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Einzelfallentscheidung zur Verneinung eines Schadensersatzanspruchs wegen „entgangener“ Provisionseinnahmen, Verneinung eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.09.2021 – 8 Ca 2206/21 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen entgangener Provisionseinnahmen sowie um Beschäftigung.
3Die Beklagte ist eine der führenden Projektentwicklerinnen im Wohnungsbau in N sowie D und ist 2016 aus dem s Bau- und Immobilienkonzern N entstanden. Ihre Bautätigkeiten konzentrieren sich auf acht Kernregionen, konkret B , H , R -M , R -R , K /B , R -N /S sowie S und die O küste.
4Der am 1968 geborene, ledige Kläger ist seit dem 01.04.2013 bei der Beklagten bzw. zunächst ihrer Rechtsvorgängerin („N D GmbH“) als „Mitarbeiter im Vertrieb in der Struktureinheit Bauträgerbereich, Region K /B “ auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 03.02.2013 (Bl. 12 ff. d. A.) sowie des Änderungsvertrages vom 04.02.2019 (Bl. 16 ff. d. A.) tätig. In Letzterem ist unter § 1 / 2 „Tätigkeit und Vergütung“ u.a. geregelt:
5„Das monatlich zu zahlende Gehalt (brutto) beträgt 1.750,00 € plus der vereinbarten Provision gemäß Satz 2.
6Der Arbeitnehmer erhält eine Vertriebsprovision pro verkaufte Wohneinheit. Diese wird gesondert geregelt.“
7Mit Datum vom 05.03.2019 schlossen die Parteien die „Vereinbarung zur Gewährung leistungsabhängiger Gehaltsbestandteile (Teil 1 + 2)“ (Bl. 21 d.A.), die folgenden Wortlaut hat:
8„Zusätzlich zum Grundgehalt erhält der Arbeitnehmer für die durch ihn persönlich vermittelten Verkäufe eine Provision (brutto) in Höhe von 1,25 % bezogen auf den Kaufpreis gemäß notarieller Urkunde mit dem Kunden.
9Die Provision ist unmittelbar nach Unterzeichnung des Notarvertrages innerhalb von sechs Wochen schriftlich geltend zu machen. Die Auszahlung erfolgt monatlich im Zuge der Gehaltszahlung. Bei Vertragsschluss über mehr als zwei Wohneinheiten ist eine individuelle Vereinbarung zu treffen.
10Es wird eine weitere Erfolgsprovision in Höhe von
110,2 % für alle gemäß vorstehender Regelung im Geschäftsjahr 2019 provisionspflichtigen Verträge des Arbeitnehmers gewährt, sofern die Region K -Bonn im Geschäftsjahr 2019 ihr Verkaufsziel von insgesamt 180 Verkäufen von Wohneinheiten im Einzelvertrieb erfüllt hat. …“
12Auch in den Jahren 2013 – 2018 hatten die Parteien entsprechende Provisionsvereinbarungen geschlossen, nach denen der Kläger für die durch ihn persönlich vermittelten Verkäufe von Wohneinheiten eine Provision (brutto) i.H.v. 1,25 % bezogen auf den Kaufpreis gemäß notarieller Urkunde mit dem Kunden sowie eine weitere Erfolgsprovision i.H.v. 0,2 % bei Erreichen des Verkaufsziels der Region K -B erhält. (Für das Jahr 2013 vgl. Bl. 22 d. A.).
13Für das Jahr 2020 wurde keine Provisionsvereinbarung abgeschlossen, der Kläger aber nach der Provisionsvereinbarung für 2019 bezahlt. Für das Jahr 2021 schlossen die Parteien unter dem 12.03.2021 eine Provisionsvereinbarung wie in den vorherigen Jahren (vgl. Bl 27 d. A.).
14Im Jahre 2015 traf die Beklagte die unternehmerische Entscheidung, insgesamt nach und nach vollständig auf einen Teamvertrieb umzustellen. Dabei bilden zwei Verkaufsberater ein Vertriebsteam. Diese Teamvertriebler erhalten ein höheres Fixum, in der Regel 2.800 € brutto, dafür aber eine feste Provisionssumme pro verkaufte Wohneinheit, die in der Höhe unabhängig vom Wert der vertriebenen Immobilie ist und in der Regel 225,00 € brutto beträgt. Darüber hinaus erhalten sie bei Erreichen eines vorher für die Region im Geschäftsjahr festgelegten Geschäftsziels eine ebenfalls im Vorhinein in der Summe festgelegte Erfolgsprovision. Insgesamt verdienen Angestellte im Teamvertrieb damit pro verkaufter Wohneinheit deutlich weniger als Angestellte im Einzelvertrieb. Seit Oktober 2015 bis August 2021 stellte die Beklagte deutschlandweit 25 Mitarbeiter auf der Grundlage des neuen Vertriebsmodells ein, davon vier Mitarbeiter in der Region K /B . Den noch auf der Basis der ursprünglichen Verträge beschäftigten Mitarbeitern, so auch dem Kläger, trug sie den Abschluss eines Änderungsvertrages an. Nach dem Vertragsentwurf vom 12.05.2020 (im Einzelnen Bl. 28 ff. d. A.) sollte das an den Kläger monatlich zu zahlende Gehalt 4.000 Euro plus vereinbarter Provision betragen. Die übersandten Entwürfe der Vereinbarung zur Gewährung leistungsabhängiger Gehaltsbestandteile enthielten 450,00 € brutto für alle durch das Vertriebsteam, bestehend aus zwei Verkaufsberater, verkauften Wohneinheiten sowie eine Erfolgsprovision i.H.v. 100,00 € brutto für alle im Vertriebsteam, bestehend aus zwei Verkaufsberater, verkauften Wohneinheiten bei Erreichen noch festzulegender Verkaufsziele für das Jahr 2020. Der Kläger lehnte das Angebot zum Abschluss des Vertragsentwurfs ab.
15Die Beklagte teilte ihm daraufhin mit, dass bei der geltenden Provisionsregelung seine Beschäftigung bei sämtlichen für den Teamvertrieb gedachten Objekten nicht mehr wirtschaftlich vertretbar sei. Weitere Einzelheiten sind streitig.
16Der Kläger erzielte bei folgenden Verkäufen (soweit bekannt) folgendes Bruttojahreseinkommen:
172013 (für neun Monate Arbeitsverhältnis) 58.662,00 Euro
182014 90.756,00 Euro
192015 71.664,00 Euro
202016 78.000,00 Euro (ca.)
212017 bei 24 Verkäufen 109.910,25 Euro
222018 bei 14 Verkäufen 207.139,33 Euro
232019 bei 8 Verkäufen 132.041,68 Euro
242020 bei 7 Verkäufen 95.602,23 Euro
252021 bei 9 Verkäufen 102.247,96 Euro
26In 2020 teilte die Beklagte dem Kläger acht Objekte zu, von denen er sieben verkaufte, den vier Mitarbeitern im Teamvertrieb (mit Fixbeträgen pro verkauftem Objekt) zusammen 143. In 2021 teilte die Beklagte dem Kläger neun Objekte zu, die er verkaufte, den vier Mitarbeitern im Teamvertrieb insgesamt 125.
