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Stellt die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer auf der Grundlage von über 2.300 geleisteten Mehrarbeitsstunden im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer für mehrere Monate frei, so hat sie in diesen Monaten das Entgelt nach dem Lohnausfallprinzip zu zahlen, also das Entgelt, das zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer in diesen Monaten gearbeitet hätte. Nichts anderes ergibt sich, wenn die unstreitige Mehrarbeit vor 20 Jahren geleistet worden war, also in einem Zeitraum, für den die Parteien ein viel geringeres Bruttomonatsentgelt vereinbart hatten.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.10.2023 - 17 Ca 1380/22 - abgeändert und - auch mit Blick auf die in der Berufungsinstanz erfolgte Klageerweiterung wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Dezember 2022 einen Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Januar 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Februar 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat März 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat April 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Mai 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Juni 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Juli 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat August 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat September 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Oktober 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an den Kläger zu zahlen.
12. Die Beklagte wird verurteilt, als Vergütung für den Monat November 2023 einen Betrag in Höhe von 6.164,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 an den Kläger zu zahlen.
13. Die Beklagte wird verurteilt, als Urlaubsentgelt für den Monat Dezember 2023 einen Betrag in Höhe von 6.164,00EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2024 an den Kläger zu zahlen.
14. Die Beklagte wird verurteilt, als Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2022 einen Betrag in Höhe von 3.082,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 an den Kläger zu zahlen.
15. Die Beklagte wird verurteilt, als Jahresleistung für das Jahr 2022 einen Betrag in Höhe von 6.164,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 an den Kläger zu zahlen.
16. Die Beklagte wird verurteilt, als Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2023 einen Betrag in Höhe von 3.082,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 an den Kläger zu zahlen.
17. Die Beklagte wird verurteilt, als Jahresleistung für das Jahr 2023 einen Betrag in Höhe von 6.164,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 an den Kläger zu zahlen.
II. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Höhe der zu zahlenden Vergütung für die Zeit einer Freistellung des Klägers ab dem Monat Dezember des Jahres 2022, die zur Abgeltung der bis zum Jahre 2004 geleisteten Überstunden erfolgt ist. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die Beklagte dem Kläger während der Freistellung das aktuelle Bruttoentgelt zu zahlen hat oder das Entgelt aus dem Jahre 2004. Darüber hinaus streiten die Parteien um die Jahresleistung und die Weihnachtsgratifikation für die Jahre 2022 und 2023.
3Der am 1962 geborene Kläger ist seit dem 03.07.1989 bei der Beklagten zunächst als „technischer Angestellter“ und später als „Bereichsleiter Projektabteilung“ beschäftigt. Hierfür erhielt er zuletzt vereinbarungsgemäß ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 6.164,00 EUR brutto. In diesem Betrag ist eine Anwesenheitsprämie in Höhe von 164,00 EUR enthalten, die in Monaten zu zahlen ist, in denen keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Der Arbeitsvertrag nimmt Bezug auf die „Betriebs- und Arbeitsordnung P“ in der jeweils gültigen Fassung. In Nummer 9 des Arbeitsvertrages heißt es wörtlich:
4Darüber hinaus erhält der Mitarbeiter eine Jahresleistung sowie eine Weihnachtsgratifikation gemäß der Regelung im Anhang zur Betriebs- und Arbeitsordnung-P in der jeweils gültigen Fassung.
5Seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.06.2004 leistete der Kläger 2.330 Überstunden. Bei der vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht von 40 Stunden pro Woche entspricht dies einem Zeitraum von gut 58 Wochen, also mehr als einem Jahr. Unter dem 08./12.07.2004 vereinbarten die Parteien mit Wirkung vom 01.07.2004 ein um 600,00 EUR erhöhtes Bruttomonatsgehalt in Höhe von dann 4.352,00 EUR. Des Weiteren vereinbarten die Parteien das Folgende:
6„Mit diesem Gehalt ist evtl. Mehrarbeit abgegolten, d.h. ab Monatsende Juli werden evtl. Mehr- oder Minderstunden gestrichen bzw. künftig keine Sollvorgabe mehr erfasst. Ihr Guthaben per 30.06.2004 bleibt von dieser Regelung unberührt. Über deren Verwendung wollen wir in den nächsten Monaten eine Vereinbarung treffen."
