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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.05.2023 – 4 Ca 317/23 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Eintrittspflicht des Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung.
3Der am .1953 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.01.1981 bis zum 31.10.2004 als Arbeitnehmer bei der A-G AG und nach einem Betriebsübergang vom 01.11.2004 bis zum 31.07.2005 bei der A GmbH beschäftigt. Der Kläger war seit Beginn seines Beschäftigungsverhältnisses Mitglied der B-P und hat Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung die sich aus den Komponenten einer Pensionskassenleistung, einer Anwartschaft aus Entgeltumwandlung und einer betrieblichen Zusatzrente zusammensetzt.
4Mit einem Schreiben aus dem November 1999 informierte die damalige Arbeitgeberin den Kläger über die „Einführung einer garantierten Rentenanpassung“. In dem Schreiben (Bl. 16 d.A. ArbG) heißt es u.a.:
5„ (…) die A-G AG hat für alle bis zum 31. Dezember 1999 erteilten Zusagen auf betriebliche Altersversorgung, die ab Rentenbeginn nach den Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes alle drei Jahre zu überprüfen sind, eine Mindestanpassung unter jährlicher Fortschreibung von 1 % beschlossen. Dies bedeutet, dass, unter Berücksichtigung des Zinseszinseffektes für einen Dreijahreszeitraum, die Anpassung nicht unter 3,03 % sinken kann. Die Ordnungen der betrieblichen Grund- und Zusatzrente wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2000 entsprechend geändert.
6Unabhängig von dieser Garantiezusage gilt, wie bisher, dass eine Überprüfung Ihrer späteren Renten gemäß § 16 Abs. 1 und 2 Betriebsrentengesetz vorgenommen wird. Somit wird für Sie stets die nach Gesetz oder Anpassungsgarantie höhere Anpassungsrate Anwendung finden.
7Die Garantiezusage der A-G AG umfasst sämtliche Renten aus Firmenzusagen sowie alle Pensionskassenrenten, für die gemäß Betriebsrentengesetz die Verpflichtung zur Anpassungsüberprüfung besteht. Einbezogen sind deshalb auch spätere Renten aus dem Modell „Versorgungsbezüge anstelle von Barbezügen (Deferred Compensation)", die aus Vertragsabschlüssen vor dem 1. Januar 1999 resultieren. Für künftige Renten aus dem neuen Modell „Deferred Compensation", die auf Vertragsabschlüsse ab dem 1. Januar 1999 zurückzuführen sind, gilt die vertraglich vereinbarte Anpassungsregelung.
8Die Zusage der Anpassungsgarantie durch die A-G AG stellt eine rechtsverbindliche Verbesserung Ihrer künftigen Versorgungssituation dar. (…)“
901.08.2005 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet.
10Der beklagte P zahlt an den Kläger seit dem 01.06.2018 eine insolvenzgesicherte Betriebsrente aus. In Ziffer 3. ´der Erläuterungen des Leistungsbescheids vom 18.04.2018 (Bl. 17 ff. d.A. ArbG) führte der Beklagte aus, dass er die Rente des Klägers alle drei Jahre unter Berücksichtigung einer jährlichen Fortschreibung von einem Prozent anpasse. Nach einer letzten Anpassung im Jahr 2021 beträgt die vom Beklagten an den Kläger vorgenommene Rentenzahlung 1.295,43 € monatlich. Zusätzlich erhält der Kläger noch eine monatliche Rente in Höhe von 774,07 € von der B Pensionskasse.
11Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Beklagte sei dann zur Anpassung der Betriebsrente nach § 16 Abs. 1, Abs. 2 BetrAVG verpflichtet, wenn der Arbeitgeber nach dem Inhalt der Ruhegeldzusage – wie im Streitfall – zu einer entsprechenden Anpassung verpflichtet gewesen sei.
12Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
13festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die unter dem Aktenzeichen P-Nr. ausgezahlte Rente an den Kaufkraftverlust § 16 Abs.1 und Abs. 2 BetrAVG anzupassen, über eine Mindestanpassung unter jährlicher Fortschreibung von einem Prozent gemäß § 16 Abs. 1 BetrVG hinaus, nach der jeweils höheren Anpassungsrate.
14Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 09.05.2023 (Bl. 107 ff. d.A. ArbG) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, einer Anpassungspflicht des Beklagten stehe bereits § 7 Abs. 2a Satz 4 BetrAVG entgegen. Nach dieser Regelung seien Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen, die nach dem Einritt des Sicherungsfalls eintreten, nicht zu berücksichtigen. Eine Pflicht zur Anpassungsprüfung treffe den Beklagte im Falle einer vom Arbeitgeber zugesagten Anpassungsprüfung nur bezüglich der bei Eintritt des Sicherungsfalls bereits laufenden Renten. Im Übrigen lasse sich eine allgemeine Anpassungspflicht schon nach dem Wortlaut des § 16 BetrAVG nicht annehmen. Zudem entspreche es nicht Sinn und Zweck des gesetzlichen Insolvenzschutzes, wenn der Träger der Insolvenzsicherung die Renten anpassen müsste, nachdem das Unternehmen insolvent geworden und einer der Sicherungsfälle des § 7 Abs. 1 BetrAVG eingetreten sei. Ansonsten hätten die Versorgungsberechtigten eines zahlungsfähigen Unternehmens größere Opfer zu bringen als die eines notleidenden oder bereits untergegangenen Unternehmens. Das Schreiben aus dem November 1999 enthalte eine „garantierte Rentenanpassung“ in Höhe von jährlich einem Prozent. Eine darüberhinausgehende Verpflichtung zur Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG, mit ggfs. höherer Rentenanpassung, enthalte es jedoch nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
15Der Kläger hat gegen das ihm am 05.06.2023 zugestellte Urteil am 14.06.2023 Berufung eingelegt und diese am 10.07.2023 begründet.
16Der Kläger ist der Ansicht, dass seine ehemalige Arbeitgeberin mit dem Schreiben aus dem November 1999 zur Rentenanpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG verpflichtet habe. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des Schreibens, welches eine die „Einführung einer garantierten Rentenanpassung“ „zusage“ und von einer „rechtsverbindlichen Verbesserung“ der Betriebsrente spreche. Die Arbeitgeberin habe konstitutiv eine Anpassungspflicht nach Günstigkeitskriterien begründet, die gesetzlich aufgrund der Ein-Prozent-Regelung des § 16 Abs. 3 BetrAVG nicht mehr bestanden habe. Der vertragliche Anpassungsanspruch sei auch für den Beklagten bindend.
17Der Kläger beantragt,
18das Urteil des Arbeitsgerichts Köln abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger begehre eine nachträgliche Veränderung der Bemessungsgrundlagen bzw. Berücksichtigung von geänderten Bemessungsgrundlagen nach Eintritt des Sicherungsfalls. Eine vertragliche Anpassungsprüfung entsprechend § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG würde sich nach Faktoren (Verbraucherpreisindex, wirtschaftliche Lage zum Anpassungsstichtag) richten, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade nicht feststünden. Im Übrigen müsse bei einem insolventen Arbeitgeber davon ausgegangen werden, dass er entsprechend § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG die Entscheidung treffe, dass keine Anpassung erfolge, da die wirtschaftliche Lage eine Rentenerhöhung nicht zulasse.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 10.07.2023 und 10.08.2023, die Sitzungsniederschrift vom 15.05.2024 sowie den übrigen Akteninhalt erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und sie wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
25II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit überzeugender Begründung, auf die zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die dem Kläger im Wege der Insolvenzsicherung gezahlte Rente über eine Mindestanpassung unter jährlicher Fortschreibung von einem Prozent hinaus an den Kaufkraftverlust gemäß § 16 Abs.1 und Abs. 2 BetrAVG anzupassen. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
261. Mit dem Schreiben aus dem November 1999 hat die damalige Arbeitgeberin dem Kläger eine Gesamtzusage zur Anpassung der betrieblichen Altersversorgung mitgeteilt. Die Gesamtzusage beinhaltet Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders (vgl. BAG, 23.03.2021 – 3 AZR 99/20 – m.w.N.).
