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1. Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Konzernbetriebsrat und örtlichen Betriebsräten bei der konzernweiten Einführung eines neuen EDV-Systems.
2. Zur Auslegung von § 111 S.3 Nr.4 BetrVG.
3. Zur notwendigen Interessenabwägung beim Verfügungsgrund für eine einstweilige Unterlassungsverfügung.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg in Sachen 5 BVGa 3/18 vom 05.11.2018 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
2I. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Siegburg dazu veranlasst haben, den Antrag des Betriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, wird auf die Abschnitte I. und II. des angefochtenen Beschlusses vom 05.11.2018 Bezug genommen.
3Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde dem Antragsteller am 15.11.2018 zugestellt. Der Antragsteller hat hiergegen am 26.11.2018 Beschwerde eingelegt und diese am 30.11.2018 begründet.
4Der antragstellende Betriebsrat als Beschwerdeführer bleibt bei seiner Auffassung, dass ihm im Hinblick auf die Einführung und Inbetriebnahme des EDV-Systems „G “ (G ) im Betrieb der Beteiligten zu 2. ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zustehe. Der Konzernbetriebsrat sei zum Abschluss einer entsprechenden Konzernbetriebsvereinbarung nicht zuständig gewesen. Weder habe er, der Beschwerdeführer, – insoweit unstreitig – seine Zuständigkeit zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auf den Konzernbetriebsrat delegiert, noch lägen die Voraussetzungen einer originären Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats vor. Maßgeblich sei, ob es dem lokalen Betriebsrat objektiv oder subjektiv unmöglich ist, seiner Zuständigkeit nachzukommen oder ob ggf. ein zwingendes Erfordernis einer konzernübergreifenden Regelung bestehe. Andernfalls sei nach dem Subsidiaritätsprinzip grundsätzlich von der Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte auszugehen. Wie er, der Beschwerdeführer bereits erstinstanzlich vorgetragen habe, sei es nicht nur möglich, die Angelegenheit auf lokaler Ebene zu regeln, sondern im Fall des Betriebs T sogar zwingend erforderlich. Die konkrete Auswahl, welche Software wie eingesetzt werde, bleibe auch nach der bestehenden Konzernbetriebsvereinbarung örtlich zu regeln. Aufgrund der im Betrieb T geltenden Besonderheiten könne eine Regelung auf Konzernebene lediglich die zentrale Bereitstellung, den Support und die Verteilung von Software im Allgemeinen regeln.
5Ferner vertritt der Beschwerdeführer weiterhin die Meinung, dass sein Unterlassungsanspruch auch zur Sicherung der Rechte aus §§ 111, 112 BetrVG erforderlich sei. Die Administration der IT-Systeme, die von der Einführung von G berührt seien, solle in Zukunft nicht mehr innerbetrieblich, sondern zentral von der D GmbH geleistet werden. Hierin liege eine klassische Änderung der Betriebsorganisation der Beteiligten zu 2. im Sinne des § 111 Nr. 4 BetrVG. Nach seinem bisherigen Kenntnisstand fielen durch die Einführung des G auch mindestens die vier Arbeitsplätze der IT-Spezialisten in T weg, von denen zwei bereits aus dem Betrieb ausgeschieden seien.
6Der Beschwerdeführer bleibt auch dabei, dass entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Siegburg ein Verfügungsgrund bestehe. Eines der Ziele des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestehe darin, präventiv rechtlich unzulässige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer bereits im Vorfeld zu verhindern. Drohe, wie im vorliegenden Fall, eine schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung, so sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits im Eilverfahren eine abschließende Prüfung der Sache erforderlich. Ferner bringe die Einführung von G eine Änderung komplexer und technisch anspruchsvoller Programme mit sich, so dass eine ordnungsgemäße Bedienung ohne Schulung nicht möglich sei. Ein Teil der von ihm geforderten Mitbestimmung bezüglich einer Betriebsvereinbarung seien diese Schulungsmaßnahmen. Sollte G eingeführt und umgesetzt werden, ohne dass auch nur ein Mitarbeiter diesbezüglich geschult worden sei, drohten erhebliche Störungen und Verzögerungen im Betriebsablauf. Es sei zu befürchten, dass diese auf die Mitarbeiter zurückfielen und ggf. zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen könnten.
