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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.03.2023 – 1 Ca 1164/22 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung.
3Der Kläger ist nach bestandener Ausbildung seit dem 26.03.2020 bei der Beklagten, Betreiberin nationaler Eisenbahninfrastruktur, als Fahrdienstleiter beschäftigt. Aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach III. § 1 des Ausbildungs- und Arbeitsvertrages vom 08.07.2019 (Bl. 311 ff. d.A.) sind im Streitfall hinsichtlich der Eingruppierung des Klägers der „Funktionsgruppenspezifischer Tarifvertrag für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 3 – Bahnbetrieb und Netze – verschiedener Unternehmen des D Konzerns (FGr 3-TV)“ sowie die Anlage 2 zum FGr 3-TV „Entgeltgruppenverzeichnis 1 (EGV 1) Tätigkeiten“ einschlägig.
4Die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe (EG) richtet sich gemäß § 5 Abs. 1 FGr 3-TV nicht nach der Berufsbezeichnung, sondern der übertragenen und ausgeführten Tätigkeit. Werden Arbeitnehmern Tätigkeiten übertragen, die verschiedenen Entgeltgruppen zuzuordnen sind, so gilt grundsätzlich die Entgeltgruppe, die der überwiegenden Tätigkeit entspricht (§ 5 Abs. 3 Satz 1 FGr 3-TV). Besteht die übertragene Tätigkeit aus zwei Tätigkeiten gleichen Umfangs, richtet sich nach § 5 Abs. 3 a) FGr 3-TV die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe, die der höherwertigen Tätigkeit entspricht. Wegen der weiteren Einzelheiten des FGr 3-TV wird auf Bl. 87 ff. d.A. verwiesen.
5Das EGV 1 lautet auszugsweise wie folgt:
6„(…)
7Tätigkeitsgruppe Durchführung Betrieb
8(…)
9Entgeltgruppe 355
10Fahrdienstleiter 5
11Durchführen von Fahrdienstleiteraufgaben
12• bei hoch komplexer Infrastruktur (z. B. sehr große Knoten mit ferngestellten und/oder ferngesteuerten Betriebsstellen oder Zentralstellwerken) mit hoher bis sehr hoher Dispositionstätigkeit oder
13• in elektronischen Stellwerken ohne Einbindung in einen Steuerbezirk mit sehr hoher Dispositionstätigkeit oder in elektronischen Stellwerken mit Einbindung in einen Steuerbezirk mit hoher bis sehr hoher Dispositionstätigkeit
14(…)
15Entgeltgruppe 305
16Fahrdienstleiter 4
17Durchführen von Fahrdienstleiteraufgaben
18• bei mittlerer Infrastruktur (z.B. bei Knoten mit zwei oder mehr abzweigenden Strecken) mit sehr hoher Dispositionstätigkeit oder
19• bei komplexer Infrastruktur (z.B. bei großen Knoten mit ferngestellten und/oder ferngesteuertenBetriebsstellen) mit hoher und sehr hoher Dispositionstätigkeit oder
20• bei hoch komplexer Infrastruktur (z. B. sehr große Knoten mit ferngestellten und/oder ferngesteuerten Betriebsstellen oder Zentralstellwerken) mit geringer bis mittlerer Dispositionstätigkeit oder
21• in elektronischen Stellwerken ohne Einbindung in einen Steuerbezirk mit hoher Dispositionstätigkeit oder
22• in elektronischen Stellwerken mit Einbindung in einen Steuerbezirk mit geringer bis mittlerer Dispositionstätigkeit
23(…)
24Entgeltgruppe 306
25Fahrdienstleiter 3
26Durchführen von Fahrdienstleiteraufgaben
27bei einfacher Infrastruktur (z.B. bei Bahnhöfen an ein- oder zweigleisigen Strecken mit wenig Zusatzanlagen — Abstellgleise, Ladegleise etc. — sowie Abzweigstellen an ein-oder zweigleisigen Strecken) mit hoher bis sehr hoher Dispositionstätigkeit oder
