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1. Ein Arbeitgeber kann im Hinblick auf § 286 Abs. 1 ZPO den Nachweis, dass die auf eine gezahlte Abfindung entfallene Lohnsteuer und der Solidaritätszuschlag an das zuständige Finanzamt abgeführt wurden, ohne Weiteres dadurch führen, dass er die entsprechende Gehaltsabrechnung, des betreffenden Arbeitnehmers, das monatliche Lohnjournal für alle Arbeitnehmer in geschwärzter Fassung (bis auf die Angaben zum betreffenden Arbeitnehmer), das Protokoll der elektronischen Lohnsteueranmeldung einschließlich des Transfertickets an das Finanzamt, vorlegt. In diesem Falle kann sich der Arbeitgeber auf den sog. besonderen Erfüllungseinwand im Sinne der Rechtsprechung des 5. Senats des BAG berufen (vgl. BAG, Urteil vom 17. Oktober 2018 - 5 AZR 538/17, Rn. 18, juris).
2. Im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO muss der Nachweis der Erfüllung bzw. des (besonderen) Erfüllungseinwands nicht durch öffentliche Urkunden iSv. § 775 Nr. 4 ZPO erbracht werden, da diese Regelung nur bei der einstweiligen Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsorgan gilt. Im Rahmen der materiell-rechtlichen Vollstreckungsabwehrklage reicht der Nachweis iSv. § 286 Abs. 1 ZPO aus.
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Bonn vom 15.05.2019 (2 Ca 2034/18) wird als unzulässig verworfen, soweit sich der Beklagte gegen seine Verurteilung, an die Klägerin 2.569,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.11.2018 zu zahlen, wendet.
2. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2019 (2 Ca 2034/18) zurückgewiesen.
3. Die Widerklage des Beklagten wird abgewiesen.
4. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über eine Vollstreckungsabwehrklage bezüglich eines zwischen ihnen abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs sowie über wechselseitige Zahlungsansprüche.
3Die Klägerin ist die vormalige Arbeitgeberin des Beklagten. Dieser ist am 1962 geboren und hatte bei der Klägerin die Personalnummer 3536. Der Beklagte hat die Steuerklasse 3 und keine Kinderfreibeträge. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete am 02.02.2018. Bei der Klägerin waren 2018 rund 330 Arbeitnehmer im Betrieb in M beschäftigt. Das zuständige (Betriebsstätten-) Finanzamt für die Klägerin ist Sch .
4Die Klägerin rechnete gegenüber dem Beklagten für den Kalendermonat Januar 2018 zunächst ein Gesamtgehalt iHv. 6.926,98 Euro brutto ab und zahlte den sich hieraus ergebenen Nettobetrag iHv. 3.791,71 Euro an den Beklagten aus. Auf die Entgeltabrechnung der Klägerin für den Kalendermonat Januar 2018 (Bl. 14 d.A.) wird ausdrücklich Bezug genommen.
5Die Klägerin rechnete für den Kalendermonat Februar 2018 ein Gesamtgehalt in Höhe von 1.346,98 Euro brutto ab und zahlte den sich hieraus ergebenen Nettobetrag aus. Der Lohnsteuerabzug betrug 443,64 Euro und der Solidaritätszuschlag betrug 24,40 Euro. Auf die Entgeltabrechnung der Klägerin für den Kalendermonat Februar 2018 (Bl. 46 d.A.) wird ausdrücklich Bezug genommen.
6Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht Bonn (Gerichtstag Euskirchen) unter dem Aktenzeichen 2 Ca 243/18 EU ein Kündigungsschutzverfahren geführt, das durch einen gerichtlichen Vergleich vom 04.05.2018 beendet wurde. Gemäß Ziffer 3 des Vergleichs vom 04.05.2018 ist die hiesige Klägerin verpflichtet, eine Abfindung in Höhe von 7.000,- Euro brutto an den hiesigen Beklagten zu zahlen.
7Mit einer 1. Korrekturabrechnung für den Kalendermonat Januar 2018 rechnete die Klägerin über das bisherige Gesamtgehalt iHv. 6.926,98 Euro hinaus die in dem gerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindungszahlung in Höhe von 7.000,- Euro brutto ab. Aus der Korrekturabrechnung der Klägerin ergibt sich ein Gesamtbruttobetrag in Höhe von 13.926,98 Euro (= 6.926,98 Euro brutto + 7.000,- Euro brutto), was einen Nettobetrag iHv. 8.251,27 Euro netto ergibt. Die sich abzüglich des bereits für Januar 2018 gezahlten Nettobetrages iHv. 3.791,71 Euro ergebende Differenz in Höhe von 4.459,56 Euro netto zahlte die Klägerin ebenfalls an den Beklagten aus. Die Zahlung erfolgte am 12.07.2018 durch Überweisung auf das Konto des Beklagten. Aus der Korrekturabrechnung ergibt sich ferner, dass insgesamt 3.817,68 Euro an Steuern (inkl. Solidaritätszuschlag) berechnet wurden. Auf die 1. Korrekturabrechnung der Klägerin für den Kalendermonat Januar 2018 (Bl. 15 d.A.) wird ausdrücklich Bezug genommen.
8Aus dem Lohnjournal der Klägerin für Mai 2018 (Bl. 181-215 d.A.), das der monatlichen Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeträgen zugrunde liegt und das vorliegend für Mai 2018 am 23.05.2018 erstellt wurde, ergibt sich beim Beklagten (Personalnummer 3536), das sich aus der 1. Korrekturabrechnung für Januar 2018 – ausgehend von einem Betrag iHv. 13.296,98 Euro brutto – insgesamt eine Lohnsteuer iHv. 3.618,86 Euro und ein Solidaritätszuschlag iHv. 199,02 Euro ergeben, was zusammen 3.817,68 Euro ergibt. Die Gesamtlohnsteuersumme (inkl. Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag etc.) für alle Arbeitnehmer der Klägerin im Mai 2018 betrug 169.972,77 Euro. (Bl. 215 RS d.A.).
9Vom Geschäftskonto der Klägerin ging am 11.06.2018 eine Überweisung an das Finanzamt Sch zu einem Transferticket bzgl. der Lohnsteuer für Mai 2018 iHv. 169.972,77 Euro als Teil einer Gesamtüberweisung (inkl. Umsatzsteuer) iHv. 481.552,53 Euro (Bl. 143 d.A.).
10Es existiert ferner ein von dem Lohnsteuerprogramm der Personalabteilung der Klägerin erstelltes Protokoll der elektronischen Lohnsteueranmeldung für Mai 2018, das ebenfalls den Gesamtbetrag iHv. 169.972,77 Euro ausweist (Bl. 142 d.A.) und das auch die Transferticket-Nummer für das Finanzamt Sch enthält.
