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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 13.01.2022 – 8 Ca 1229/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Untersagung der Weitergabe von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen sowie Schadensersatz.
3Die Klägerin ist neben der Firma T ein weltweit führender Hersteller von Füllmaschinen für Lebensmittel und Getränke sowie des zugehörigen Verpackungsmaterials. Im Gegensatz zur Firma T und sonstigen Konkurrenzunternehmen liefert die Klägerin Verpackungsmaterialien nicht als Rollware, sondern in Form von flachen und bereits an der Längsnaht versiegelten Verpackungsmänteln (Sleeves). Die Sleeves vertreibt die Klägerin nicht an jedermann, sondern an SIG-Systemkunden im Rahmen von Packstoffverträgen. In den letzten Jahren sind vermehrt weitere Marktteilnehmer als Konkurrenten im Sleeve-Markt aufgetreten; der Umfang des Wettbewerbs ist zwischen den Parteien streitig.
4Die Sleeves produziert die Klägerin auf automatischen Faltschachtelklebemaschinen (AFK-Maschinen). Zulieferer dieser Maschinen war vor allem die Firma P GmbH & Co. KG., die nicht berechtigt war, AFK-Maschinen an Dritte zu liefern.
5Weltweit produziert die Klägerin rund 34 Milliarden Sleeves pro Jahr. Bislang produziert kein anderes Unternehmen weltweit Sleeves in ähnlicher Menge. Zwei chinesische Unternehmen stellten jedoch bereits rund 300.000 bzw. 250.000.000 Sleeves her. Die 250.000.000 Sleeves wurden von der C Co. Ltd. verkauft. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Sleeves denjenigen der Klägerin gleichwertig sind, insbesondere hinsichtlich der aseptischen Eigenschaften. Zudem gelang es auf dem europäischen Markt der Firma A Europe B.V., 40.000 Sleeves an einen der Hauptkunden der Klägerin, der R Deutschland GmbH bzw. an die R B.V. (R), zu liefern.
6Der Beklagte war bei der Klägerin von Oktober 1988 bis zum 31.12.2016, beschäftigt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung der Produkte der Klägerin beteiligt war und stand in engem Austausch mit Mitarbeitern aus dem Bereich Forschung und Entwicklung. Ab dem 01.01.2009 übernahm er als außertariflicher Angestellter die Funktion des Central Technology Managers. Nach Ziffer 11. des Arbeitsvertrages vom 05.12.2008 war er auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Geheimhaltung über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 05.12.2008 wird auf Bl. 48 ff. d. A. verwiesen.
7Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31.12.2016 und nahm ab dem 01.01.2017 die Tätigkeit eines Global Technology Mangers bei der R auf.
8Der Beklagte hatte noch während seiner Tätigkeit für die Klägerin im Jahre 2015 mehrere E-Mails nebst Anlagen unter einem Pseudonym an die damaligen Gesellschafter der C Packaging GmbH, die Herren S und G, versandt. Bei der C GmbH handelte es sich seinerzeit um eine (potentielle) Konkurrentin der Klägerin, die an einem Markteintritt im Bereich der Fertigung von Sleeves im industriellen Maßstab interessiert war. Die Anlagen zu den E-Mails enthielten spezifische Leistungsdaten und Prozessparameter der AFK-Maschinen sowie Geometrie- und Toleranzdaten der Sleeves der Klägerin, die der Beklagte in einer weiteren E-Mail vom 15.02.2017 als das geistige Eigentum seiner Firma D bezeichnete. Eine E-Mail vom 20.09.2015 enthielt technologische Angaben und Leistungsdaten zu verschiedenen auf den AFK-Maschinen zu durchlaufenden Stationen. Die Anlagen zu einer E-Mail vom 13.12.2015 beinhalteten Angaben zur Mantelspannung bzw. Aufspringhöhe der Sleeves, welche für deren Aseptik und damit für die Haltbarkeit der abgefüllten Lebensmittel bzw. Getränke entscheidend sind. In den Anlagen einer E-Mail vom 31.12.2015 teilte der Beklagte insbesondere spezifische Angaben zur Längsnahtgeometrie, Nahtdicke sowie Toleranzangaben auf ein Hundertstel Millimeter mit.