7Seit dem 01.07.2004 bis ins Jahr 2021 führten die Parteien das Arbeitsverhältnis dementsprechend ohne die Führung eines Arbeitszeitskontos fort. Das monatliche Bruttoentgelt stieg in dieser Zeit sukzessive weiter auf den zuletzt gezahlten Betrag in Höhe von 6.164,00 EUR brutto. Eine schriftliche Vereinbarung zu den zuvor auf dem Arbeitszeitkonto angesammelten Überstunden trafen die Parteien nicht. Ob der Kläger während der besagten 17 Jahre das Stundenguthaben gegenüber der Beklagten angesprochen hat, ist zwischen den Parteien streitig und betraf allenfalls wenige Wochen. Unstreitig trat der Kläger im Jahre 2021 an die Beklagte heran mit der Bitte, nunmehr unter Anrechnung noch offener Urlaubs- und Überstundenansprüche freigestellt zu werden und eventuell danach nicht mehr arbeiten zu wollen. Die Beklagte bot dem Kläger zwei Aufhebungsvereinbarungen an, die der Kläger beide nicht annahm. Der Kläger wurde von der Beklagten alsdann zunächst bis zum 13.11.2022 unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche unter Fortzahlung der Vergütung von 6.164,00 € brutto freigestellt. Ab dem 14.11.2022 bis über den Tag der Kammerverhandlung erster Instanz am 25.10.2023 hinaus geschah dies unter Anrechnung auf Überstunden. Ab dem 07.12.2023 bis einschließlich den 29.12.2023 wurde dem Kläger Urlaub aus dem Jahr 2023 gewährt. Seit dem 02.01.2024 wird der Kläger wieder von der Beklagten beschäftigt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dies vertragsgemäß geschieht. Die Beklagte zahlte während der Freistellungszeit monatlich eine Vergütung in Höhe von 3.752,37 EUR brutto. Dieser Betrag entspricht der vereinbarten Vergütung für die Zeit bis zum 30.06.2004 ohne die damals vereinbarten zusätzlichen 600,00 EUR Überstundenabgeltung. Dieser gezahlte Betrag ist also um 2.411,63 EUR geringer als das zuletzt vereinbarungsmäßig gezahlte Bruttoentgelt. Die so in den Monaten Dezember 2022 bis Dezember 2023 entstehenden Differenzen sind Gegenstand der zuletzt vor der Berufungskammer gestellten Anträge zu 1 bis 13.
8Mit der seit dem 21.03.2022 beim Arbeitsgericht Köln anhängigen und mehrfach erweiterten und konkretisierten Klage hat der Kläger die Abwicklung des nach seiner Auffassung bestehenden Freistellungsanspruchs auf der Grundlage eines Bruttomonatsentgelts in Höhe vom 6.164,00 EUR begehrt, sowie die von der Beklagten nichtgeleisteten Gratifikationen (Jahresleistung und Weihnachtsgeld), wie sie sich aus der Betriebsordnung ergeben und wie sie in den letzten Jahren gezahlt worden waren.
9Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen, die Anzahl der von der Beklagten geschuldeten arbeitsfreien Tage zur Abgeltung der Überstunden ergebe sich nach seiner Auffassung aus der schlichten Division der unstreitigen 2.330 Überstunden durch die tägliche Arbeitszeit von acht Stunden (2330 : 8). Daraus ergäben sich 291,25 Freistellungstage. Der monetäre Wert der 2.330 Überstunden sei von den Parteien weder im Jahre 2004 noch in der Zeit danach thematisiert worden. Dies habe sich erst geändert, als die Beklagte dem Kläger die Aufhebungsvereinbarungen angeboten habe. Die Behauptung der Beklagten, er sei damit einverstanden gewesen, die 2330 Überstunden zum damaligen Stundensatz in Anspruch zu nehmen, sei nicht richtig. Er habe der Beklagten kein zinsloses Darlehen auf unbestimmte Zeit z.B. über einen Betrag in Höhe von 44.091,42 EUR seit dem 30.06.2004 gewährt. Vielmehr sei Freistellung geschuldet und dies zu den Vertragsbedingungen, die im Zeitpunkt der Freistellung bestanden hätten. Er sei der Auffassung, die Parteien hätten (stillschweigend) vereinbart, dass er berechtigt sei, die 2.330 Freistellungsstunden zu einem späteren Zeitpunkt und somit auch auf der Basis einer gegebenenfalls vergleichsweise höheren Vergütung in Anspruch zu nehmen.
