Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.06.2023 —12 Ca 3969/22 — unter Zurückweisung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Das Versäumnisurteil vom 22.09.2022 wird unter Aufhebung im Übrigen wie folgt aufrechterhalten:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 520,32 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2022 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.076,04 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2022 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 229,55 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2022 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 330,78 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 79,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2023 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 79,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2023 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 141,13 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2023 zu zahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger zu 9/10 und der Beklagten zu 1/10 auferlegt. Die Kosten, die durch die Säumnis im Termin am 22.09.2022 entstanden sind, trägt die Beklagte.
7. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Art der Beschäftigung und Vergütung.
3Der Kläger hat am 12.01.2010 erfolgreich eine Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer als Fachkraft für Schutz und Sicherheit absolviert. Er ist bei der Beklagten, die Dienstleistungen im Bereich Werkschutz, Objektschutz, Empfangsdienst sowie Revierwachdienst anbietet, auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 12.12.2018 (ArbV) als Sicherungskraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme (Ziffer 1. Abs. 5 ArbV) die für die Beklagte geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit im Anstellungsvertrag nichts anderes vereinbart ist, mithin vorliegend der Manteltarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen vom 16.01.2017 (MTV Sicherheit NRW) sowie der Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen vom 17.02.2021 (LTV NRW 2021) bzw. vom 16.08.2022 (LTV NRW 2022).
4Nach Ziffer 4 a) Satz 1 ArbV erhält der Kläger einen Stundenlohn von 10,58 €. Gemäß Ziffer 4 a) Satz 2 ArbV ist für die Höhe des Stundenlohnes die überwiegend ausgeübte Tätigkeit maßgebend. Das Arbeitsentgelt wird bis zum 15. des Folgemonats auf das Konto des Klägers überwiesen (Ziffer 4. c) Satz 2 ArbV).
5Unter der Überschrift „Einsatzort“ heißt es in Ziffer 7. ArbV:
6„Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer jederzeit auf einen anderen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb oder außerhalb des dem Arbeitnehmer jetzt zugewiesenen Beschäftigungsortes einsetzen. Tritt eine Tätigkeitsänderung ein, ist der nach dem Entgelt-/Lohntarifvertrag gültige Stundenlohn maßgebend.“
7Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages vom 12.12.2018 wird auf Bl. 8 ff. d.A. ArbG verwiesen.
8Der Kläger wurde von der Beklagten bis Februar 2022 im C in D eingesetzt. Am 15.02.2022 sprach der Leiter des Security Managements des C ein Einsatzverbot gegenüber dem Kläger aus. Anschließend wurde der Kläger bis zum 22.04.2022 bei der S De GmbH beschäftigt. Am 03.05.2022 und vom 04.05.2022 erschien der Kläger zur Arbeit bei der S De GmbH, wurde jedoch nach Hause geschickt. Nach wiederholter Auseinandersetzung an der Arbeitsstätte erteilte der Real Estate Protection Manager der S De GmbH mit E-Mail vom 06.05.2022 (Bl. 205 d.A. ArbG) der Beklagten mit, dass der Kläger nicht mehr im E und Ch Park R eingesetzt werden dürfe. Bis zum Einsatzverbot war der Kläger als Sicherheitskraft der Gruppe B 11 b) LTV beschäftigt und vergütet worden. Für den 09.05.2022 und 10.05.2022 erfolgte ebenfalls kein Einsatz des Klägers. Ab dem 11.05.2022 versetzte die Beklagte in den Pfortendienst bei der Si AG in K.
9Das Arbeitsgericht Köln hat mit Versäumnisurteil vom 22.09.2022 (Bl. 84 ff. d.A. ArbG) die Beklagte zur Zahlung restlicher Vergütung für den Zeitraum von April 2022 bis Juli 2022 nebst Verzugszinsen sowie zur Beschäftigung des Klägers an mindestens 173 Stunden als Sicherungskraft zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 12.12.2018 verurteilt.