9Die streitgegenständlichen Informationen sind weitgehend nicht durch gewerbliche Schutzrechte geschützt. Dies beruht auf einer bewussten Entscheidung der Klägerin, da sie durch die Anmeldung von Schutzrechten ein Bekanntwerden der Informationen befürchtet. Bestimmte Angaben (z. B. in Bezug auf die Herstellung der Längsnaht sowie der Nahtdicke der Sleeves) sind jedoch in Patentschriften öffentlich geworden.
10Der C GmbH gelang zu keinem Zeitpunkt die Herstellung von Sleeves, obgleich sie dies mittels einer selbst beschafften AFK-Maschine und den von dem Beklagten erhaltenen Informationen versuchte. Im September 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C GmbH eröffnet, die Gesellschaft ist mittlerweile aufgelöst.
11Die Klägerin erfuhr im Oktober 2018 von dem Versand der E-Mails 2015 und mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 12.10.2018 ab.
12Die Klägerin scheiterte mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten auf Untersagung der Weitergabe von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen vor dem Landesarbeitsgericht Köln (Urt. v. 02.12.2019 - 2 Sa Ga 20/19 -). Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen aus, dass die Geheimhaltungsvereinbarung im Arbeitsvertrag aufgrund ihrer umfassenden Reichweite sittenwidrig sei. Ihre Unwirksamkeit ergebe sich auch aus § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Beklagten. Durch die unstreitige Fertigung von Konkurrenzprodukten im Umfang von 40.000 Sleeves in Europa bzw. 300.000 Sleeves in China sei von der Bekanntheit der in Rede stehenden Informationen am Markt auszugehen. Die Behauptungen des Beklagten zur Beschaffung der notwendigen Parameter durch erlaubtes Reverse Engineering seien von der Klägerin nicht widerlegt worden. Zudem fehle es an dem Nachweis eines angemessenen Geheimhaltungsmanagements bezogen auf einzelne Geheimnisse, so dass auch deshalb ein Unterlassungsanspruch aus § 6 GeschGehG ausscheide. Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen und der Begründung des Landesarbeitsgerichts Köln wird auf Bl. 428 ff. d. A. Bezug genommen.
13Mit Urteil vom 13.01.2022 hat das Arbeitsgericht Aachen (Bl. 678 ff. d. A.) die Klage, mit der die Klägerin vom Beklagten die Unterlassung der Weitergabe von Informationen, die sie als ihre Geschäftsgeheimnisse ansieht, sowie auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der auf Feststellung des Ersatzes von entstandenen oder künftigen Schaden gerichtete Antrag sei unzulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei nicht gegeben, denn die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts ergebe. Für einen Unterlassungsanspruch komme dem Grund nach allein § 6 GeschGehG in Betracht. Die Klägerin habe jedoch nicht dargelegt, dass die Leistungsdaten und Prozessparameter der AFK-Maschinen und die Geometrie- und Toleranzdaten ihrer Sleeves weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Information umgehen, nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert seien. Jedenfalls fehle es an einem geeigneten Vortrag der Klägerin dazu, dass sie die nach den Umständen angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 2 Nr. 1 b) GeschGehG ergriffen habe. Die umfassende Catch-All-Klausel der Ziffer 11. des Arbeitsvertrages stelle eine übermäßige Vertragsbindung dar, die sittenwidrig und somit unwirksam sei. Ferner folge ihre Unwirksamkeit als allgemeine Geschäftsbedingung aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine Bindung ohne jede zeitliche Beschränkung und ohne inhaltliche Konkretisierung berücksichtige nicht ausreichend die grundgesetzlich geschützte Rechtsposition des Arbeitnehmers aus Art. 12 GG. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
14Gegen das ihr am 02.02.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.03.2022 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 29.04.2022 begründet.
15Unter Bezugnahme und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags führt die Klägerin aus, dass ein Feststellungsinteresse für den Schadensersatzantrag gegeben sei. Es sei ein großzügiger Maßstab anzulegen, es genüge daher die nicht fernliegende Möglichkeit eines Schadenseintritts. Der Eintritt eines Schadens werde durch die Insolvenz der C GmbH nicht ausgeschlossen. Eine Darlegung der Weitergabe der Informationen durch die Geschäftsführung C GmbH könne von der Beklagten mangels eigener Erkenntnisquellen nicht verlangt werden. Zudem habe das Arbeitsgericht nicht hinreichend die langen Produktzyklen gewürdigt.
