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Bei der Frage, ob ein einzugruppierender Arbeitnehmer "im entsprechenden Tätigkeitsbereich tätig" wird, kommt es darauf an, was er tut und nicht darauf, was er soll.
Einzelfall zur Eingruppierung nach dem Entgelttarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe in NRW
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.03.2023 - 9 Ca 4695/22 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die tarifliche Eingruppierung des Klägers.
3Der Kläger ist seit dem 11.12.2006 bei der Beklagten als Koch beschäftigt, obgleich er keine fachgewerbliche Ausbildung in einem gastronomiespezifischen Berufsbild erfolgreich abgeschlossen hat. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für das Gaststätten- und Hotelgewerbe in NRW Anwendung. Bis zum 30.04.2022 richtete sich die Eingruppierung des Klägers nach dem Entgelttarifvertrag in der Fassung vom 01.08.2018. Dieser hatte unter anderem denn folgenden Wortlaut:
4„§ 4 Tarifgruppen
5Tarifgruppe 3
6Arbeitnehmer/in mit Tätigkeiten, die erweiterte Kenntnisse oder Fertigkeiten und längere Erfahrung hierin erfordern.
7Tätigkeitsbeispiele
8Tarifgruppe 4
9Arbeitnehmer/in mit Tätigkeiten und Voraussetzungen, die über die Bewertungsgruppe 3 hinausgehen und i.d.R. durch eine abgeschlossene Berufsausbildung und/oder Berufserfahrung (analog § 45 Abs. 2 BBiG) verfügen, die im fachlich entsprechenden Tätigkeitsbereich erworben werden.“
10Der Kläger wurde bis zuletzt nach der Tarifgruppe 4 vergütet. Bis zum 30.04.2022 betrug der Stundenlohn in der Tarifgruppe vier 13,31 €. Am 01.05.2022 trat der neue Entgelttarifvertrag vom 18.01.2022 in Kraft. Dieser bestimmt unter anderem das folgende; dabei kommt es dem Kläger mit seiner Klage darauf an, nach diesem neuen Tarifertrag eine Eingruppierung in das Tarifband 2 zu erreichen.
11„§ 3 Bewertungsgrundsätze
121. Jede:r Arbeitnehmer:in ist vom Arbeitgeber unter Beachtung des nachfolgend beschriebenen Verfahrens in ein Tarifband einzugruppieren. Der Tarifvertrag hat drei Tarifbänder. Das erste Band gilt für ungelernte Arbeitnehmer:innen und Arbeitnehmer:innen mit zweijähriger abgeschlossener Regelausbildung im Gastgewerbe, das zweite Band für Arbeitnehmer:innen mit dreijähriger abgeschlossener Regelausbildung, die im fachlich entsprechenden Tätigkeitsbereich erworben wurde und das dritte Band für die Fachkräfte mit Führungsverantwortung. Für die Eingruppierung in ein Tarifband ist nicht die berufliche oder betriebliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen maßgebend. Diese Eingruppierung erfolgt bei der Einstellung, bei einer Versetzung bzw. wesentlichen Veränderungen der Arbeitsinhalte sowie bei der Einführung dieses Tarifvertrages. In Betrieben mit Betriebsrat erfolgt dies unter Beachtung von § 99 Betriebsverfassungsgesetz.
132. Die Arbeitnehmer:innen werden entsprechend der von ihnen überwiegend ausgeübten Tätigkeiten in die Tarifbänder eingruppiert. Die Zuordnung der Arbeitnehmer:innen in die Tarifbänder erfolgt unter Anwendung der jeweiligen Bewertungskriterien in den Oberbegriffen des § 4.
14§4 Tarifbänder
15Für die Feststellung des tariflichen Entgelts werden folgende Tarifbänder gebildet.
16Tarifband 1
17Ungelernte Arbeitnehmer:innen und Arbeitnehmer:innen mit zweijähriger abgeschlossener Regelausbildung im Gastgewerbe
18Band 1.1 Arbeitnehmer:innen mit einfachen Tätigkeiten, die durch Anlernen erworben werden können in den ersten zwölf Monaten.
