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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.05.2023 – 4 Ca 6854/22 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist seit dem 07.10.2020 bei der Beklagten als Lagerist und Auslieferungstechniker beschäftigt. Wegen der Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 07.10.2020 wird auf Bl. 5 ff. d. A. ArbG verwiesen.
3Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27.07.2021 aus betriebsbedingten Gründen zum 31.08.2021. Die Kündigungsschutzklage des Klägers war mangels sozialer Rechtfertigung der Kündigung erfolgreich (LAG Köln, Urt. v. 07.09.2022 – 3 Sa 99/22 -). Ferner kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen mit Schreiben vom 15.10.2021 außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 15.11.2021. Auch gegen diese Kündigungen hat sich der Kläger erfolgreich zur Wehr gesetzt (LAG Köln, Urt. v. 15.02.2023 – 3 Sa 640/22 -).
4Mit Schreiben vom 21.07.2022 hatte die Beklagte dem Kläger für die Dauer der genannten Kündigungsrechtsstreitigkeiten ein Prozessarbeitsverhältnis zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerist und Auslieferfahrer angeboten(Bl. 9 f. d. A. ArbG). Der Kläger erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft zum Eingang eines Prozessarbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 28.07.2022, wünschte aber u.a. die Tätigkeitsbezeichnung als Lagerist und Auslieferungstechniker (Bl. 11 d. A. ArbG).
5Der Kläger erschien am 01.09.2022 zur Arbeit, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der Kläger vertragsgemäß beschäftigt wurde. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 08.09.2022 zur vertragsgerechten Beschäftigung auf(Bl. 83 d. A. ArbG). Ab dem 13.09.2022 ist der Kläger nicht mehr zur Arbeit erschienen. Mit Schreiben vom 13.09.2022 (Bl. 84 d. A. ArbG) rügte er u.a. die mangelnde Bereitschaft der Beklagten, den Kläger ordnungsgemäß zu beschäftigen. Er hielt der Beklagten vor, dass sie keinen Anspruch darauf habe, dass der Kläger seine Zeit im Betrieb absitze. Zudem hat der Kläger am 13.09.2022 einen Antrag auf einstweilige Verfügung auf Beschäftigung eingereicht, welcher vom Arbeitsgericht Köln (7 Ga 53/22) unter dem 08.11.2022 zurückgewiesen wurde. Vor Abschluss des einstweiligen Verfügungsverfahrens kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 31.10.2022 zum 30.11.2022 (Bl. 13 d. A. ArbG).
6Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 16.05.2023 (Bl. 155 ff. d.A. ArbG) festgestellt, dass die Kündigung vom 31.10.2022 das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Zur Begründung hat es zunächst ausgeführt, dass der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes auch eröffnet sei, wenn die Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigung nur 9,75 Arbeitnehmer beschäftigt habe. Sie habe unstreitig zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigungen vom 27.07.2021 und vom 15.10.2021 mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Wann der Schwellenwert unterschritten worden sei, sei ihrem Vorbringen mangels konkreter Darlegung der Beschäftigtenzahl nicht zu entnehmen. Darüber hinaus habe sie kurz vor Ausspruch der Kündigung am 27.10.2022 und sodann nochmals am 24.11.2022 einen IT-Administrator zur Einstellung in Vollzeit und einen Account Manager gesucht. Der mangelnde Vortrag der Beklagten führe dazu, dass das Vorbingen des Klägers zur regelmäßigen Beschäftigung von mehrals 10 Arbeitnehmern als zugestanden gelte. Zudem sei auch kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund gegeben, denn selbst wenn ein Prozessarbeitsverhältnis wirksam zustande gekommen sei, hätte es vor Ausspruch der Kündigung einer Abmahnung bedurft, um dem Kläger eine damit verbundene Arbeitspflicht vor Augen zu führen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
7Gegen das ihr am 14.06.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.07.2023 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 14.09.2023 begründet.
8Die Beklagte führt aus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr als10 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien, so dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Das Arbeitsgericht verkenne die dem Kläger obliegende Darlegungs- und Beweislast. Im Übrigen sei Herr V seit dem Jahre 2021 nicht mehr für die Beklagte tätig; Herr S sei Auszubildender. Soweit auf Stellenanzeigen im Internet verwiesen werde, handele es sich nicht um offizielle Seiten der Beklagten. Wenn die Beklagte einen IT-Administrator suche, bestätige dies nur die Umstrukturierung des Unternehmens zu einem IT-Unternehmen. Über entsprechende Qualifikationen verfüge der Kläger nicht. Darüber hinaus sei die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt, da der Kläger sich beharrlich geweigert habe, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen.