16Die Klägerin habe einen Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe von Geschäfts- oder Betriebsgeheimissen gegenüber dem Beklagten nach § 8 UWG i. V. m. §§ 3, 3a, 17 UWG a. F. Eine Verpflichtung zu Maßnahmen zum Geschäftsgeheimnisschutz habe im Zeitraum der Beschäftigung des Beklagten nach alter Rechtslage nicht bestanden. Hilfsweise folge der Anspruch aus § 6 GeschGehG. Die konkrete Zusammensetzung und die Qualitätsmerkmale der Konkurrenzprodukte, einschließlich der Geometrie- und Toleranzdaten, seien der Klägerin unbekannt, könnten jedoch durch einen fachkundigen Sachverständigen geklärt werden. Die Anforderungen an den Geheimhaltungsschutz dürften nicht überstrapaziert werden. Es genüge daher, dass die maßgeblichen Informationen nach dem sogenannten Need-to-know Prinzip ausschließlich denjenigen Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt worden seien, die dem Forschungs- und Entwicklungsteam angehört oder die Informationen zum Bedienen der automatischen Faltschlachtenklebemaschinen benötigt hätten. Zudem seien alle Arbeitnehmer auf den wirtschaftlichen Wert der Informationen und die Vertraulichkeit hingewiesen worden.
17Die Klägerin beantragt,
18unter Abänderung des am 13. Januar 2022 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Aachen – 8 Ca 1229/20 –
191. dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse der Klägerin, die ihm im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, unbefugt an Dritte mitzuteilen oder weiterzugeben, und zwar in Form der Weitergabe von spezifischen Leistungsdaten der Packstoffproduktionsanlagen (z. B. AFK-Maschinen) oder von exakten Geometriedaten und Toleranzen betreffend das Verpackungsmaterial, wie durch die in den Anlagen K9, 10 und 11 aufgeführten E-Mails vom 20.09.2005, 13.12.2015 und 31.12.2015 und den Anlagen „2.2 Randstreifen und Staub.docx“, „2.3 Kühlwasser.docx“, „2.6 Saugventilator.docx“, „QS-609.docx“ betreffend das „Aufspringverhalten“ und „QS—604.docx“ betreffend die „Längsnahtgeometrie Nahtdicke“, geschehen, die der Beklagte unter dem Pseudonym „Klaus Fisher“ versandt hat, es sei denn, der Beklagte hat die benannten Daten rechtmäßig von Dritten wie seinem aktuellen Arbeitgeber, der R Deutschland GmbH, erhalten oder es handelt sich hierbei um Wissen, welches der Beklagte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus seinem Gedächtnis reproduziert hat, ohne auf schriftliche Unterlagen zurückzugreifen, die er während der Beschäftigungszeit bei der Klägerin angefertigt hat;
202. dem Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Abordnung nach Ziffer 1. Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen, wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 €, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf;
213. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihr infolge der E-Mails des Beklagten vom 20.09.2005, 13.12.2015 und 31.12.2015 und den Anlagen „2.2 Randstreifen und Staub.docx“, „2.3 Kühlwasser.docx“, „2.6 Saugventilator.docx“, „QS-609.docx“ betreffend das „Aufspringverhalten“ und „QS—604.docx“ betreffend die „Längsnahtgeometrie Nahtdicke“, geschehen, die der Beklagte unter dem Pseudonym „K F“ versandt hat, entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
22Der Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Ein Interesse an alsbaldiger Feststellung einer Schadenersatzpflicht sei mangels akuter Gefährdung und wegen fehlender Wahrscheinlichkeit von Folgeschäden nicht gegeben. Jedenfalls fehle es wegen der Insolvenz der C GmbH an einer Kausalität zwischen der Weitergabe von Informationen und einem drohenden Vermögensschaden. Darüber hinaus habe die Klägerin nicht dargetan, dass die Sleeves nur mit vermeintlichen Geschäftsgeheimnissen der Klägerin funktionsfähig seien. Hinreichende Geheimhaltungsmaßnahmen habe die Klägerin nicht ergriffen. Für die Erhebung eines Sachverständigengutachtens fehle es an hinreichenden Anknüpfungstatsachen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 29.04.2022 und 27.06.2022, die Sitzungsniederschrift vom 28.09.2022 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
27I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
28II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit in jeder Hinsicht zutreffender und sorgfältiger Begründung, der sich die Berufungskammer anschließt und auf die zum Zwecke von unnötigen Wiederholungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Die Berufungsbegründung vermag eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung nicht zu rechtfertigen.
