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1. Gastverträge bei einem Theater sind regelmäßig nicht als Arbeitsverträge zu qualifizieren. Dem steht nicht entgegen, dass die Probezeiten und die Aufführungstermine vorgegeben werden.
2. Ist eine Schauspielerin mit Gastvertrag nicht als Arbeitnehmerin anzusehen, kann sie bei einem Ausfall der vorgesehenen Vorstellungen keine Zahlung verlangen, wenn die Vorstellungen wegen eines Theaterbrands ausfallen. Für beide Seiten sind die Hauptpflichten wegen Unmöglichkeit entfallen (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es liegt kein Fall des Annahmeverzugs vor, weil § 615 Satz 3 BGB nur auf Arbeitsverträge und nicht auf reine Dienstverträge anwendbar ist.
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.05.2023 – 9 Ha 7/22 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Vermerk: Der Tenor enthält einen Fehler. Das Datum der Entscheidung des ArbG Köln ist nicht der 23.05.2023, sondern der 24.05.2023.
T a t b e s t a n d:
2Die Beklagte betreibt ein Theater. Die Klägerin ist Sängerin und Schauspielerin. Sie macht Vergütung für wegen eines Brands ausgefallene Aufführungen geltend.
3Die Parteien verständigten sich am 07.02.2020 auf einen sog. Gastvertrag mit einer Laufzeit vom 29. Juni 2020 bis zum 31.07.2021. Danach sollte die Klägerin die Rolle der „S M“ in der Inszenierung „S“ übernehmen. Als Aufführungsort war das „G H“ der Beklagten in E vorgesehen.
4Die Beklagte übermittelte dem Agenten der Klägerin noch vor Abschluss des Gastvertrags (Bl. 46 d.A.) eine E-Mail, in der sie das Ergebnis der Vertragsverhandlungen wie folgt zusammenfasst:
5„Lieber Herr S
6sorry, für die verspätete Antwort.
7Hiermit bestätigte ich Ihnen die u. g. Verhandlungsergebnisse.Die Abrechnungsart der Vorstellungen ist nach dem SV-/Steuer-Recht als abhängige Beschäftigung zu berechnen. [...]“
8Der Gastvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
9„ § 1
10Mitwirkung
11Der Gast verpflichtet sich, in der Zeit vom 29.06.2020 bis 31.07.2021
12in der Inszenierung "S“
13die Rolle „S M"
14als Musicaldarstellerin zu übernehmen.
152. Das Werk wird in der Zeit zwischen dem 17.10.2020 und dem 31.07.2021 voraussichtlich 15mal aufgeführt.
163. Die Proben beginnen für den Gast voraussichtlich vom 29.06.2020 bis 18.07.2020 und vom 28.09.2020 bis 17.10.2020. Der genaue Probenbeginn wird dem Gast spätestens 4 Woche(n) vor dem in Aussicht genommenen Termin bekannt gegeben.
17a. Dem Gast werden drei Sperrtermine in der Probenzeit nach Genehmigung der Bühne gewährt. Weitere probenfreie Tage für Castings oder Drehs werden von der Bühne, wenn keine zwingende Produktionsgründe dagegen stehen, im Rahmen des Möglichen gewährt werden.
184. Die Premiere ist für den 17.10.2020 um 19:30 Uhr vorgesehen. Die Bühne kann den Premierentermin bis zu 7 Tage / Wochen verschieben. Verschiebt sich dadurch auch der Probenbeginn, informiert die Bühne den Gast so frühzeitig wie möglich.
195. Vorstellungstermine:
20Sa. 17.10.20 um 19:30 Uhr So. 18.10.20 um 15:00 Uhr
21So. 25.10.20 um 19:30 Uhr
22So. 15.11.20 um 19:30 Uhr Sa. 19.12.20 um19:30Uhr Mi 30.12.20 um 19:30 Uhr
23Do 31.12.20 um 17:00 Uhr So 31.01.21 um 19:30 Uhr Fr. 05.02.21 um 19:30 Uhr Sa. 27.02.21um 19:30 Uhr So 21.03.21 um 15:00 Uhr Sa 10.04.21 um 19:30 Uhr So 25.04.21 um 15:00 Uhr Do 27.05.21 um 19:30 Uhr
24So 20.06.21 um 19:30 Uhr
25Im Falle der Verlegung von Vorstellungen gilt Nr. 6 entsprechend.