7Auf den vollständigen Inhalt der Beschwerdebegründungsschrift des Betriebsrats wird Bezug genommen.
8Der Betriebsrat als Antragsteller und Beschwerdeführer beantragt nunmehr:
91. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 05.11.2018 – 5 BVGa 3/18 – wird abgeändert und die Beteiligte zu 2. wird verurteilt, die Einführung und Inbetriebnahme von dem EDV-System „G “ (kurz G ), die eine Veränderung sämtlicher bestehender EDV-Systeme [mit sich bringt, sinngemäße Ergänzung durch das Gericht], insbesondere
Netzinfrastruktur, Firewalls, Router, Switch, Internet- und Intranetzugänge am Bürostandort in T sowie am ehemaligen Bürostandort „H “ in B ,
Microsoft Exchange Server,
Fileserver,
Arbeitsplatzsysteme
im Betrieb zu unterlassen, solange
17a) in Bezug auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zwischen den Betriebsparteien keine die Einführung und Nutzung von G regelnde Betriebsvereinbarung abgeschlossen oder durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt wurde,
18b) in Bezug auf § 111 Nr. 4 BetrVG zwischen den Betriebsparteien kein Interessenausgleich abgeschlossen wurde oder durch Beschluss der Einigungsstelle endgültig gescheitert ist.
192. der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2. wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 € angedroht.
Die Arbeitgeberin als Beteiligte zu 2. und Beschwerdegegnerin beantragt,
22die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
23Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats rechtsfehlerfrei als unbegründet zurückgewiesen habe. Der Beschwerdeführer habe nach wie vor nicht dargelegt, dass durch die Einführung und Nutzung von G wesentliche Nachteile entstünden, in- dem seine oder die Rechte der von ihm vertretenen Arbeitnehmer beeinträchtigt würden. Vielmehr habe sie, die Beschwerdegegnerin, bereits erstinstanzlich dargestellt, dass sich durch die Einführung von G für die Arbeitnehmer hinsichtlich der Abläufe bei ihrer täglichen Arbeit nichts ändere, außer, dass jetzt mit Windows 10 statt Windows 7 und mit der Microsoft Office Version 2013 statt der Version 2010 gearbeitet werden müsse.
24Für den Fall, dass die Konzernbetriebsvereinbarung G in Verbindung mit dem Informationsdokument bestimmte Software, die bei ihr, der Beschwerdegegnerin, Anwendung finde, nicht erfasse, mögen diese ggf., soweit sie nicht bereits durch den Beschwerdeführer mitbestimmt seien, der gesonderten Mitbestimmung unterliegen. Dies könne aber keinen Unterlassungsanspruch gegen die Einführung und Anwendung von G begründen.
25Ferner habe das Arbeitsgericht Siegburg zu Recht darauf abgestellt, dass der Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung nur dann in Betracht komme, wenn die zu sichernden Mitbestimmungsrechte eindeutig gegeben seien. Hier sei jedoch gerade das Gegenteil der Fall. Die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung von G sei rechtwirksam zustande gekommen und erfasse auch ihren Betrieb. Sie erkenne die Geltung der Konzernbetriebsvereinbarung in ihrem Betrieb ausdrücklich an. Die Konzernbetriebsvereinbarung enthalte aber bereits die Schutzrechte für die Arbeitnehmer im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
26Ferner vertritt die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass ein Unterlassungsanspruch zur Sicherung von Rechten nach §§ 111, 112 BetrVG schon aus grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen nicht in Betracht komme. Es liege aber auch schon keine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG vor. Eine „grundlegende Änderung der Betriebsorganisation“ im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG sei in der Einführung von G nicht zu sehen. Die beiden vom Betriebsrat angesprochenen Arbeitnehmer der IT-Abteilung seien auch nicht betriebsbedingt wegen der Einführung von G aus dem Tr Betrieb ausgeschieden, sondern jeweils auf eigenem Wunsch, in einem Fall sogar durch eine für sie, die Beschwerdegegnerin selbst, überraschende Eigenkündigung.