291. Der Feststellungsantrag zu 3) ist mangels Feststellungsinteresse unzulässig.
30a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Wird Klage auf Feststellung erhoben, dass die Gegenseite verpflichtet sei, zukünftige Schäden zu ersetzen, liegt ein Feststellungsinteresse vor, wenn der Schadenseintritt möglich ist, auch wenn Art und Umfang sowie Zeitpunkt des Eintritts noch ungewiss sind. Es muss lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen (BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 10 AZR 233/18 – m. w. N.). Dies betrifft Fälle, in denen es ausschließlich um befürchtete künftige Vermögensschäden geht, eine Leistungsklage also noch gar nicht in Betracht kommt. Im Unterschied hierzu genügt in Fällen, in denen ein Vermögens(teil)schaden bereits entstanden ist und der Eintritt weiterer Vermögensschäden im Rahmen der noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung erwartet wird, die (bloße) Möglichkeit eines künftigen weiteren Schadenseintritts für die Zulässigkeit der Feststellungsklage (BGH, Urt. v. 05.10.2021 – VI ZR 136/20 – m. w. N.). Das Feststellungsinteresse ist von der klagenden Partei darzulegen und ggfs. zu beweisen (vgl. z.B.: Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 256 ZPO, Rn. 7 m. w. N.).
31b) Da im Streitfall noch kein von der Klägerin dargelegter Vermögens(teil)schaden eingetreten ist, ist entscheidend auf die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts abzustellen. Die Klägerin hat eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht vorgetragen, sondern nach ihrem Vorbringen besteht allenfalls die (entfernte) Möglichkeit eines künftigen Vermögensschadens. Der erstinstanzlich im Kammertermin vom 13.01.2022 von der Beklagten behauptete Produktzyklus von sieben oder acht Jahren ist seit dem Versand der letzten E-Mails im Jahre 2015 an die ehemaligen Geschäftsführer der C GmbH nahezu ausgeschöpft. Dieser Zeitablauf in Kombination mit dem Tatbestand der Insolvenz und des fehlgeschlagenen Versuchs der Reproduktion der Sleeves in größerem Umfang, lässt einen Schadenseintritt eher als unwahrscheinlich erscheinen. Der Verweis auf die theoretische Möglichkeit der Weitergabe der Informationen an Dritte, für die tatsächlich keine vorgebrachten Anhaltspunkte bestehen, vermag die gebotene Wahrscheinlichkeit unter Abwägung der berechtigten Interessen des möglichen Schädigers, dem nicht ein Rechtsstreit über gedachte Fragen aufgezwungen werden soll, von denen ungewiss ist, ob sie jemals praktische Bedeutung erlangen könnten, nicht zu begründen.
322. Der Unterlassungsantrag zu 1) ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Aus diesem Grund fällt auch der Antrag zu 2) nicht zur Entscheidung an.
33a) Ein auf Wiederholungsgefahr gründender Unterlassungsanspruch erfordert regelmäßig, dass das beanstandete Verhalten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch ist (vgl. z.B.: BGH, Urt. v. 16.01.2020 – I ZR 74/16 - m. w. N.). Hieraus folgt vorliegend, dass jedenfalls (auch) erforderlich ist, dass nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung das beanstandete Verhalten die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs aus § 6 Satz 1 GeschGehG erfüllen muss (vgl.: LAG Düsseldorf, Urt. v. 03.06.2020 – 12 SaGa 4/20 -; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.03.2021 – 15 U 6/20 – m. w. N.). Es muss sich um ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG handeln, welches weder allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist (§ 2 Nr 1a) GeschGehG) und es müssen mit Wirkung ab dem 26.04.2019 den Umständen nach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zu Schutz der verkörperten Informationen getroffen werden (§ 2 Nr. 1b) GeschGehG).