11Der Beklagte betrieb sodann die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 3 des gerichtlichen Vergleiches vom 04.05.2018 gegen die Klägerin und vollstreckte aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Euskirchen (11 M 2008/18) vom 31.08.2018 (Bl. 6-13 d.A.) am 13.09.2018 einen Betrag in Höhe von 2.540,44 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 29,25 Euro, zusammen 2.569,69 Euro.
12Aus dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2018 (Korrekturmeldung) ergibt sich, dass die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 02.02.2018 für einen Bruttoarbeitslohn des Beklagten iHv.15.273,96 Euro insgesamt 4.062,30 Euro (= 3.618,86 Euro + 443,64 Euro) an Lohnsteuer und 223,42 Euro (= 199,02 Euro + 24,40 Euro) an Solidaritätszuschlag an das Finanzamt Sch abgeführt hat. Bzgl. des weiteren Inhalts, insbesondere die eTin und das Transferticket, dieses Ausdrucks wird auf Bl. 45 d.A. Bezug genommen.
13Mit der am 06.10.2018 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Klage, die dem Beklagten am 16.11.2018 (Bl. 29 d.A.) zugestellt wurde, hat die Klägerin die Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend gemacht und hilfsweise die Rückzahlung des durch die Zwangsvollstreckung erlangten Betrages beantragt. Mit Schriftsatz vom 26.02.2019 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass er den zunächst als Hilfsantrag gestellten Antrag nunmehr als Hauptantrag stellen werde. In dem Kammertermin beim Arbeitsgericht am 06.03.2019 hat der Beklagtenvertreter mitgeteilt, dass ihm der Schriftsatz der Klägerin vom 26.02.2019 nicht zugegangen sei und hat mit Schriftsatz vom 25.03.2019 der Klageänderung widersprochen.
14Die Klägerin hat behauptet, dass sie die in der Korrekturabrechnung für den Kalendermonat Januar 2018 ausgewiesenen Steuern und Solidaritätszuschläge für den Beklagten abgeführt habe. Hierzu hat die Klägerin auf den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2018 (Bl. 41 d.A.) Bezug genommen.
15Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sie die sich aus Ziffer 3 des gerichtlichen Vergleichs vom 04.05.2018 ergebende Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung iHv. 7.000,- Euro brutto durch die Abführung der Steuern und Auszahlung des verbleibenden Nettobetrages an den Beklagten vollständig erfüllt habe. Der Beklagte sei mithin durch die von ihm veranlasste Zwangsvollstreckung auf ihre Kosten in Höhe des beigetriebenen Betrages ungerechtfertigt bereichert.
16Die Klägerin hat erstinstanzlich – unter Klagerücknahme im Übrigen – zuletzt beantragt:
171. Die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 3 aus dem vor dem Arbeitsgericht Bonn unter dem 04.05.2018 zum Aktenzeichen 2 Ca 243/18 EU geschlossenen Vergleich wird für unzulässig erklärt.
182. Der Beklagte wird verurteilt, an sie 2.569,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
19Der Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Der Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin die auf die Abfindung entfallende Lohnsteuer abgeführt habe. Weder die von der Klägerin eingereichten Abrechnungen noch der Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2018 seien für den Nachweis der entrichteten Lohnsteuer ausreichend. Die von der Klägerin selbst erstellte Dokumentation sei lediglich Parteivortrag und erfülle nicht die Anforderungen des § 775 Nr. 4 ZPO, denn es handelte sich nicht um öffentliche Urkunden. Es handele sich zudem nur um eine Korrekturbescheinigung, welche verbotswidrig erfolgt sei. Den Nachweis der Entrichtung von Lohnsteuer könne die Klägerin nur durch eine Bescheinigung des Finanzamtes erbringen. Schließlich hat der Beklagte den Erfüllungseinwand der Klägerin als verspätet gerügt.
22Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die von der Klägerin vorgenommene Abrechnung zwingenden steuerrechtlichen Vorschriften widerspräche. Insoweit hat der Beklagte die Ansicht vertreten, dass die Klägerin die Abfindung nach dem Zuflussprinzip in dem Kalendermonat Juli 2018 hätte versteuern müssen. Auch sei aus der Abrechnung nicht ersichtlich, dass die Abfindung auf der Grundlage eines hochgerechneten Jahresarbeitslohns für 2018 versteuert worden sei und zudem sei die sog. Fünftelungsmethode nicht angewendet worden. Schließlich weise der Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung in den relevanten Feldern keine Eintragung für die Versteuerung der Abfindung aus. Aufgrund der unzutreffenden Versteuerung könne die Klägerin dem Beklagten keine Erfüllung entgegenhalten. Die von der Klägerin abgeführte Lohnsteuer sei in dem vorliegenden Verfahren zu prüfen.
23Hinsichtlich der geltend gemachten Rückzahlung hat der Beklagte die Ansicht vertreten, dass eine etwaig fehlerhaft abgeführte Lohnsteuer nicht in seinem Interesse liege und es sich daher um eine ihm durch die Klägerin aufgedrängte Bereicherung handele.
24Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.05.2019 der Klage stattgeben und die Vollstreckung aus Ziffer 3 aus dem vor dem Arbeitsgericht Bonn unter dem 04.05.2018 zum Aktenzeichen 2 Ca 243/18 EU geschlossen Vergleich für unzulässig erklärt. Ferner wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.569,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.11.2018 zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es die zulässige Klage für begründet erachtet. Die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 04.05.2018 sei einzustellen, da die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 Abs. 1 ZPO begründet sei (= Klageantrag zu Ziff. 1). Die Klägerin habe die in Ziffer 3 des Vergleichs titulierte Forderung des Beklagten auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 7.000,- Euro brutto erfüllt. Die Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO greife bei gerichtlichen Vergleichen nicht ein, wobei der Erfüllungseinwand der Klägerin ohnehin erst nachträglich entstanden sei. Die Erfüllung (§ 362 BGB) ergäbe sich daraus, dass die titulierte Abfindungszahlung durch Zahlung eines Nettobetrages in Höhe von 4.459,56 Euro an den Beklagten geleistet wurde und die hierauf entfallende Lohnsteuern samt Solidaritätszuschlag an das zuständige Finanzamt abgeführt worden seien. Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Die Abführung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand. Der Nachweis der Abführung der steuerlichen Beträge zur Überzeugung der Kammer ergäbe sich aus dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2018. Es handele sich bei dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung um die Daten, welche für den Beklagten an das zuständige Finanzamt Sch übermittelt wurden. Etwaige konkret begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung habe der Beklagte nicht geltend gemacht. Insbesondere habe der Beklagte nicht behauptet, dass für ihn abweichende Daten bei dem Finanzamt Sch für die von ihm durchzuführende Einkommenssteuererklärung hinterlegt seien. Damit aber habe die Klägerin durch Vorlage der Lohnsteuerbescheinigung nachgewiesen, wie der Lohnabzug bei dem Beklagten tatsächlich stattgefunden hat. Im Übrigen sei die Höhe der rechtmäßigerweise auf die Abfindungszahlung entfallende Lohnsteuer nicht im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu klären. Vielmehr sei der Beklagte berechtigt, eine anderweitige Höhe der für ihn abgeführten Lohnsteuer im Wege des Verfahrens der Einkommenssteuerveranlagung geltend zu machen und gegebenenfalls den Einkommenssteuerbescheid anzufechten. Der Klageantrag zu Ziff. 2 auf Rückzahlung des aus der Zwangsvollstreckung erlangten Betrages in Höhe von 2.569,69 Euro sei ebenfalls begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Rückzahlung der nicht zur Auszahlung an den Beklagten bestimmten Entgeltbestandteile gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB, die dieser im Wege der Zwangsvollstreckung erzielt habe. Die zugrundeliegende Klageänderung sei gem. § 263 ZPO sachdienlich. Der Beklagte habe durch die von ihm veranlasste Zwangsvollstreckung in Höhe von 2.569,69 Euro etwas ohne rechtlichen Grund auf Kosten der Klägerin erlangt. Insbesondere stellt auch der arbeitsgerichtliche Vergleich vom 04.05.2018 keinen Rechtsgrund für die erlangte Zahlung dar. Bei Entgeltforderungen müsse der Arbeitgeber als ihm obliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung die Einkommensteuer, die als Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG), für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Entgeltzahlung vom Arbeitsentgelt einbehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zahlen, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Dieses öffentlich-rechtliche Pflichtengefüge prägt und überlagert den zivilrechtlichen Entgeltanspruch. Der auf Einkommensteuern und Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags entfallende Teil ist zwar Bestandteil des (Brutto-)Entgeltanspruchs, so dass mit dessen Einbehalt und Abführung an die zuständigen Stellen der Arbeitgeber (auch) seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt, doch hat der Arbeitnehmer diesbezüglich keinen Anspruch auf Auszahlung. Die Klägerin war verpflichtet, den Entgeltbetrag an die Einzugsstellen zu zahlen und ist dieser Verpflichtung auch nachgekommen. Mit der (erneuten) Vollstreckung des Entgelts hat der Beklagte etwas auf Kosten der Klägerin erlangt, was ihm aufgrund des öffentlich-rechtlichen Pflichtengefüges nicht zusteht. Im Übrigen wird bzgl. des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens auf den Tatbestand und bzgl. der Begründung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils auf Bl. 76-85 d.A. Bezug genommen.
25Gegen dieses ihm am 28.05.2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 11.06.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Klagestattgabe durch das Urteil vom 15.05.2019 und hat unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klageabweisung begehrt. Da er zudem nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 24.05.2019 an die Klägerin den sich aus Ziff. 2 des Urteilstenors ergebenden Zahlbetrag iHv. 2.625,38 Euro auf das Geschäftskonto der Klägerin – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – überwiesen hat (Bl. 110 d.A.), begehrt er nunmehr im Wege der Widerklage die Rückzahlung dieses Betrages. Die Widerklage wurde der Klägerin am 17.06.2019 zugestellt (Bl. 122 d.A.).
26Der Beklagte wiederholt und vertieft seinen Sachvortrag. Er ist weiterhin der Auffassung, dass der Nachweis der Abführung der Lohnsteuer, vorliegend bzgl. der Abfindung, nur nach § 775 Nr. 4 ZPO geführt werden könnte. Insofern sie die Vorlage des Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung nicht ausreichend, da es sich um keine öffentliche Urkunde sondern um Parteivortrag handele. Hinzu komme, dass es sich um eine Korrekturbescheinigung handele, die gesetzlich gar nicht vorgesehen sei (§ 41c Abs. 3 EStG). Die Widerklage sei begründet, da die Klägerin insofern zu Unrecht bereichert sei. Soweit die Klägerin sich nunmehr auf bestimmte Nachweise zum Lohnsteuerabzug beruft, sei dies verspätet.
27Der Beklagte beantragt zuletzt,
281. das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2019 (2 Ca 2034/18) abzuändern und die Klage abzuweisen;
2. Im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 2.625,38 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2019 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
321. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen;
332. die Widerklage des Beklagten abzuweisen.
34Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren Sachvortrag und verteidigt das angegriffene Urteil. Zum Nachweis der Abführung der Lohnsteuer für die Abfindung verweist sie auf das Lohnjournal für Mai 2018 und den Überweisungsbeleg an das Finanzamt Sch .
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen (§ 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37Die Berufung des Beklagten ist teilweise unzulässig, so dass sie insofern zu verwerfen ist. Soweit seine Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet. Die Widerklage im Rahmen der Berufung ist ebenfalls unbegründet, so dass sie abzuweisen ist.
38A. Die Berufung des Beklagten ist, soweit es die Stattgabe des Klageantrages zu Ziff. 2 betrifft, unzulässig, so dass die Berufung insofern zu verwerfen ist. Der Beklagte, der vollumfänglich Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hat, hat seine Berufung bzgl. des Klageantrages zu Ziff. 2 nicht ordnungsgemäß binnen der Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG begründet.
39Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG muss die Berufungsbegründung hinreichend darstellen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen der Berufungsführer das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft hält, insbesondere warum die Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) entscheidungserheblich gewesen sein soll. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (= einzelfallbezogene Auseinandersetzung). Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., vgl. BAG, Urteil vom 15. November 2016 – 9 AZR 125/16, Rn. 11, NZA 2017, 140 f.).