266. Weitere Termine können mit dem Gast schriftlich vereinbart werden.
277. In den Zeiträumen zwischen den in diesem Gastvertrag genannten Vorstellungsterminen bestehen keine Verpflichtungen des Gastes gegenüber der Bühne. der Probenzeit nach Genehmigung der Bühne gewährt. Weitere probenfreie Tage für Castings oder Drehs werden von der Bühne, wenn keine zwingende Produktionsgründe dagegen stehen, im Rahmen des Möglichen gewährt werden.
28§ 2
29Leistungspflichten des Gastes
301. Die Mitwirkungspflicht des Gastes erstreckt sich über § 1 Nr. 5 und 6 hinaus auch auf Aufführungen des in § 1 genannten Werks durch die Bühne an anderen Spielorten im In-und Ausland sowie auf die Mitwirkung bei der Übertragung der Darbietung durch Funk (insbesondere Hörfunk und Fernsehen), bei der öffentlichen Zugänglichmachung und bei der Aufzeichnung auf Ton- und / oder Bildträger sowie Bildtonträger.
31Der Gast muss mitwirken, wenn die Aufführung durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen außerhalb des Raumes, in dem sie stattfindet, wahrnehmbar gemacht wird.
32[...]
33§ 3 Vergütung
341. Der Gast erhält eine Vergütung in Höhe von
35a) für die Probenzeit 3.500,00 € als Probenpauschale
36b) je Aufführung € 650,-
37c) einer 1⁄2 Vorstellungsgage je Umsetzungs- / Wiederaufnahmeprobe nach der Premiere.
38Dem Gast werden mindestens 15 Vorstellungen garantiert.
392. Erholungsurlaub kann während der Vertragszeit nicht gewährt werden. Von der vereinbarten Bruttovergütung dient 1/13 der Abgeltung eines gegebenenfalls bestehen- den Anspruchs auf Erholungsurlaub.
40[...]
413. Alle aus diesem Vertrag sich ergebenden Zahlungen unterliegen den jeweils gelten- den deutschen Steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen.
42[...]
43§ 6 Nichterfüllung
44[...]
453. Kann die Bühne aufgrund von höherer Gewalt oder aus anderen Gründen, z. B. betriebliche Störungen, Streik, notwendige bauliche Maßnahmen, behördliche Anordnung, Theaterbrand, Stromausfall, Verbot durch den Autor oder Erkrankung im Ensemble, Niederlegung der Regie, eine angesetzte Probe / Aufführung nicht in der vorgesehenen Weise durchführen, ist die Bühne nicht zur Nachholung verpflichtet. Der Gast verliert seinen für die Aufführung bestehenden Vergütungsanspruch, wenn ihm die Absage mindestens 8 Werktage vor der geplanten Aufführung zugegangen ist. Bei einer Absage, die weniger als 8 Werktage vor der geplanten Aufführung zugeht, wird die Hälfte der jeweiligen Vergütung fällig.
46[...]
47§ 10 Anderweitige Beschäftigung
48Jede entgeltliche anderweitige Beschäftigung muss der Bühne schriftlich angezeigt werden. Die Bühne kann die Ausübung der Nebenbeschäftigung untersagen, wenn sie die Erfüllung der Pflichten aus diesem Vertrag oder sonstige berechtigte Interessen der Bühne verletzt.
49[...]“
50Wegen der weiteren Einzelheiten des Gastvertrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
51Die Beklagte meldete die Klägerin zum 29.06.2020 als „Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung“ an. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Meldebescheinigung zur Sozialversicherung (Bl. 39 d.A.). Die Beklagte erteilte der Klägerin Gehaltsabrechnungen und führte für sie Lohnsteuer ab.
52Die Proben zu dem Werk fanden im Zeitraum vom 29.06.2020 bis 29.09.2020 statt. Am 30.09.2020 kam es zu einem Brand im „G H“ der Beklagten. Es war der dritte Brand innerhalb eines Jahres im L E Es traten Schäden im Bereich der Unterbühne und im Zuschauerraum auf. Das Bühnenbild für die Inszenierung wurde stark beschädigt. Am gleichen Tag informierte die Beklagte die Klägerin mündlich darüber, dass sich ein Theaterbrand ereignet habe und deshalb keine Aufführungen stattfinden würden. Der Sachverhalt wurde der Klägerin nochmals mit Schreiben vom 30.09.2022 unter Hinweis auf § 6 Abs. 3 des Vertrages mitgeteilt. Die Klägerin teilte der Beklagten darauf hin sowohl mündlich als auch per E-Mail mit, dass sie für die Vorstellungen auch an einem anderen Ort gleichwohl zur Verfügung stehe.
53Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Zahlung der Vergütung für Oktober 2020 bis Juni 2021 geltend. Ihr Zahlungsantrag ist vor dem Bühnenschiedsgericht erfolgreich gewesen. Das Bühnenoberschiedsgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Der Schiedsspruch ist der Klägerin am 13.05.2022 zugegangen. Am 25.05.2022 hat die Klägerin Aufhebungsklage beim Arbeitsgericht eingereicht.
54Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Vergütungsanspruch bestehe bereits deshalb, weil die Beklagte ihr im Gastvertrag 15 Vorstellungen garantiert habe. Diese Regelung verdränge § 6 Abs. 3 des Vertrages. § 6 Abs. 3 des Vertrages sei darüber hinaus aus mehreren Gründen unwirksam. Es sei unzulässig, ihr als Arbeitnehmerin entgegen § 615 Satz 3 BGB das gesamte Betriebsrisiko zuzuweisen. Dies ergäbe sich bereíts aus allgemeinen Grundsätzen, folge aber auch aus der vorzunehmenden AGB-Kontrolle des Vertrages. Die Regelung sei intransparent. Zudem weiche sie erheblich vom gesetzlichen Leitbild des § 615 Satz 3 BGB und auch des § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB ab und sei daher auch deswegen unwirksam.
55Die Klägerin hat beantragt,
56den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgericht Frankfurt am Main vom 21.02.2021 - BOSchG 6/21 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
571. an sie ausstehende monatliche Vergütung für den Monat Oktober 2020 in Höhe von brutto 1.950 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2020 zu zahlen;
2. an sie ausstehende monatliche Vergütung für den Monat November 2020 in Höhe von brutto 650 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2020 zu zahlen;
3. an sie ausstehende monatliche Vergütung für den Monat Dezember 2020 in Höhe von brutto 1.950 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2021 zu zahlen;
4. an sie ausstehenden monatliche Vergütung für den Monat Januar 2021 in Höhe von brutto 650 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2021 zu zahlen;
5. an sie ausstehenden monatliche Vergütung für den Monat Februar2021 in Höhe von brutto 1.300 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2021 zu zahlen;
6. an sie ausstehende monatliche Vergütung für den Monat März 2021 in Höhe von brutto 1.300 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 zu zahlen;
7. an sie ausstehende monatliche Vergütung für den Monat April 2021 in Höhe von brutto 1.300 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2021 zu zahlen;
8. an sie ausstehenden monatliche Vergütung für den Monat Mai 2021inHöhe von brutto 1.300 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen;
9. an sie ausstehende monatliche Vergütung für den Monat Juni 2021 in Höhe von brutto 1.300 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2021 zu zahlen;
10. an sie ausstehenden monatliche Vergütung für den Monat Januar 2021 in Höhe von brutto 650 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2021 zu zahlen,
Die Beklagte hat beantragt,
69die Klage abzuweisen.
70Sie hat geltend gemacht, ein Anspruch der Klägerin aus § 615 Satz 3 BGB scheide schon deswegen aus, weil sie keine Arbeitnehmerin gewesen sei. Zudem hätten die Parteien von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Vorschrift abzubedingen. Die im Gastvertrag getroffene Regelung sei transparent und benachteilige die Klägerin nicht unangemessen.
71Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte Berufung.
72Sie ist nach wie vor der Auffassung, die Klägerin sei nicht Arbeitnehmerin gewesen. Auf die sozialrechtliche Behandlung des Vertragsverhältnisses komme es nicht an. Ein Arbeitsverhältnis könne nicht daraus abgeleitet werden, dass der Vertrag die Zeiten der Proben und der Aufführungen konkret aufführe. Eine Festlegung sei wegen der der Art des Vertragsverhältnisses notwendig. Vergleichbare Absprachen müssten auch in anderen Bereichen tätige Selbständige treffen. Selbst wenn ein Arbeitsverhältnis anzunehmen wäre, wäre nach § 6 Abs. 3 Gastvertrag kein Anspruch gegeben.