19Band 1.2 Arbeitnehmer:innen mit Tätigkeiten, die erweiterte Kenntnisse oder Fertigkeiten und einschlägige Erfahrungen hierin erfordern oder Arbeitnehmer:innen nach 12 Monaten Betriebszugehörigkeit.
20Band 1.3 Arbeitnehmer:innen mit Tätigkeiten, die über Band 1.2 hinausgehen oder Arbeitnehmer:innen mit zweijähriger abgeschlossener Regelausbildung im Gastgewerbe oder Arbeitnehmer:innen mit zweijähriger abgeschlossener Regelausbildung im Gastgewerbe oder Arbeitnehmer:innen in direktem Gastkontakt und Inkasso oder Arbeitnehmer:innen in der Zubereitung von warmen Speisen.
21Band 1.4 Arbeitnehmer:innen mit Tätigkeiten und Voraussetzungen die über das Band 1.3 hinausgehen oder Arbeitnehmer:innen mit zweijähriger abgeschlossener Regelausbildung im Gastgewerbe nach 12 Monaten oder Arbeitnehmer:innen mit 4,5 Jahren Betriebszugehörigkeit.
22Tarifband 2
23Fachkräfte
24Band 2.1 Arbeitnehmer:innen mit dreijähriger abgeschlossener Regelausbildung die im fachlich entsprechenden Tätigkeitsbereich erworben wurde (§ 45 Abs. 2 BBiG).
25Band 2.2 Fachkräfte mit eigener Verantwortung innerhalb allgemeiner Anweisungen oder Fachkräfte nach 12 Monaten Berufserfahrung. die auch in einem anderen Betrieb erlangt worden ist.
26Band 2.3 Fachkräfte mit erweiterten Fachkenntnissen und erhöhter Verantwortung oder Fachkräfte nach 24 Monaten Berufserfahrung, die auch in einem anderen Betrieb erlangt worden ist.
27Band 2.4 Fachkräfte mit 4,5 Jahren Berufserfahrung, die im konkreten Betrieb erlangt worden ist.
28[…]
29§ 8 Überleitungsvereinbarung/Besitzstandsklausel
30Bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen dürfen aus Anlass des Abschlusses dieses Vertrages nicht verschlechtert werden."
31Nach § 5 dieses Entgelttarifvertrags beträgt der Bruttostundenlohn ab dem 01.05.2022 im Tarifband 1.4 14,00 € und im Tarifband 2.4 16,27 €. Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Auffassung, der Beklagten er sei zutreffend in das Tarifband 1.4 eingruppiert.
32Mit seiner Klage vertritt der Kläger vielmehr die Auffassung, er sei in das Tarifband 2.4 eingruppiert. Dem folgend macht er die - in rechnerischer Höhe unstreitigen - Unterschiedsbeträge zwischen der Vergütung nach dem Tarifband 1.4 und dem Tarifband 2.4 für die Monate Mai 2022 bis Juli 2022 geltend.
33Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, nach seiner Auffassung ergebe sich aus § 3 Nr. 2 ETV, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entsprechend der von ihnen überwiegend ausgeübten Tätigkeit in die Tarifbänder eingruppiert würden. Der Begriff der Fachkräfte sei im Tarifband 2.4 nicht definiert, sodass auch nicht von der Notwendigkeit einer formalen Qualifikation ausgegangen werden könne. Den Wechsel von der alten Entgeltgruppe 4 in das neue Tarifband 2.4 betrachte er als unzulässige Rückgruppierung. Seine Tätigkeit habe sich jedenfalls nicht geändert. Er sei von der Beklagten als Koch eingestellt worden, obwohl die Tätigkeit des Kochs eine Ausbildung voraussetze. Wenn die Beklagte ihn ohne einschlägige Ausbildung als Koch und somit als Fachkraft beschäftige, dann müsse sie ihn nach seiner Auffassung auch entsprechend eingruppieren und vergüten.