40Hieran gemessen hat sich der Beklagte in seiner Berufungsbegründung mit den rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts, mit denen dieses die Stattgabe des Klageantrags zu Ziff. 2 begründet hat, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Das Arbeitsgericht hat insofern angenommen, dass der Klageantrag zu Ziff. 2 auf Rückzahlung des aus der Zwangsvollstreckung erlangten Betrages in Höhe von 2.569,69 Euro gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB begründet ist. Die zugrunde liegende Klageänderung wurde gem. § 263 ZPO als sachdienlich angesehen. Der Beklagte habe durch die von ihm veranlasste Zwangsvollstreckung in Höhe von 2.569,69 Euro etwas ohne rechtlichen Grund auf Kosten der Klägerin erlangt. Insbesondere stellt auch der arbeitsgerichtliche Vergleich vom 04.05.2018 keinen Rechtsgrund für die erlangte Zahlung dar. Bei Entgeltforderungen müsse der Arbeitgeber als ihm obliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung die Einkommensteuer, die als Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG), für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Entgeltzahlung vom Arbeitsentgelt einbehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zahlen, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Dieses öffentlich-rechtliche Pflichtengefüge prägt und überlagert den zivilrechtlichen Entgeltanspruch. Der auf Einkommensteuern und Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags entfallende Teil ist zwar Bestandteil des (Brutto-)Entgeltanspruchs des Arbeitnehmers, so dass mit dessen Einbehalt und Abführung an die zuständigen Stellen der Arbeitgeber (auch) seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt, doch hat der Arbeitnehmer diesbezüglich keinen Anspruch auf Auszahlung. Die Klägerin war daher verpflichtet, die Lohnsteuer an das Finanzamt zu zahlen und ist dieser Verpflichtung auch nachgekommen. Mit der (erneuten) Vollstreckung des Entgelts hat der Beklagte etwas auf Kosten der Klägerin erlangt, was ihm aufgrund des öffentlich-rechtlichen Pflichtengefüges nicht zusteht. In der Berufungsbegründung setzt sich der Beklagte mit diesen Erwägungen des Arbeitsgerichts an keiner Stelle auseinander. Er argumentiert vielmehr ausschließlich damit, dass die von der Beklagten vorgelegten Dokumente die Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs nicht iSv. § 775 Nr. 4 ZPO belegen könnten, so dass die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich nicht für unzulässig zu erklären sei. Die rechtliche Argumentation des Beklagten zielt allein auf die Vollstreckungsabwehrklage ab. Mit der vom Arbeitsgericht angenommenen Klageänderung beim Klageantrag zu Ziff. 2, dem bereicherungsrechtlichen Anspruch und dessen einzelnen tatbestandlichen Voraussetzungen sowie der Verpflichtung der Klägerin zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen setzt sich der Beklagte in der Berufungsbegründung demgegenüber überhaupt nicht auseinander, so dass die Berufung insofern nicht begründet wurde und daher unzulässig ist.
41B. Die Berufung des Beklagten ist im Übrigen – dh. bezogen auf die Stattgabe des Klageantrages zu Ziff. 1 – zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b. ArbGG) und ist frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO).
42C. Die Berufung des Beklagten, soweit sie zulässig ist, ist unbegründet, denn die Klage ist im Klageantrag zu Ziff. 1 ihrerseits begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegenüber dem Beklagten darauf, dass die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 3 aus dem vor dem Arbeitsgericht Bonn unter dem 04.05.2018 zum Aktenzeichen 2 Ca 243/18 EU geschlossen Vergleich für unzulässig erklärt (= Klageantrag zu Ziff. 1) wird, denn sie hat die vollständige Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung nachgewiesen. Nach § 767 ZPO kann der Schuldner im Wege der Vollstreckungsabwehrklage materiell-rechtliche Einwendungen geltend machen, die den titulierten Anspruch betreffen.
43I. Die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin nach § 767 ZPO bzgl. der vom Beklagten durchgeführten und weiterhin für statthaft gehaltenen Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 04.05.2018 ist zulässig.
441. Das Arbeitsgericht Bonn als Prozessgericht des ersten Rechtszuges ist für eine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO sachlich und örtlich zuständig (§ 802 ZPO). Diesbezügliche Rügen hat der Beklagte nicht erhoben.
452. Ferner besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin an der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners ist ab dem ernstlichen Drohen der Zwangsvollstreckung bis zu der Aushändigung des Titels an den Schuldner gegeben (vgl. hierzu Zöller/Herget, 32. Aufl. 2018, § 767 ZPO, Rn. 8), dh. das Rechtsschutzbedürfnis besteht, bis die Zwangsvollstreckung beendet ist (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 AZR 538/17, Rn. 11, juris). Vorliegend hat der Beklagte den streitigen Betrag zwar bereits von der Klägerin im Wege der Zwangsvollstreckung (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss) erhalten, jedoch wurde der Titel bislang nicht an die Klägerin herausgegeben. Damit ist die Zwangsvollstreckung nicht beendet, so dass die Klägerin weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis an der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage geltend machen kann.
463. Ein Verstoß gegen § 767 Abs. 3 ZPO liegt nicht vor, da die Klägerin nur eine materiell-rechtliche Einwendung in einem gerichtlichen Verfahren geltend macht.
47II. Die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin hat die in Ziffer 3 des gerichtlichen Vergleichs vom 04.05.2018 titulierte Forderung des Beklagten auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 7.000,- Euro brutto erfüllt (§ 362 BGB). Daher ist die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich insoweit für unzulässig zu erklären.
481. Die Klägerin ist mit dem materiell-rechtlichen Einwand der Erfüllung der titulierten Zahlungsverpflichtung (§ 362 BGB) nicht gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert.
49a) Nach § 767 Abs. 2 ZPO kann der Schuldner im Wege der Vollstreckungsabwehrklage Einwendungen, die den titulierten Anspruch betreffen, nur geltend machen, soweit diese auf Gründen beruhen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, in der die Einwendungen nach den Vorschriften der ZPO spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Die in § 767 Abs. 2 ZPO geregelte Präklusion greift jedoch nicht ein, wenn es sich um Titel ohne Rechtskraftwirkung, wie etwa gerichtliche Vergleiche, handelt (Zöller/Herget, 32. Aufl. 2018, § 767 ZPO, Rn. 20).
50b) Daher greift der von dem Beklagten erhobene Einwand des verspäteten Nachweises der Erfüllung der titulierten Abfindungszahlung in dem vorliegenden Verfahren nicht durch. Die Klägerin ist mit dem Erfüllungseinwand (§ 362 BGB) nicht präkludiert. Es handelt sich um die Erfüllung eines gerichtlichen Vergleiches, bei dem eine Verspätung nach § 767 Abs. 2 ZPO nicht geltend gemacht werden kann. Zudem ist der Einwand der Erfüllung erst nach Titulierung der Abfindungszahlung im gerichtlichen Vergleich vom 04.05.2018 entstanden und mithin nicht präkludiert iSd. § 767 Abs. 2 ZPO, denn die Klägerin hat sämtliche streitgegenständlichen Zahlungen erst nach dem 04.05.2018 vorgenommen.
512. Die Klägerin hat die in Ziffer 3 des gerichtlichen Vergleiches des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.05.2018 titulierte Abfindungszahlung als Teil einer Gesamtzahlung durch Zahlung eines Nettobetrages in Höhe von 4.459,56 Euro an den Beklagten und der Abführung der hierauf entfallenden Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlag an das zuständige (Betriebsstätten-)Finanzamt erfüllt (§ 362 BGB). Demgemäß ist die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 3 des Vergleichs einzustellen. Eine etwaig unzutreffende Versteuerung der Abfindung ist im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs von dem Beklagten gegenüber dem zuständigen Finanzamt geltend zu machen und gegebenenfalls im Finanzgerichtsweg durchzusetzen.