10Nach form- und fristgerechtem Einspruch der Beklagten sowie mehreren Klageerweiterungen des Klägers hinsichtlich weiterer Vergütung hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 15.06.2023 (Bl. 307 ff. d.A. ArbG) die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Versetzung des Klägers in den Pfortendienst sei rechtmäßig, denn aufgrund der erteilten Hausverbote sei es der Beklagten nicht mehr möglich gewesen, den Kläger unverändert zu beschäftigen. Die Versetzung halte sich im Rahmen der Grenzen des Arbeitsvertrages, denn der Kläger werde weiterhin als Sicherheitskraft beschäftigt. Der Leistungsantrag auf Beschäftigung sei zu unbestimmt, um den Streit der Parteien über den Einsatz und die darauf fußende Entlohnung zu schlichten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
11Gegen das ihm am 23.06.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger 17.07.2023 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 20.09.2023 begründet.
12Der Kläger ist der Ansicht, dass die Versetzung als Maßregelung unwirksam gewesen sei. Die Beklagte habe ihn zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages gedrängt, nachdem er am 21.04.2022 eine vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer 8-Stunden-Schicht sowie um Bewilligung seiner Urlaubsanträge gebeten habe. Jedenfalls sei die Beklagte verpflichtet gewesen, dem Kläger einen gleichwertigen Einsatz anzubieten, damit er weiterhin seinen bisherigen Stundenlohn hätte erzielen können. Unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten gegenüber Kindern hätte die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens dem Kläger einen freien Arbeitsplatz beim Kunden A anbieten müssen. Die Beklagte schulde trotz Versetzung die bisherige Vergütung als Schadensersatz. Der Kläger habe einen Beschäftigungsanspruch von monatlich an mindestens 173 Stunden als Sicherungskraft der Gruppe B 11 b) des LTV NRW 2022 zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 12.12.2018.
13Der Kläger beantragt zuletzt,
141. Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.06.2023, Az.: 12 Ca 3969/22, wird aufgehoben;
152. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.051,72 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 818,77 EUR netto;
163. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.051,72 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.126,88 EUR netto;
174. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.051,72 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.565,30 EUR netto;
185. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger monatlich an mindestens 173 Stunden als Sicherungskraft Gruppe B 11 b) des Lohntarifvertrages für Sicherheitsdienstleistungen NRW vom 16.08.2022 zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 12.12.2018 zu beschäftigen;
196. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.051,72 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.454,97 EUR netto;
207. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.840,16 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.09.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.338,25 EUR netto;
218. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 564,48 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.10.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 333,42 EUR netto;
229. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.441,95 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.11.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.812,73 EUR netto;
2310. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.660,78 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.913,83 EUR netto;
2411. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.264,51 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.01.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.742,24 EUR netto;
2512. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.264,51 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.760,86 EUR netto;
2613. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.264,51 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.660,48 EUR netto;
2714. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.264,51 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.608,31 EUR netto;
2815. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.264,51 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.699,50 EUR netto;
29Hilfsweise beantragt der Kläger,
3016. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.994,42 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 818,77 EUR netto;
3117. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.495,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.126,88 EUR netto;
3218. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.301,08 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.565,30 EUR netto;
3319. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.286,93 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2022 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.454,97 EUR netto;
3420. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.568,51 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.01.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.742,24 EUR netto;
3521. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.561,58 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.760,86 EUR netto;
3622. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.487,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.660,48 EUR netto;
3723. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.356,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.608,31 EUR netto;
3824. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.511,90 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2023 zu zahlen, abzüglich gezahlter 1.699,50 EUR netto.
39Die Beklagte beantragt,
40die Berufung zurückzuweisen.
41Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Versetzung des Klägers sei allein wegen des erteilten Hausverbots erfolgt. Freie Arbeitsplätze für Fachkräfte im Schutz- und Sicherheitsdienst seien nicht vorhanden gewesen. Soweit der Kläger auf eine höherwertige Beschäftigung bei der A verweise, handele es sich um Arbeitsplätze, die erst zu einem späteren Zeitpunkt frei geworden seien. Aus dem vorübergehenden Einsatz als Sicherungskraft Gruppe B 11 b) LTV NRW 2021 folge kein Anspruch auf dauerhafte Beschäftigung und Vergütung nach dieser Lohngruppe.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 20.09.2023 und 27.11.2023, die Sitzungsniederschriften vom 10.04.2024 und 08.05.2024 sowie den übrigen Akteninhalt erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
43E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
44I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und sie wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
45II. Die Berufung ist nur zum Teil begründet.