34Der Klage hat beantragt,
351. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 586,63 EUR brutto sowie 71,19 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.06.2022 zu zahlen;
362. die Beklagte wird verurteilt, an ihn 421,89 EUR brutto sowie 98,16 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.07.2022 zu zahlen;
373. die Beklagte wird verurteilt, an ihn 468,00 EUR brutto sowie 37,05 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.08.2022 zu zahlen.
38Die Beklagte hat beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Sie hat die Auffassung vertreten, dass eine Eingruppierung in das Tarifband 2 zwingend eine dreijährige abgeschlossene Regelausbildung voraussetze, über die der Kläger nicht verfüge. Ihr Verständnis ergebe sich unmissverständlich aus dem Wortlaut des Tarifvertrages.
41Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.03.2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei in das Tarifband 1.4 eingruppiert und nicht - wie beantragt - in das höhere Tarifband 2. Denn für eine Eingruppierung in dieses Tarifband sei eine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung notwendig. Diese Notwendigkeit ergebe sich aus der Auslegung des Tarifvertrages. Dieser Tarifvertrag sei schon seinem Wortlaut nach eindeutig. Auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG - Ausbildung ist zulässiges Differenzierungskriterium
42Gegen dieses ihm am 26.04.2023 zugestellte Urteil hat der Klägerin am 26.05.2023 Berufung eingelegt und hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 31.07.2023 begründet.
43Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger vorgetragen, er sei weiterhin der Auffassung, er sei in das Tarifband 2.4. einzugruppieren, da er als Fachkraft, nämlich als Koch, beschäftigt werde und entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausübe. Zu diesen von ihm auszuübenden Tätigkeiten gehörten die folgenden:
44- Pfannen und Geräte morgens anschalten
45- Rotkohl, Wirsing, Sauerkraut (meist einer Ware) kochen
46- Klöße kochen
47- Haxen kochen/grillen
48- Bratkartoffeln braten
49- Schnitzel trainieren und braten
50- Pommes frites frittieren
51- Tätigkeiten in der kalten Küche
52- Herstellung von Salaten
53- Menüs laut Bestellung zusammenstellen
54Neben ihm sei ein Koch mit abgeschlossener Ausbildung nicht in der Küche tätig. Vielmehr arbeite er während eines großen Teils seiner Schichten allein in der Küche, nur begleitet von einem Spüler. Daraus werde ersichtlich, dass er sämtliche Tätigkeiten einer Fachkraft allein erledige. Nach seiner Auffassung sei die Eingruppierung als Fachkraft nach dem aktuellen Tarifvertrag nicht nur dann möglich, wenn der oder die Arbeitnehmer:in eine entsprechende dreijährige abgeschlossene Regelausbildung abgeschlossen habe, sondern auch dann, wenn er oder sie in dem Ausbildungsberuf mindestens das Eineinhalbfache der Zeit, die als Ausbildungsdauer vorgeschrieben sei, tätig gewesen sei. Das ergebe sich aus der Definition des „Fachkräfte"-Begriffs im Tarifband 2 des ETV. Darin werde ausdrücklich auf § 45 Abs. 2 BBiG verwiesen. In § 45 Abs. 2 BBiG sei geregelt, dass zur Abschlussprüfung in einem Beruf nicht nur Auszubildende zuzulassen seien, die die geforderte Ausbildungszeit zurückgelegt hätten, sondern auch solche Personen, die nachweisen könnten, dass sie mindestens das Eineinhalbfache der Zeit, die als Ausbildungsdauer vorgeschrieben sei, in dem Beruf tätig gewesen seien, in dem die Prüfung abgelegt werden solle. Hieraus ergebe sich, dass die Tarifvertragsparteien diejenigen, die über eine entsprechend lange Berufserfahrung verfügten, den formal ausgebildeten Kräften hätten gleichstellen wollen. Er habe bei Inkrafttreten des Entgelttarifvertrages bereits mehr als 9 Jahre einschlägiger Tätigkeit als Koch bei der Beklagten nachweisen können. Es entspreche einem Entzug des Besitzstandes bei unveränderter Tätigkeit, welche zunächst im Tarifvertrag ab 01.08.2018 mit der Eingruppierung in die Tarifgruppe 4 aufgrund der erheblichen Berufserfahrung Klägers bei der Beklagten Anerkennung erlangte. Diese Berufserfahrung werde der 3-jährigen Regelausbildung gleichgestellt. Durch die aktuelle Eingruppierung in das Bd. 1.4 des Tarifvertrages ab 01.05.2022 würden die Tätigkeiten einer Fachkraft, die der Kläger alltäglich für die Beklagte allein in der Küche der Beklagten ohne Anwesenheit einer weiteren Fachkraft nach wie vor unverändert weiterhin erbringe, erheblich entwertet. Ihm werde durch die Eingruppierung in das Band 1.4 der bisherige Besitzstand als anerkannte Fachkraft entzogen.