28• bei mittlerer Infrastruktur (z.B. bei Knoten mit zwei oder mehr abzweigenden Strecken) mit mittlerer bis hoher Dispositionstätigkeit oder
29• bei komplexer Infrastruktur (z.B. bei großen Knoten mit ferngestellten und/oder ferngesteuerten Betriebsstellen) mit geringer bis mittlerer Dispositionstätigkeit oder
30• in elektronischen Stellwerken ohne Einbindung in einen Steuerbezirk mit geringer bis mittlerer Dispositionstätigkeit
31(…)
32Entgeltgruppe 307
33Fahrdienstleiter 2
34Durchführen von Fahrdienstleiteraufgaben bei
35• einfacher Infrastruktur (z.B. bei Bahnhöfen an ein- oder zweigleisigen Strecken mit wenig Zusatzanlagen — Abstellgleise, Ladegleise etc. — sowie Abzweigstellen an ein-oder zweigleisigen Strecken) mit geringer bis mittlerer Dispositionstätigkeit oder
36• mittlerer Infrastruktur (z.B. bei Knoten mit zwei oder mehr abzweigenden Strecken) mit geringer Dispositionstätigkeit
37(…)
38Entgeltgruppe 309
39Fahrdienstleiter 1 (Blockstelle)
40• Durchführen von Fahrdienstleiteraufgaben auf Blockstellen
41(…)“
42Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des EGV 1 wird auf Bl. 97 ff. d.A. Bezug genommen.
43Der Kläger wurde in der Zeit vom 01.07.2020 bis zum 31.07.2022 an den Bahnhöfen B, B/Ba G, Br und Du eingesetzt. Der Einsatz erfolgte entweder als betrieblicher Fahrdienstleiter 1 (Fdl 1), Fahrdienstleiter 2 (Fdl 2), Fahrdienstleisterhelfer oder Schrankenwärter. Zum 01.08.2022 hat die Beklagte den Kläger auf eine neue Arbeitsstelle am Bahnhof N (Hauptbahnhof) versetzt. Dort wird er nach bestandener Verwendungsprüfung seit dem 01.11.2022 nach der EG 355 (Fahrdienstleiter 5) EGV 1 beschäftigt und vergütet. Bis zum 31.10.2022 hat die Beklagte den Kläger nach der EG 307 EGV 1 als Fahrdienstleiter 2 im Tarifsinne vergütet.
44Das Betriebsstellenbuch Bahnhof B Hauptbahnhof (Bl. 102 d.A.) sieht vor, dass dem (betrieblichen) Fdl 1 folgende Aufgaben obliegen: Durchführung der Zugfahrten auf der Rheinstrecke, Auswerten der Anzeigen der FBOA/HOA, Maßnahmen bei Unfällen, Bränden und sonstigen Unregelmäßigkeiten gemäß Modul 423, Benachrichtigen von Bahnübergangsposten im Zuständigkeitsbereich, Ausfertigen schriftlicher Befehle im Zuständigkeitsbereich, Führen betrieblicher Unterlagen im Zuständigkeitsbereich, Durchführen der Zugfahrten auf der Voreifelstrecke, Durchführen der Rangierfahrten, Benachrichtigen von Bahnübergangsposten im Zuständigkeitsbereich, Ausfertigen schriftlicher Befehle im Zuständigkeitsbereich und Gespräche und Durchführung von Schaltaufträgen an der Ortssteuereinrichtung. Hinsichtlich des Fdl 2 am Bahnhof B Hauptbahnhof sind folgende Aufgaben benannt: Führen betrieblicher Unterlagen im Zuständigkeitsbereich, Auswertung Fernschreiben, Arbeits- und Störungsbuch, Nachweis der Zählwerke, Eintragungen auf dem Störungs- und Zugnummerndrucker, Durchführen des Uhrzeitvergleichs und Eingaben in LeiDIS Fl sowie besondere Aufgaben auf Weisung des Fdl 1. Der Aufgabenkatalog ist mit zwei Bemerkungen versehen: Wenn der Fdl 2 nicht besetzt ist, muss der Fdl 1 alle anfallenden Aufgaben erledigen; die Fdl sollen sich im Regel- und im Störungsfall bei anfallenden Aufgaben in gegenseitiger Absprache unterstützen.