52a) Bei der im gerichtlichen Vergleich vom 04.05.2018 titulierten Abfindung in Höhe von 7.000,- EUR handelt es sich um einen Bruttobetrag, was die Parteien auch ausdrücklich vereinbart haben. Bei Bruttoentgeltforderungen muss der Arbeitgeber als ihm obliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung die Einkommensteuer, die als Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG), für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Entgeltzahlung vom Arbeitsentgelt gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG einbehalten (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 AZR 538/17, Rn. 17, juris). Steuerpflichtig sind nach § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 4 LStDV auch Abfindungen für die Aufgabe einer Tätigkeit wie den Verlust des Arbeitsplatzes (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2011 – IX B 3/11, Rn. 9, juris; BAG, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 AZR 538/17, Rn. 17, juris). Dieses öffentlich-rechtliche Pflichtengefüge prägt und überlagert den zivilrechtlichen Entgeltanspruch (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 273/16, juris, Rn. 14; BAG, Urteil vom 30. April 2008 – 5 AZR 725/07, Rn. 16, juris). Der auf Einkommensteuern und – soweit nicht Abfindungen betroffen sind – Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags entfallende Teil ist zwar Bestandteil des (Brutto-)Entgeltanspruchs, so dass mit dessen Einbehalt und Abführung an die zuständigen Stellen der Arbeitgeber (auch) seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt, doch hat der Arbeitnehmer diesbezüglich keinen Anspruch auf Auszahlung (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 273/16, juris, Rn. 14). Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Die Abführung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 AZR 538/17, Rn. 18, juris; BAG, Urteil vom 30.04.2008 – 5 AZR 725/07, juris, Rn. 18). Insoweit bedarf es keiner Aufrechnung. Der Einbehalt des Arbeitgebers für Rechnung des Arbeitnehmers dient der Vorbereitung der Abführung. Erfüllt wird der Anspruch erst durch die Abführung nach § 41a EStG, wobei der Arbeitgeber in einer Art treuhänderischen Stellung für den Steuerfiskus tätig wird (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 266/16, Rn. 17, BAGE 157, 336). Der Arbeitgeber hat die einzubehaltende Lohnsteuer beim Finanzamt anzumelden und abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Anmeldung der Lohnsteuer steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Sie betrifft den jeweiligen Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer unmittelbar, weil er deren Abzug vom Lohn zu dulden hat (BAG, Urteil vom 17.Oktober 2018 – 5 AZR 538/17, Rn. 18, juris; BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 266/16, Rn. 17, juris).
53b) Unstreitig hat die Klägerin an den Beklagten zunächst den sich aus der 1. Korrekturabrechnung für Januar 2018 ergebenden Nettobetrag iHv. 4.459,56 Euro (= 8.251,27 Euro netto abzüglich des bereits im Januar 2018 gezahlten Nettobetrages iHv. 3.791,71 Euro) am 12.07.2018 ausgezahlt bzw. auf das Konto des Beklagten überwiesen, so dass Erfüllung bzgl. des sich aus der Bruttoabfindung iHv. 7.000,- Euro ergebenden Nettobetrages eingetreten ist.
54c) Die Klägerin hat ferner die sich aus der 1. Korrekturabrechnung für Januar 2018 bzgl. der Bruttoabfindung iHv. 7.000,- Euro ergebende Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag an das zuständige Finanzamt abgeführt, so dass auch insofern Erfüllung eingetreten ist (§ 362 BGB). Dies steht zur Überzeugung der Kammer (§ 286 Abs. 1 ZPO) aufgrund des unstreitigen Sachverhalts und der von der Klägerin, die als Titelschuldner darlegungs- und beweisbelastet im Rahmen von § 767 ZPO für die rechtsvernichtenden Einwendung ist (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, 16. Aufl. 2019, § 767 ZPO, Rn. 29; MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl. 2016, § 767 ZPO, Rn. 57), vorgelegten Unterlagen (einschließlich des Lohnjournals) und gemachten Angaben fest.
55Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 07.05.2020 erstmals Verspätung im Hinblick auf die Vorlage des Lohnjournals durch die Klägerin rügt, sieht die Kammer keinen Anlass, den Sachvortrag nach § 67 ArbGG zurückzuweisen, da seine Berücksichtigung zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits führt. Soweit der Beklagte des Weiteren rügt, dass er die Abkürzungen in dem Lohnjournal (zB. KV ANA = Krankenversicherung Arbeitnehmer-Anteil) nicht kennt, kommt es vorliegend allein auf die Bruttobeträge und die Lohnsteuer an, wobei bei den Angaben beim Kläger sich die dortigen Angaben mit den Angaben in den Gehaltsabrechnungen decken, bei denen der Beklagte keinen Erläuterungsbedarf sieht. Soweit der Beklagte ferner die Schwärzungen der Namen der weiteren Arbeitnehmer der Klägerin rügt, ist die Klägerin – um nicht gegen § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG zu verstoßen – verpflichtet, die personenbezogenen Daten ihrer anderen Arbeitnehmer zu schwärzen, zumal auch nicht zu erkennen ist, warum der Kläger auf die jeweiligen Vor- und Zunamen haben sollte. Insofern sieht die Kammer keinen Anlass, die Klägerin zur Vorlage eines ungeschwärzten Lohnjournals anzuhalten, denn es kommt vorliegend allein auf die schlüssige Darstellung der Summe der abgeführten Lohnsteuer an. Soweit der Beklagte schließlich rügt, dass es sich nicht um Angaben von Arbeitnehmern der Klägerin handelt, bewertet die Kammer dies als „Behauptung ins Blaue“ hinein, da es sich um das Lohnjournal handelt, dass der Lohnsteueranmeldung nach § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG zugrunde liegt.