27Auf den vollständigen Inhalt der Beschwerdeerwiderungsschrift wird ebenfalls Bezug genommen. Bezug genommen wird ferner auf das Protokoll der mündlichen Anhörung der Beteiligten vom 13.12.2018.
28II. Die Beschwerde des Antragstellers/Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 05.11.2018 ist zulässig, aber unbegründet.
29Der Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit welcher es der Beschwerdegegnerin untersagt würde, das EDV-System G in ihrem Betrieb einzuführen und in Betrieb zu nehmen, solange mit dem Beschwerdeführer keine Betriebsvereinbarung zustande gekommen ist, die die Belange des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG regelt, und kein Interessenausgleich im Hinblick auf § 111 Nr. 4 BetrVG zustande gekommen oder in einer Einigungsstelle endgültig gescheitert wäre, kommt nicht in Betracht. Es fehlt hierfür sowohl an einem Verfügungsanspruch des Beschwerdeführers wie auch an einem Verfügungsgrund.
30Auf der Grundlage der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur summarisch möglichen und gebotenen Tatsachenfeststellung gilt hierzu das Folgende:
311. Es ist bereits nicht zu erkennen, dass die Beschwerdegegnerin mit der Einführung und Inbetriebnahme des EDV-Systems G in ihrem Betrieb Mitbestimmungsrechte des Beschwerdeführers aus § 87 Nr. 6 BetrVG verletzt oder deren Verletzung droht.
32a. Es ist zwar zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Einführung und Inbetriebnahme des EDV-Systems G die Rechte der Arbeitnehmerschaft berührt, die durch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geschützt werden sollen, und dass daher die Einführung eines solchen EDV-Systems grundsätzlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist.
33b. Die aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erwachsenden Mitbestimmungsrechte wurden aber bereits durch den Konzernbetriebsrat in seiner Konzernbetriebsvereinbarung „Informationstechnologie des Konzerns D AG“, „Anlage 50 G (G )“ wahrgenommen und ausgeübt. Der Schutz der Beschäftigten im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei Auswertungen und der Nutzung personenbezogener Daten ist in § 3 der Konzernbetriebsvereinbarung „Anlage 50“ ausdrücklich geregelt. Sowohl die Konzernbetriebsvereinbarung Informationstechnologie des Konzerns D AG im Allgemeinen wie auch die zugehörige Anlage 50 G im Besonderen gilt auch für den Betrieb der Beteiligten zu 2. Dies folgt zum einen bereits aus § 1 Abs. 2 S. 1 der Konzernbetriebsvereinbarung Anlage 50, worin ausgeführt wird, dass diese Anlage räumlich für alle inländischen Unternehmen des Konzerns D AG gilt. Auch die Beteiligte zu 2. stellt ein „inländisches Unternehmen des Konzerns D AG“ dar. Darüber hinaus ist aber die Arbeitgeberin in Anlage 7 zum sog. Informationsdokument, das als Bestandteil der Konzernbetriebsvereinbarung Anlage 50 anzusehen ist, ausdrücklich als eine das System G nutzende Konzerngesellschaft aufgeführt.
34§ 4 der Konzernbetriebsvereinbarung Informationstechnologie enthält darüber hinaus ebenfalls Arbeitnehmerschutzbestimmungen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
35c. Die Beteiligte zu 2. hat sich auch im vorliegenden Verfahren ausdrücklich dazu bekannt, dass sie die Geltung der Konzernbetriebsvereinbarung einschließlich deren Anlage 50 nebst zugehörigem Informationsdokument in ihrem Betrieb anerkennt.
36d. Es spricht auch alles dafür, dass der Konzernbetriebsrat, und nicht etwa der Beschwerdeführer als örtlicher Betriebsrat, für die Wahrnehmung der Rechte der Arbeitnehmerschaft aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung von G auch im Betrieb der Beteiligten zu 2. zuständig war.