73Die Beklagte beantragt,
74das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.05.2023 – 9 Ha 7/22 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
75Die Klägerin beantragt,
76die Berufung zurückzuweisen.
77Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil.
78Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
79E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
80I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.
81II. Die Berufung ist begründet. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt a.M. vom 21. Februar 2021 beruht nicht auf der Verletzung einer Rechtsnorm (§ 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG). Die Parteien haben in § 3 Abs. 3 Satz 2 des Vertrages keine Garantie in dem Sinne vereinbart, dass die Klägerin die vereinbarte Vergütung auch dann erhalten sollte, wenn es zu keiner Aufführung kommt. Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 611 Abs. 1 oder § 611a Abs. 2 i. V. m. § 615 Satz 1 BGB zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Es liegt kein Fall des Annahmeverzugs, sondern ein Fall der Unmöglichkeit vor. Die beiderseitigen Hauptleistungspflichten sind gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfallen. Hierfür ist maßgeblich, dass dem Vertragsverhältnis der Parteien kein Arbeitsvertrag, sondern ein Dienstvertrag zugrunde lag. Auf den Dienstvertrag findet § 615 Satz 3 BGB keine Anwendung, so dass sich die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, das Betriebsrisiko vollständig auf die Klägerin zu übertragen, nicht stellt. Da sich die Befreiung der Beklagten von der Leistungspflicht bereits aus dem Gesetz ergibt, kommt es auch nicht darauf an, ob einzelne Klauseln des Vertrages mit den Vorschriften zur Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) vereinbar sind.
821. Die Klage ist zulässig. Die Anträge sind hinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin verfolgt ihr Klagebegehren nicht im Wege einer unzulässigen alternativen Klagehäufung.
83a) Eine alternative Klagehäufung, bei der die Klägerin ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen. Deshalb muss, was auch konkludent möglich ist, eine Rangfolge gebildet werden. Diese ist grundsätzlich bereits in der Klage anzugeben. Es ist jedoch auch möglich, noch im Lauf des Verfahrens von der (unzulässigen) alternativen auf die (zulässige) eventuelle Klagehäufung überzugehen und die Reihenfolge zu bestimmen, in der die prozessualen Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Fehlt eine Rangfolgebestimmung, hat das Gericht auf die mangelnde Bestimmtheit der Klage hinzuweisen und auf eine zulässige Antragstellung hinzuwirken, § 139 ZPO (BAG 28.04.2021 – 4 AZR 230/20 – Rn. 18).
84b) Danach liegt keine unzulässige alternative Klagehäufung vor. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren auf Nachfrage des Gerichts dahingehend klar gestellt, dass sie die geltend gemachten Ansprüche vorrangig auf das von ihr aus § 3 Abs. 3 Satz 2 des Gastvertrages abgeleitete Garantieversprechen der Beklagten und nachrangig auf §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB stützt.
852. Die Klage ist unbegründet.
86a) Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 3 Abs. 3 Satz 2 des Gastvertrages auf Zahlung der geltend gemachten Vergütung. Die Parteien haben in § 3 Abs. 3 Satz 2 des Gastvertrages keine Garantie mit dem Inhalt vereinbart, dass die Klägerin die vereinbarte Vergütung auch dann erhalten sollte, wenn es zu keiner Aufführung kommen würde. Dies ergibt die Auslegung des Gastvertrages.
87aa) Bei der Vereinbarung der Parteien handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 305 Abs. 1 BGB. Die Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, der Klägerin von der Beklagten bei Vertragsabschluss gestellt und nicht im Einzelnen ausgehandelt worden.
88Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Die Anwendung der Unklarheiten Regel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von ihnen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 25.01.2023 – 10 AZR 116/22 – Rn. 20).
89bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Gastvertrag dahingehend auszulegen, dass die in § 3 Abs. 1 Satz 2 vorgesehene Garantie nur dann gelten soll, wenn die Aufführungen tatsächlich stattfinden. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 3 des Gastvertrages. Dies ist von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise dahingehend zu verstehen, dass der Gast immer dann, wenn die vorgesehenen Aufführungen ausfallen, keinen Vergütungsanspruch haben soll. Die einzige Ausnahme ist für den Fall vorgesehen, wenn ihm die Absage nicht rechtzeitig vor der geplanten Aufführung zugeht (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 Gastvertrag).