45Mit der Klage hat der Kläger die Zahlung von Differenzvergütung für die Monate Juli 2021 bis einschließlich Oktober 2022 auf der Grundlage einer von ihm beanspruchten Vergütung nach der EG 305 EGV 1 verfolgt.
46Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 03.03.2023 (Bl. 251 ff. d.A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Vorbingen des Klägers sei nicht hinreichend zu entnehmen, dass er während des sog. Betrachtungszeitraums von vier Quartalen vor dem 01.07.2021 und/oder während der Zeit vom 01.07.2021 bis zum 31.10.2022 überwiegend Tätigkeiten vertragsgemäß verrichtet habe, die der EG 305 EGV 1 zuzuordnen seien. Gleiches gelte für das streitige Vorbringen, die Tätigkeiten des Fdl 1, welche die Beklagte nach der EG 305 EGV 1 vergüte, und die des Fdl 2, welche die Beklagte nach der EG 307 EGV 1 vergüte, seien als eine einheitliche Gesamttätigkeit im eingruppierungsrechtlichen Sinn zu werten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
47Gegen das ihm am 23.03.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.04.2023 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 10.07.2023 begründet.
48Der Kläger führt aus, dass er in der Zeit vom 01.07.2020 bis zum 30.06.2021 überwiegend mit Fahrdienstleitertätigkeiten am Hauptbahnhof B beschäftigt worden sei. Er trägt vor, dass er 65 x als Fahrdienstleiter am Bahnhof B Hauptbahnhof eingesetzt worden sei, davon 34 x als Fdl 1 und 31 x als Fdl 2. Weitere 23 Einsätze seien in Br als Fahrdienstleiter, 11 x in B/Ba G als Fahrdienstleiter, 28 x als Fahrdienstleiter-Helfer in B/Ba G und 8 x als Schrankenwärter in Du erfolgt. Bei dem B Hauptbahnhof handele es sich unstreitig um einen Bahnhof mittlerer Infrastruktur mit sehr hoher Dispositionstätigkeit. Der B Hauptbahnhof sei ein einheitliches Infrastrukturgebilde. Von einer sehr hohen Dispositionstätigkeit sei auch beim Einsatz als Fdl 2 auszugehen. Aufgrund des Umfangs und der Komplexität der Aufgaben würden am B Hauptbahnhof jeweils zwei Fahrdienstleiter eingesetzt. Zwar weise das Betriebsstellenbuch dem Fdl 1 grundsätzlich die Rheinstrecke (2630) zu, während der Fdl 2 die Voreifelstrecke (2645) betreue. In der praktischen Ausübung der Tätigkeiten seien die Zuständigkeits- und Aufgabenbereiche tatsächlich nicht voneinander getrennt. Der Fdl 1 und der Fdl 2 würden seit dem Jahre 2020 alle Fahrdienstleitertätigkeiten gemeinschaftlich wahrnehmen, sodass eine einheitliche Tätigkeit im eingruppierungsrechtlichen Sinne vorliege. Der Fdl 2 halte sich stets bereit, jederzeit und kurzfristig die Aufgaben auf der Rheinstrecke eigenständig zu übernehmen. Es gelte der Grundsatz, dass derjenige Fahrdienstleiter, der gerade Kapazitäten für die nächste Dispositionstätigkeit auf der Rheinstrecke habe, diese Strecke auch übernehme. Darüber hinaus würden bei Unregelmäßigkeiten, Unfällen und Bränden auf der Rheinstrecke beide Fahrdienstleiter in jeweils eigener Verantwortung die Betreuung der Rheinstrecke wahrnehmen. Während der eine Fahrdienstleiter sich um die Unregelmäßigkeit kümmere, kümmere sich der andere Fahrdienstleiter darum, dass der restliche Zugverkehr aufrecht erhalten bleibe bzw. disponiere den restlichen Zugverkehr auf beiden Strecken. Hinsichtlich des Einsatzes als Fahrdienstleiter im Stellwerk am Hauptbahnhof N während der Einarbeitung bis zur Absolvierung seiner Verwendungsprüfung könne der Kläger die vor der Versetzung zutreffende EG 305 EGV 1 weiterhin beanspruchen.