27Der durchschnittliche Wert der von den Mitarbeitern im Teamvertrieb verkauften Objekte betrug im Jahr 2020 551.601,61 € und im Jahr 2021 522.400,08 €.
28Im Juni 2020 nahm die Beklagte den Kläger aus dem ihm übertragenen Projekt in B H heraus. Das Projekt konnte aufgrund fehlender Baugenehmigung bis in das Jahr 2022 hinein nicht realisiert werden.
29Der Kläger arbeitete teilweise bei den ihm zugewiesenen Projekten mit dem externen Mitarbeiter K zusammen. Mit Mail vom 29.07.2021 teilte die Beklagte dem Kläger und Herrn K mit, dass die Eigentumswohnungen „A f“ nunmehr durch das Vierer-Vertriebsteam verkauft werden sollen, die auch noch zu verkaufenden Reihenhäuser sollten bei dem Kläger und Herrn K verbleiben. Eine Dokumentation der Beklagten zeigt, dass sie insofern von Minderkosten i.H.v. 100.000 Euro für Gehälter ausgeht.
30Mit der am 16.04.2021 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage hat der Kläger für das Jahr 2020 Schadensersatz aufgrund Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot und Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gegen die Beklagte geltend gemacht.
31Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die von der Beklagten im zweiten Halbjahr 2020 vorgenommene sukzessive Reduzierung der klägerischen Projektteilnahme
32mit der Zielsetzung, ihn zum Abschluss des Arbeitsvertragsentwurfes vom 12.05.2020 zu nötigen, einen evidenten Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB darstelle. Der Kläger hat insofern behauptet, sein unmittelbarer Vorgesetzter, Herr V , habe ihm deutlich gemacht, dass er in Zukunft keine weiteren Projekte bzw. deutlich weniger als seine Kollegen erhalten werde, da er schlicht „zu teuer“ sei. Diese Ankündigung habe die Beklagte sodann unmittelbar für anstehende Projekte in B H in die Tat umgesetzt und den Kläger aus ihm zuvor schon zugeteilten Einheiten herausgenommen. Weiter habe sie ihre Drohung wahrgemacht, indem sie ihm in den folgenden Monaten überhaupt keine neuen Projekte mehr zugeteilt habe. Auch im Februar 2021 habe Herr V deutlich gemacht, dass der Kläger in Zukunft im Vergleich zu dem Teamvertrieb deutlich benachteiligt werde, da er andernfalls aufgrund seines Arbeitsvertrages schlicht „zu viel verdiene“. Bei der Mitarbeiterin Sch r aus H habe die Beklagte bei ähnlich gelagertem Sachverhalt identisch reagiert.
33Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass die Beklagte ihn wegen seines Festhaltens an dem bestehenden Arbeitsvertrag gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen benachteilige. Es gebe keinen sachlichen Grund für die Differenzierung. Die Kolleginnen und Kollegen des Klägers im Teamvertrieb erbringen exakt dieselbe Tätigkeit. Es gebe keinen von der Beklagten behaupteten Unterschied in der Form der Vertriebsarten. Soweit die Beklagte von einem „Teamvertrieb“ spreche, sei damit lediglich die deutlich reduzierte Vergütung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeint. Auch die Herausnahme des Klägers aus dem Projekt Eigentumswohnungen A sowie denen in B H mache einmal mehr deutlich, dass es schlichtweg nicht um Unterschiede in der konkreten Tätigkeit der Erbringung, sondern nur um die weitere Steigerung von Gewinnen gehe.
34Der Kläger hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass er andauernd benachteiligt werde dadurch, dass man ihm nur einen Bruchteil der Projekte im Vergleich zu seinen Kolleginnen und Kollegen zuweise. Dies stehe im unmittelbaren Zusammenhang mit der rechtlich zulässigen Weigerung, einen neuen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen. Der damit zusammenhängende Verstoß gegen § 612a BGB führe zur Unwirksamkeit der Weisung nach § 106 GewO, da sie offensichtlich unbillig sei.
35Der Kläger ist der Meinung gewesen, dass ihm aufgrund der Benachteiligung bei der Zuordnung von nur sieben anstatt wie den übrigen mit den neuen Arbeitsverträgen tätigen vier Mitarbeitern im Teamvertrieb im Schnitt 35,75 Immobilien ein Schaden in Höhe von 28,75 x dem Durchschnittswert der verkauften Immobilien i.H.v. 551.601,61 € × 1,25 % +0,2 %, mithin i.H.v. 229.948,92 € brutto entstanden sei.
36Der Kläger hat beantragt,
37die Beklagte zu verurteilen, an ihn 229.948,92 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
38Die Beklagte hat beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr die Umstellung auf den Teamvertrieb aufgrund der anderen Vergütung, nämlich einer festen Provisionssumme pro verkaufter Wohneinheit, die in der Höhe unabhängig vom Wert der vertriebenen Immobilie ist, erlaube, höhere Grundstückspreise zu bezahlen. Insgesamt verdienten Angestellte im Teamvertrieb damit pro verkaufter Wohneinheit deutlich weniger als Angestellte im Einzelvertrieb. Die massiven Entwicklungen des Immobilienmarktes hätten dies erforderlich gemacht und rechtfertigten dies auch. Gleichzeitig habe die gestiegene Nachfrage zu einem rasanten Anstieg der Grundstückspreise geführt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sei es auch deshalb erforderlich, dass bisherige Provisionsmodell diesen veränderten Bedingungen anzupassen.
41Die Beklagte hat behauptet, dass die Teamvertriebler dynamischer in ihrem Einsatz als Angestellte im Einzelvertrieb seien und beispielsweise direkt vor Ort mehr Besichtigungen durchführen und Beratungsgespräche führen könnten, weil häufiger mindestens ein Mitarbeiter beim Objekt sei. Es gebe darüber hinaus eine eigenständige Vertretungsregelung und ausführliche Beratungszeiten sowie bedeutend weniger Organisationsbedarf für den Projektleiter beim Teamvertrieb.
42Sie hat weiterhin behauptet, dass es ihr nicht möglich sei, Objekte teilweise im Teamvertrieb und teilweisem Einzelvertrieb zu vertreiben. Aufgrund dieser Inkompatibilität der Vertriebsmodelle haben dem Kläger als Einzelvertriebler keine für den Gruppenvertrieb gedachten Objekte zugeteilt werden können. Bei der derzeit geltenden Provisionsregelung des Klägers wäre seine Beschäftigung durch die Beklagte allerdings bei sämtlichen für den Teamvertrieb gedachten Objekten nicht mehr wirtschaftlich vertretbar gewesen. Darauf habe sie ihn hingewiesen, aber damit habe sie nicht gedroht. Insbesondere habe sie dies nicht versucht als Druckmittel gegen den Kläger zu verwenden.