461. Die Beklagte war und ist nicht verpflichtet, den Kläger monatlich an mindestens 173 Stunden als Sicherungskraft Gruppe B 11 b) des LTV NRW 2021/2022 zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 12.12.2018 zu beschäftigen.
47a) Sicherheitskräfte iSv Gruppe B 11 b) LTV NRW 2021 und LTV NRW 2022 sind u.a. Sicherheitsmitarbeiter in Ausübung einer Funktion, für die eine gesetzliche Vorgabe oder der Auftraggeber oder der Arbeitgeber eine der Qualifikationen der Lohngruppe 11b) – 11) im Einsatz/Dienst fordert mit IHK-Prüfung als Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft, als IHK-Geprüfte Werkschutzfachkraft oder als Servicekraft für Schutz und Sicherheit. Nach Ziffer 1. ArbV ist der Kläger nicht als Fachkraft im dargelegten Sinne angestellt, sondern allgemein als Sicherungskraft ohne herausgehobenes Anforderungsprofil und spezielles Qualifikationserfordernis, also als Sicherheitsmitarbeiter im Sinne der Gruppe A und der Gruppe B LTV NRW 2021/2022. Dies wird bestätigt durch die Entgeltregelung der Ziffer 4.a) Satz 1 ArbV, denn bei dem Stundenlohn von 10,56 € brutto handelt es sich nicht um die damalige Vergütung einer Fachkraft iSv Gruppe B 11 b) LTV NRW 2021 bzw. LTV NRW 2022. Nach § 106 Satz 1 GewO kann die Beklagte Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertragsoder gesetzlicher Vorschriften festgelegt sind. Die Beklagte ist aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelung iVm. dem in Bezug genommenen LTV NRW in der jeweils gültigen Fassung berechtigt, den Kläger als Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutz (Gruppe A LTV NRW) oder als Sicherheitsmitarbeiter mit weiteren Qualifikationen und Funktionen (Gruppe B LTV NRW) einzusetzen.
48b) Das Anstellungsverhältnis hat sich nicht auf eine Beschäftigung als Sicherungskraft der Gruppe B 11 b) LTV NRW 2021 konkretisiert, selbst wenn der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses mit Tätigkeiten dieser Lohngruppe betraut wurde. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum hat keinen Erklärungswert und schafft keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, der Arbeitgeber wolle von seinem Recht in Zukunft nicht mehr Gebrauch machen. Nur wenn besondere Umstände hinzutreten, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (BAG, 30.11.2022 – 5 AZR 336/21 – m.w.N.). Derartige Umstände sind weder vom Kläger dargelegt noch ersichtlich. Im Gegenteil spricht sowohl die flexible Regelung der Ziffer 4. a) Satz 2 ArbV, wonach die überwiegend ausgeübte Tätigkeit für die Höhe des Stundenlohns maßgebend sein soll, sowie die die Ziffer 7. Satz 1 ArbV, wonach kein Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz besteht, eher gegen die Annahme der Konkretisierung der geschuldeten Arbeitstätigkeit auf eine Tätigkeit als Sicherungskraft der Gruppe B 11 b) LTV NRW in der jeweils gültigen Fassung.
49c) Darüber hinaus verstößt die Versetzung in den Pfortendienst nach Verhängung des Einsatzverbots beim Kunden auch nicht gegen die Vorgaben des § 106 Satz 1 GewO.
50aa) Dem Arbeitgeber als Inhaber des Weisungsrechts verbleibt im Falle einer Versetzung grundsätzlich ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, für dessen Einhaltung er die Darlegungs- und Beweislast trägt. Erforderlich ist eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (BAG, 30.11.2022 – 5 AZR 336/21 – m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (BAG, 01.06.2022 – 5 AZR 28/22 – m.w.N.).
51bb) Die Beklagte war aufgrund des durch den Kunden S De GmbH mit E-Mail vom 06.05.2022 verhängten Einsatzverbots nicht mehr in der Lage, den Kläger an seiner bisherigen Arbeitsstätte mit den dort angefallenen Tätigkeiten einzusetzen. Sie hat dargetan, dass eine gleichwertige Beschäftigung bei dem Kunden A zum Zeitpunkt der Versetzungsentscheidung mangels freiem Arbeitsplatz nicht möglich war. Der Kläger ist dem weder konkret entgegen getreten noch hat er eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit aufgezeigt, die ihm eine Beschäftigung als Sicherungskraft der Gruppe B 11 b) LTV NRW 2021 ermöglicht hätte. Mangels Beschäftigungsalternative entspricht daher die Versetzung des Klägers zum 11.05.2022 in den Pfortendienst billigem Ermessen.