49Der Kläger beantragt,
50unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 03.03.2023 1 Ca 1164/22
511. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.763,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 423,88 Euro seit dem 01.08.2021, aus 403,40 Euro seit dem 01.09.2021 und aus jeweils 484,04 Euro seit dem 01.10.2021, 01.11.2021, 01.12.2021 und 01.01.2022 zu zahlen;
522. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.587,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 43130 Euro seit dem 01.02.2022, 01.03.2022, 01.04.2022, 01.05.2022, 01.06.2022 und 01.07.2022 zu zahlen;
533. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 491,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2022 zu zahlen;
544. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 491,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2022 zu zahlen;
555. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 982,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 491,30 Euro seit dem 01.10.2022 sowie seit dem 01.11.2022 zu zahlen
56Die Beklagte beantragt,
57die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.03.2023 Az. 1 Ca 1164/22 zurückzuweisen.
58Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger sei im Betrachtungszeitraum 01.07.2020 bis 30.06.2021 34 x als Fdl 1 im Bahnhof B Hauptbahnhof und 59 x als Fdl 2 am dortigen Hauptbahnhof sowie am Bahnhof B/Ba G eingesetzt worden. Von einer mittleren Infrastruktur lasse sich bezüglich des Hauptbahnhofs B nur hinsichtlich der Rheinstrecke (2630) sprechen. Bei dem hiervon abgegrenzten Bereich der vom Kläger verantworteten Voreifelbahnstrecke handele es sich um eine einfache Infrastruktur. Bei unter 350 Zugfahrten pro Tag sei von einer geringen Dispositionstätigkeit auszugehen, auf der Voreifelstrecke verkehrten 92 Züge täglich. Die Handhabung der Zuständigkeits- und Verantwortungsbereiche des Fdl 1 und des Fdl 2 in der Praxis am Hauptbahnhof B und den anderen dazugehörenden Betriebsstellen entspreche dem, was im Betriebsstellenbuch niedergelegt sei. Die Einhaltung der niedergelegten Zuständigkeiten habe Auswirkungen auf die Sicherheit des Bahnverkehrs, daher seien konkrete Anweisungen einzuhalten. Die Fdl 1 und 2 am Hauptbahnhof B würden sich auch nicht gegenseitig vertreten, sondern im Regel- und Störungsfall gegenseitig unterstützen. Selbst wenn man von einer wechselseitigen Vertretung im Sinne des Vortrags des Klägers ausginge, sei nicht ersichtlich, dass die Übernahme von Tätigkeiten des Fdl 1 durch den Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum in einem Maße erfolgt sei, die einer überwiegenden Tätigkeit als Fdl 1 entspreche. Erst seit dem 01.08.2023 wechselten sich der Fdl 1 und der Fdl 2 im Früh- und Spätdienst bzgl. der Aufgaben ab, um die erhöhte Last aufgrund aktueller Baumaßnahmen aufzufangen.
59Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 10.07.2023, 19.09.2023, 24.10.2023, 05.02.2024, 02.04.2024 und 08.04.2024, die Sitzungsniederschrift vom 10.04.2024 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
60E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
61I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und sie wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
62II. Der Berufung blieb der Erfolg versagt. Die nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Eingruppierungsfeststellungsklage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus III. § 1 des Ausbildungs- und Arbeitsvertrages vom 08.07.2019 i.V.m. den §§ 3, 5 FGr 3-TV auf Zahlung einer Differenzvergütung, denn die ihm im Zeitraum Juli 2021 bis einschließlich Oktober 2022 übertragene Tätigkeit ist nicht (überwiegend) der EG 305 EGV 1 zuzuordnen.
