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Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2021 – 2 Ca 7873/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges und um Urlaubsabgeltung.
3Die Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Privatpraxis für Physiotherapie und Osteopathie betreibt, in der Zeit vom 01.04.2016 bis zum 31.05.2020 als teilzeitbeschäftigte Büroangestellte zu einem Bruttomonatsverdienst von 1.450,00 € auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 14.03.2016 beschäftigt. Der Anstellungsvertrag enthält in § 10 u. a. eine dreimonatige Ausschlussfrist hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag. Wegen der Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 14.03.2016 wird auf Bl. 23 f. d. A. verwiesen.
4Die Klägerin war im Anschluss an ein Beschäftigungsverbot ab dem 09.09.2016 in der Zeit von April 2017 bis zum 02.04.2020 in Elternzeit.
5Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.04.2020 ordentlich zum 01.05.2020 bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Bl. 25 d. A.). Bis einschließlich April 2020 hat der Beklagte das Gehalt der Klägerin bezahlt.
6Mit rechtskräftigem Anerkenntnisurteil vom 04.09.2020 stellte das Arbeitsgericht Köln – 1 Ca 1840/20 – u.a. fest, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31.05.2020 beendet worden ist (Bl. 5 f. d. A.).
7Mit E-Mail vom 09.10.2020 (Bl. 8 d. A.) bat die Klägerin den Beklagten, ihr das Gehalt für Mai 2020 zu überweisen und neun Urlaustage aus dem Jahr 2016 abzugelten. Die Klägerin wiederholte dieses Ansinnen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.10.2020 unter Angabe bezifferter Bruttobeträge (Bl. 9 f. d. A.).
8Mit Urteil vom 11.01.2021 hat das Arbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.202,85 € brutto nebst Verzugszinsen verurteilt (Bl. 32 ff. d. A.). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte schulde für den Monat 2020 Lohn aufgrund Annahmeverzug. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist sei unwirksam, weil intransparent, denn sie erfasse auch den gesetzlichen Mindestlohn. Zudem schulde der Beklagte noch die Abgeltung von neun Urlaubstagen aus dem Jahre 2016. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
9Gegen das ihm 20.01.2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.02.2021 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 20.04.2021 begründet.
10Der Beklagte meint, die Klage auf Zahlung eines Bruttobetrags sei weder hinreichend bestimmt noch vollstreckbar. Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2016 seien aufgrund arbeitsvertraglicher Verfallsklausel verfallen bzw. verjährt. Da es für die Branche des Beklagten keinen Mindestlohn gebe, könne die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist auch nicht unwirksam sein. Der Beklagte verwende als Kleinstbetrieb keine Allgemeinen Vertragsbedingungen. Die Klägerin habe die ersten drei Wochen im Mai 2020 unentschuldigt gefehlt. Hilfsweise werde mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet. Zum einen wegen des Ausfalls von Terminen in Höhe von 1.500,00 € und wegen unberechtigter Kontopfändung in Höhe von pauschal 500,00 €.
11Der Beklagte beantragt sinngemäß,
12das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2021 (Az.: 2 Ca 7873/20) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13Die Klägerin beantragt,
14die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
15Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage sei im Übrigen die einstufige Verfallsfrist gewahrt. Der Arbeitsvertrag sei ein vom Beklagten vorformulierter Vertragstext, dessen Inhalt nicht zur Disposition der Klägerin gestanden habe und bereits nach seinem äußeren Erscheinungsbild Allgemeine Geschäftsbedingungen enthalte. Die Verfallsklausel im Arbeitsvertrag sei nicht aus den vom Arbeitsgericht genannten Gründen unwirksam, sondern auch deshalb weil sie überraschend unter der Überschrift „Schlussbestimmungen“ eingefügt worden sei. Der Beklagte verkenne, dass der Resturlaub aus dem Jahre 2016 aufgrund der Bestimmungen des BEEG dem Urlaubsanspruch nach Ende der Elternzeit hinzutrete. Die behaupteten Schadenersatzansprüche seien zu unbestimmt, nicht einlassungsfähig und zu bestreiten.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 20.04.2021 und vom 23.06.2021, die Sitzungsniederschrift vom 17.11.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u g s g r ü n d e
18I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
19II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend geurteilt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Annahmeverzugslohn für den Monat Mai 2020 aus den §§ 615, 611a BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag vom 14.03.2016 in Höhe von brutto 1.450,00 € sowie Urlaubsabgeltung für neun Urlaustage in Höhe von 752,85 € gemäß § 7 Abs. 4 BurlG nebst Verzugszinsen aus den §§ 286, 288 BGB zu zahlen. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
201. Entgegen der Meinung des Beklagten ist die Bruttoklage zulässig und hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
21Der Beklagte schuldet ein Bruttoentgelt. Dieses unterliegt regelmäßig öffentlich-rechtlichen Abzügen. Die arbeitsrechtliche Vergütungspflicht beinhaltet nicht nur die Nettoauszahlung, sondern umfasst auch die Leistungen, die nicht in einer unmittelbaren Auszahlung an den Arbeitnehmer bestehen. Dementsprechend kann die Lohnzahlungsklage auf den Bruttobetrag gerichtet werden. Bei der Zwangsvollstreckung aus einem solchen Urteil ist der gesamte Betrag beizutreiben. Abzug und Abführung von Lohnbestandteilen betreffen nur die Frage, wie der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt (BAG, Beschl. v. 07.03.2001 – GS 1/00 –; Schaub/Linck, ArbRHdB, 19. Auflage 2021, § 71 Rn. 9 m. w. N.).
222. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die dreimonatige Ausschlussfrist des § 10 des Arbeitsvertrages vom 14.03.2016 berufen.
23Arbeitsverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind Verbraucherverträge iSv. § 310 Abs. 3 BGB. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind § 305c Abs. 2 und §§ 306, 307 bis 309 BGB bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auch anzuwenden, wenn die Klausel nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Der Beklagte hat nicht konkret dargelegt, dass und wie er die Klausel zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, die Klägerin habe die im Streit stehende Klausel freiwillig akzeptiert (vgl. hierzu: BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 10 AZR 233/18 – m. w. N.). Die Klägerin war nicht gehalten, Annahmeverzugslohn oder den Anspruch auf Urlaubsabgeltung innerhalb der in § 10 Arbeitsvertrag gesetzten Frist geltend zu machen, denn die am 14.03.2016 vereinbarte Klausel ist intransparent und damit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB insgesamt unwirksam, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG) erfasst, der nach dem am 16. August 2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ab dem 1. Januar 2015 zu zahlen ist. Die Klausel kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden. An die Stelle der vertraglichen Ausschlussfrist treten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Die Vorschrift des § 3 Satz 1 MiLoG schränkt die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein (BAG, Urt. v. 18.09.2018 – 9 AZR 162/18 – m. w. N.).
243. Der aus dem Jahre 2016 stammende Resturlaubsanspruch der Klägerin vor Antritt der Elternzeit von neun Tagen ist auch nicht gemäß § 195 BGB verjährt, denn er war nach Rückkehr aus der Elternzeit am 02.04.2020 im laufenden Jahr zu gewähren.
25Gemäß § 17 Abs. 2 BEEG hat der Arbeitgeber den dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaub, den dieser vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten hat, nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 BEEG trifft bezüglich der Erfüllung und des Verfalls des Urlaubs eine eigenständige, von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung des Urlaubsjahres (BAG, Urt. v. 19.03.2019 – 9 AZR 52/15 – m. w. N.)
264. Die Aufrechnung des Beklagten gegen eine Bruttoforderung ist bereits unzulässig, so dass es auf die mangelnde Substantiierung der behaupteten Gegenansprüche nicht mehr ankommt.
27Grundsätzlich kann der Arbeitgeber mit Gegenansprüchen nur gegen eine unpfändbare Nettolohnforderung des Arbeitnehmers aufrechnen. Erklärt der Arbeitgeber die Aufrechnung gegen eine Bruttolohnforderung des Arbeitnehmers, fehlt es insoweit an der Gegenseitigkeit der Forderungen im Sinne des § 387 BGB als der Arbeitnehmer zwar Gläubiger der Bruttolohnforderung ist, sie sich jedoch hinsichtlich der auf die Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Steuer entfallenden Teile auf Zahlung an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger richtet (BAG, Urt. v. 19.02.2004 - 6 AZR 664/02 - m. w. N.). Die Aufrechnung gegen eine Bruttolohnforderung verstößt zudem gegen § 394 BGB (BAG, Urt. v. 13.11.1980- 5 AZR 572/78 -), denn nach dieser Vorschrift kann gegen eine Forderung nur insoweit aufgerechnet werden, als diese der Pfändung unterliegt. Arbeitseinkommen ist nach § 850 Abs. 1 ZPO nur nach Maßgabe der §§ 850 a bis i ZPO pfändbar, wobei § 850 e Nr. 1 Satz 1 ZPO ausdrücklich bestimmt, dass beim pfändbaren Arbeitskommen die Beträge nicht mitzurechnen sind, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. Eine Aufrechnung gegen den Bruttobetrag ist deshalb in der Regel unzulässig (vgl. u.a.: LAG Hamm, Urt. v. 11.12.2019 - 6 Sa 912/19 -; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15.01.2019 - 1 Sa 334/18 - jew. m. w. N.). Darüber hinaus lässt sich im Streitfall der pfändbare Nettoanteil der Urlaubsabgeltung nicht bestimmen, da die Einkommenssituation der Klägerin im Folgemonat nach dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien nicht feststellbar ist. Bezogen auf diesen Monat ist der Pfändungsschutz hinsichtlich der Urlaubsabgeltung zu ermitteln (vgl. : BAG, Beschl. v. 28.08.2001- 9 AZR 611/99 - m. w. N.). Im Prozess trägt der Arbeitgeber die Darlegungslast dafür, dass seine Aufrechnung nach § 389 BGB das Erlöschen oder den teilweisen Untergang von Forderungen des Arbeitnehmers bewirkt hat. Der Arbeitgeber hat dazu den pfändbaren Teil des Nettolohnanspruchs anzugeben. Die Gerichte für Arbeitssachen sind im Urteilsverfahren, für das der Beibringungsgrundsatz gilt, nicht verpflichtet, die pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens von Amts wegen zu ermitteln (BAG, Urt. v. 05.12.2002 - 6 AZR 569/01 -; LAG Köln, Urt. v. 02.09.2020 – 11 Sa 454/19 – m. w. N.).
28III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
29IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.