34b) Aufgrund des Vortrags der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin ist für die Berufungskammer nicht hinreichend plausibel nachvollziehbar, dass Kenntnisse der streitgegenständlichen Produktionsmethoden überhaupt ein Geschäftsgeheimnis darstellen, welches nicht durch ein zulässiges Reverse Engineering (§ 3 Abs. 1 Nr. 2b) GeschGehG), also durch Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts oder Gegenstands zur Gewinnung des innewohnenden Geheimnisses erlangt werden können. Ohne konkrete Anhaltspunkte über die Zusammensetzung und die Oualitätsmerkmale der Konkurrenzprodukte lässt sich weder die notwendige Beziehung zum notwendigen „geheimen“ Know-how der Klägerin noch zur Vergleichbarkeit der Produkte herstellen. Darüber hinaus spricht der Umstand, dass Konkurrenten in China ein vergleichbares, qualitativ unbeanstandetes Produkt entwickeltet haben, ohne dass dies erkennbar zur Informationsweitergabe des Beklagten in Zusammenhang steht, dafür, dass die wesentlichen Informationen zur Herstellungsweise im Markt bekannt sind oder durch zulässiges Reverse Engineering beschafft werden können. Zutreffend ist, dass eine Partei, die keinen Einblick in die Geschehensabläufe Dritter hat, auch solche Umstände unter Beweis – hier Einholung eines Sachverständigengutachtens – stellen kann, die sie nur vermutet, aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich halten kann (vgl. z.B.: BAG, Urt. v. 15.11.2018 – 6 AZR 522/17 – m.w.N.). Jedoch setzt dies hinreichend greifbare Anhaltspunkte voraus, die das Arbeitsgericht zu Recht vermisst hat, indem es darauf verwiesen hat, dass die Klägerin keine objektiven Merkmale des Unterschieds der konkurrierenden Sleeves benennt oder in welcher Hinsicht die Konkurrenzprodukte mangelhaft sind, so dass die beanstandungsfreie Produktion nur auf dem exklusiven Wissen der Klägerin beruhen kann.
35c) Ferner ist dem Arbeitsgericht auch darin zuzustimmen, dass die von der Beklagten vorgebrachten Sicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Markstellung der Klägerin und dem wirtschaftlichen Wert der Information, keinen objektiv ausreichenden Geheimnisschutz im Sinne des § 2 Nr. 1b) GeschGehG gewährleisten. Es mangelt z. B. an arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsklauseln hinsichtlich konkreter Informationen der mit den Produktion an den AFK-Maschinen in Berührung kommenden Arbeitnehmer, technischen Sicherheitsmaßnahmen und Zugangskontrollsystemen und nicht zuletzt an der Einrichtung eines Kontrollsystem, welches die Einhaltung des Geheimnisschutzes im Rahmen des Zumutbaren effektiv gewährleistet. Soweit die Beklagte erstinstanzlich technische Sicherheitsmaßnahmen und eine angemessene IT-Sicherheit behauptet hat, handelt es sich um eine pauschale Behauptung, die einer Beurteilung auf die Angemessenheit des Geheimnisschutzes nicht zugänglich ist.
36d) Schließlich erweist sich die Annahme des Arbeitsgerichts, die Ziffer 11. des Arbeitsvertrages vom 05.12.2008 sei als allgemeine Geschäftsbedingung nach § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung rechtsunwirksam, was von der Beklagten in der Berufungsbegründung auch nicht angegriffen wurde, als zutreffend. Die Catch-All-Klausel ist zum einen nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, weil ihr auch im Wege der Auslegung nicht zu entnehmen ist, welche Betriebs - und Geschäftsgeheimnisse erfasst sind. Ferner folgt ihre Unwirksamkeit aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Umfassende Catch-All-Klauseln ohne zeitliche Begrenzung mit lebenslanger Bindung berücksichtigen die grundgesetzlich geschützte Position des Arbeitnehmers aus Art 12 Abs. 1 GG nicht angemessen, jedenfalls dann nicht, wenn sie sich ohne inhaltliche Konkretisierung in allgemeiner Art und Weise auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beziehen (vgl. im Einzelnen: ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 611a BGB Rn. 817; Fuhlrott/Fischer, NZA 2022, 809, 812 f. m. w. N.).
37III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
38IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.