52d) Die Versetzung verstößt auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
53aa) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist (BAG, 29.02.2024 – 8 AZR 359/22 – m.w.N.). Der klagende Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet (BAG 30.03.2023 – 2 AZR 309/22 – m.w.N.).
54bb) Soweit der Kläger zur Begründung der Maßregelung durch die Versetzung vorträgt, die Beklagte habe ihn zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages gedrängt, nachdem er am 21.04.2022 eine vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer 8-Stunden-Schicht sowie um Bewilligung seiner Urlaubsanträge gebeten habe, überzeugt dies nicht. Die Versetzung war die gebotene zeitnahe Reaktion der Beklagten auf das am 06.05.2022 erteilte Einsatzverbot beim Kunden, um dem Kläger eine Beschäftigung im Rahmen des Arbeitsvertrages zu ermöglichen. Die Klärung der Beschäftigungssituation war vordringlich. Es bestand auch kein Sachzusammenhang zwischen dem arbeitsplatzbezogenen Grund für das Einsatzverbot durch den Kunden und der internen Auseinandersetzung der Parteien am 21.04.2022, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Geltendmachung von Rechten im Gespräch am 21.04.2022 der tragende Beweggrund für die Versetzung gewesen sei.
55e) Schließlich mangelt es für die vom Kläger begehrte Beschäftigung von mindestens 173 Stunden in jedem Kalendermonat auch an einer Rechtsgrundlage, denn laut § 2 Nr. 1 MTV Sicherheit NRW beträgt die tarifliche Mindestarbeitszeit im Februar lediglich 160 Stunden.
562. Da die die Versetzung zum 11.05.2022 rechtmäßig war, mangelt es an der Grundlage für die Annahme einer Pflichtverletzung der Beklagten, die einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB begründen könnte. Die Beklagte hat die ihr aus dem Arbeitsverhältnis obliegende Pflicht vertragsgemäßer Beschäftigung des Klägers nicht verletzt.
573. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Beklagte lediglich bis zur Versetzung zum 11.05.2022 verpflichtet war, den Kläger als Sicherungskraft der Gruppe B 11 b) LTV zu beschäftigen und zu vergüten. Soweit die vom Kläger nach § 293 BGB angebotene Arbeitsleistung bis zur Versetzung nicht angenommen wurde, besteht ein Vergütungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 BGB). Ein Leistungsunvermögen des Klägers im Sinne des § 297 BGB hat die Beklagte nicht dargetan. Aufgrund des dem Kunden eingeräumten Mitspracherechts beim Einsatz des Klägers scheidet Annahmeverzug des Arbeitgebers erst aus, wenn ihm nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar ist (vgl. zB: BAG, 10.08.2022– 5 AZR 154/22 – m.w.N.), was seitens der Beklagten nicht unter Beweisantritt vorgetragen wurde. Ab dem 11.05.2022 war die Beklagte verpflichtet, den Kläger mit einer Tätigkeit entsprechend des ausgeübten Direktionsrechts im Umfang von mindestens 173 Stunden im Monat bzw. 160 Stunden im Februar zu beschäftigen. Soweit sie den Kläger in der Folgezeit in zeitlich geringerem Umfang eingesetzt hat, schuldet sie dem Kläger für die Stundendifferenz eine Vergütung aus Annahmeverzug aus §§ 615 Satz 1, 293 ff. BGB. Auch für die Berechnung der zu leistenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 EFZG ist im Streitfall eine Vergütung auf der Basis der dargelegten Stundenzahl maßgebend. Hiervon ausgehend ergeben sich unter Abweisung der Klage im Übrigen noch folgende Vergütungsansprüche zugunsten des Klägers:
58a) Hinsichtlich des Monats April 2022 hat die Beklagte mit der Berufungserwiderung eingeräumt, dass an den Kläger 173,4 Stunden zu vergüten sind. Unter Ansatz eines Stundenlohns der Gruppe B 11 b) LTV NRW 2021 iHv. 17,64 € brutto ergibt sich ein Betrag von 3.058,78 € brutto. Der Kläger hat hiervon für das Gericht bindend(§ 308 ZPO) 3.051,72 € brutto eingeklagt, so dass sich unter Berücksichtigung der gezahlten Grundvergütung von 2.531,40 € brutto ein Restbetrag von 520,32 € brutto ergibt.