43Die Beklagte hat behauptet, den Kläger bei dem Vertrieb des Projekts in B H nicht habe einsetzen können, weil es zu dem Bau des Objekts tatsächlich nicht gekommen sei, da die Baugenehmigung bis heute nicht erteilt sei. Sofern es zukünftig zur Realisierung des Projekts kommen sollte, sei der Kläger gemeinsam mit einem externen Partner für den Vertrieb vorgesehen. Das Bauprojekt „A “ bestehe aus mehreren Abschnitten. Der Kläger habe den Vertrieb des Siedlungsbaus gemeinsam mit einem externen Partner vollständig übernommen; bei den im Nachgang zu verkaufenden Eigentumswohnungen habe es sich jedoch um ein gänzlich anderes Projekt gehandelt.
44Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, dass ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB nicht vorliege, da die Entscheidung, dem Kläger keine weiteren Objekte zum Vertrieb zuzuweisen nicht kausal auf seiner Verweigerungshaltung gegenüber der Unterzeichnung des Änderungsvertrages beruhe. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, da ein sachlicher Grund dafür vorliege, dass sie ihm weniger Immobilien zum Vertrieb zugeteilt habe.
45Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage mit Urteil vom 30.09.2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es einen einen Schadensersatzanspruch auslösenden Verstoß der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot des §§ 612 a BGB jedenfalls für das streitgegenständliche Kalenderjahr 2020 nicht gegeben habe. Selbst die vom Kläger behauptete und von der Beklagten bestrittene Äußerung als Reaktion auf die Weigerung des Klägers zur Annahme des Änderungsangebots, ihm künftig weniger oder gegebenenfalls sogar gar keine Projekte mehr zuzuweisen unterstellt, genüge dies nicht für einen Entschädigungsanspruch nach § 612a BGB, da dies im Kalenderjahr 2020 (gegebenenfalls noch) nicht umgesetzt worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Kläger im Jahr 2020 Projekte wie das Projekt in B H sowie das Projekt „A “ entzogen worden seien. Es bestehe auch kein Anspruch des Klägers auf Zuweisung exakt oder auch nur der annähernd gleichen absoluten Zahl von Objekten wie den anderen Vertriebsmitarbeitern im Vertriebsteam der Niederlassung K . Die Auswahlentscheidung der Beklagten, wem und wie sie ihre zu vertreibenden Immobilienobjekte zuweise, habe billigem Ermessen entsprochen. Die Tätigkeit des Klägers im Einzelvertrieb sei nicht mit dem von der Beklagten nunmehr als primäres Vertriebsmodell errichteten Teamvertrieb vergleichbar. Es sei nicht ermessenswidrig, den im Teamvertrieb tätigen Vertriebsmitarbeitern zahlenmäßig mehr Objekte zum Vertrieb zuzuweisen. Der Kläger habe im Kalenderjahr 2020 mit einer Vergütung von über 95.000 € sein durchschnittliches Jahreseinkommen bei der Beklagten - bei Herausnahme des jeweils provisionsschwächsten und provisionsstärksten Jahres - von knapp über 96.000 € annähernd erreicht. Er begehre mit seiner vorliegenden Klage letztlich bei wirtschaftlicher Betrachtung mehr als eine Verdreifachung seiner erzielten Jahresvergütung für 2020 auf insgesamt knapp 325.000 €. Der Kläger habe auch bereits dem Grunde nach keinen Anspruch aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, da ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der Vertriebsgruppen „Teamvertrieb“ und „Einzelvertrieb“ vorliege.
46Gegen dieses ihm am 29.10.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.11.2021 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 31.01.2022 begründet.
47Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass das Verhalten der Beklagten evident gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB und den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Die Beklagte habe dem Kläger einzig und allein aufgrund des Umstands, dass er nicht bereit war, einen finanziell deutlich schlechteren Änderungsvertrag zu unterzeichnen, in den vergangenen Jahren sukzessive weniger Immobilienprojekte als seinen vergleichbaren Kolleginnen und Kollegen zum Verkauf zugeordnet, ohne dass es sachliche Gründe für die Differenzierung gebe, und damit die zuvor angekündigte Drohung für den Fall der Verweigerung der Unterschrift unter den neuen Arbeitsvertrag wahrgemacht. Dem Kläger hierdurch entstandene Schäden in den Jahren 2020 und auch 2021 seien auszugleichen. Nach der Entscheidung des BAG vom 07.11.2002 – 2 AZR 742/00 stehe höchstrichterlich fest, dass das Maßregelungsverbot auch dann zur Anwendung komme, wenn dem Arbeitnehmer wie hier Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewähre, die das von ihm gewünschte, aber nicht erzwingbare Verhalten befolgten.
48Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte nach dem sehr guten Jahr 2018 und den noch besseren Perspektiven für die kommenden Jahre im Jahr 2019 angefangen habe, den Kläger aus konkreten Projekten abzuziehen bzw. ihm keine bzw. kaum noch neue Projekte zuzuweisen und stattdessen deutlich kostengünstigere Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter überall dort einzusetzen, wo ein schneller Verkauf prognostiziert worden sei. Der Kläger habe den neuen Arbeitsvertrag mit dem neuen Vergütungsmodell in keinem Fall unterzeichnen können, da die finanziellen Nachteile insbesondere aufgrund der gestiegenen Verkaufszahlen und der deutlich erhöhten Immobilienwerte immens seien. Er berechnet, dass er bei Unterzeichnung finanzielle Einbußen von mehr als 70 % gehabt hätte, wobei er von einer Zuweisung von 35,75 Objekten (= Anzahl der durch die Mitarbeiter mit neuem Vergütungsmodell verkauften Objekte) ausgeht. Gleichwohl sanktioniere die Beklagte den Kläger rechtswidrig für sein legitimes und nachvollziehbares Verhalten. Sein Vorgesetzter, Herr Venjakob, habe ihm unmissverständlich mitgeteilt, dass er ohne Unterzeichnung eines neuen Arbeitsvertrages keine bzw. nur noch eine sehr geringe Anzahl an Projekten bzw. Objekten erhalten werde, da er schlicht zu teuer sei und vor dem Hintergrund der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung mit den massiv steigenden Preisen schlicht zu viel verdiene. Dementsprechend habe die Beklagte ihn sowohl im Jahr 2020 als auch im Jahr 2021 aus schon laufenden Projekten herausgenommen, wie das Projekt „A “ sowie das Projekt in B H .
49Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund der Verletzung des Maßregelungsverbot und des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Jahr 2021 einen Nachteil i.H.v. 168.539,33 Euro brutto erlitten zu haben. Er multipliziert dafür seinen Provisionssatz von insgesamt 1,45 % mit der Differenz der Anzahl der den „Teamvertriebler“ mit neuem Vergütungsmodell zugewiesenen Objekte und der Anzahl der ihm zugewiesenen Objekte mit dem Durchschnittswert der von den Teamvertrieblern verkauften Objekte, mithin 0,0145 x (31,25 – 9) x 522.400,08 Euro. Er geht dabei davon aus, dass die Beklagte ihm angesichts der Belastung der anderen Vertriebsmitarbeiter dann ohne weiteres eine gleiche Anzahl an Objekten zur Verfügung hätte stellen können, zumal auch im Jahr 2021 insgesamt erneut 150 Objekte verkauft worden seien.