55Der Kläger beantragt,
56das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.03.2023- 9 Ca 4695/22 - abzuändern und
571. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 586,63 € brutto sowie71,19 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2022 zu zahlen;
582. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 421,89 € brutto sowie98,16 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.07.2022 zu zahlen;
593. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 468,00 € brutto sowie37,05 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.08.2022 zu zahlen.
60Die Beklagte beantragt,
61die Berufung zurückzuweisen
62Zur Verteidigung gegen die Berufung trägt die Beklagte vor, der Kläger versuche vergeblich, eine Eingruppierung in das Tarifband 2 durch die von ihm tatsächlich ausgeübte Tätigkeit zu konstruieren. Der Wortlaut des ETV sei aber eindeutig: Die Tarifbänder 1 und 2 unterschieden die gelernten von den ungelernten Arbeitnehmern. Der Verweis auf § 45 Abs. 2 BBiG helfe nach ihrer Auffassung nicht weiter. In § 45 Abs. 2 BBiG fänden sich lediglich die Zulassungsvoraussetzungen zur Abschlussprüfung. Dort werde geregelt, dass eine Abschlussprüfung auch in kürzerer Ausbildungszeit möglich sei. Von einem „Entzug des Besitzstandes“ könne keine Rede sein.
63Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
64E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
65Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
66I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
67II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteil kann daher Bezug genommen werden. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen daher nur zur Vertiefung und soweit sie von der Berufungsbegründung veranlasst sind. Dabei wird auch Bezug genommen Auf den Inhalt des Terminprotokolls vom LAG Hamm unter dem Geschäftszeichen 6 Sa 677/23, das die Beklagte mit dem Schriftsatz vom 21.11.2023 zur Akte gereicht hat.
68Die Eingruppierung hat gemäß § 3 Ziff. 2 S. 1 des Entgelttarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbe zwischen dem DEHOGA NRW E.V. und der NGG vom 18.01.2022 (ETV) nach der überwiegenden Tätigkeit zu erfolgen. Die Zuordnung erfolgt nach § 3 Ziff. 2 S. 2 unter Anwendung der jeweiligen Bewertungskriterien der Oberbegriffe. In der Entgeltgruppe, die der Kläger als für ihn zutreffend erachtet, sind „Fachkräfte" mit 24 Monaten Berufserfahrung eingruppiert.
69Der Kläger ist keine Fachkraft im Sinne des Tarifvertrages, denn ihm fehlt die erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung.
70Das Wort „Fachkraft“ allein setzt nicht ohne weiteres eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus. Diese Voraussetzung ergibt sich aber aus dem Wortlaut des Tarifvertrages im Übrigen, aus der Systematik der Tarifnorm und aus Sinn und Zweck derselben.