272. Nach dem Wortsinn des Anpassungsversprechens ist, soweit eine höhere Anpassung als die garantierte Zusage einer jährlichen Mindestanpassung von 1 % in Rede steht, ausdrücklich erforderlich, dass sich eine höhere Anpassungsrate aus einer (weiteren) Überprüfung der Rente gemäß „§ 16 Abs. 1 und 2 Betriebsrentengesetz“ ergibt, mithin die Voraussetzungen einer Anpassungspflicht des § 16 Abs. 1 BetrAVG vorliegen müssen. Besteht eine solche Anpassungspflicht dem Grunde nach, gilt die Anpassungsverpflichtung als erfüllt, wenn die Anpassung nicht niedriger ist als erstens der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder zweitens der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Angesichts des klaren Wortlauts der Gesamtzusage kann für einen verständigen und redlichen Vertragspartner nicht zweifelhaft sein, dass eine Anpassung in Höhe der Parameter des § 16 Abs. 2 BetrAVG nur dann zugesagt ist, wenn auch eine Anpassungspflicht dem Grunde nach gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG besteht. Die Funktion des § 16 Abs. 2 BetrAVG besteht darin, dass er die Maßstäbe bezüglich der Belange des Versorgungsempfängers konkretisiert, die der Arbeitgeber gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG im Rahmen seiner Anpassungsprüfungspflicht beachten muss (Höfer BetrAVG I/Höfer, 30. EL März 2024, Betriebsrentengesetz § 16, Betriebsrentengesetz § 16 Rn. 91).
283. Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG ist eine Anpassungsentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen, insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Versorgungsempfängers und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers. Bei schlechter wirtschaftlichen Lage entfällt eine Anpassungspflicht des Arbeitgebers. Die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens wird durch dessen Ertragskraft im Ganzen geprägt. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, wie das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde (BAG, 15.11.2022 -3 AZR 505/21 – m.w.N.). Dies ist etwa der Fall, wenn hinreichend wahrscheinlich damit zu rechnen ist, dass der Teuerungsausgleich nicht aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufgebracht werden kann (BAG, 21.02.2017 – 3 AZR 455/15 – m.w.N.). Ist der Schuldner nicht mehr in der Lage, fällige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen oder droht seine Zahlungsunfähigkeit, so liegt ein Insolvenzgrund nach den §§ 17, 18 InsO vor. Wenn der Versorgungsschuldner schon nicht die bestehenden Zahlungsverpflichtungen oder voraussichtlich nicht die bereits bestehenden Zahlungspflichten erfüllen kann, liegt es auf der Hand, dass seine wirtschaftliche Lage eine Erhöhung der Zahlungspflicht nicht zulässt (vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, 8. Aufl. 2022, BetrAVG § 16 Rn 200). Der Beklagte wiederum ist nur Schuldner einer Ausfallhaftung (BAG, 21.01.2003 – 3 AZR 30/02 – m.w.N.). Da er nicht als Arbeitgeber Leistungen erbringt, greift § 16 Abs. 1 BetrAVG schon dem Wortlaut nach nicht ein (Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, 8. Aufl. 2022, BetrAVG § 16 Rn. 59). Die Funktion des Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung ist es, Ansprüche zu sichern, nicht neue Ansprüche zu schaffen (BAG, 22.09.2020 – 3 AZR 303/18 -). Ist der Versorgungsschuldner aufgrund seiner schlechten wirtschaftlichen Lage nicht zur Rentenanpassung nach § 16 Abs. 1, Abs. 2 BetrAVG verpflichtet, besteht erst Recht keine Anpassungspflicht, wenn der Träger der Insolvenzsicherung wegen eines Sicherungsfalls einspringen muss (Schaub/Vogelsang, 20. Aufl. 2023, § 278 Insolvenzschutz Rn. 36). Anders verhält es sich nur bei vertraglichen Anpassungsverpflichtungen, die einen Dynamisierungsschutz durch Vorgabe bestimmter, von § 16 BetrAVG unabhängiger, Kriterien verschaffen (vgl. BAG, 22.09.2020 – 3 AZR 303/18 – m.w.N.).
294. Für den Streitfall bedeutet dies, dass - unabhängig sonstiger Erwägungen - die Klage bereits deshalb unschlüssig ist, weil der Beklagte im Rahmen seiner Ausfallhaftung nicht für eine Rentenanpassung gemäß § 16 Abs. 2 BetrAVG einzustehen hat, zu der der insolvente Versorgungsschuldner im Rahmen einer Anpassungsüberprüfung aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht verpflichtet gewesen wäre, wenn er eine Anpassungsüberprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vorgenommen hätte.
30III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
31IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.