50Der Kläger behauptet, dass seine Kolleginnen und Kollegen im Teamvertrieb der Beklagten exakt dieselben Tätigkeiten wie er erbringen; sie seien identisch. Die Beratung erfolge weiterhin durch einen einzelnen Vertriebsmitarbeiter gegenüber potentiellen Kunden. Er sei auch in zwei Fällen im Dezember 2021 für seine Kollegen eingesprungen. Einen sachlichen Grund für die Differenzierung gebe es nicht. Der Kläger ist der Auffassung, die eigentliche Motivlage der Beklagten sei die Reduzierung der Personalkosten zur weiteren Gewinnmaximierung.
51Der Verstoß gegen § 612 a BGB führe zur Unwirksamkeit der Weisung nach § 106 GewO, da sie offensichtlich unbillig sei. Ein Unternehmen könne sein Vertriebssystem im Rahmen der ihm zustehenden Dispositionsfreiheit nach seinen Wünschen zwar umgestalten, aber nur insoweit, als dass die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers hinreichend Berücksichtigung finden und die unternehmerische Entscheidung nicht auf sachfremden Erwägungen beruhe. Vorliegend gebe es bereits keine unternehmerische Entscheidung zur Umstrukturierung des Vertriebssystems. Zudem entspreche eine Ausübung des Direktionsrechts, die zu Vergütungseinbußen des Arbeitnehmers von bis zu 70 % führe, nicht mehr billigem Ermessen im Sinne des §§ 106 S. 1 GewO.
52Zudem habe der Kläger einen Beschäftigungsanspruch unter Zuweisung einer Mindestanzahl an Immobilienobjekten in Relation zu den weiteren Vertriebsmitarbeitern.
53Im Wege der Klageerweiterung macht der Kläger im Berufungsverfahren einen Schadensersatzanspruch für das Jahr 2021 geltend sowie einen Beschäftigungsanspruch.
54Der Kläger beantragt,
551. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.09.2021, Az. 8 Ca 2206 / 21, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 229.948,92 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 168.539,33 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihm auf Basis eines Arbeitsvertrags vom 01.04.2013 bzw. dem Änderungsvertrag vom 04.02.2019 vertragsgemäß als Mitarbeiter im Vertrieb in den Bauträgerbereich in der Region K /B zu beschäftigen und ihm die für seine Tätigkeitserbringung erforderlichen, sowie an der durchschnittlichen Anzahl der den weiteren bei der Beklagten beschäftigten Vertriebsmitarbeitern in der Region K /B zugeordneten Einheiten orientierten Immobilienobjekte zum Verkauf zuzuordnen.
Die Beklagte beantragt,
62die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
63Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Der Kläger habe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz wegen entgangener Verkaufsprovision für das Kalenderjahr 2020. Weder habe sie gegen das Maßregelungsverbot noch gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Im Übrigen sei auch die Klageerweiterung des Klägers unbegründet; ein Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch für das Jahr 2021 bestehe nicht. Sie habe den Kläger auch im Jahr 2021 ordnungsgemäß beschäftigt. Sie behauptet, dass zwischen der Arbeit im Teamvertrieb und der Arbeit im Einzelvertrieb Unterschiede bestehen. Insbesondere bei Großprojekten mit vielen Wohneinheiten sei das Teamvertriebsmodell von großem Vorteil: Die Teamvertriebler können die Arbeit effizient aufteilen. Mehrere Besichtigungen in Folge können direkt vor Ort durchgeführt werden. Außerdem bestehe im Teamvertrieb wegen der Bündelung von Aufgaben weniger Organisationsbedarf für die jeweiligen Projektleitungen. Hintergrund der Umstellung sei, dass die Beklagte ihre finanziellen Ressourcen bündeln müsse, um die teuren – und stark umkämpften – Grundstücke auf dem Markt erwerben zu können. Der Erwerb neuer Grundstücke sei wesentlich, aber zugleich eine der größten Schwierigkeiten der Branche. Aufgrund der massiv gestiegenen Immobilienpreise und dem damit einhergehenden Ungleichgewicht habe sie auch mit den zusätzlich eingesetzten externen Vertrieblern eine Provisionsreduktion von 0,25 % bis 0,5 % vereinbart.
64Die Beklagte ist der Auffassung, dass die vom Kläger vorgenommenen Berechnungen nicht nachvollziehbar seien. Insbesondere die genannten 33,75 Immobilien, die der Kläger angeblich hätte verkaufen können, entbehrten jeder tatsächlichen Grundlage. Hätte die Beklagte nicht das Modell des Teamvertriebs eingeführt, wären die Objekte über externe Vertriebspartner verkauft worden. Unter Zugrundelegung des Einzelvertriebsmodells wäre es der Beklagten somit finanziell nicht möglich gewesen, so viele Immobilien überhaupt zu akquirieren. Eine Jahresvergütung des Klägers von 306.106,25 € sei auch weder zu erwarten noch angemessen gewesen.
65Im Hinblick auf das Projekt in B H trägt die Beklagte vor, Ende Januar 2022 telefonisch mitgeteilt bekommen zu haben, dass die Baugenehmigung erteilt werde. Der Kläger könne also jetzt im Jahr 2022 für beabsichtigte elf Verkäufe dort eingesetzt werden; der Vertrieb habe am 03.06.2022 gestartet.
66Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
67Entscheidungsgründe:
68I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
69Die Klageerweiterung im Berufungsverfahren um die Ansprüche auf Schadensersatz für das Jahr 2021 und den Beschäftigungsanspruch ist zulässig.
70Ihr steht § 533 ZPO nicht entgegen. Danach ist u. a. eine Klageänderung im Berufungsverfahren nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (Nr. 1) und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (Nr. 2).
71Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klageerweiterung um weitere Schadensersatzansprüche und den Beschäftigungsanspruch nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen ist und ihr bereits deshalb § 533 ZPO nicht entgegensteht. Handelt es sich um eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, so ist diese Klageänderung im Berufungsverfahren zulässig. Die Beklagte hat durch rügelose Einlassung mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung ohne inhaltliche Stellungnahme zu deren Zulässigkeit in die Klageänderung eingewilligt (§§ 533 Nr. 1, 525, 267 ZPO).
72Die Klageerweiterung wird auch auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen hat.
73II. Die Klageerweiterung genügt allerdings im Hinblick auf den Beschäftigungsanspruch nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
74Danach ist ein Klageantrag hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird (BAG, Urteil vom 27. April 2021 - 2 AZR 342/20 - juris, dort Rn. 19 m.w.N.).
75Bei der Prüfung, welche Verpflichtungen durch den Vollstreckungstitel festgelegt werden, können neben der Entscheidungsformel auch Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils herangezogen werden. Soweit das Gericht auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verweist, können auch diese bei der Auslegung Berücksichtigung finden (BAG, Beschluss vom 5. Februar 2020 – 10 AZB 31/19 –, juris).
76Der Titel ist danach wegen mangelnder Bestimmtheit nicht für die Zwangsvollstreckung geeignet.