56aa) Aus der Korrekturabrechnung für Januar 2018 (Bl. 15 d.A.), die im Mai 2018 von der Beklagten bearbeitet wurde, ergibt sich, dass insgesamt 3.817,68 Euro an Steuern berechnet wurden. Aus dem Lohnjournal der Beklagten für Mai 2018 (Bl. 181-215 d.A.), das der Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeträgen für alle Arbeitnehmer der Klägerin in diesen Monat zugrunde lag und das am 23.05.2018 erstellt wurde, ergibt sich beim Kläger (Personalnummer 3536), dass in diesem Monat entsprechend der 1. Korrekturabrechnung für Januar 2018 – ausgehend von einem Betrag iHv. 13.296,98 Euro brutto – insgesamt eine Lohnsteuer iHv. 3.618,86 Euro und ein Solidaritätszuschlag iHv. 199,02 Euro errechnet und ausgewiesen wurde, was zusammen 3.817,68 Euro ergibt. Die Gesamtlohnsteuersumme (inkl. Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag etc.) für alle Arbeitnehmer der Klägerin – einschließlich der Lohnsteuerbeträge für den Kläger – im Mai 2018 betrug 169.972,77 Euro. (Bl. 215 RS d.A.). Hierauf basiert auch das von der Klägerin erstellte Protokoll der elektronischen Lohnsteueranmeldung (vgl. §§ 168 Abs. 1, 164 AO) für Mai 2018, das ebenfalls den Gesamtbetrag iHv. 169.972,77 Euro ausweist (Bl. 142 d.A.) und das auch die Transferticket-Nummer für das Finanzamt Sch enthält. Damit hat die Klägerin die Lohnsteuer für alle ihre Arbeitnehmer und damit auch für den Kläger bzgl. der Abfindung aus Ziffer 3 des gerichtlichen Vergleichs beim zuständigen Finanzamt angemeldet. Schließlich ging vom Geschäftskonto der Klägerin am 11.06.2018 eine Überweisung an das Finanzamt Sch zu einem Transferticket bzgl. der Lohnsteuer für Mai 2018 iHv. 169.972,77 Euro als Teil einer Gesamtüberweisung (inkl. Umsatzsteuer) iHv. 481.552,53 Euro (Bl. 143 d.A.). Zusammenfassend hat die Klägerin damit die einbehaltene Lohnsteuer des Klägers beim Finanzamt angemeldet und an dieses abgeführt und hat damit ihre Verpflichtungen nach § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllt. Damit kann sich die Klägerin zurecht auf den sog. besonderen Erfüllungseinwand berufen.
57bb) Bestätigt wird die Abführung der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags durch den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2018 (Korrekturmeldung) und die unstreitige Abrechnung für Februar 2018. Ausweislich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dem die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes folgt, ist die Lohnsteuerbescheinigung ein Beweispapier über den Lohnsteuerabzug, wie er tatsächlich stattgefunden hat (vgl. hierzu ausdrücklich BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 – VI R 57/04, Rn. 16, juris; BFH, Urteil vom 30. Oktober 2008 – VI R 10/05, Rn. 10, juris; BAG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 10 AZB 8/13, Rn. 13, juris). Es handelt sich bei dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung um die Daten, welche für den Beklagten an das zuständige Finanzamt Schleiden übermittelt wurden. In dem vorliegenden Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung hat die Klägerin angegeben, dass sie für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 02.02.2018 für einen Bruttoarbeitslohn iHv.15.273,96 Euro insgesamt 4.062,30 Euro (= 3.618,86 Euro + 443,64 Euro) an Lohnsteuer und 223,42 Euro (= 199,02 Euro + 24,40 Euro) an Solidaritätszuschlag an das Finanzamt Sch abgeführt hat. Diesem Ausdruck sind die ferner die eTin und das Transferticket zu entnehmen.
58Etwaige konkret begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung hat der Beklagte nicht geltend gemacht. Insbesondere hat der Beklagte nicht behauptet, dass für ihn abweichende Daten bei dem Finanzamt Sch für die von ihm durchzuführende Einkommenssteuererklärung hinterlegt seien.
59Da sich die Angaben in dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung mit den Angaben der Klägerin für Februar und Mai 2018 decken, ist die Abführung der Lohnsteuer durch die Klägerin für die Berufungskammer nachgewiesen (§ 286 Abs. 1 ZPO).
60cc) Entgegen der Auffassung des Beklagten muss der Nachweis der Abführung der Lohnsteuer durch die Klägerin nicht durch öffentliche Urkunden iSv. § 775 Nr. 4 ZPO erbracht werden. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung. Nach § 775 Nr. 4 ZPO ist die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen, wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat.
61Die Regelung des § 775 Nr. 4 ZPO ist darauf ausgerichtet, die Zwangsvollstreckung – einstweilen – einzustellen bzw. zu beschränken. Es ist eine Regelung, die das jeweilige Vollstreckungsorgan auf Antrag zu beachten hat und deren Nichtbeachtung der Vollstreckungsschuldner im Rahmen einer Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen bzw. rügen kann. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 4 (und Nr. 5) ZPO dient der Verfahrenserleichterung. Wenn der Schuldner Einwendungen gegen das Fortbestehen eines titulierten Anspruchs hat, sind diese grundsätzlich im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend zu machen. In Ergänzung hierzu ermöglicht es § 775 Nr. 4 (und Nr. 5) ZPO im Interesse beider Parteien, dass insbesondere der Erfüllungseinwand von dem Schuldner bereits gegenüber dem Vollstreckungsorgan geltend gemacht werden kann und zwar schon in diesem Verfahrensstadium – wenn auch gemäß § 776 Satz 2 ZPO nur vorläufig – Berücksichtigung findet. Voraussetzung ist, dass der Schuldner über aussagekräftige Unterlagen (zB. öffentliche Urkunden) verfügt, aus denen sich Einwendungen der genannten Art ergeben. Werden diese Unterlagen dem Vollstreckungsorgan vorgelegt, bedarf es einer Vollstreckungsgegenklage und damit der Einleitung eines förmlichen Rechtsbehelfsverfahrens – jedenfalls zunächst – nicht, vielmehr erfolgt bereits durch das Vollstreckungsorgan selbst eine (vorläufige) Einstellung der Zwangsvollstreckung. Damit werden auch im Interesse des Gläubigers unnötige Klagen gemäß § 767 ZPO insbesondere in den Fällen vermieden, in denen er das Vollstreckungsorgan nicht rechtzeitig von Erfüllungsleistungen des Schuldners unterrichtet hat (BGH, Beschluss vom 29. März 2018 – I ZB 54/17, Rn. 23, juris; BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – V ZB 62/15, Rn. 14 mwN, juris). Angesichts der strengen Voraussetzungen von § 775 Nr. 4 (und Nr. 5) ZPO kann der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in diesen Fällen alleine durch das Bestreiten der Erfüllung die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung erzwingen, da dann das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung nicht einstellen darf, so dass der Schuldner den Erfüllungseinwand dann im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend machen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – V ZB 62/15, Rn. 10 mwN, juris).