37aa. Es trifft zwar zu, dass nach dem System der Betriebsverfassung grundsätzlich zunächst von einer Zuständigkeit der Betriebsräte auf den örtlichen Betriebsebenen auszugehen ist und die Wahrnehmung von den Arbeitnehmern betriebsverfassungsrechtlich zustehenden Kompetenzen durch betriebsübergreifende Betriebsräte (Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat) eines besonderen Grundes bedarf. Für den vorliegenden Fall ist jedoch anzunehmen, dass die Voraussetzungen der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG auch im Hinblick auf die Einführung von G im Betrieb der Beteiligten zu 2. vorgelegen haben.
38bb. So handelte es sich bei der Einführung von G – wohl unstreitig – um eine Angelegenheit, die den Konzern oder zumindest die in der Anlage 7 zum Informationsdokument der Anlage 50 zur Konzernbetriebsvereinbarung Informationstechnologie im Einzelnen namentlich aufgeführten 106 Konzernunternehmen betrifft. Eine der Intentionen für die konzernweite Einführung von G lag gerade in der Standardisierung der IT-Landschaft im Konzern.
39cc. Aber auch die weitere Voraussetzung für die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats, dass die Angelegenheit nicht durch die einzelnen(Gesamt-) Betriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden kann, ist im Hinblick auf die Einführung von G zu bejahen.
40aaa. So bringt die Einführung von G es mit sich, dass der technische Betrieb dieses zentralen EDV-Systems für alle angeschlossenen Konzernunternehmen über die Server der Konzerngesellschaft DH in P erfolgt. Die Administration von G erfolgt ebenfalls durch diese Gesellschaft und eine weitere Konzerngesellschaft, die D IT-Services GmbH.
41bbb. Die Nutzung, aber auch die Überwachungsmöglichkeiten, die das System G mit sich bringen, sind somit im Konzern zentral organisiert und bei zwei selbstständigen Konzernunternehmen angesiedelt, auf die der Betriebsrat der Beteiligten zu 2. keinerlei Einflussmöglichkeiten hat. Genau diese zentrale Organisation der mit dem System einhergehenden Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeiten hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 25.09.2012 – 1 ABR 45/11 – als ausschlaggebend für die Zuständigkeit des dortigen Konzernbetriebsrats angesehen. Die Umstände des vorliegenden Falles entsprechen in ihren entscheidungserheblichen Komponenten dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.09.2012 zugrunde lag.
42ccc. Da etwaige von einem neu einzuführenden EDV-System ausgehende negative Einflussmöglichkeiten auf die durch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geschützten Rechte der Arbeitnehmerschaft naturgemäß in erster Linie dort zu lokalisieren sind, wo das EDV-System betrieben und administriert wird, dies vorliegend aber außerhalb des Unternehmens der Beteiligten zu 2. geschieht, werden die Schutzbelange der bei der Beteiligten zu 2. beschäftigten Arbeitnehmerschaft durch die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrat im Zweifel besser geschützt als durch eine Zuständigkeit des Beschwerdeführers, dessen Einflussmöglichkeiten beschränkt sind.
43ddd. Ein anderes Ergebnis kann der Beschwerdeführer auch nicht damit begründen, dass nach seiner Behauptung bei der Beteiligten zu 2. bisher eine eigenständige, spezielle IT-Handhabung stattgefunden habe, die sich von derjenigen der anderen Konzernunternehmen unterschieden habe. Vorliegend geht es im Hinblick auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG um die Einführung des neuen EDV-Systems G . Demnach ist nur erheblich, was für die Zukunft geplant ist, und nicht die Verhältnisse der Vergangenheit.
44e. Ebenso wenig kann der Beschwerdeführer seinen Verfügungsanspruch für das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Unterlassungsbegehren daraus herleiten, dass bei der Beteiligten zu 2. neben dem zentralen EDV-System bzw. auf dessen Grundlage noch weitere, speziell auf die Unternehmenszwecke der Beteiligten zu 2. zugeschnittene Anwendungssoftware betrieben werde.