90Anderenfalls wäre die in § 6 Abs. 3 des Gastvertrages getroffene Regelung sinnlos bzw. überflüssig. Die Parteien haben die Mitwirkung der Klägerin an 15 Vorstellungen vereinbart. Wenn ihr die Beklagte garantiert hätte, unabhängig von der Durchführung der Vorstellungen 15 Vorstellungen zu vergüten, bliebe für § 6 Abs. 3 des Gastvertrags kein Anwendungsbereich. Verständige und redliche Vertragspartner würden den Gastvertrag nicht so auslegen. Sie würden den Vertrag so verstehen, dass alle Regelungen einen Anwendungsbereich haben.
91Die Unklarheiten Regel des § 305c Abs. 2 BGB kommt nicht zur Anwendung. Die Auslegung des Gastvertrages hat gezeigt, dass nicht davon auszugehen ist, dass mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen und von ihnen keines den klaren Vorzug verdient. Es bestehen keine „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung.
92Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass § 6 Abs. 3 Abs. 3 Satz 2 des Gastvertrages intransparent sei. Die Klausel verdeutlicht, dass die Beklagte ihrer Vergütungspflicht nur nachkommen will, wenn die Gegenleistung des Künstlers, die in der Beteiligung an den Aufführungen besteht, tatsächlich erbracht wird. Aus § 6 Abs. 1 des Vertrages ergibt sich, dass die Beklagte jegliche Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und aus § 616 BGB ausschließen wollte. § 3 Abs. 2 des Gastvertrages schließt darüber hinaus einen Urlaubsanspruch und damit auch einen Urlaubsentgeltanspruch aus.
93b) Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 611a Abs. 2 i. V. m. § 615 Satz 1 BGB auf Zahlung der Vergütung. Die Beklagte befand sich nach dem Brand nicht in Annahmeverzug. Vielmehr ist ein Fall der Unmöglichkeit gegeben, der auf beiden Seiten die Hauptpflichten aus dem Vertrag entfallen ließ (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Annahme, dass ein Fall der Unmöglichkeit vorlag, beruht entscheidend auf dem Umstand, dass die Parteien keinen Arbeitsvertrag und auch keinen Werkvertrag geschlossen haben, sondern einen Dienstvertrag i.S.v. § 611 Abs. 1 BGB. Daher kommt § 615 Satz 3 BGB, der für Arbeitsverträge vorsieht, dass in bestimmten Konstellationen, die nach allgemeinen Regeln eigentlich den gesetzlichen Bestimmungen zur Unmöglichkeit unterfallen würden, der Anwendungsbereich der Vorschriften zum Annahmeverzug erweitert wird.
94aa) Die Klägerin war nicht Arbeitnehmerin der Beklagten.
95(1) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann . Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Die Vorschrift des § 611a BGB in der seit dem 1. April 2017 geltenden Fassung spiegelt diese Rechtsgrundsätze wider (BAG 17.06.2020 – 7 AZR 398/18 – Rn. 14).
96Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (Satz 1). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (Satz 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmten kann (Satz 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (Satz 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (Satz 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (Satz 6).
97Die Parteien einer privatrechtlichen Vereinbarung über die Erbringung von Dienst- bzw. Arbeitsleistungen sind danach nicht frei darin, den Vertragstyp unabhängig von den vereinbarten Bedingungen, unter denen die Leistung erbracht werden soll, und der tatsächlichen Vertragsdurchführung zu bestimmen. Sie sind an die zwingenden Vorgaben des § 611a Abs. 1 BGB gebunden. Ist die Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit materieller Vertragsgegenstand oder leistet der Beschäftigte abweichend von den getroffenen Vereinbarungen tatsächlich solche Arbeit, liegt ein Arbeitsverhältnis i. S. v. § 611a Abs. 1 BGB vor (BAG 25.04.2023 – 9 AZR 253/22 – Rn. 22).
98Zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen (zB freier Dienstvertrag, Werkvertrag ua.) ist nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB stets eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist (BAG 25.04.2023 – 9 AZR 253/22 – Rn. 23).
