt der aber doch in K. Ansonsten war das ein guter Mitarbeiter“.
21Damit habe Herr Th Herrn Dr. T nicht mehr mitgeteilt, als diesem bereits bekannt war. Der Produktionsleiter der Beklagten Th sei auch aus Gründen der nachvertraglichen Rücksichtnahme gegenüber dem Kläger dazu berechtigt gewesen, die ihm im Abschlusszeugnis bescheinigte gute Leistungsbewertung zu bestätigen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die zulässige Berufung ist unbegründet.
25I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und gemäß § 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig, weil sie nicht nur form- und fristgerecht eingelegt, sondern auch ordnungsgemäß begründet wurde.
26II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
27Dem Kläger steht kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 € gemäß Art. 82 DSGVO zu. Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
28Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.
291. Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO, namentlich gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO, vorliegt. Denn das Gericht kann nicht feststellen, dass der Kläger einen kausal auf den angeblichen Verstoß zurückzuführenden Schaden erlitten hat. Die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen trägt nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der Anspruchsberechtigte, hier der Klagepartei. Ein auf einen Datenschutzverstoß der Beklagten zurückzuführenden immaterieller Schaden ist weiterhin nicht hinreichend dargelegt.
Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist dahin auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung geht klar hervor, dass das Vorliegen eines Schadens eine der Voraussetzungen für den Anspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind. Auch wäre die gesonderte Erwähnung eines „Schadens“ und eines „Verstoßes“ in Art. 82 Abs. 1 DSGVO überflüssig, wenn der Unionsgesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung für sich allein in jedem Fall ausreichend wäre, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen (EuGH 4. Mai 2023 - C-300/21 - Rn. 32 ff.). Schließlich hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung vorgesehene Schadenersatzanspruch eine Ausgleichsfunktion hat und keine abschreckende oder Straffunktion erfüllt (EuGH 21.12.2023 - C-667/21, juris Rn. 87).
32Eine Beweislastumkehr ist in Art. 82 Abs. 3 ausdrücklich nur bezüglich des Gesichtspunkts des Verschuldens vorgesehen (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 41. Ed. 1.8.2022, DS-GVO Art. 82 Rn. 51; vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.8.2021 – 1 U 69/20, ZD 2021, 693; OLG Stuttgart, Urteil vom 31.3.2021 – 9 U 34/21, ZD 2021, 375).
33Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift muss der Schaden „erlitten“ werden, woraus sich ergibt, dass dieser tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet werden darf (BeckOK, DatenschutzR/Quaas, 42. Ed. 1.8.2022, DS-GVO Art. 82 Rn. 23; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 2.3.2022 – 13 U 206/20, GRUR-RS 2022, 4491). Läge bei jedem DSGVO-Verstoß automatisch ein immaterieller Schaden vor, wäre der Schaden als Anspruchsvoraussetzung überflüssig. Zwar ist der Begriff des Schadens nach dem Erwägungsgrund 146 S. 3 weit auszulegen, sodass die Betroffenen einen wirksamen Ersatz erhalten. Aber auch zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden genügt die Behauptung eines Verstoßes gegen die Vorschriften der DSGVO ohne Vorbringen zu einem hierdurch entstandenen immateriellen Schaden nicht (OLG Bremen, Beschluss vom 16.7.2021 – 1 W 18/21, ZD 2021, 652). Es bedarf vielmehr der Darlegung eines konkreten (auch immateriellen) Schadens (LG Gießen Urt. v. 3.11.2022 – 5 O 195/22, GRUR-RS 2022, 30480 Rn. 18; LG Mönchengladbach, Urteil vom 31. Oktober 2024 – 12 O 10/24 –, Rn. 28, juris).
342. Der Kläger macht zuletzt nur noch immateriellen Schadensersatz geltend wegen der psychischen und physischen Auswirkungen der Weitergabe der Informationen.