10Der Kläger hat zuletzt beantragt,
111. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zur Abgeltung der bis zum 30.06.2004 erbrachten Überstunden 68 Arbeitstage auf der Grundlage einer monatlichen Vergütung in Höhe von 6.164,00 € brutto von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen;
122. die Beklagte zu verurteilen, als Vergütung für die Monate Februar bis Juli 2023 jeweils einen Betrag in Höhe von 3.082,00 € brutto sowie als Vergütung für den Monat August 2023 3.777,18 € brutto, sowie als Vergütung für den Monat September 2023 3.082,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem heutigen Tage an den Kläger zu zahlen;
133. die Beklagte zu verurteilen, als Jahresleistung für das Jahr 2022 einen Betrag in Hohe von 6.164,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
144. die Beklagte zu verurteilen, als Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2022 einen Betrag in Hohe von 3.082,00 EUR brutto nebst Zinsen in Hohe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15Die Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Verteidigung gegen die Klage hat die Beklagte vorgetragen, tatsächlich seien die in den Jahren 1999-2004 geleisteten 2330 Überstunden niemals streitig gewesen. Dem Kläger fehle daher für die Klage das Rechtsschutzinteresse. Diese Stunden hätten im Jahre 2004, mit der damaligen vertragsgemäßen Vergütung als Grundlage, einen Wert in Höhe von 44.091,42 EUR gehabt. Der Kläger habe sich damals im Nachgang zu der Vereinbarung vom 08.07.2004 mit der Parkleiterin, Frau H B, getroffen und die beiden hätten den Wert der bis dahin geleisteten Überstunden errechnet. Frau B habe dem Kläger freigestellt, sich diesen Betrag auszahlen zu lassen oder aber die 2.330 Stunden in der Zukunft angepasst auf die betrieblichen Bedürfnisse zu nehmen. Der Kläger sei damit einverstanden gewesen und habe geäußert, dass er vorerst keine Auszahlung begehre, sondern sich vorbehalte, die Stunden in Natur zu nehmen. Nach ihrem Verständnis sei der Kläger damals auch einverstanden gewesen, dass die Stunden, wenn er sie dann nehmen werde, zu dem damaligen - unstreitigen - Stundensatz von 21,68 € je Stunde zu vergütet seien. Jetzt erhebe sie jedoch die Einrede der Verjährung.
18Mit dem Urteil vom 23.10.2023 - 17 Ca 1380/22 - hat das Arbeitsgericht der Klage mit Blick auf die geforderte Jahresleistung und die geforderte Weihnachtsgratifikation (Anträge zu 3 und 4) stattgegeben. Mit den Anträgen zu 1 und 2, die beide die Höhe der Vergütung für die Freistellungsstunden betreffen, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf die Jahresleistung in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes in Höhe von 6.164,00 € brutto ergebe sich aus § 611 a Abs. 2 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag vom 01.07.1989 und iVm. Ziffer V. 1. der aktuellen „Betriebs- und Arbeitsordnung P“. Der Anspruch auf Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2022 in Höhe eines halben Bruttomonatsentgelts, also in Höhe von 3.082,00 EUR brutto folge aus § 611 a Abs. 2 BGB iVm dem Arbeitsvertrag und iVm Ziffer V. 2. der aktuellen Betriebs- und Arbeitsordnung P iVm dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die übrigen Mitarbeiter hätten eine Weihnachtsgratifikation erhalten. Ein Ausschlusstatbestand für den Kläger greife nicht. Entgegen der im Kammertermin am 02.03.2023 geäußerten Auffassung der Beklagten sei der Umstand, dass der Kläger „Weihnachten nicht da war", kein Ausschlusstatbestand nach der Betriebs- und Arbeitsordnung. Der Anspruch bestehe daher wie in den Vorjahren auch im streitgegenständlichen Jahr 2022.
19Mit Blick auf die Anträge zu 1 und 2 - so das Arbeitsgericht weiter - sei die Klage dem gegenüber nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte für den Zeitraum der Freistellung keinen Anspruch aus § 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag auf Vergütung in Höhe von 6.164,00 EUR brutto pro Monat abzüglich der unstreitig geleisteten Zahlungen. Das ursprünglich vereinbarungsgemäß geführte Arbeitszeitkonto sei von den Parteien unstreitig am 08./12.07.2004 beendet worden. Ebenfalls unstreitig habe der Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitszeitkontos ein Guthaben von 2330 Stunden gehabt. Ebenfalls nicht im Streit sei die Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger für den Ausgleich des besagten Guthabens die Wahl zwischen Abgeltung und Freistellung gelassen habe und dass dann nach den Vorstellungen der Parteien „in den nächsten Monaten eine Vereinbarung“ zu treffen gewesen sei. Die zwischen den Parteien streitige und hier streitentscheidende Tatsache sei die von der Beklagten vorgebrachte Behauptung, man habe sich im Nachgang auf den Wert des Guthabens unter Ansatz des damaligen Stundensatzes geeinigt. Der Kläger, der diese Einigung bestritten habe, trage - so das Arbeitsgericht - die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm behauptete Tatsache, es habe eine solche Vereinbarung gegeben, der zufolge bei einer späteren Freistellung der dann gültige - ggfls. höhere - Stundensatz der Vergütung zugrunde zu legen sei. Eine solche ausdrückliche Vereinbarung ergebe sich aber nicht aus den Darlegungen des Klägers. Hiernach könne der Kläger für seine Freistellungsstunden nicht mehr als den im Jahre 2004 geltenden Stundenlohn verlangen. Im Übrigen sei es dem Kläger unbenommen gewesen, die Freistellung zeitnah in Anspruch zu nehmen, wie dies auch in der Arbeits- und Betriebsordnung vorgesehen sei. Auch durch seine eigene Untätigkeit sei seine vorgeleistete Arbeitszeit erst 18 Jahre später durch Freizeit ausgeglichen und vergütet worden.