59b) Bezüglich des Monats Mai 2022 hat die Beklagte 112 Stunden für den Pfortendienst ab 11.05.2022 tarifgerecht vergütet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beschäftigung von mindestens 173 Stunden in diesem Monat, so dass 61 Stunden verbleiben, die auf den Zeitraum bis 10.05.2022 entfallen und daher nach Gruppe B 11 b) LTV NRW 2021 iHv. 17,64 € brutto zu entlohnen sind. Hieraus folgt ein Nachzahlungsbetrag von 1.076,04 € brutto.
60c) Der Monat Juni 2022 ist mit 173 Stunden entsprechend der ausgeübten Tätigkeit im Pfortendienst sowie unter Einschluss von vier Krankheitstagen mit tarifgemäß 13,49 € brutto die Stunde zu vergüten. Abzüglich der abgerechneten 2.104,22 € brutto verbleibt ein nachzuzahlender Betrag von 229,55 € brutto.
61d) Für den Monat Juli 2022 steht dem Kläger ein Lohnanspruch unter Berücksichtigung von 16 Tagen der Arbeitsunfähigkeit für 173 Stunden x 13,49 € brutto = 2.333,77 € brutto zu, so dass sich zugunsten des Klägers angesichts der abgerechneten 2.002,99 € brutto ein Restbetrag von 330,78 € brutto ergibt.
62e) Hinsichtlich des Monats August 2022 hat die Beklagte zwar nur 144 Stunden mit dem Stundenlohn von 13,49 € brutto abgerechnet. Jedoch kann der Kläger keinen Lohn auf der Basis von 173 Stunden verlangen, da er ab dem 25.08.2022 in Elternzeit war. Der Kläger hat mit der Berufungsbegründung eingeräumt, dass die abgerechnete Stundenzahl zutreffend ist.
63f) Für die Monate September bis 2022 bis November 2022 besteht keine Nachforderung des Klägers, denn die Beklagte hat die laut Berufungsbegründung unstreitigen Stunden tarifgerecht abgerechnet, die Forderung des Klägers basiert ausschließlich auf der rechtsirrigen Annahme des Anspruchs einer Vergütung nach Gruppe B 11 b) LTV.
64g) Bezüglich des Monats Dezember 2022 verbleiben, nach Abrechnung von 136 sowie weiterer 31,5 Stunden, 5,5 Stunden die unter Berücksichtigung der Tariflohnerhöhung mit 14,49 € brutto je Stunde zu entlohnen sind, so dass sich ein Nachforderungsbetrag von 79,70 € brutto ergibt.
65h) Auch für den Monat Januar 2023 stehen noch 5,5 Stunden zur Entlohnung offen, mithin schuldet die Beklagte dem Kläger weitere 79,70 € brutto.
66i) Angesichts der tarifvertraglichen Regelung der Mindestarbeitszeit für den Monat Februar von 160 Stunden ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund der Kläger einen Anspruch auf Vergütung in Höhe von 173 Stunden haben sollte. Der Kläger wurde unstreitig 160 Stunden eingesetzt und hierfür tarifgerecht vergütet.
67j) Für den Monat März 2023 ist zu beachten, dass der Kläger laut Dienstplan (Bl. 300 d.A.) für den Empfang eingeteilt wurde, so dass die nach Berücksichtigung von fünf Krankheitstagen offen stehenden 9,74 Stunden nicht mit 13,-- €, sondern mit 14,49 € je Stunde zu vergüten sind, was einem Nachzahlungsbetrag von 141,13 € brutto entspricht.
68k) Eine Restforderung für den Monat April 2023 besteht unter Berücksichtigung der Nachzahlung aufgrund der Lohnkorrektur im Mai 2023 im Umfang einer Gutschrift von 16 Stunden bezogen auf den April 2023, womit insgesamt 178,6 Arbeitsstunden für den April 2023 vergütet wurden, nicht mehr.
694. Der zugesprochene Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB, Ziffer 4. c) Satz 2 ArbV.
70III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs.1, 344 ZPO.
71IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.