45aa. Die Beschwerdegegnerin hat in dem Anhörungstermin vom 13.12.2018 unstreitig gestellt, dass zur Arbeit vor Ort weitere Software benötigt werde, die nicht unmittelbar Gegenstand von G sei. Sie hat dies mit der Angabe verbunden, dass sich an dieser Software jedoch zurzeit durch die Einführung von G nichts ändere. Diese Software sei teilweise auch bereits durch den Beschwerdeführer mitbestimmt.
46bb. Wenn somit auch in Zukunft neben dem zentralen EDV-System G bzw. auf dessen Grundlage im Betrieb der Beteiligten zu 2. noch weitere, speziell auf die Unternehmenszwecke der Beteiligten zu 2. zugeschnittene Anwendungssoftware zum Einsatz kommen wird, beeinflusst dies nicht die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats für die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung von G . Die Einführung des zentralen EDV-Systems G in den einzelnen Konzernunternehmen ist nämlich von der Benutzung etwaiger spezieller Anwendungssoftware in den einzelnen Unternehmen zu trennen. Was unter G zu verstehen ist und dazu gehört, ist in der Anlage 50 G nebst dem zugehörigen Informationsdokument mit seinen Anlagen genau definiert. Gerade (nur) die Einführung und Inbetriebnahme dieses EDV-Systems G im Betrieb der Beteiligten zu 2. stellt den vom Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Antragsteller selbst gewählten Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens dar. Der Beschwerdeführer möchte die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin durchsetzen, die Einführung und Inbetriebnahme von G zu unterlassen. Etwaige nicht zu G selbst gehörende Anwendungssoftware gehört von vornherein nicht zum Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
47cc. Hinzukommt: Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer darüber informiert, dass zur Zeit sich keine Änderungen an dieser speziellen Anwendungssoftware ergäben. Sie hat durch den Hinweis darauf, dass Teile dieser Anwendungssoftware in der Vergangenheit auch durch den Beschwerdeführer mitbestimmt worden seien, mittelbar eingeräumt, dass sie dem Antragsteller insoweit auch ein Mitbestimmungsrecht zugestehen würde, sofern die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (oder ggf. eines anderen Mitbestimmungsrechts) hinsichtlich solcher Anwendungssoftware vorlägen.
48dd. Der Beschwerdeführer hat demgegenüber auch nicht ansatzweise substantiiert dargelegt, dass die Beschwerdegegnerin anlässlich der Einführung von G auch neue unternehmensspezifische Anwendungssoftware einführen wolle oder Änderungen an bestehender Anwendungssoftware vornehmen wolle und erst recht nicht, dass diese Einführung oder Änderung Mitbestimmungsrechte, z. B. aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, auslösen würden.
49f. Sofern der Beschwerdeführer sich im Hinblick auf etwaige zukünftige Änderungen der unternehmensspezifischen Anwendungssoftware von der Beteiligten zu 2. bisher nicht ausreichend informiert fühlt, stünde es ihm frei, – zunächst außergerichtlich ‑ entsprechende Informationen einzufordern. Dies ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
50g. Dasselbe gilt für die Notwendigkeit etwaiger Einweisungen und/oder Schulungen, die durch die Einführung und Inbetriebnahme des zentralen Systems G erforderlich werden könnten. Hierzu verhält sich im Übrigen auch bereits § 4 der Anlage 50 G der Konzernbetriebsvereinbarung Informationstechnologie.
512. Schließlich besteht auch kein Verfügungsanspruch des Beschwerdeführers darauf, die Einführung und Inbetriebnahme des zentralen EDV-Systems G solange zu unterlassen, bis ein Interessenausgleich gemäß § 111 Nr. 4 BetrVG mit ihm abgeschlossen würde oder in einer Einigungsstelle endgültig als gescheitert anzusehen wäre.
52a. Im Hinblick darauf, dass das Betriebsverfassungsgesetz ein eigenes System von Sanktionen vorsieht, wenn ein Arbeitgeber die Rechte des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG nicht beachtet, bestehen bereits grundsätzliche Bedenken gegen die Begründung eines auf einer Verletzung von § 111 BetrVG beruhenden Unterlassungsanspruchs. Jedenfalls müsste ein solcher Anspruch aber auf Fälle besonders gravierender und offensichtlicher Rechtsverletzungen durch den Arbeitgeber beschränkt bleiben.