62Demgegenüber geht es bei einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht darum, dass die Zwangsvollstreckung – einstweilen – eingestellt wird, sondern darum, die Zwangsvollstreckung insgesamt für unzulässig zu erklären, dh. das Rechtsschutzziel geht viel weiter als das, worum es bei § 775 Nr. 4 ZPO geht. Die Vollstreckungsabwehrklage ist eine Klage aus materiellem Recht, die beim Prozessgericht anhängig zu machen ist, weil der Vollstreckungsschuldner bspw. Erfüllung iSv. § 362 BGB einwendet. Dieser Nachweis ist wie in allen anderen Klageverfahren „lediglich“ im Sinne von § 286 Abs. 1 ZPO zu führen. Die Regelung des § 775 Nr. 4 ZPO, die höhere Anforderungen an den Nachweis für den Grund für die Einstellung der Zwangsvollstreckung – auch zum Schutz des Vollstreckungsorgans – stellt, damit das Vollstreckungsorgan eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme einstellen kann, ist im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO nicht zu prüfen, da es im Rahmen dieser Klage aus materiellem Recht nicht – mehr – darum geht zu prüfen, ob eine konkrete Zwangsvollstreckungsmaßnahme durch den Gläubiger – vorliegend die Pfändung und Überweisung durch den Beklagten – rechtmäßig ist, sondern allein darum geht, ob eine materiell-rechtliche Einwendung vorliegt. Dementsprechend hat auch das Bundesarbeitsgericht die Regelung des § 775 Nr. 4 ZPO nur im Rahmen der Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsorgan (im dortigen Fall: der Gerichtsvollzieher) verortet (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 273/16, Rn. 20, juris), nicht aber im Zusammenhang mit einer Vollstreckungsabwehrklage. § 775 ZPO gilt für daher zwar jede Form der Zwangsvollstreckung (MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl. 2016, § 775 ZPO Rn. 2), aber eine Klage nach § 767 ZPO ist keine Zwangsvollstreckungsmaßnahme, sondern eine Gestaltungsklage aus materiellem Recht.
63d) Die Höhe der von der Klägerin auf die Abfindungszahlung ermittelten und für den Beklagten abgeführten Lohnsteuer (inkl. Solidaritätszuschlag) ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu klären. Es kann daher entgegen der Auffassung des Beklagten dahinstehen, ob die Klägerin bei der Berechnung der Lohnsteuer gegen die Lohnsteuer-Richtlinie R39b, Abs. 2 und 3 LStR 2015 verstoßen hat (so der Einwand des Beklagten im Schriftsatz vom 18.11.2018, Bl. 34 d.A.), ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der sog. Fünftelungsregelung in § 34 EStG vorlagen und die Klägerin hiergegen verstoßen hat (so der Einwand des Beklagten im Schriftsatz vom 09.06.2019, Bl. 106 d.A.) oder ob die Regelung des § 41c Abs. 3 EStG eine Korrekturbescheinigung für die Lohnsteuer verbietet (so der Einwand des Beklagten in der Berufungsschrift, Bl. 107 d.A.).
64Die Gerichte für Arbeitssachen sind nicht befugt, die Berechtigung der Abzüge für Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge zu überprüfen (BAG, Urteil vom 30. April 2008 – 5 AZR 725/07, Rn. 20, juris; Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 25. August 2016 – 17 Sa 570/16, Rn. 77, juris). Legt der Arbeitgeber nachvollziehbar dar, dass er bestimmte Abzüge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abgeführt hat, kann der Arbeitnehmer die nach seiner Auffassung unberechtigt einbehaltenen und abgeführten Beträge nicht erfolgreich mit der Vergütungsklage geltend machen (BAG, Urteil vom 30. April 2008 – 5 AZR 725/07, Rn. 21, juris; vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 7 Sa 560/11, Rn. 39, juris). Er ist vielmehr auf die steuer- und sozialrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt, es sei denn, für den Arbeitgeber war aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 7 Sa 560/11, Rn. 39, juris). Andernfalls tritt der besondere Erfüllungseinwand ein (BAG, Urteil vom 30. April 2008 – 5 AZR 725/07, Rn. 21, juris; Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 25. August 2016 – 17 Sa 570/16, Rn. 78, juris). Bei einer etwaig unzutreffenden Abführung von Lohnsteuern für den Arbeitnehmer ist dieser als Schuldner der Lohnsteuer berechtigt, sowohl die Anmeldung der Lohnsteuer als auch den Einkommenssteuerbescheid anzufechten (BAG, Urteil vom 30. April 2008 – 5 AZR 725/07, Rn. 18, juris; vgl. ferner BFH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VI R 165/01, Rn. 13, juris). Entsprechend können etwaige Fehler beim Lohnsteuerabzug im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung berichtigt werden (BAG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 10 AZB 8/13, Rn. 13, juris). Eine Bindung an den Inhalt der Lohnsteuerbescheinigung besteht bei der steuerrechtlichen Veranlagung nicht (so: BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 – VI R 57/04, juris).
65Die von der Klägerin ermittelte Lohnsteuer ist ausweislich der von ihr vorgelegten Lohnabrechnungen nachvollziehbar. Die korrigierte Lohnabrechnung für Januar 2018 weist sowohl das vollständige Bruttoentgelt des Beklagten als auch die an ihn zu zahlende Abfindung iHv. 7.000,- Euro als Bruttobetrag aus. Die Lohnsteuermerkmale des Beklagten sind zutreffend zugrunde gelegt worden. Das sich aus der Abrechnung ergebene Nettoentgelt hat die Klägerin unstreitig an den Beklagten ausgezahlt. Die sich aus der Abrechnung ergebenden Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge für das Kalenderjahr 2018 hat die Klägerin ausweislich der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung abgeführt. Damit ist die vorgelegte Lohnabrechnung inhaltlich nachvollziehbar. Entsprechend sind die von dem Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die für ihn abgeführten Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung geltend zu machen und sodann von dem zuständigen Finanzamt zu prüfen. Der Beklagte ist insoweit auf die steuerrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt, selbst wenn dies im Einzelfall mehrere Jahre dauern könnte. Eine Berechtigung der Arbeitsgerichte zur Prüfung der erhobenen Lohnsteuern besteht daher nicht.
66D. Die zulässige Widerklage des Beklagten ist unbegründet, da der Beklagte gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf (Rück-)Zahlung von 2.625,38 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2019 hat.
67I. Die Erhebung der Widerklage durch den Beklagten in der Berufungsinstanz ist zulässig.
681. Der Widerklage kann zunächst nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (vgl. Thomas/Putzo, 39. Aufl. 2018, § 33 ZPO, Rn. 21) entgegen gehalten werden, denn sie erschöpft sich nicht in der reinen Negation des Klageantrages zu Ziff. 2.