9Die Beklagte beantragt,
10das Urteil des Arbeitsgerichts Köln, Az.: 4 Ca 6854/22, vom 15.05.2023, aufzuheben und die Klage wird vollumfänglich abzuweisen.
11Der Kläger beantragt,
12die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin zurückzuweisen.
13Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Auch ohne die Arbeitnehmer V und S beschäftige die Beklagte regelmäßig mehr als10 Arbeitnehmer. Der Disput der Parteien über die Art des Arbeitseinsatzes im Prozessarbeitsverhältnis rechtfertige nicht die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, jedenfalls hätte es einer vorherigen Abmahnung und der Aufforderung zur Arbeitsaufnahme bedurft.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 14.09.2023 und 19.10.2023, die Sitzungsniederschrift vom 20.03.2024 sowie den übrigen Akteninhalt erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
15Das Landesarbeitsgericht Köln (8 Sa 212/23) hat mit Urteil vom 16.11.2023 u.a. rechtskräftig erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die im Zeitraum vom 01.09.2022 bis zum 12.09.2022 vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung zu vergüten, für den ebenfalls streitigen Zeitraum vom 13.09.2022 bis 30.11.2022 hat es einen Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn abgewiesen, da der Kläger es böswillig unterlassen habe, anderweitigen Verdienst zu erzielen. Ein teilweise „Absitzenlassen“ der Arbeitszeit könne grundsätzlich geeignet sein, die Unzumutbarkeit weiterer Tätigkeit zu begründen, jedoch sei dies vorliegend unter Berücksichtigung des kurzen Zeitraums von acht Arbeitstagen nicht der Fall.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2c) ArbGG statthaft und sie wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
18II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 31.10.2022 das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
191. Das Arbeitsverhältnis unterliegt der Schutzbestimmung des § 1 Abs. 2 KSchG gemäß den §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG. Entgegen der Ansicht der Beklagten beschäftigt diese „in der Regel“ mehr als 10 Arbeitnehmer (§ 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG).
20a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gelten in Betrieben, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme von dessen §§ 4 bis 7, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis - wie vorliegend - nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat.
21b) Hinsichtlich der Feststellung der Zahl der „in der Regel“ Beschäftigten im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG ist zunächst von den Größenverhältnissen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung auszugehen. Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es darüber hinaus eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebes und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung (BAG, 31.01.1991 – 2 AZR 356/90 – m. w. N.). Es kommt daher nicht auf die zufällige Anzahl der Beschäftigten im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an (BAG, 24.01.2013– 2 AZR 140/12 – m. w. N.). Bei der regelmäßigen Beschäftigungszahl handelt es sich nicht um die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl in einem bestimmten Zeitraum, sondern um die normale Beschäftigtenzahl des Betriebs, mithin diejenige Personalstärke, die für den Betrieb im Allgemeinen, also bei seinem regelmäßigen Gang, kennzeichnend ist. Beim Rückblick auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und bei der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung sind Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls nicht zu berücksichtigen (vgl.: BAG, 11.05.2023- 6 AZR 157/22 (A) – m. w. N.). Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem.§ 23 Abs. 1 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Einer größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen (BAG, 02.03.2017– 2 AZR 427/16 – m. w. N.).
22c) Das Arbeitsgericht ist im ersten Schritt von der von der Beklagten behaupteten Arbeitnehmerzahl zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 31.10.2022 ausgegangen, mithin 9,75 Arbeitnehmer. Im zweiten Schritt hat es sich mit der bisheriger personellen Stärke des Betriebs befasst und dabei festgestellt, dass unstreitig zum Zeitpunkt der vorherigen Kündigungen vom 27.07.2021 und 15.10.2021 der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG überschritten war. Wann welcher Arbeitnehmer nach der Kündigung vom 15.10.2021 aus den Diensten für die Beklagte ausgeschieden ist, offenbart die Beklagte trotz ausdrücklichen Hinweises in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auch in der Berufungsbegründung nicht, so dass nicht feststellbar ist, dass das behauptete Unterschreiten des Schwellenwertes rückblickend, vom Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 31.10.2022 ausgehend, repräsentativ die bisherige Personalentwicklung widerspiegelt oder nur eine Zufallszahl am Tag des Zugangs der Kündigung darstellt. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.12.2022 erstinstanzlich behauptet hat, im Vergleich zum Zeitpunkt der „ersten Kündigung“, mithin der Kündigung vom 27.07.2021, seien sieben namentlich benannte Personen nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt, bleibt offen, ob es sich hierbei um Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen handelt, welche zu denjenigen Personen zählen, die bei Zugang der Kündigung vom 15.10.2021 noch beschäftigt waren, so dass ihr Ausscheiden für das Unterschreiten des Schwellenwerts im Folgezeitraum überhaupt relevant ist. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht der Beklagten aus Gründen der Sachnähe eine Erläuterung der Entwicklung der Belegschaftsstärke nach § 138 Abs. 2 ZPO aufgebürdet hat, denn der Kläger konnte schon aus dem Grunde der tatsächlichen Nichtbeschäftigung seit dem September 2021 aufgrund der Kündigung vom 27.02.2021 aus eigener Wahrnehmung die zwischenzeitliche Personalentwicklung nicht darstellen. Soweit die Beklagte auf ein Ausscheiden des Herrn V und des Status des Herrn S als Auszubildender verweist, verkennt sie, dass das Arbeitsgericht bei der zugunsten der Beklagten unterstellten Arbeitnehmerzahl von 9,75 diese beiden Personen nicht berücksichtigt hat. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Arbeitsgericht eine Einschätzung der zukünftigen Beschäftigtenzahl unter Einschluss der Stellengesuche IT-Administrator/Vollzeit und Account Manager vorgenommen hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Stellenannoncen auf „nicht offiziellen Seiten“ der Beklagten platziert waren. Entscheidend ist, dass die Stellengesuche ein greifbares Anzeichen für die geplante künftige Personalentwicklung darstellen und die Addition dieser Stellen zum Ausgangswert von 9,75 Arbeitnehmer wiederum dazu führt, dass künftig der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG überschritten wird. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die bisherige und die zu erwartende künftige Belegschaftsstärke für ein Überschreiten des Schwellenwertes spricht, so dass die von der Beklagten behauptete Arbeitnehmerzahl von 9,75 zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht die regelmäßige Belegschaftsstärke abbildet.
232. Die Kündigung vom 31.10.2022 ist nicht aus verhaltensbedingten Gründen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.
24a) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (BAG, 07.05.2020 – 2 AZR 619/19 – m. w. N.). Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG, 31.07.2014 – 2 AZR 434/14 – m. w. N.). Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses (Abmahnung) positiv beeinflusst werden kann. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits im Voraus erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, 13.12.2018 – 2 AZR 370/21 – m. w. N.).Bei einer Prozessbeschäftigung im Sinne einer auflösend bedingten Fortsetzung des gekündigten Arbeitsvertrags bis zur rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage bestehen zwischen den Parteien - ungeachtet der Unwirksamkeit der Kündigung - die gleichen Rechte und Pflichten wie in einem gekündigten, aber noch nicht beendeten Arbeitsverhältnis (BAG, 20.05.2021 – 2 AZR 457/20 – m. w. N.).
25b) Hiervon ausgehend erweist sich die Kündigung vom 31.10.2022 als unverhältnismäßig.
26Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles hätte es vor Ausspruch der Kündigung der vorherigen Abmahnung bedurft, um dem Kläger zu zeigen, dass die Beklagte überhaupt Wert auf seine Arbeitsleistung legt und er im Falle des Nichterscheinens zur Arbeit eine (weitere) Kündigung seines Arbeitsverhältnisses riskiert. Zwischen den Parteien bestand im Rahmen des Prozessarbeitsverhältnisses Streit, ob die ab dem 01.09.2022 aufgenommene Beschäftigung den vertraglichen Abreden entsprach. Die Prozessbeschäftigung sollte als Lagerist und Auslieferfahrer bzw. Auslieferungstechniker in Vollzeit erfolgen. Die Beklagte hat dem Kläger bis einschließlich 12.09.2022 keine Auslieferungsarbeiten zugewiesen. Sie hat auch nicht konkret dargetan, mit welchen Arbeiten sie ihn als Lagerist in welchem zeitlichen Umfang betraut hat. Sie hat nicht die Darlegungen des Klägers widerlegt, dass dieser bei Anwesenheit im Betrieb nur am 01.09.2022 für 30 Minuten (Sortieren von Verpackungsmüll) und am 09.09.2022 mit 45 Minuten Druckerreinigung beschäftigt wurde. Die Aufforderungen des Klägers mit Schreiben vom 08.09.2022 und 13.09.2022 zur vertragsgemäßen Beschäftigung blieben ohne Reaktion der Beklagten. Sie forderte den Kläger nicht zur Arbeit auf und gab auch nicht zu erkennen, dass sie eine angebotene Arbeitsleistung in Vollzeit tatsächlich annehmen könne und werde. Der Kläger hätte bei Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses von seinem eigenmächtigen Nichterscheinen am Arbeitsplatz ab dem 13.09.2022 Abstand nehmen können. Er musste angesichts der Umstände der Prozessbeschäftigung bis zum 12.09.2022 nicht damit rechnen, dass die Beklagte auch ohne vorherige Abmahnung zur Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung schreiten wird.
27III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
28IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.