71Dass mit dem Wort „Fachkraft“ die „einschlägig ausgebildete Fachkraft“ gemeint ist ergibt sich zunächst aus der Regelung in § 3 ETV selbst. Nach dem Wortlaut des § 3 Ziffer 1 Satz 2 definieren sich die Tarifbänder, die zunächst nach der Ausbildungsdauer differenziert werden. Nach dem Wortlaut des § 3 Ziff. 1 Satz 3 kommt das zweite Band nur für Arbeitnehmer mit dreijähriger Regelausbildung in Betracht, die im entsprechenden Tätigkeitsbereich tätig werden. Danach folgt im Wortlaut des § 3 Ziff. 1 Satz 4, dass es bei der Eingruppierung auf die tatsächliche Tätigkeit ankommen soll. Dieser letztgenannte Wortlaut widerspricht nicht der Voraussetzung einer bestimmten Qualifikation (Satz 2), sondern er konkretisiert die Betrachtung der „entsprechenden Tätigkeit“ (Satz 3). Bei der Frage, ob ein einzugruppierender Arbeitnehmer oder eine einzugruppierende Arbeitnehmerin „im entsprechenden Tätigkeitsbereich tätig“ wird, kommt es also darauf an, was sie tut und nicht darauf was sie soll.
72Für die Annahme, dass mit dem Wort Fachkraft nur ausgebildete Fachkräfte gemeint sind, spricht auch die Systematik des § 4 ETV. Unter der Überschrift „Fachkräfte“ regelt Ziffer 2.1, was mit der Überschrift gemeint ist (dreijährige Berufsausbildung). Die weiteren Unterbänder bauen dann auf diese Definition auf in Kombination mit weiteren Heraushebungsmerkmalen.
73Dass der ETV mit dem Begriff „Fachkraft“ eine dreijährige Regelausbildung voraussetzt, zeigt auch ein Vergleich des jeweiligen Wortlauts in Band 1.4 und Band 2.4. Wäre nämlich eine Ausbildung für das Tarifband 2.4 nicht erforderlich, so wäre das Tarifband 2.4 nahezu gleichbedeutend mit dem Tarifband 1.4 Alt. 3. Das wäre aber weder nachvollziehbar noch plausibel noch eine praktisch brauchbare Lösung im Sinne der Rechtsprechung des BAG.
74Die Bezugnahme auf § 45 BBiG in § 4 Tarifband 2.1 hilft dem Kläger nicht weiter. Die Vorschrift hat den folgenden Wortlaut:
75§ 45 Zulassung in besonderen Fällen
76(1) Auszubildende können nach Anhörung der Ausbildenden und der Berufsschule vor Ablauf ihrer Ausbildungszeit zur Abschlussprüfung zugelassen werden, wenn ihre Leistungen dies rechtfertigen.
77(2) 1Zur Abschlussprüfung ist auch zuzulassen, wer nachweist, dass er mindestens das Eineinhalbfache der Zeit, die als Ausbildungsdauer vorgeschrieben ist, in dem Beruf tätig gewesen ist, in dem die Prüfung abgelegt werden soll. 2Als Zeiten der Berufstätigkeit gelten auch Ausbildungszeiten in einem anderen, einschlägigen Ausbildungsberuf. 3Vom Nachweis der Mindestzeit nach Satz 1 kann ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft gemacht wird, dass der Bewerber oder die Bewerberin die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigt. 4Ausländische Bildungsabschlüsse und Zeiten der Berufstätigkeit im Ausland sind dabei zu berücksichtigen.
78(3) Soldaten oder Soldatinnen auf Zeit und ehemalige Soldaten oder Soldatinnen sind nach Absatz 2 Satz 3 zur Abschlussprüfung zuzulassen, wenn das Bundesministerium der Verteidigung oder die von ihm bestimmte Stelle bescheinigt, dass der Bewerber oder die Bewerberin berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, welche die Zulassung zur Prüfung rechtfertigen.
79Diese Vorschrift handelt unmissverständlich von der Zulassung zur Prüfung (und nicht von einem Verzicht auf eine Prüfung) und davon, dass in besonderen Fällen die Zulassung vorzeitig, also vor Ablauf von drei Jahren in Betracht kommt oder auch nach längerer Tätigkeit im Ausbildungsberuf ohne formale Berufsausbildung. Dass der ETV mit der Benennung des § 45 BBiG bezwecken will, auf das Erfordernis einer erfolgreich abgeschlossenen einschlägigen Berufsausbildung, also auf einen Prüfungsnachweis zu verzichten, ergibt sich nicht aus dem Text.
80III. Nach allem bleibt es somit bei der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung. Als unterliegende Partei hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.