77Aus dem Antrag ergibt sich nicht, mit welcher Anzahl an Immobilienobjekten der Kläger beschäftigt werden will. Eine Bezifferung ist nicht erfolgt. Es ist auch unklar, in welchem Verhältnis die Zuordnung an den Kläger zu den übrigen Vertriebsmitarbeitern stehen soll. Die durchschnittliche Anzahl der den weiteren bei der Beklagten beschäftigten Vertriebsmitarbeitern zugewiesenen Einheiten ist zudem weder aus dem Tenor, noch aus Tatbestand oder Entscheidungsgründen erkennbar.
78III. Das Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Aus denselben Erwägungen wurde die Berufung auch im Hinblick auf die Klageerweiterung für das Jahr 2021 zurückgewiesen.
791. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener Provisionseinnahmen für die Jahre 2020 und 2021 aufgrund Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. Ein solcher Anspruch ergibt sich mangels Verstoßes der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot weder aus § 612 a BGB iVm § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB noch aus § 612 a iVm § 823 Abs. 2 BGB.
80In der „Herausnahme“ des Klägers aus den Projekten „A “ und B H sowie der Zuweisung von „nur“ acht Objekten an den Kläger im Jahr 2020 und „nur“ neun Objekten in 2021 durch die Beklagte liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB (wie schon das Arbeitsgericht für 2020 zutreffend erkannt hat), der einen Schadensersatzanspruch des Klägers auslösen könnte.
81a. § 612 a BGB bestimmt, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Norm erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit (BAG 14. Februar 2007 - 7 AZR 95/06 - juris).
82aa. Das in § 612a BGB geregelte Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht. Diese Entscheidung soll er ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers treffen können (BAG 14. Februar 2007 – aaO.; 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - juris). Indem die Vorschrift dem Arbeitgeber untersagt, bei Vereinbarungen oder Maßnahmen den Umstand zum Nachteil des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat, schränkt sie die Vertrags- und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers ein (vgl. BAG 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 23, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209; 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - aaO). Wie aus dem auf Arbeitnehmer beschränkten Anwendungsbereich der Bestimmung deutlich wird, beruht sie auf dem für Arbeitsverhältnisse typischen Ungleichgewicht, das sich durch Weisungsrechte des Arbeitgebers und Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers auszeichnet (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - aaO).
83bb. Eine Rechtsausübung in diesem Sinn kann nicht nur in der Geltendmachung von Ansprüchen bestehen, sondern auch in der Wahrnehmung sonstiger Rechtspositionen.
84cc. Die verbotene Benachteiligung kann sowohl in einer einseitigen Maßnahme des Arbeitgebers als auch in einer vertraglichen Vereinbarung liegen. Eine Maßnahme rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Art kann in einem Unterlassen bestehen. Ob eine Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegt, ist durch einen Vergleich der Situation des Arbeitnehmers vor und nach der Maßnahme oder Vereinbarung zu beurteilen. Ein Nachteil ist stets gegeben, wenn sich die bisherige Rechtsposition des Arbeitnehmers verschlechtert, seine Rechte also verkürzt werden. Eine Benachteiligung iSv. § 612a BGB kann aber auch darin bestehen, dass dem Arbeitnehmer Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, die entsprechende Rechte nicht ausgeübt haben (vgl. für die st. Rspr. BAG 14. Februar 2007 - 7 AZR 95/06 - Rn. 21 mwN, juris; siehe auch BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - juris).
85dd. Das Maßregelungsverbot ist nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (vgl. etwa BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 28, juris; BAG 18. September 2007 - 3 AZR 639/06 - Rn. 27 - juris).
86ee. Allerdings handelt es sich dann, wenn der Arbeitgeber sein Verhalten an der Rechtsordnung orientiert, um keine nach § 612a BGB unzulässige Benachteiligung. Das in § 612a BGB zum Ausdruck kommende Unwerturteil ist in diesem Fall nicht gerechtfertigt, auch wenn sich aus dem Verhalten des Arbeitgebers Nachteile für den Arbeitnehmer ergeben (BAG 14. Februar 2007 - 7 AZR 95/06 - Rn. 22, BAGE 121, 247). Schutzzweck des Maßregelungsverbots ist es nicht, den Arbeitsvertragsparteien die rechtlich zulässigen Möglichkeiten zur Gestaltung der Arbeits- und Ausscheidensbedingungen zu nehmen (BAG, Urteil vom 21. September 2011 – 7 AZR 150/10 – juris).
87ff. Ein Verstoß gegen § 612a BGB - iVm. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB oder iVm. § 823 Abs. 2 BGB – kann Sekundäransprüche auf Schadensersatz begründen
88(vgl. BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - juris).
89gg. Den Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung vom beklagten Arbeitgeber benachteiligt wurde. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären. Sind entscheidungserhebliche Behauptungen des Arbeitnehmers streitig, sind grundsätzlich die von ihm angebotenen Beweise zu erheben (vgl. BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 – a.a.O.). (vgl. BAG vom 21.09.2011 – 7 AZR 150/10 – juris).
90b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt in dem Verhalten der Beklagten keine unzulässige Benachteiligung des Klägers im Sinne des § 612a BGB, weil er die von ihr Mitte 2020 angebotene Vertragsänderung abgelehnt hat.
91aa. Indem der Kläger das Angebot der Beklagten auf Abschluss des Änderungsentwurfs vom 12.05.2020 mit 4.000,00 € Grundvergütung und zu vereinbarenden leistungsabhängigen Gehaltsbestandteils von 225,00 € (oder auch nach Vortrag des Klägers laut mündlichem Angebot ggfls. 900 €) ausschlug, hat er unstreitig in zulässiger Weise von seinen Rechten Gebrauch gemacht. Das Angebot enthielt eine nicht unerhebliche Reduzierung der Vergütung pro verkaufter Wohneinheit. Der Arbeitnehmer ist in aller Regel nicht verpflichtet, von ihm vertraglich zustehenden Rechten freiwillig Abstand zu nehmen. Die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen kann allenfalls in seltenen extremen Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein (vgl. BAG 18. Dezember 1964 - 5 AZR 262/64 - juris). Solche Gründe bestehen hier nicht. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsatz der Vertragsfreiheit verbietet die Annahme einer rechtlichen Verpflichtung, einen Vertrag allein deshalb abschließen zu müssen, weil eine - noch so überwältigende - Mehrheit von Personen in vergleichbarer Lage Verträge gleichen Inhalts abschließt (BAG, Urteil vom 7. November 2002 – 2 AZR 742/00 –, BAGE 103, 265-276, Rn. 52).
92bb. Die Beklagte hat den Kläger jedoch deshalb nicht unzulässig benachteiligt.