69Die Widerklage iSv. § 33 ZPO ist eine echte und selbständige Klage besonderer Art. Bei der Widerklage und der Hauptklage handelt es sich um zwei selbständige Prozesse, die lediglich zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung in einem Verfahren vereinigt sind. Mit der Widerklage beschränkt sich die beklagte Partei nicht nur auf Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel gegen einen Anspruch des Klägers, sondern geht ihrerseits zum selbständigen Gegenangriff auf die klagende Partei über, indem ein anderer prozessualer Anspruch erhoben und damit ein anderer als der mit der Klage verfolgte Streitgegenstand zur Entscheidung gestellt wird. Durch diesen eine Widerklage kennzeichnenden selbständigen Antrag unterscheidet sich die Widerklage vom bloßen Leugnen des von der klagenden Partei beanspruchten Rechts und von Einwendungen bzw. Einreden, mit denen eine vollständige oder teilweise Klageabweisung erstrebt wird. Folglich liegt eine Widerklage nur vor, wenn der Beklagte mehr erreichen will als die bloße Verneinung der Rechtsbehauptung des Klägers. Denn diese Verneinung verlangt er bereits mit seinem Klageabweisungsantrag und erhält sie schon dadurch, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird. Daher liegt keine Widerklage, sondern eine – sachlich bedeutungslose – rein äußerliche Einkleidung eines Klageabweisungsantrags in die Form einer Widerklage vor, wenn nur die bloße Abweisung des Klageantrags ohne eine weitergehende Entscheidung begehrt wird (BAG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 AZR 454/89, Rn. 14-17, juris).
70Vorliegend hat der Beklagte nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils auf die austenorierte Zahlungsverpflichtung zu Ziff. 2 den nunmehr mit der Widerklage geltend gemachten Betrag (inkl. Zinsen) iHv. 2.625,38 Euro gezahlt, so dass sich die Widerklage, die auf die Rückzahlung dieses Betrages gerichtet ist, in der bloßen Negation des Klageantrages zu Ziff. 2 erschöpfen könnte. Allerdings ist die Berufung des Beklagten gegen die ausgeurteilte Zahlungsverpflichtung zu Ziff. 2 bereits unzulässig (siehe oben), so dass insofern formelle und materielle Rechtskraft (§ 322 ZPO) des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts eingetreten ist. Im Rahmen der Widerklage macht der Beklagte somit eine originäre Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin geltend und seine Widerklage kann angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen teilweisen Rechtskraft (§ 322 ZPO) keine reine Negation des Klageantrages zu Ziff. 2 sein, denn dieser Klageantrag ist nicht mehr rechtshängig und damit nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.
712. Die Erhebung einer Widerklage in der Berufungsinstanz richtet sich nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 533 ZPO. Voraussetzung hierfür ist, dass entweder der Gegner hierin einwilligt oder das Gericht die Erhebung der Widerklage für sachdienlich hält, und zusätzlich, dass die Widerklage auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 529 ZPO ohnehin zugrunde zu legen hat (vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 13. Juni 2013 – 7 Sa 101/13, Rn. 54 ff., juris).
722. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
73a) Die Klägerin und Berufungsbeklagte bzw. Widerbeklagte hat in die Erhebung der Widerklage ausdrücklich eingewilligt (§ 533 Ziff. 1, 1. Alt. ZPO).
74b) Die Erhebung der Widerklage kann daneben auch als sachdienlich im Sinne von § 533 Ziff. 1, 2. Alt. ZPO angesehen werden, denn der Beklagte hat die zwischenzeitliche Zahlung an die Klägerin nur unter Vorbehalt geleistet und aus seiner Sicht ist es weiterhin streitig, ob die Klägerin zur Rückzahlung verpflichtet ist. Eine Verzögerung des Rechtsstreits tritt hierdurch nicht ein.
75c) Schließlich wird die Widerklage auch auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 529 ZPO ohnehin zugrunde zu legen hat. Der vom Beklagten geltend gemachte Zahlungsanspruch beruht im Ergebnis darauf, dass seiner Auffassung nach die Klägerin den gerichtlichen Vergleich dem 04.05.2018 zum Aktenzeichen 2 Ca 243/18 EU noch nicht vollständig iSv. § 362 BGB erfüllt habe, so dass noch Zahlungen offen stünden, die er entweder im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen könnte bzw. die er wieder gerichtlich geltend machen könnte, da die Klägerin den offenstehenden Betrag zwischenzeitlich zu Unrecht vom Beklagten wieder zurück erhalten haben soll. Mit der Widerklage wird zwar ein neuer Streitgegenstand in den Prozess eingeführt, aber es sind keine Tatsachen erforderlich, über die nicht bereits erstinstanzlich mündlich verhandelt wurde, soweit sie nicht ohnehin unstreitig sind und daher vom Berufungsgericht zugrunde zu legen sind.
76II. Die Widerklage des Beklagten ist unbegründet, da dem Beklagten gegenüber der Klägerin kein Anspruch auf (Rück-)Zahlung der 2.625,38 Euro zusteht, da der Beklagte sich hierfür auf keine vertragliche oder gesetzliche Anspruchsgrundlage stützen kann.
771. Soweit sich der Beklagte für seinen Zahlungsanspruch auf den gerichtlichen Vergleich iSv. § 779 BGB vom dem Arbeitsgericht Bonn (2 Ca 243/18 EU) vom 04.05.2018 stützen sollte, hat die Klägerin ihre Zahlungsverpflichtung nach Ziff. 3 (= Zahlung einer Abfindung iHv. 7.000,- Euro brutto) erfüllt (siehe oben), so dass der gerichtliche Vergleich als Anspruchsgrundlage ausscheidet. Auf andere Anspruchsgrundlagen aus dem gerichtlichen Vergleich, die einen Zahlungsanspruch zum Gegenstand haben, stützt sich der Beklagte nicht.
782. Auch scheidet der Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) zwischen den Parteien als Anspruchsgrundlage aus, da sich der Beklagte nach seiner Klagebegründung schon nicht darauf beruft, dass noch andere Zahlungsverpflichtungen offen seien.
793. Ein gesetzlicher Anspruch aufgrund einer ungerechtfertigten Bereicherung iSv. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB (sog. condictio indebiti) scheidet ebenfalls aus. Die Klägerin ist zwar durch die unter Vorbehalt geleistete Zahlung des Beklagten um etwas bereichert, da der Klägerin der og. Geldbetrag auf ihrem Geschäftskonto gutgeschrieben wurde. Dieser Vermögenszuwachs bzw. diese Bereicherung erfolgte allerdings nicht ohne Rechtsgrund. Der Beklagte ist durch das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2019 (2 Ca 2034/18), das bzgl. des Klageantrags zu Ziff. 2 aufgrund der insofern unzulässigen Berufung des Beklagten in Rechtskraft erwachsen ist, rechtskräftig zur Zahlung an die Klägerin verurteilt worden. Das rechtskräftige Urteil stellt insofern den Rechtsgrund dafür dar, dass die Klägerin die Zahlung des Beklagten behalten darf und diese daher nicht an ihn zurückzahlen muss.
80E. Die Kosten der erfolglosen Berufung, einschließlich der Widerklage, hat der Beklagte gemäß §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
81F. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil sie auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht. Auch weicht die Kammer nicht von anderen Entscheidungen im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ab.