20Gegen dieses ihr am 27.11.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.12.2023 Berufung eingelegt und hat diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 26.02.2024 am 26.02.2024 begründet.
21Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, es sei bei den Gesprächen im Zusammenhang mit den Überstunden immer nur um die Stunden und nie um Geld gegangen. Daher sei von dem Grundsatz auszugehen, dass im Falle der Freistellung der jeweils aktuelle Stundenlohn zugrunde zu legen sei. Das entspreche dem üblichen Lohnausfallprinzip. Außerdem ergebe sich der Anspruch auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte sich nur bei ihm weigere, den Überstundenabbau mit dem aktuellen Entgelt zu vergüten. Zum Beispiel bei den Zeugen W, F und He zahle sie den aktuellen Stundenlohn und nicht jenen der gegolten habe, als die nun abzugeltenden Überstunden geleistet worden seien. Mit dem in der Berufungsinstanz aktualisierten und erweiterten Klageantrag begehre er mit den Nummern 1 bis 11 die Differenz zwischen dem ihm ausgezahlten Gehalt in Höhe von monatlich 3.752,37 EUR brutto und dem ihm tatsächlich zustehendem Gehalt in Höhe von 6.164,00 EUR brutto für die Monate Dezember 2022 bis einschließlich Oktober 2023 (6.164,00 EUR - 3.752,37 EUR = 2.411,36 EUR). Mit dem Antrag zu 12 begehre er die Vergütung für den Monat November 2023, für den er gar kein Entgelt erhalten habe und mit dem Antrag zu 13 fordere er Urlaubsentgelt für den im Monat Dezember 2023 bewilligten und genommenen Urlaub. Als Anträge zu 14 und 15 mögen die erstinstanzlich vom Arbeitsgericht tenorierten Ansprüche auf Jahresleistung und Weihnachtsgeld mitgedacht werden, die Gegenstand der Anschlussberufung seien. Schließlich mache er mit den Anträgen zu 16 und 17 seine Ansprüche auf Jahresleistung und Weihnachtsgeld für das Jahr 2023 geltend.
22Die Beklagte habe für die Monate November und Dezember nicht einmal den verminderten Betrag in Höhe von 3.752,37 EUR brutto geleistet. Die für die Jahre 2022 und 2023 geltend gemachten Ansprühe auf Zahlung der Jahresleistung und des Weihnachtsgeldes ergäben sich aus Ziffer V., 1. der „Betriebs- und Arbeitsordnung P“. Hiernach erhielten als Mitarbeiter in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis nach Vollendung des fünften Betriebszugehörigkeitsjahres als Jahresleistung „13" für ein volles Kalenderjahr ein Bruttomonatsgehalt ausgezahlt. Der Anspruch auf die Jahresleistung sei zum 31. Januar des nachfolgenden Jahres zur Zahlung fällig. Gemäß Ziffer V., 2. der „Betriebs- und Arbeitsordnung P“ erhielten Mitarbeiter der Beklagten als zusätzliche freiwillige Leistung eine Weihnachtsgratifikation. Nach seiner Kenntnis hätten alle Kolleginnen und Kollegen für das Jahr 2023 eine Weihnachtsgratifikation erhalten, sofern die in der Regelung ausdrücklich aufgeführten Ausschlusstatbestände (Abmahnung, gekündigter Vertragszustand, etc.) nicht vorgelegen hätten. Obwohl diese Ausschlusstatbestände bei ihm im Jahr 2023 nicht vorgelegen hätten, habe er - im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern der Beklagten - keine Weihnachtgratifikation erhalten. Etwaige Gründe, die eine Schlechterstellung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.