631. Im Eingruppierungsrechtsstreit obliegt dem klagenden Beschäftigten nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungslast. Vertritt er die Auffassung, seine Tätigkeit erfülle die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals einer höheren als der vom Arbeitgeber angenommenen Vergütungsgruppe, obliegt es ihm, je nach Lage und Erfordernissen des Einzelfalls diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den rechtlichen Schluss zulassen, die tariflichen Anforderungen des beanspruchten Tätigkeitsmerkmals der maßgebenden Vergütungsgruppe seien erfüllt. Baut das Tätigkeitsmerkmal der höheren Vergütungsgruppe auf dem einer niedrigeren Vergütungsgruppe auf und ist eine zusätzliche tarifliche Anforderung (Heraushebungsmerkmal) erforderlich, ist über die Darstellung der übertragenen Aufgaben hinaus ein Vorbringen erforderlich, das erkennen lässt, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit von der in der Ausgangsfallgruppe bewerteten „Normaltätigkeit“ unterscheidet. Dieser Vortrag muss dem Gericht einen Vergleich zwischen der Tätigkeit in der Ausgangsvergütungsgruppe und der unter das höher bewertete Tarifmerkmal fallenden erlauben (BAG, 22.06.2022 – 4 AZR 495/21 – m.w.N.).
642. Welche Tätigkeit der Angestellte auszuüben hat, bestimmt sich nach seinem Arbeitsvertrag. In den vertraglich gezogenen Grenzen kann der Arbeitgeber durch Ausübung seines Direktionsrechts die vom Angestellten geschuldete, also von ihm auszuübende Tätigkeit konkretisieren. Die mit den im Arbeitsumfeld tätigen Kollegen und/oder mit dem unmittelbaren Fachvorgesetzten abgestimmte Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit durch den Angestellten ohne - auch nur stillschweigende - diesbezügliche Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle des öffentlichen Arbeitgebers hingegen vermag einen Anspruch des Angestellten auf Höhergruppierung nicht zu begründen (BAG, 11.03.1998 – 10 AZR 313/97 -; BAG, 26.03.1997 – 4 AZR 489/95 – m.w.N.).
653. Leitungsaufgaben zeichnen sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch dadurch aus, dass der Beschäftigte funktional an der Spitze stehend für einen bestimmten abgrenzbaren Aufgabenbereich die Verantwortung trägt (vgl. BAG, 16.12.2021 – 6 AZR 377/20 – m.w.N.).
664. Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend ist zunächst festzustellen, dass für die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers die übertragene Tätigkeit entscheidend ist, welche der arbeitsvertraglich auszuübenden Tätigkeit entspricht. Arbeitsvertraglich ist dem Kläger allgemein die Aufgabe eines Fahrdienstleiters übertragen. Die Konkretisierung der Tätigkeit im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO erfolgt durch Zuweisung einer Einsatzaufgabe, wobei der nähere Inhalt der Tätigkeit, soweit es um den Einsatz am B Hauptbahnhof geht, durch das Betriebsstellenhandbuch vom Arbeitgeber einseitig bestimmt wird. Eine zumindest konkludente Abänderung der Regelungen des Betriebsstellenhandbuchs durch die für Personalangelegenheiten zuständige Stelle der Beklagten ist vom Kläger weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Bei der Übertragung der Zuständigkeiten für die Rheinstrecke (2630) einerseits und die Voreifelstrecke (2654) andererseits handelt es sich um abgrenzbare Aufgabenbereiche.
