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Eine wirksame Befristung wegen vorübergehenden Mehrbedarfs setzt die Darlegung voraus, dass die Anzahl der zusätzlichen erforderlichen Arbeitsstunden mit dem Mehrbedarf korreliert. Dazu ist zunächst der Regelbedarf darzustellen und durch welche Umstände in welcher konkreten Höhe Mehrbedarf bedingt ist.
Im Fall von G8/G9 ist darzustellen wieviel Personal für 50 % der Studenten mit Abitur 2013 zusätzlich erforderlich ist. Alle anderen Studierenden sind dem Regelbedarf zuzurechnen und rechtfertigen keine Befristung.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.06.2018 – 5 Ca 8589/17 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Befristung ihres Arbeitsvertrages zum 31.03.2018.
3Der am 1979 geborene Kläger war seit dem 01.02.2007 jeweils mit befristeten Arbeitsverträgen für die Beklagte tätig. Während die ersten 14 befristeten Verträge die Anfertigung der Dissertation des Klägers begleiteten, stützt sich der ab dem 01.04.2015 geltende Arbeitsvertrag auf einen Mehrbedarf, der durch den doppelten Abiturjahrgang, der im Frühjahr 2013 in Nordrhein-Westfalen Abitur gemacht hat, bedingt sein soll.
4Der Kläger behauptet, die ihm übertragenen Aufgaben als Lehrkraft für besondere Aufgaben in der Stellung eines Studienrates im Angestelltenverhältnis seien Daueraufgaben gewesen. Nach seiner Einstellung seien für den doppelten Abiturjahrgang keine zusätzlichen Seminarstunden/Vorlesungen angeboten worden. Vielmehr habe er lediglich den Ausfall kompensiert, der durch die Pensionierung der Professorin A -G eingetreten sei. Dies ergebe sich auch aus der Summe der insgesamt angebotenen Unterrichts-/Vorlesungsstunden. Diese haben bereits im Sommersemester 2012 63 Wochenstunden betragen, während sie im Wintersemester 2013/14 nur 62 Wochenstunden betragen haben und im Wintersemester 2014/15 sogar nur 58 Wochenstunden. Es reiche zudem nicht, den Tatbestand eines erhöhten Bedarfs darzustellen. Der Umfang der vereinbarten Befristung müsse auch im Rahmen dieses Sonderbedarfs bleiben.
5Die Beklagte vertritt demgegenüber die Ansicht, es reiche aus, dass aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs ein vorübergehender erhöhter Lehrkräftebedarf bestanden habe. Mit Abschluss des Studiums derjenigen Studenten, die im Frühjahr 2013 Abitur gemacht haben, entfalle der Beschäftigungsbedarf für den Kläger.
6Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Es hat dazu ausgeführt, dass zwar anzunehmen sei, dass durch einen doppelten Abiturjahrgang auch für die Dauer, für die die jeweiligen Studenten an der Universität studieren, ein erhöhter Bedarf gegeben sei. Die Beklagte habe aber auch darstellen müssen, wie genau sich die zusätzlichen Studierendenzahlen auf den Personalbedarf der Arbeitgeberin auswirkte. Insbesondere sei es denkbar und möglich, dass die Anzahl der Lehrveranstaltungen nicht erhöht wird und nur größere Räume gewählt werden. Die Beklagte habe deshalb im Einzelnen darstellen müssen, welche zusätzlichen Arbeitsstunden nach ihrer Organisationsentscheidung erforderlich waren, um den Studierendenbedarf zu decken.
7Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und beantragt,
8das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.06.2018,- Az. 5 Ca 8589/17 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
9Der Kläger beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Beide Parteien wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertiefen ihre Rechtsansichten.
12Hinsichtlich des Vortrags im Einzelnen wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
15Die Befristung des Arbeitsvertrages ist nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt, da die Beklagte es nicht vermocht hat, darzustellen, dass die aufgrund Arbeitsvertrages vom Kläger geschuldeten Arbeitsstunden genau dem Mehrbedarf an Arbeitsstunden entsprechen, der durch den doppelten Abiturjahrgang aus dem Frühjahr 2013 erforderlich wurde. Damit gilt der Arbeitsvertrag gemäß § 16 Abs. 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen.
16Richtig ist, dass dann, wenn bei Abschluss eines befristeten Vertrages feststeht, dass für eine vorübergehende Zeit ein erhöhter Bedarf an einer Arbeitsleistung besteht und sicher vorhersehbar ist, dass diese Arbeitsleistung jedenfalls nach Ablauf der Befristung nicht mehr erforderlich sein wird, ein Arbeitsvertrag wegen genau dieses erhöhten Bedarfs wirksam befristet abgeschlossen werden kann.
17Dies setzt im Falle der Beklagten jedoch zunächst voraus, dass feststeht, welcher Arbeitsbedarf in Stunden pro eingeschriebenem Student/ Studentin regelmäßig im Semester anfällt. Erhöht sich dann für eine vorübergehende Zeit die Anzahl der Studierenden, kann im Wege des Dreisatzes errechnet werden, wie viel zusätzliche Arbeitsstunden erforderlich sind, um genau diesen Mehrbedarf zu decken. Nur dieser rechtfertigt den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags mit genau der erforderlichen Stundenzahl. Denn nur insoweit steht fest, dass der Arbeitsplatzbedarf nach Durchlaufen der universitären Ausbildung des doppelten Jahrgangs wieder entfällt.
18Die Beklagte hat eine solche Berechnung von Arbeitsbedarf pro Student nicht durchgeführt, obwohl sie aus dem erstinstanzlichen Urteil entnehmen konnte, welche Berechnungen erforderlich sind, um die Wirksamkeit der Befristung begründen zu können.