23Die Anschlussberufung der Beklagten - so der Kläger weiter - sei unbegründet. Zurecht habe das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, ihm eine Jahresleistung und eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2022 zu zahlen. Die sich aus der Betriebsordnung ergebenden Voraussetzungen seien erfüllt. Ein Ausschlusstatbestand sei nicht anzunehmen. Insbesondere habe das Arbeitsverhältnis nicht geruht. Von einem Ruhen könne nur dann ausgegangen werden, wenn beide Vertragspflichten nicht mehr bestünden; hier bestehe aber die Vergütungspflicht der Beklagten fort. Die deshalb dem Grunde nach bestehenden Ansprüche auf Zahlung einer Jahresleistung und auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2022 seien nicht aufgrund des Ablaufs von Ausschlussfristen erloschen oder verwirkt. Beide Ansprüche seien mit Schriftsatz vom 24.02.2023 klageweise geltend gemacht worden und damit innerhalb der Ausschlussfrist nach Ziffer XII. der Betriebs- und Arbeitsordnung der Beklagten rechtzeitig geltend gemacht worden.
24Der Kläger beantragt,
25I. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Köln vom 23.10.2023 - 17 Ca 1380/22 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
261. als Vergütung für den Monat Dezember 2022 einen Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
272. als Vergütung für den Monat Januar 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
283. als Vergütung für den Monat Februar 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
294. als Vergütung für den Monat März 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
305. als Vergütung für den Monat April 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
316. als Vergütung für den Monat Mai 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
327. als Vergütung für den Monat Juni 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
338. als Vergütung für den Monat Juli 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
349. als Vergütung für den Monat August 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
3510. als Vergütung für den Monat September 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
3611. als Vergütung für den Monat Oktober 2023 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.411,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2023 an ihn zu zahlen;
3712. als Vergütung für den Monat November 2023 einen Betrag in Höhe von 6.164,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 an ihn zu zahlen;
3813. als Urlaubsentgelt für den Monat Dezember 2023 einen Betrag in Höhe von 6.164,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2024 an ihn zu zahlen;
3914. [durch das Arbeitsgericht bereits tenoriert und Gegenstand der Anschlussberufung:] als Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2022 einen Betrag in Höhe von 3.082,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2022 an ihn zu zahlen;
4015. [durch das Arbeitsgericht bereits tenoriert und Gegenstand der Anschlussberufung:] als Jahresleistung für das Jahr 2022 einen Betrag in Höhe von 6.164,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2022 an ihn zu zahlen;
4116. Die Beklagte wird verurteilt, als Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2023 einen Betrag in Höhe von 3.082,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 an den Kläger zu zahlen.
4217. Die Beklagte wird verurteilt, als Jahresleistung für das Jahr 2023 einen Betrag in Höhe von 6.164,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 an den Kläger zu zahlen.
43II. Die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
44Der Beklagte beantragt,
45I. die Berufung zurückzuweisen.
46II. im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgericht Köln vom 23.10.2023 insoweit aufzuheben, als sie in Ziff. 1 des Urteils zu einer Jahresleistung von 6.164,00 € brutto nebst Zinsen und in Ziff. 2 zu einer Weihnachtsgratifikation in Höhe von 3.082,00 € brutto nebst Zinsen verurteilt wurde.
47Zur Verteidigung gegen die Berufung hat die Beklagte die Entscheidung des Arbeitsgerichts verteidigt und ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Sie bleibe bei ihrer Auffassung, dass die nun in den Jahren 2022 und 2023 erfolgte Freistellung mit dem Stundenlohn zu vergüten sei, der im Jahre 2004 gegolten habe. Sie habe schon vor dem Arbeitsgericht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der vom Kläger zur Abgeltung seiner Überstunden abrufbare Betrag seinerzeit ausgerechnet und festgelegt worden sei. Dabei sei wohl keiner der Parteien davon ausgegangen, dass der Kläger die Überstunden beziehungsweise den Betrag so lange stehen lassen werde. Auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz könne der Kläger keinen Anspruch ableiten, jedenfalls nicht mit Blick auf die vom Kläger benannten Zeugen, denn diese seien nicht mit dem Kläger vergleichbar. Der Zeuge W habe 2021 mitgeteilt, dass er zum 31.03.2023 ausscheiden werde. Er habe dann bis August 2022 seine Überstunden abgebaut und sei danach erkrankt. Der Zeuge He arbeite noch. Beim Zeugen F gebe es keine mit dem Vertrag des Klägers vergleichbare Vereinbarung, dass Mehrarbeit mit dem Gehalt abgegolten werde. In der Berufungsbegründung behaupte der Kläger, man habe sich 2004 lediglich auf die Stunden aber nicht auf den Preis geeinigt und die Beklagte habe die jeweiligen Stundenlöhne für die Überstunden im Arbeitszeitkonto des Klägers nicht ausgewiesen. Das zeige doch gerade, dass die Verjährungseinrede gerechtfertigt sei. Das Bruttogehalt des Klägers betrage im Übrigen nicht 6.140,00 EUR pro Monat, sondern nur 6.000,00 EUR brutto. Für einen darüberhinausgehenden Anspruch von 140,00 EUR brutto pro Monat gebe es keine Anspruchsgrundlage. Seit dem Monat Juli 2018 habe der Kläger immer nur 6.000,00 EUR brutto verdient und es sei gelogen, wenn er jetzt ein Gehalt von 6.140,00 EUR brutto pro Monat behaupte.