99Konkret für einen Gastvertrag eines Opernsängers hat das BAG angenommen, dass dieser sein Gepräge durch die Mitwirkung an den Vorstellungen erhalte. Dies sei der eigentliche Sinn des Vertrags, der auch in den unterschiedlichen Vergütungsregelungen zum Ausdruck komme. Die Prüfung der Weisungsgebundenheit müsse diese dienende Funktion der Proben angemessen berücksichtigen. Die Bewertung der persönlichen Abhängigkeit dürfe nicht allein nach dem zeitlichen Umfang der Tätigkeiten erfolgen. Stünden die Aufführungen als Vertragsgegenstand ganz im Vordergrund, seien sie neben den in zeitlicher Hinsicht überwiegenden Proben zumindest gleichgewichtig (BAG 07.02.2007 – 5 AZR 270/06 – Rn. 11 ff.; in diesem Sinne auch LAG Köln 30.09.2020 – 11 Sa 631/19 – Rn. 57 ff.).
100(2) Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin nicht Arbeitnehmerin der Beklagten. Der Vertrag der Parteien ist auch nicht als Werkvertrag, sondern als Dienstvertrag (§ 611 Abs. 1 BGB) einzustufen.
101Der Vertrag ist nicht Werkvertrag, weil die Klägerin der Beklagten keinen Erfolg i.S.v. § 631 Abs. 2 BGB schuldete, sondern eine künstlerische Tätigkeit (vgl. zu diesem Aspekt BAG 05.07.2007 – 5 AZR 270/06 – Rn. 11).
102Die Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass auch kein Arbeitsverhältnis vorlag. Zwar enthält der Gastvertrag mehrere Vorschriften, die auf den ersten Blick für ein Arbeitsverhältnis sprechen. So sind die Zeiten, an denen die Klägerin zu Vorstellungen zu erscheinen hatte, exakt vorgegeben (§ 1 Abs. 5 des Gastvertrages). Die Zeiten der Proben wurden noch nicht konkret festgelegt; es wurde jedoch vereinbart, dass die Klägerin keinen Einfluss auf die Termine haben sollte. Vielmehr sollten sie der Klägerin „bekannt gegeben“ werden (§ 1 Abs. 3 des Gastvertrages). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Beklagten mit diesen Regelungen nicht etwa eine große Flexibilität und ein umfangreiches Weisungsrecht hinsichtlich des Einsatzes der Klägerin eingeräumt worden ist. Die Vorgaben an die Klägerin sind der spezifischen Tätigkeit geschuldet. Die Beklagte mag es ursprünglich in der Hand gehabt haben, den Zeitraum für die Proben und die genauen Termine weitgehend selbstbestimmt festzulegen. Eine derartige Festlegung ist wegen der Vielzahl von Akteuren, die an einer Aufführung teilnehmen, zwingend notwendig. Ist sie einmal erfolgt, kann auch die Beklagte nicht ohne Weiteres Änderungen vornehmen. Zu Recht hat die Beklagte darauf verwiesen, dass in anderen Bereichen wie etwa beim Handwerk vergleichbare Festlegungen vorgenommen werden, ohne dass der Handwerker als Arbeitnehmer angesehen wird. So bedarf es bei dem Bau eines Hauses der zeitlichen Abstimmung, welcher Handwerker in welcher Reihenfolge wann tätig werden soll.
103Gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht zudem, dass sich die Beklagte in den Punkten, die nicht „aus der Natur der Sache“ eine konkrete Festlegung bedurften, in dem formularmäßigen Vertrag kein weitreichendes Weisungsrecht eingeräumt hat. Die Art der Tätigkeit (Rolle der S M in S“) wurde exakt festgelegt und war für beide Seiten bindend. Soweit es möglich war, wurde auch der Klägerin eine flexible Handhabung ermöglicht. So wurden ihr während der Proben „drei Sperrtermine nach Genehmigung der Bühne“ gewährt (§ 1 Abs. 3 des Gastspielvertrags). Ausdrücklich festgehalten wurde, dass „in den Zeiträumen zwischen den in diesem Gastvertrag genannten Vorstellungsterminen keine Verpflichtungen des Gastes gegenüber der Bühne bestehen“ (§ 1 Abs. 7 des Gastspielvertrags). Die der Beklagten eingeräumte Möglichkeit, die Klägerin auch an anderen Spielorten im In- und Ausland einzusetzen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gastspielvertrags), hat kein besonderes Gewicht. Es war klar, dass die Aufführungen im „G H“ stattfinden sollten.