35Ein abstrakter „Kontrollverlust“ allein oder die Auflistung generell-abstrakter Gefahren ohne konkrete Darlegung persönlicher oder psychologischer Beeinträchtigungen reichen allein für einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO nicht aus (EuGH Urt. v. 14.12.2023 – C-340/21, BeckRS 2023, 35786 Rn. 84 f., 82; BGH, Beschl. v. 12.12.2023 – VI ZR 277/22, GRUR-RS 2023, 40381 Rn. 5 f.; OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2024, Az. 7 U 108/23). Für eine darüberhinausgehende Beeinträchtigung trägt der Anspruchsteller die Beweislast (OLG Dresden, Endurteil v. 05.12.2023 – 4 U 709/23, GRUR-RS 2023, 36707, beck-online).
36Nach diesen Maßstäben wird ein kausaler Schaden von der Klagepartei bereits nicht einmal im Ansatz plausibel und damit schlüssig dargelegt und insbesondere nicht unter Beweis gestellt.
37Grundsätzlich können zwar auch Ängste, Sorgen und Stress einen immateriellen Schaden darstellen. Dem Vortrag des Klägers ist aber nicht zu entnehmen, welche konkreten Ängste und Sorgen die Weitergabe von Informationen aus seinem ehemaligen Arbeitsverhältnis ausgelöst haben sollen. So trägt der Kläger nicht einmal vor, wann und wie er von der Weitergabe der Informationen erfahren hat. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb er die Befürchtung gehabt haben sollte, die Beklagte habe falsche Behauptungen oder Informationen weitergegeben. Insoweit trägt die Beklagte konkret vor, welchen Inhalt die E-Mail gehabt hat, die Herr Th an Herrn Dr. T gesandt hat. Diese ist jedenfalls nicht geeignet, solche Befürchtungen berechtigterweise auszulösen. Dass der Kläger Anlass zur der Annahme hatte, die Auskünfte der Beklagten hätten nicht diesen positiven Inhalt gehabt und auch nicht dem erteilten Zeugnis entsprochen, wird von dem Kläger ebenfalls nicht ausgeführt.
38Auch die pauschale Behauptung von schweren Depressionen, Panikattacken, Angst, Konzentrationsschwäche und Schlafstörungen aufgrund der Datenweitergabe sind nicht nachvollziehbar und die Entstehung wird auch nicht näher erläutert. Vielmehr spricht seine eigene Angabe, dass die Ängste zugenommen hätten dafür, dass der Kläger solche schon vorher hatte.
39Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem ärztlichen Attest des Herr Dr. J. Dieser gibt zwar an, dass der Kläger in seiner psychotherapeutischen Behandlung wegen schweren Depressionen, Panikattacken und Angst sei. Dem Attest lässt sich aber nicht entnehmen seit wann der Kläger in Behandlung ist und dass diese psychischen Erkrankungen durch die Informationsweitergabe ausgelöst worden sind. Stattdessen wird angegeben, dass der Kläger vor einigen Monaten in Konflikt mit seinem ehemaligen Chef geraten sei. Wer dieser Chef sein soll, wird nicht klar und konnte der Klägervertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht angeben. Mit diesem Konflikt kann aber nicht die E-Mail von Herrn Th gemeint sein, da dieser nie der Chef des Klägers war.
40Zudem soll nach dem Attest die Angst bestehen, dass falsche Behauptungen und Informationen an seinen jetzigen Arbeitgeber gelangen könnten. Solche Informationen hat es aber gerade nicht gegeben und dies wird der Beklagten auch nicht vorgeworfen. An den jetzigen Arbeitgeber wurden keine Informationen weitergegeben, sondern an einen potentiellen neuen Arbeitgeber, die L GmbH. Zudem war die Beklagte bereits erstinstanzlich bereit, sich zu verpflichten, keinerlei Auskunft über den Kläger mehr zu erteilen und hat sich hierzu auch in dem Teilvergleich vom 24.04.2024 verpflichtet. Diese Sorge müsste damit ausgeräumt sein und es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass sich die Beklagte hieran nicht hält. Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage, zur Stabilisierung sei eine Beilegung des Konflikts dringend notwendig nicht nachvollziehbar. Nach alle dem weist das erteilte Attest keinen inhaltlichen Bezug zu dem hier der Beklagten vorgeworfenen Verhalten auf und belegt gerade nicht, dass das Verhalten der Beklagten für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen kausal war.
41Nach alle dem ergibt sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus dem eingereichten Attest ein hinreichender Vortrag zu kausal durch die Weitergabe von Informationen verursachten immateriellen Schaden des Klägers.
42III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
43IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.