48Zur Begründung der Anschlussberufung berufe sie sich zunächst auf die Grundsätze der Verwirkung. Außerdem seien die Ausschlussfristen nicht eingehalten worden. Schon dem Grunde nach könne ein Anspruch auf Jahresleistung und Weihnachtsgeld in einem Fall wie dem vorliegenden nicht bestehen. In der „Betriebs- und Arbeitsordnung P“ sei geregelt, dass der Mitarbeiter von der Zahlung ausgeschlossen werden könnten, wenn das Arbeitsverhältnis ruhe. Wenn nun der Kläger im vergangenen Jahr nichts Anderes getan habe, als Überstunden abzubauen, dann liege ein Sachverhalt vor, der mit einem ruhenden Arbeitsverhältnis vergleichbar sei.
49Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
50E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
51Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.
52I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
53Die Berufung ist auch zulässig, soweit Klageerweiterungen ihr Gegenstand sind, die erst in der Berufungsinstanz rechtshängig geworden sind. Die Klageerweiterungen waren im Sinne des § 263 ZPO sachdienlich, da die Zulassung der Klageänderung den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt (d. h. zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt) und einem sonst drohenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt.
54II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
55Dem Kläger stehen die von ihm geltend gemachten Restentgelte in Höhe von jeweils 2.411,63 EUR für die Monate Dezember 2022 bis Oktober 2023 zu. Gleiches gilt für das Entgelt in Höhe von 6.140,00 EUR für den Monat November 2023 sowie für die Urlaubsvergütung in Höhe von ebenfalls 6.164,00 EUR für den Monat Dezember (1.). Auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung der Jahresleistung und des Weihnachtsgeldes für die Jahre 2022 und 2023 stehen dem Kläger zu (2.).
561. Der Kläger hat gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der von ihm geforderten Restentgelte für die Monate Dezember 2022 bis Oktober 2023 in Höhe von jeweils 2.411,63 EUR, denn der Berechnung ist das aktuelle Bruttomonatsentgelt in Höhe von 6.164,00 EUR einschließlich der Anwesenheitsprämie zugrunde zu legen (a.). Aus dem gleichen Grund kann der Kläger von der Beklagten den besagten Betrag in voller Höhe für den Monat November 2023 verlangen (b.). In der gleichen Höhe steht dem Kläger für Monat Dezember 2023 ein Urlaubsentgelt zu (c.). Mit Blick auf alle vorgenannten Ansprüche kann der Kläger die Leistung von Prozesszinsen verlangen (d.). Die Ansprüche sind weder verfallen noch verwirkt noch verjährt (e).
57a. Die Klage ist mit den in der Berufungsinstanz gestellten Anträge zu 1 bis 13. begründet.
58(1.) Der Zahlungsanspruch ergibt sich nicht bereits aus § 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Denn während der hier fraglichen Monate hat der Kläger keine Arbeitsleistung erbracht. Seine Leistungspflicht, eine Fixschuld, ist gemäß § 275 Abs. 1 BGB untergegangen. Ihre Erfüllung ist damit für jedermann, also objektiv, unmöglich geworden. Bei objektiver Unmöglichkeit entfällt gemäß § 326 Abs. 1 BGB der Gegenanspruch, hier also der Anspruch auf Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Entgelts, wenn sich aus § 326 Abs. 2 BGB keine Ausnahme ergibt.