675. Der Kläger stützt sein Klagebegehren entscheidend darauf, dass die überwiegende Anzahl der Arbeitseinsätze im Betrachtungszeitraum 01.07.2020 bis 30.06.2021 am B Hauptbahnhof erfolgt ist und die die dortigen Einsätze als Fdl 2 (Voreifelstrecke sowie ggfs. Unterstützung des Fdl 1) der tarifvertraglichen Wertigkeit eines Fdl 1 entsprechen, so dass die überwiegende Anzahl der Arbeitseinsätze als Fahrdienstleiter 4 im Tarifsinne der EG 305 EGV 1 erfolgt sein soll. Selbst wenn man zugunsten des Klägers diese Herangehensweise zur Bestimmung einer überwiegenden Tätigkeit als zutreffend unterstellt, so hat der Kläger nicht hinreichend dargetan, dass – soweit ihm im Rahmen des Einsatzes am B Hauptbahnhof (auch) Tätigkeiten des Fdl 1 (Rheinstrecke 2630) zugewiesen worden sind – diese einen überwiegenden Anteil an der jeweiligen Schicht oder der Tätigkeit im Betrachtungszeitraum ausgemacht haben. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Kläger während des Einsatzes als Fdl 2 (Voreifelstrecke 2645 sowie ggfs. Unterstützung des Fdl 1) überwiegend Tätigkeiten aus dem Aufgabenkatalog des Fdl 1 übernommen hat.
686. Entgegen der Ansicht des Klägers können die Einsätze als Fdl 1 und des Fdl 2 nicht als gleichwertig im Tarifsinne betrachtet werden. Nach dem Betriebsstellenhandbuch obliegt dem FdL 1 die Durchführung der Rheinstrecke. Mit der Zuordnung dieser Aufgabe ist zugleich die Übertragung der Verantwortung für diesen Aufgabenbereich verbunden. Hierbei handelt es sich um die Übertragung einer Leitungsfunktion. Soweit der Fdl 2 auf Weisung des Fdl 1 Aufgaben aus dessen Aufgabenbereich übernimmt, handelt es sich typischerweise um Hilfestellungen im Sinne einer bedarfsorientierten, unterstützenden Assistenz. Die Zuordnung von Verantwortlichkeiten wird dadurch nicht berührt. Es findet kein Wechsel in der Verantwortung in einem abgrenzbaren Teilbereich statt. Auch die allgemeine Regel, dass sich die Fdl im Regel- und Störungsfall bei anfallenden Aufgaben in gegenseitiger Absprache unterstützen sollen, beinhaltet keine Übertragung der Leitungsfunktion für die Rheinstrecke (2630) auf den Fdl 2. Der Fdl 1 bleibt weiterhin verantwortlich für den ordnungsgemäßen Ablauf des Bahnverkehrs auf dieser Strecke. Die Vorgabe der Unterstützung in gegenseitiger Absprache dient der Sicherstellung einer kooperativen Arbeitsweise. Sie bleibt aber eingebettet in die Verantwortungsstruktur für die Rheinstrecke, d.h. der verantwortliche und für die Rheinstrecke (2630) funktional übergeordnete Fdl 1 kann weiterhin die gebotenen Weisungen an den unterstützenden Fdl 2 erteilen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die betriebliche Verteilung der Verantwortung, wie sie im Betriebsstellenhandbuch dokumentiert ist, auch der Konzeption der EG 305 EGV 1 entspricht, die eine Aufspaltung oder Duplizierung der Fahrdienstleitung für einen einheitlichen Aufgabenbereich nicht vorsieht. Vielmehr bleibt „der“ Fahrdienstleiter, dem Berufsbild entsprechend, für den von ihm verantwortlich geleiteten Aufgabenbereich der alleinige Organisations- und Befehlsgeber.
697. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass auch unter Zugrundelegung des Klägervortrags nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger vom 01.07.2020 bis zum 30.06.2021 überwiegend Tätigkeiten der EG 305 EGV 1 verrichtet hat, so dass seine Vergütungsklage abzuweisen war. Dies gilt erst Recht für den sich anschließenden Zeitraum bis einschließlich Oktober 2022. Für die Zeit ab Juli 2021 mangelt es darüber hinaus an jeglichem geeigneten Vortrag zur Übertragung von (überwiegenden) Tätigkeiten der der EG 305 EGV 1.
70III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
71IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.