53b. Der Beschwerdeführer hat schon nicht dargelegt, dass und warum die Einführung von G im Betrieb der Beteiligten zu 2. überhaupt als eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG anzusehen wäre. Der Beschwerdeführer nimmt in seinem Antrag ausdrücklich Bezug auf § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG. Dort werden Betriebsänderungen angesprochen, die in „grundlegenden Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen“ bestehen. Der Betriebszweck der Beteiligten zu 2. ändert sich unstreitig nicht. Ebenso wenig ist für einen Außenstehenden ersichtlich, dass mit der Einführung des EDV-Systems G eine Änderung der Betriebsorganisation verbunden sein soll. Selbst wenn man jedoch zugunsten des Beschwerdeführers unterstellt, dass die Einführung von G die Betriebsorganisation oder ggf. auch die Betriebsanlagen im Sinne von § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG berührt, so kann dem Sachvortrag des Beschwerdeführers jedoch keineswegs entnommen werden, dass es sich dabei um „grundlegende Änderungen“ handelt, wie das Gesetz es verlangt. Darin, dass die IT-Anwender bei der Beteiligten zu 2. künftig statt Windows 7 nunmehr Windows 10 und statt des Microsoft Office Pakets in der Version 2010 nunmehr die Version 2013 nutzen und im Falle von technischen Anwendungsproblemen nicht mehr auf IT-Fachleute im eigenen Haus zurückgreifen können, sondern eine Fernwartung benutzen müssen, kann eine „grundlegende Änderung“ jedenfalls nicht gesehen werden.
54c. Wenn schon gute Gründe dafür sprechen, dass § 111 BetrVG durch die Einführung von G überhaupt nicht berührt wird, so fehlt es in jedem Fall an einer durch diese Einführung zu befürchtenden offensichtlichen und gravierenden Verletzung von Rechten der Belegschaft bzw. des Betriebsrats aus § 111 BetrVG.
553. Unabhängig davon, dass nach dem vorstehend Gesagten ein Verfügungsanspruch des Beschwerdeführers nicht erkennbar ist, fehlt es ersichtlich auch an einem Verfügungsgrund.
56a. Selbst wenn man nämlich einmal zugunsten des Beschwerdeführers unterstellte, dass diesem ein Verfügungsanspruch gegen die Beteiligte zu 2. zustehen könnte, weil die im Zusammenhang mit der Einführung und Inbetriebnahme von G zu beachtenden Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu Unrecht vom Konzernbetriebsrat wahrgenommen wurden, so hätte noch eine abschließende Interessenabwägung der Belange des Beschwerdeführers einerseits und der Beschwerdegegnerin andererseits im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des Unterlassungsbegehrens vorgenommen werden müssen.
57b. Diese hätte zwingend zugunsten der Beteiligten zu 2. ausfallen müssen. Im Hinblick auf die konzernweit durchgeführte Standardisierung des zentralen IT-Systems hat die Beteiligte zu 2. ein nachvollziehbares Interesse daran, nunmehr auch ohne weitere gravierende Verzögerungen an den Konzernstandard angeschlossen zu werden. Auf der anderen Seite wären die Schutzbelange der vom Beschwerdeführer repräsentierten Belegschaft aber zunächst noch durch die Inhalte der Anlage 50 zur Konzernbetriebsvereinbarung Informationstechnologie gewahrt. Die Konzernbetriebsvereinbarung enthält entsprechende einschlägige Schutzregelungen. Die Beteiligte zu 2., die selbst die Auffassung vertritt, dass die Konzernbetriebsvereinbarung rechtswirksam zustande gekommen ist, hat auch im vorliegenden Streitverfahren ausdrücklich erklärt, dass sie sich an diese Konzernbetriebsvereinbarung gebunden fühlt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beteiligten zu 2. wären somit auch für die Dauer eines etwaigen zwischen den Parteien auszutragenden Hauptsacheverfahrens nicht schutzlos gestellt. Auch deshalb kommt der Erlass der vom Beschwerdeführer begehrten Unterlassungsverfügung nicht in Betracht.