93(1) Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, wäre eine Vorgehensweise der Beklagten, dem Kläger als Reaktion auf die Ablehnung einer arbeitgeberseitig gewünschten Vertragsänderung nur noch wenige oder keine Objekte mehr zum Verkauf zuzuweisen, ggfls soweit, dass ihm nur noch das Fixum von 1.750 € als Vergütung bliebe, grundsätzlich geeignet, eine unzulässige Benachteiligung im Sinne des § 612 a BGB darzustellen. Nach dem zugrunde liegenden Vertriebsmodell bedarf die Tätigkeit des Klägers der Zuweisung von Objekten durch die Beklagte zum Verkauf an ihn. Der Kläger hat ohne diese Zuweisung nicht die Möglichkeit, Immobilien zu verkaufen und Umsätze zu generieren. Ihm ist nicht ein festes Gebiet zugeordnet, in dem alle Verkäufe auf ihn entfallen; ebenso wenig gibt es einen festen Kundenstamm. Er kann auch nicht von sich aus Kunden akquirieren. Der Kläger bedarf für seine Tätigkeit zum Vertrieb einer Immobilie stets einer vorherigen Mitwirkungshandlung der Beklagten. Die Beklagte trifft also eine Initiativlast, dem Kläger zur vertragsgemäßen Beschäftigung Objekte zur Vermittlung zuzuweisen. Hier zeigt sich insbesondere das für das Arbeitsverhältnis typische Ungleichgewicht, das sich durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers und die Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers auszeichnet, dem die Schaffung des §§ 612 a BGB Rechnung trägt.
94(2) Der Kläger sieht seine Benachteiligung zum einen darin, dass die Beklagte ihm in 2020 und 2021 nur einen Bruchteil der Projekte im Vergleich zu seinen Kolleginnen und Kollegen zugewiesen habe.
95(a) In der Zuweisung von erheblich weniger Verkaufsobjekten an den Kläger als an seine Kollegen im „Teamvertrieb“ mit erheblich niedrigerer, fixer Vergütung pro Verkaufsobjekt liegt bereits keine Benachteiligung. Der Kläger bekommt zwar aufgrund des Festhaltens an seinem Arbeitsvertrag und den Provisionsvereinbarungen mit prozentualer Beteiligung weniger Immobilien zum Verkauf zugeteilt als seine Kollegen im „Teamvertrieb“. Jedoch wird er ihnen gegenüber dadurch nicht benachteiligt. Die Zuweisung kann nämlich nicht losgelöst von der für den Verkauf vereinbarten Vergütung gesehen werden. Zu berücksichtigen ist, dass die Mitarbeiter mit den neuen Arbeitsverträgen pro verkauftem Objekt jeweils 225,00 € brutto erhalten, der Kläger jedoch bei dem von ihm angegebenen Durchschnittsverkaufspreis in 2020 von 550.000 € 6.875,00 € brutto (jeweils ohne Erfolgsprämie). Demnach haben die „Teamvertriebler“ im Jahr 2020 durch den Verkauf von jeweils 35,75 Wohneinheiten einen Anspruch auf 8.043,75 € brutto Provision zuzüglich 12 x 2.800 € brutto Fixgehalt erworben, mithin insgesamt einen Anspruch auf Vergütung in Höhe von 41.643,75 € brutto. Wie sich die Vergütung des Klägers für 2020 tatsächlich zusammengesetzt hat und wie insbesondere der Wert der von ihm verkaufen Objekte war, hat der Kläger nicht vorgetragen. Bei einem Durchschnittswert von 550.000 € hätte der Kläger für sieben Objekte Provisionen (ohne Erfolgsprovision) in Höhe von 48.125,00 € brutto zuzüglich Fixum von 21.000 € brutto, mithin insgesamt jedenfalls 69.125,00 € brutto, durch die Verkäufe in 2020 verdient. Tatsächlich hat der Kläger in 2020 sogar 95.602,23 € brutto erhalten, wobei darin noch Verkäufe aus dem Vorjahr enthalten sein können.
96Im Jahr 2021 haben die „Teamvertriebler“ durch den Verkauf von jeweils 31,25 Wohneinheiten einen Anspruch auf Provision in Höhe von 7.812,50 € brutto zuzüglich Fixgehalt in Höhe von 33.600 € brutto, mithin insgesamt in Höhe von 41.412,50 € brutto erworben. Der Kläger hätte bei neun Verkäufen in 2021 bei dem von ihm für die Teamvertriebler angegebenen Durchschnittswert von 522.400,08 € Provisionsansprüche in Höhe von 58.770,01 € brutto plus 21.000 € brutto Fixgehalt, mithin insgesamt einen Vergütungsanspruch in Höhe von 79.770,01 € brutto. Wie der Kläger darin für die Jahre 2020 und 2021 eine Benachteiligung gegenüber diesen Arbeitnehmern sehen will, erschließt sich der Kammer nicht.
97(b) Insofern scheitert auch der Verweis des Klägers auf die Entscheidung des BAG vom 07.11.2002 – 2 AZR 742/00, dahingehend, dass auch bei einem Vorenthalten von Vorteilen, die anderen Arbeitnehmern gewährt werden, das Maßregelungsverbot zur Anwendung komme, bereits daran, dass den „anderen Arbeitnehmern“ gegenüber dem Kläger keine Vorteile gewährt werden (s. auch oben BAG vom 14.2.2007 – 7 AZR 95/06). Die Teamvertriebler erhalten je verkauftem Objekt nur einen Bruchteil der Provision, die der Kläger erhält. Um bei einem Verkaufspreis von etwa 550.000 € die Provision zu erhalten, die der Kläger durch den Verkauf einer Immobilie erhält, benötigen sie etwa 30 Verkäufe und haben somit weit mehr Arbeitsaufwand.
98(3) Der Kläger sieht einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB zudem in einer sukzessiven Reduzierung seiner Projektteilnahme im zweiten Halbjahr 2020, die mit der Zielsetzung erfolgt sei, ihn zum Abschluss des Arbeitsvertragsentwurfes vom 12.05.2020 zu nötigen. Die vorherige Ankündigung habe die Beklagte sodann unmittelbar für anstehende Projekte in B H in die Tat umgesetzt und den Kläger aus ihm zuvor schon zugeteilten Einheiten herausgenommen. Weiter habe sie ihre Drohung wahrgemacht, indem sie ihm in den folgenden Monaten überhaupt keine neuen Projekte mehr zugeteilt habe. Auch aus dem Projekt „A “ sei er 2021 herausgenommen worden.
99(a) Auch wenn man hinsichtlich einer Benachteiligung des Klägers seine Situation im Hinblick auf die zugeteilten Projekte vor Nichtannahme des neuen Arbeitsvertrages und danach vergleicht, ist eine unzulässige Benachteiligung iSd § 612 a BGB nicht gegeben.
100(b) Diesbezüglich trägt der Kläger zum einen selbst vor, dass die Beklagte nach dem sehr guten Jahr 2018 und den noch besseren Perspektiven für die kommenden Jahre im Jahr 2019 angefangen habe, den Kläger aus konkreten Projekten abzuziehen bzw. ihm keine bzw. kaum noch neue Projekte zuzuweisen und stattdessen deutlich kostengünstigere Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter überall dort einzusetzen, wo ein schneller Verkauf prognostiziert worden sei.
101Tatsächlich wurden dem Kläger im Jahr 2019 acht Immobilien zum Verkauf zugewiesen, in 2020 ebenso acht (von denen der Kläger sieben verkaufte) und in 2021 neun Immobilien. Dies legt nahe, dass die Zuweisung von weniger Objekten als in vorherigen Jahren keine Sanktion der Beklagten für die Nichtannahme des Vertragsentwurfs aus Mai 2020 war, sondern bereits vorher begonnen und nachher fortgesetzt wurde. Die Nichtunterzeichnung der Vertragsänderung im Mai / Juni 2020 stellt insofern keine Zäsur dar.