104Dem Umstand, dass die Beklagte die Klägerin als „Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung“ angemeldet hat, ist ebenfalls von untergeordneter Bedeutung. Im Sozialrecht kommt es darauf an, ob ein Beschäftigungsverhältnis gegeben ist. Dies kann - muss aber nicht - ein Arbeitsverhältnis sein (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Es ist auch nicht deswegen von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, weil die Parteien ein derartiges Vertragsverhältnis begründen wollten. Abgesehen davon, dass in diesem Bereich eine Dispositionsmöglichkeit der Parteien nur sehr begrenzt besteht, ist ein derartiger Wille nicht gegeben.
105Andere Umstände legen die Annahme nahe, dass sich die Parteien nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages verständigen wollten. Wie bereits ausgeführt, sah der Gastvertrag vor, dass kein Anspruch auf Urlaub und kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehen sollte. Derartige Regelungen sind wegen des zwingenden Charakters des BUrlG (§ 13 BUrlG) und des EFZG (§ 12 EFZG) nur dann sinnvoll, wenn das Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis anzusehen ist. Es kann nicht angenommen werden, der Beklagten sei der zwingende Charakter der gesetzlichen Bestimmungen nicht bekannt gewesen.
106bb) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vergütung, weil für beide Seiten die Hauptpflichten wegen Unmöglichkeit entfallen sind (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Beklagte befand sich nicht in Annahmeverzug. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist auch nicht nach § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB aufrechterhalten worden.
107Für die Abgrenzung von Annahmeverzug und Unmöglichkeit bei Vorliegen eines Dienstvertrages ist zu berücksichtigen, dass die Dienstleistung regelmäßig als eine Fixschuld angesehen wird, die nicht nachgeholt werden kann (BAG 23.09.2015 – 5 AZR 164/14 – Rn. 26; Joussen in BeckOK Arbeitsrecht § 615 BGB Rn. 6).
108Vorliegend ergibt sich aus dem Gastvertrag besonders deutlich, dass es sich bei der Verpflichtung der Klägerin um eine Fixschuld handelt. Die vorgesehenen Vorstellungstermine können nicht mehr durchgeführt werden, wenn sie verstrichen sind. Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn die ausgefallenen Vorstellungen – was hier nicht erfolgt ist - später „nachgeholt“ würden. Dies wäre nur aufgrund eines neuen Vertrages möglich gewesen. Zudem handelte es sich um neue Aufführungen. Vor diesem Hintergrund ist der Klägerin ihre Leistung mit Ablauf des 20.06.2021 unmöglich geworden.
109Im Arbeitsverhältnis hätte dies nicht zwingend zu der Annahme geführt, dass ein Anspruch der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs ausgeschlossen gewesen wäre. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls nach § 615 Satz 3 BGB trägt, steht dem Arbeitnehmer ungeachtet der Unmöglichkeit ein Vergütungsanspruch aus §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB zu. Das BAG hat hierzu ausgeführt, § 615 Satz 3 BGB sei eine gesetzlich angeordnete Analogie, mit der – abweichend von §§ 275, 326 Abs. 1 BGB – bei einem Umstand, der dem Betriebsrisiko Unterfalle, § 615 Satz 1 BGB entsprechende Anwendung finde (BAG 28.09.2016 – 5 AZR 224/16 – Rn. 20).
110Das Betriebsrisiko ist das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können. Zu den Fällen des Betriebsrisikos gehören sämtliche betriebstechnische Störungen, die zu einer Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führen und vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind. Hierzu zählt der Brand einer Fabrik, der Brand des Arbeitsmaterials und somit auch der Brand der für einen Auftritt vorgesehenen Bühne (vgl. BAG 28.09.2016 – 5 AZR 224/16 – Rn. 21; 23.09.2015 – 5 AZR 164/14 – Rn. 22; Joussen in BeckOK Arbeitsrecht § 615 BGB Rn. 96).
111Diese Grundsätze gelten für den Dienstvertrag (§ 611 BGB), der kein Arbeitsvertrag ist, nicht. Da § 615 Satz 3 BGB keine Anwendung findet, bestimmen sich die Rechtsfolgen eines Brandes der Aufführungsstätte ausschließlich nach §§ 275, 326 BGB. Dies bedeutet, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin nur aufrechterhalten worden wäre, wenn die Beklagte für den Brand allein oder überwiegend verantwortlich gewesen wäre (§ 326 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte. Sie ergeben sich nicht daraus, dass es in der Vergangenheit mehrfach zu Bränden wegen Brandstiftung gekommen ist.
112III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
113IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.