59(2.) Der mit den Anträgen zu 1 bis 11 geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Zahlung eines restlichen Bruttomonatsentgelts in Höhe von 2.411,63 EUR (= 6.164,00 EUR abzüglich bereits geleisteter 3.752,37 EUR) für die Monate Dezember 2022 bis Oktober 2023 ergibt sich aber aus §§ 615 Satz 1, 611 a Abs. 2, 293 ff. BGB. Denn bei grundsätzlich bestehender Leistungswilligkeit und Leistungsbereitschaft des Klägers hat die Beklagte im hier streitgegenständlichen Zeitraum die Arbeitsleistung abgelehnt. Sie war damit im Annahmeverzug und hatte die vertraglich geschuldete Vergütung fortzuzahlen. Es handelt sich hier nicht um einen Schadensersatzanspruch (BAG v. 19.10.2000 - 8 AZR 20/00 -). Daher führen auch Erwägungen zu einem ggfls. vorliegenden Mitverschulden des Klägers nicht weiter. Ein Arbeitszeitkonto ist ein Zeitkonto und nicht ein Geldkonto. Deshalb ist die Freistellung nach dem Lohnausfallprinzip zu vergüten (BAG v. 18.09.2002 – 1 AZR 668/01 –). Der Gläubiger ist damit so zu stellen, als hätte er vertragsgemäß gearbeitet. Das Prinzip ist bekannt aus dem Urlaubsrecht (§ 11 BUrlG, § 7 Abs. 4 BUrlG) und dem Recht der Entgeltfortzahlung (§ 2 ABs. 1 EFZG, § 4 Abs. 1 EFZG). Die Änderung des regelmäßig zu zahlenden Entgelts wirkt sich regelmäßig auf das zu zahlende Entgelt im Zeitraum der Nichtarbeit aus, aber auch auf die Höhe einer Abgeltung (BAG v. 31.05.1990- 8 AZR 161/89 -; Hohmeister/Oppermann, Bundesurlaubsgesetz, BUrlG § 7 Rn. 62).
60Wenn der Kläger gearbeitet hätte, dann hätte er im Dezember 2022 genauso wie in den Folgemonaten ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 6.164,00 EUR erhalten. Das gilt auch für den Anteil in Höhe von 164,00 EUR, der als Anwesenheitsprämie gezahlt wird. In der Berufungsverhandlung ist unstreitig geworden, dass die Beklagte in ihrem Unternehmen Anwesenheitsprämien auf der Grundlage der Nummer V 3 der „Betriebs- und Arbeitsordnung P“ zahlt. Nach diesen Regelungen kommt eine Nichtzahlung der Prämie nur im Fall der Arbeitsunfähigkeit in Betracht. Der Kläger war aber im Dezember 2022 nicht arbeitsunfähig. Jedenfalls hat das die Beklagte nicht dargelegt. Für die Beklagte ist die Ausnahmeregelung günstig und daher trägt sie die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Ausnahme bedingen sollen.
61Eine Vereinbarung der Parteien, die dem vorgenannten Grundsatz des Lohnausfallprinzips entgegenstehen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass sich die Parteien im Jahre 2004 auf eine Abweichung von dem grundsätzlich anzunehmenden Lohnausfallprinzip geeinigt hätten. Es ist die Beklagte, die sich auf diese Ausnahme beruft, deshalb ist sie es, die die Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, die diese Ausnahme bedingen sollen. Die schriftliche Vereinbarung aus dem Jahre 2004 mit dem Text „… Ihr Guthaben per 30.06.2004 bleibt von dieser Regelung unberührt. Über deren Verwendung wollen wir in den nächsten Monaten eine Vereinbarung treffen." ist für die Frage, ob eine vom Lohnausfallprinzip abweichende Vereinbarung getroffen worden ist, ohne Belang. Das gilt auch für die Darlegungen der Beklagten zu einer solchen Vereinbarung im Übrigen: In der Klageerwiderung der Beklagten vom 04.10.2022 heißt es wörtlich „Der Kläger hat sich dann mit der Parkleiterin, Frau H B, getroffen und die beiden haben den Wert der bis dahin geleisteten Überstunden errechnet. Unstreitig hatten die Stunden damals einen Wert von 44.091,42 €, worüber sich die Parteien einig waren (Beweis: …). Frau B räumte dem Kläger ein, sich diesen Betrag auszahlen zu lassen oder aber die 2330 Stunden in der Zukunft angepasst auf die betrieblichen Bedürfnisse zu nehmen. Der Kläger war damit einverstanden und äußerte, dass er vorerst keine Auszahlung möchte, sondern sich Vorbehalte, die Stunden in Natur zu nehmen.“ Und in der Berufungserwiderung trägt die Beklagte vor, „… dass der vom Kläger abrufbare Betrag seinerzeit ausgerechnet und festgelegt wurde, wobei wohl keiner der Parteien davon ausging, dass der Kläger die Überstunden beziehungsweise den Betrag so lange stehen lassen werde.“ Aus diesem Vortrag ergibt sich zwar, dass die Parteien nach der vom Kläger bestrittenen Erinnerung der Beklagten den damaligen Wert der geleisteten Überstunden ausgerechnet haben. Eine solche einvernehmliche Berechnung hätte ggfls. Auswirkungen auf einen im Jahre 2004 anhängigen Abgeltungsprozess gehabt, sie hat aber nichts mit dem Lohnausfallprinzip im Falle der Freistellung zu tun.