102Grund für die Zuweisung von weniger Objekten ab 2019 war vielmehr, wie der Kläger auch selbst vorträgt, eine erhebliche Kostenersparnis bei der Beklagten durch den Einsatz der Mitarbeiter mit den neuen Arbeitsverträgen, der die unternehmerische Entscheidung der Beklagten aus 2015 zugrunde liegt, deutschlandweit nach und nach vollständig auf einen Teamvertrieb umzustellen, bei dem die „Teamvertriebler“ eine feste, vom Kaufpreis unabhängige Provisionssumme pro verkaufter Wohneinheit von idR 225,00 € brutto und damit relevant weniger als Angestellte mit kaufpreisabhängigen Provisionen erhalten. In 2020 und 2021 waren die neben dem Kläger angestellten vier Mitarbeiter sämtlich „Teamvertriebler“ mit den neuen Arbeitsverträgen.
103Selbst wenn die Beklagte bereits erfolgte Zuweisungen rückgängig gemacht hätte, wie der Kläger bezüglich des Projekts A und des Projekts in B H behauptet, steht der Aspekt der Kostenersparnis bei der Beklagten im Vordergrund. Grund ist, dass ein Verkauf durch die „Teamvertriebler“ wesentlich kostengünstiger ist. Dies umso mehr bei massiv steigenden Verkaufspreisen. Nichts anderes zeigt auch die vom Kläger angeführte Dokumentation der Beklagten mit einer Kostenersparnis von Vergütungen in Höhe von 100.000 Euro. Die Nichtunterzeichnung des Arbeitsvertrages durch den Kläger ist nicht der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die Übertragung eines ggfls bereits dem Kläger zugewiesenen Projekts an die „Teamvertriebler“.
104Nur ergänzend sei insofern erwähnt, dass durch den Abzug des Klägers aus dem Projekt B H im Juni 2020 kein Schaden bei dem Kläger entstanden sein kann, denn durch die unstreitig bis in das Jahr 2022 hinein nicht erteilte Baugenehmigung hätte der Kläger dort in 2020 und 2021 keine Immobilie verkaufen können.
105(4) Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden kann, dass der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, Herr V , ihm deutlich gemacht habe, dass er in Zukunft keine weiteren Projekte bzw. deutlich weniger als seine Kollegen erhalten werde, da er schlicht „zu teuer“ sei und vor dem Hintergrund der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung mit den massiv steigenden Preisen schlicht zu viel verdiene. Wie dargelegt, stellt die schon zuvor praktizierte Zuweisung von weniger Objekten an den Kläger als an seine Kollegen im Teamvertrieb schon keine Benachteiligung des Klägers dar. Eine komplette Herausnahme aus der Zuweisung von Projekten ist hingegen nicht erfolgt.
1062. Aus den unter bb. (2) dargelegten Gründen ersichtlich scheidet auch ein vom Kläger geltend gemachter Schadensersatzanspruch aufgrund Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (vergleiche auch BAG vom 07.11.2002 – 2 AZR 762/00 - juris unter Verweis auf BVerfG vom 15.10.1985 – 2 BvL 4/83 – BverfGE 71, 39, 58). Der Kläger und die sogenannten „Teamvertriebler“ bei der Beklagten mit der zuvor dargelegten Vergütungsvereinbarung sind keine Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage. Die Differenzierung in der Anzahl der Zuweisungen ist nicht sachfremd.
1073. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Überschreitung der Grenzen des Weisungsrechts, § 280 Abs. 1 BGB, § 315 GewO oder nach §§ 241 Abs. 2 BGB, 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der obliegenden Pflicht zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Klägers.
108a. Der Kläger ist der Auffassung, die Zuteilung „nur eines Bruchteils der Projekte bzw. Objekte im Vergleich zu seinen Kolleginnen und Kollegen“ und der damit zusammen hängende Verstoß gegen § 106 GewO führe zur Unwirksamkeit der Weisung nach § 106 GewO, da sie offensichtlich unbillig sei. Ein Unternehmen könne sein Vertriebssystem im Rahmen der ihm zustehenden Dispositionsfreiheit nach seinen Wünschen zwar umgestalten, aber nur insoweit, als dass die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers hinreichend Berücksichtigung finden und die unternehmerische Entscheidung nicht auf sachfremden Erwägungen beruhe. Er verweist insofern auf die Entscheidung des BAG vom 16.02.2012 – 8 AZR 98/11. Zudem entspreche eine Ausübung des Direktionsrechts, die zu Vergütungseinbußen des Arbeitnehmers von bis zu 70 % führe, nicht mehr billigem Ermessen im Sinne des §§ 106 S. 1 GewO.
109b. Die Beklagte hat durch die Zuweisung von acht und neun Objekten ihr Direktionsrecht in den Jahren 2020 und 2021 nicht rechtswidrig ausgeübt.
110Entgegen der Auffassung des Klägers verfolgt die unternehmerische Entscheidung zur Umstrukturierung des Vergütungssystems nicht den alleinigen Zweck, den Kläger zur Umstellung seines Arbeitsvertrags zu bewegen und ist nicht damit offensichtlich von sachfremden Erwägungen getragen.
111aa. Nach der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des BAG vom 16.02.2012 – 8 AZR 98/11 gilt Folgendes:
112Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (vgl. BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, BAGE 132, 72 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Im Arbeitsverhältnis können die Vertragspartner deshalb zur Verwirklichung des Leistungsinteresses zu leistungssichernden Maßnahmen verpflichtet sein. Dazu gehört auch die Pflicht, im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner die Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrages zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen bzw. zu beseitigen und dem anderen Teil den angestrebten Leistungserfolg zukommen zu lassen. Die Interessen des Arbeitnehmers sind dabei so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner sowie der anderen Arbeitnehmer nach Treu und Glauben verlangt werden kann, dh. die Reichweite der Fürsorgepflicht kann nicht ohne Rücksicht auf die eigenen Interessen des Arbeitgebers bestimmt werden (BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 – 8 AZR 98/11 –, Rn. 50, juris).