19Aus den vom Kläger aus Veröffentlichungen der Beklagten zusammengestellten Zahlen der angebotenen Seminar- und Vorlesungsstunden ergibt sich, dass die Anzahl dieser Stunden jedenfalls nicht in direktem Verhältnis zu den Studentenzahlen steht. Andernfalls lässt sich nicht erklären, warum bereits vor dem doppelten Abiturjahrgang 63 Semesterstunden angeboten wurden, während zu einem späteren Zeitpunkt, zu dem die Studierendenzahl wegen des doppelten Jahrgangs höher sein sollte, weniger Semesterstunden angeboten wurden. Selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass jedenfalls jeder einzelne Studierende auch Klausuren schreiben muss und Prüfungen abgehalten werden, hätte die Beklagte den Stundenbedarf darstellen müssen, der sich dann ergibt, wenn zwar die Anzahl der Seminare/Vorlesungen gleich bleibt, die Studenten aber in größeren Gruppen unterrichtet werden. Denn auch in diesem Fall hätte sich ein erhöhtes Arbeitsvolumens aus den erforderlichen Korrektur-, Prüfungs- und Betreuungszeiten ergeben. Die Beklagte hat aber weder konkret dargestellt, welcher Zeitaufwand konkret durch Universitätspersonal in der Lehre für einen einzelnen Studenten durchschnittlich anfällt, noch welche Organisationsentscheidungen (mehr Kurse, größere Kurse) sie getroffen hat.
20Da die Beklagte den Kläger erst zum 01.04.2015 mit dem Befristungsgrund „Mehrbedarf wegen des doppelten Abiturjahrgangs“ eingestellt hat, mussten der Beklagten zu diesem Zeitpunkt auch schon genaue Zahlen vorliegen, welche Studierenden über ein Abitur in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2013 die Hochschulzugangsberechtigung erlangt hatten und bis zu diesem Zeitpunkt das entsprechende Studienfach gewählt und das Studium aufgenommen hatten. Diese Zahl war ins Verhältnis zu allen Studierenden zu setzen. Denn das Abitur am Gymnasium ist nicht der einzige Zugangsweg zum Studium. Zum einen war die Verkürzung der Schulzeit in anderen Bundesländern teilweise bereits früher erfolgt, so dass sich nicht bei allen Studierenden, die aus anderen Bundesländern nach K kamen, eine Veränderung im Zugang ergab. Auch waren ausländische Studierende zu berücksichtigen sowie Studenten, die nicht auf dem Wege des Gymnasialabiturs ihre Hochschulzugangsberechtigung erhalten hatten. Bei all diesen Studierenden ergab sich kein erhöhter Bedarf aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs 2013. Der Bedarf dieser Studierenden war deshalb bei dem festzustellenden Mehrbedarf nicht zu berücksichtigen.
21Bei der Berechnung von Regelbedarf und Mehrbedarf musste die Beklagte auch berücksichtigen, dass in der Vergangenheit der Zugang von Abiturienten zum universitären Studium erheblich zugenommen hatte. Die Quote der studierenden Abiturienten hatte sich in der Vergangenheit stetig gesteigert. Diese „normale“ Steigerung war als regulärer Bedarf zu bewerten und konnte deshalb ebenfalls keinen Mehrbedarf und damit keine Befristung rechtfertigen.
22Die Beklagte hätte im Übrigen zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers nicht lediglich die Anzahl der Studenten aus dem doppelten Abiturjahrgang schätzen können. Sie kannte aufgrund der Prüfung, ob überhaupt eine Hochschulzugangsberechtigung gegeben war, die genauen Zahlen derjenigen, die aus dem Abiturjahrgang 2013 in NRW bereits bei ihr das Studium aufgenommen hatte. Diese Zahl der Studierenden wäre zu halbieren gewesen, da aus diesem Jahrgang auch ein „normaler“ Zugang zur universitären Ausbildung gegeben war. Sodann hätte die Beklagte im Einzelnen darstellen müssen, welche zusätzlichen Ausbildungs-, Klausurkorrektur-, Prüfungs- oder Betreuungsstunden erforderlich waren, um diese zusätzliche Anzahl Studierender bis zu ihrem Abschluss zu begleiten. Ein solcher Vortrag oder wenigstens ein plausible Schätzungsgrundlage unter Berücksichtigung der bei Einstellung des Klägers schon bekannten „Ist-Zahlen“ fehlt.
23Nach dem von der Beklagten dargestellten Sachverhalt kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte den doppelten Abiturjahrgang dazu genutzt hat, eine Befristung zu rechtfertigen, die über den konkreten Mehrbedarf hinausgeht. Zwar hätte die Beklagte die Arbeitsaufgaben im Wege des Direktionsrechts auch so verteilen können, dass der Kläger beispielsweise auch Klausuren von anderen Jahrgängen korrigiert oder für alle Jahrgänge Prüfungsaufgaben wahrnimmt. Ob die Beklagte insgesamt aber mehr Arbeitsstunden benötigte, um den Jahrgang 2013 zu bewältigen und ob sich überhaupt in einem zahlenmäßig konkret messbarem Rahmen, der genau eine volle Stelle ausmacht, der Arbeitsbedarf allein durch die Hälfte der mit Abitur 2013 immatrikulierten Studenten bei der Beklagten erhöht hat, konnte die erkennende Kammer nicht prüfen.
24Damit war auch der Weiterbeschäftigungsantrag zuzusprechen.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.