62b. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Entgelts für den Monat November 2023 (Antrag zu 12) ergibt sich ebenfalls aus § 615 BGB. Hier war allerdings die Beklagte zur Zahlung eines Betrages zu verurteilen, der dem ausgefallenen Bruttoentgelt in volle Höhe entspricht also in Höhe von 6.164,00 EUR, weil die Beklagte für den Monat November nicht einmal anteilig Arbeitsentgelt gezahlt hat, sondern gar nichts.
63c. Der Anspruch auf Zahlung der tenorierten 6.164,00 EUR brutto für den Monat Dezember 2023 (Antrag zu 13) folgt aus § 11 BUrlG, also aus einer Vorschrift, die ausdrücklich das Lohnausfallprinzip zum Gegenstand hat.
64d. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung der beantragten Zinsen ergibt sich für alle vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus §§ 186, 288 BGB.
65e. Die Ansprüche sind weder verfallen noch verwirkt noch verjährt. Der Arbeitsvertrag sieht einen Anspruchsverfall nur für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, ist also hier nicht anwendbar. Nach der Regelung in Nummer XII. der „Betriebs- und Arbeitsordnung P“ sind Ansprüche aus dem laufenden Jahr bis zum 31. März des Folgejahres geltend zu machen. Mit Blick auf die Entgeltansprüche für die streitgegenständlichen Monate ist diese Ausschlussfrist durch das am 21.03.2022 eingeleitete Klageverfahren ohne weiteres eingehalten, denn der älteste hier streitige Entgeltanspruch ergibt sich aus der Freistellung im Monat Dezember 2022. Denkbar wäre es gewesen, (nicht dem Entgeltanspruch sondern) dem Freistellungsanspruch des Klägers mit der Einrede der Verjährung oder der Einwendung des Verfalls entgegenzutreten. Dabei muss hier nicht entschieden werden, ob eine solche Einrede oder ein solche Einwendung Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Denn inzwischen ist beides nicht mehr möglich, da die Freistellung bereits erfolgt ist. Die gezahlte und zu zahlende Vergütung kann auch nicht gemäß § 812 BGB mit der Begründung zurückgefordert oder zurückgewiesen werden, die Leistung „Freistellung“ sei wegen der Verjährung des Anspruchs ohne Rechtsgrund erfolgt. Das wäre dann nämlich ein Fall der Kenntnis der Nichtschuld im Sinne des § 814 BGB. Der jeweilige Vergütungsanspruch wird jedenfalls erst Monat für Monat der Freistellung fällig. Tatsachen, aus denen eine Rechtfertigung des Verwirkungseinwands folgen könnten, sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Es fehlt hier schon am notwendigen Zeitmoment eines Verwirkungseinwands. Wie bereits gezeigt hat der Kläger die richtige Vergütung für den Freistellungszeitraum zum Teil sogar vorfällig geltend gemacht.
662. Ebenfalls begründet ist die Klage mit den Anträgen zu 14 bis 17, denn der Kläger kann von der Beklagten auch für den Zeitraum der Freistellung die Jahresleistung und das Weihnachtsgeld verlangen. Der Anspruch auf Zahlung der Jahresleistung und des Weihnachtsgeldes ergibt sich aus Nr. V 1 und 2 der „Betriebs- und Arbeitsordnung P“ in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag, der ausdrücklich auf die Betriebsordnung Bezug nimmt. Der von der Beklagten geltend gemachte Einwand, das Arbeitsverhältnis habe geruht, hilft nicht weiter, denn von Ruhen kann nur dann gesprochen werden, wenn beide Vertragspflichten nicht erfüllt werden. Hier ist es aber die Beklagte, die weiter zumindest anteilig Entgelt zahlt. Weitere Ausschlusstatbestände sind nicht ersichtlich.
67Nach allem war auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
68III. Die Anschlussberufung der Beklagten ist zwar zulässig aber unbegründet.
69Wie gezeigt hat der Kläger gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Jahresleistung und des Weihnachtsgeldes. Das gilt ohne Unterschied für das Jahr 2022 wie für das Jahr 2023. Das Arbeitsgericht hat daher die Beklagte zu Recht verurteilt, an den Kläger die Jahresleistung und das Weihnachtsgeld für das Jahr 2022 zu zahlen.
70Die Anschlussberufung der Beklagte war daher abzuweisen, wie dies ausdrücklich im Tenor geschehen ist. Nur zum Zwecke der Übersichtlichkeit erscheinen die Ansprüche auf Zahlung der Jahresleistung und des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2022 erneut im Tenor der vorliegenden Entscheidung.
71IV. Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß § 91 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.