113Zwar wird bei Handelsvertretern angenommen, dass der Unternehmer die Pflicht habe, das Vertriebssystem so auszugestalten, dass dem Handelsvertreter eine hinreichende Einnahmemöglichkeit geboten wird. Eine solche Organisationspflicht findet aber in der Dispositionsfreiheit des Unternehmens ihre Grenze. Der Unternehmer muss sich nicht dem Handelsvertreter unterordnen, sondern darf frei entscheiden, was in seinem geschäftlichen Interesse liegt. Es ist grundsätzlich sein alleiniges und frei auszuübendes Recht, den Betrieb so einzurichten, umzugestalten und in der Öffentlichkeit darzustellen, wie es ihm richtig und vernünftig erscheint. Hiervon geht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus. So muss der Unternehmer den Interessen des Handelsvertreters ausreichend Rechnung tragen und darf diesen nicht willkürlich und ohne vertretbaren Grund zuwiderhandeln (vgl. BGH 23. Juli 1997 - VIII ZR 130/96 - zu II B 1 b der Gründe mwN, BGHZ 136, 295). Die Grenze bildet allein die Willkür. Dies gilt auch im Verhältnis Arbeitnehmer - Arbeitgeber. Auch die Gerichte für Arbeitssachen unterziehen unternehmerische Organisationsentscheidungen allein einer Missbrauchskontrolle. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, dem Arbeitgeber eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in die Kostenkalkulation des Arbeitgebers einzugreifen. Die Gestaltung eines Betriebes, die Frage, ob und in welcher Weise sich jemand wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit, wie sie sich aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und Art. 14 GG ableiten lässt. Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich bis an die Grenze der Willkür berechtigt, seine betrieblichen Aktivitäten einzuschränken und bspw. bestimmte, bisher in seinem Betrieb verrichtete Arbeiten, an Dritte fremd zu vergeben. (…) Willkür liegt vor, wenn die vom Unternehmer/Arbeitgeber getroffene Entscheidung ohne Prüfung und Abwägung der Gegebenheiten erfolgt, das ihm eingeräumte unternehmerische Ermessen nicht ausgeübt wurde, oder wenn die Entscheidung aus sachfremden Erwägungen veranlasst worden ist. Allerdings folgt Willkür nicht bereits daraus, dass sich eine unternehmerische Entscheidung nachträglich als unzweckmäßig oder verfehlt erweist (BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 – 8 AZR 98/11 –, Rn. 51, juris). (Zu den Grundsätzen so auch LAG Köln vom 28.02.2020 – 4 Sa 326/19 – juris mit weiteren Nachweisen)
114bb. Entgegen der Behauptung des Klägers hat die Beklagte eine unternehmerische Entscheidung zur Umstrukturierung des Vertriebssystems getroffen, die nicht aus sachfremden Erwägungen veranlasst war und diese auch umgesetzt. Die Beklagte hat in 2015 die unternehmerische Entscheidung getroffen, deutschlandweit nach und nach vollständig auf einen Teamvertrieb umzustellen, bei dem die „Teamvertriebler“ eine feste, vom Kaufpreis unabhängige Provisionssumme pro verkaufter Wohneinheit von idR 225,00 € brutto und damit relevant weniger als Angestellte mit kaufpreisabhängigen Provisionen erhalten. Hintergrund der Umstellung war u.a., dass sie ihre finanziellen Ressourcen bündeln wollte, um die preislich gestiegenen – und stark umkämpften – Grundstücke auf dem Markt erwerben zu können. Im Juni 2020 arbeiteten in Folge dessen in der Region K /B vier Mitarbeiter als „Teamvertriebler“ mit entsprechenden neuen Vereinbarungen und der Kläger mit jährlich getroffenen kaufpreisabhängigen Provisionsvereinbarungen; deutschlandweit ca. 26 sog. „Teamvertriebler“ und noch drei im „Einzelvertrieb“.
115Das Modell des Teamvertriebs bezweckt sicherlich in erster Linie die Einsparung von Personalkosten – wie auch die Beklagte einräumt und was legitim ist -, allerdings entgegen der Behauptung des Klägers nicht ausschließlich. Die Übertragung von Projekten an ein Vertriebsteam im Gegensatz zu einem Einzelvertriebler stellt jedenfalls im Hinblick auf die Organisation und Aufteilung der einzelnen Aufgaben einen Unterschied dar. Die Aufteilung der einzelnen Projekte sowie Aufgaben liegt bei dem Teamvertrieb nunmehr für die Gesamtheit der ihm übertragenen Projekte bei dem Team. Dass dies mit weniger Organisationsbedarf für die jeweiligen übergeordneten Projektleitungen einhergeht, kann kaum bezweifelt werden.
116cc. Ebenso wie in der zitierten Entscheidung sind bei der danach für die Beklagte gebotenen Pflicht zur Rücksichtnahme auch die Interessen des Klägers zu berücksichtigen, insbesondere, dass dieser überwiegend Einkommensprovision erzielt, also in besonderer Weise von Änderungen im Vertriebssystem betroffen sein kann. Folge der Umsetzung der Entscheidung ist, dass die Beklagte den Großteil der Immobilien nunmehr über den Teamvertrieb mit geringeren Personalkosten laufen lässt. Jedoch hat sie jedenfalls in den streitgegenständlichen Jahren 2020 und 2021 auch den im Einzelvertrieb tätigen Kläger weiterhin bei der Zuteilung berücksichtigt. Wie auch das Arbeitsgericht dargelegt hat, hat der Kläger im Jahre 2020 mit einer Vergütung von 95.602,23 € brutto sein - bei Herausnahme des jeweils provisionsschwächsten und provisionsstärksten Jahres - durchschnittliches Einkommen von knapp über 96.000 € brutto annähernd erreicht. Im Jahr 2021 hat er es mit 102.247,96 € brutto sogar etwas überschritten.
117Falsch ist die Behauptung des Klägers, dass die Ausübung des Direktionsrechts der Beklagten bei ihm zu Vergütungseinbußen von bis zu 70 % führt. Der Kläger geht bei seiner Berechnung von einem Anspruch auf Zuteilung der gleichen Anzahl von Objekten wie den Mitarbeitern im Vertrieb aus. Einen solchen Anspruch hat er jedoch nicht; er ergibt sich insbesondere nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (s.o.). Zudem enthält die Berechnung des Klägers auch insofern einen Denkfehler, als dass sich bei gleichmäßiger Verteilung der Immobilien in den Jahren 2020 und 2021 auf die fünf angestellten Mitarbeiter (inklusive des Klägers) anstatt auf vier ein anderer Schnitt der Zuteilung ergäbe, nämlich 151 (143 plus der acht Zuweisungen des Klägers) geteilt durch fünf, also 30,2 anstatt von 35,75 Immobilien. Selbiges gilt für 2021.
118IV. Der von dem Kläger geltend gemachte Beschäftigungsanspruch ist neben seiner Unzulässigkeit auch unbegründet. Der Kläger hat nach §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB keinen Beschäftigungsanspruch unter Zuteilung einer „an der durchschnittlichen Anzahl der den weiteren bei der Beklagten beschäftigten Vertriebsmitarbeitern Region K /B zugeordneten Einheiten orientierten Immobilienobjekte zum Verkauf“. Wie der Kläger selbst einräumt, ergibt die arbeitsvertragliche Vereinbarung keine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine bestimmte Anzahl von Immobilien zuzuweisen. Auch rückt der Kläger durch seinen Antrag hier zu Recht davon ab, einen Anspruch darauf zu haben, dass ihm die gleiche Anzahl an Projekten wie den übrigen, im Teamvertrieb tätigen Mitarbeitern zugewiesen wird. Woraus sich aber sein Anspruch auf eine Übertragung von Objekten in einem gewissen Verhältnis zu den Übertragungen an die Teamvertriebler ergeben soll, legt er nicht dar. Ein solcher Anspruch ist mangels Vergleichbarkeit der Konditionen ebenso wenig gegeben.
119V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalles beruht.