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Parallelentscheidung zu 4 Sa 171/17
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2017– ArbG Köln 20 Ca 2193/16 – wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2017– ArbG Köln 20 Ca 2193/16 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über Resturlaubsansprüche des Klägers für das Jahr 2016.
3Der am 1978 geborene Kläger ist seit dem 15.06.2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Fluggastkontrolleur tätig und durchgängig am Flughafen Köln/Bonn eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis bestand zunächst mit der F GmbH und ging im Wege eines Betriebsübergangs zum 01.01.2015 auf die Beklagte über.
4In § 8 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages, der am 05.06.2012 durch den Kläger und die F GmbH unterzeichnet wurde, ist ein Erholungsurlaub von 26 Werktagen bei einer 5-Tage-Woche geregelt, soweit durch tarifliche Regelungen nichts anderes bestimmt ist. Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass eine ausdrückliche Vereinbarung – schriftlicher oder mündlicher Art – über einen höheren Urlaubsanspruch des Klägers nicht besteht. In der Präambel des Arbeitsvertrages ist weiter vereinbart, dass tarifvertragliche Regelungen nur dann zur Anwendung kommen, wenn beide Parteien Mitglied der jeweiligen Tarifvertragspartei sind oder ein Tarifvertrag allgemeinverbindlich ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 39 bis 44 der Akte Bezug genommen.
5Der Kläger ist in einem Schichtrhythmus tätig, in dem auf sechs Arbeitstage drei arbeitsfreie Tage folgen. Im Kalenderjahr 2016 arbeitete der Kläger an 244 Jahresarbeitstagen. Der Kläger ist nicht tarifgebunden.
6Der zwischen der ver.di einerseits und der Tarifgemeinschaft BDSW, FraSec GmbH und FIS GmbH andererseits geschlossene „Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen“ vom 04.09.2013 (im Folgenden: MTV Aviation) trifft in seinem § 17 zum Urlaub folgende Regelung:
7„§ 17 Urlaub
8(1) Soweit nichts anderes im Tarifvertrag geregelt ist, gilt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in seiner jeweils geltenden Fassung.
9(2) Der Erholungsurlaub des/der Beschäftigten, dessen durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist (5-Tage-Woche), beträgt je Kalenderjahr
10bei einer Betriebszugehörigkeit von 0 - 2 Jahren 26 Arbeitstage
11mit Beginn einer Betriebszugehörigkeit von 3 - 4 Jahren 28 Arbeitstage
12mit Beginn einer Betriebszugehörigkeit ab 5 Jahren 30 Arbeitstage.
13Bei einer regelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit im Kalenderjahr auf mehr oder weniger Arbeitstage pro Woche erfolgt eine entsprechende Umrechnung des Urlaubsanspruchs.
14Für im Jahres-/Monatsschichtplan arbeitende Beschäftigte sind Urlaubstage die im Schichtplan regelmäßig ausgewiesenen Arbeitstage.
15(…)
16Die Umrechnung des Urlaubs erfolgt nach folgender Regel:
17Urlaubstage Fünftagewoche * Jahresarbeitstage/260
18(…)“
19Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass es gemeinsame Erläuterungen beider Tarifvertragsparteien zur Berechnungsweise des Urlaubs nach § 17 MTV Aviation – anders als von der Beklagten zunächst behauptet – tatsächlich nicht gibt.
20Der „Tarifvertrag zur Überleitung in den Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 04.09.2013“ (im Folgenden: Überleitungstarifvertrag), der zwischen der F GmbH und ver.di geschlossen wurde, sieht folgende Regelung vor:
21„§ 2: Inkrafttreten des MTV Aviation
22Der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 04.09.2013 (nachfolgend MTV Aviation genannt) löst den Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 08.12.2005 mit Wirkung zum 01.01.2014 ab, soweit im Folgenden keine abweichende Regelung getroffen wird. Der Manteltarifvertrag Aviation geht im allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag mithin vor.
23§ 3: abweichende Regelung
24(…)
252. Im Jahr 2014 gilt folgende von § 17 Abs. 2 MTV Aviation abweichende Urlaubsstaffelung (für alle AN unabhängig Teil- und Vollzeitbeschäftigung):
26Nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von
27bis zu 2 Jahren 28 Werktage
282 Jahren bis 4 Jahre: 30 Werktage
294 Jahren bis 6 Jahre: 32 Werktage
306 Jahren bis 8 Jahre: 34 Werktage
318 Jahren bis 10 Jahre: 36 Werktage
32über 10 Jahre: 38 Werktage
33(…)
34Es entsteht hieraus kein Besitzstand hinsichtlich des Urlaubsanspruchs über das Jahr 2014 hinaus.
35(…)“
36In den Lohnabrechnungen des Klägers für das Jahr 2014 sind unter „Url. Anspr.“ 30 Tage ausgewiesen (Blatt 69 und 70 der Akte).
37In einem Schreiben der Beklagten vom 04.03.2016 heißt es auszugsweise wie folgt:
38„(…) Die Urlaubsdauer richtet sich nach § 17 Abs. 2 MTV. (…) Wir möchten herausstellen und Ihnen zusichern, dass durch die Überleitung von dem alten in das neue Tarifwerk für Sie keine Schlechterstellung hinsichtlich der Dauer des Ihnen tariflich zustehenden Urlaubs eingetreten ist oder wird. (…).
39Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 04.03.2016 wird auf Blatt 71 der Akte Bezug genommen.
40Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahr 2015 30 Urlaubstage, im Jahr 2016 26 Urlaubstage.
41Mit seiner seit dem 23.03.2016 anhängigen Klage hat der Kläger weitere Urlaubsansprüche für das Jahr 2016 geltend gemacht.
42Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit ihm, dem Kläger, einen Urlaubsanspruch im Umfang von 30 Arbeitstagen vereinbart habe. Darüber hinaus hat er die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihm gegenüber im Schreiben vom 04.03.2016 jedenfalls eine entsprechende Zusage gemacht habe.
43Der Kläger hat beantragt,
44die Beklagte zu verurteilen, ihm in Erfüllung des Urlaubsanspruchs für das Jahr 2016 weitere fünf Tage Urlaub zu gewähren, also insgesamt 30 Arbeitstage.
45Die Beklagte hat beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sich der Urlaubsanspruch des Klägers ausschließlich nach § 17 Abs. 2 MTV Aviation, der aufgrund betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde, bestimme. Diesen habe sie zutreffend errechnet und die sich aus der Berechnung ergebenen Bruchteile im Umkehrschluss zu § 5 Abs. 2 BUrlG zulässigerweise abgerundet.
48Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.01.2017 die Klage bis auf zugesprochene 0,27 Urlaubstage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Urlaubsanspruch des Klägers sich nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 des MTV Aviation bestimme. Der MTV Aviation finde auf das Arbeitsverhältnis kraft Inbezugnahme durch betriebliche Übung insgesamt Anwendung. Den Urlaubsanspruch habe die Beklagte für das Jahr 2016 bis auf die im Wege der Abrundung nicht gewährten 0,27 Urlaubstage erfüllt. Die durch die Beklagte vorgenommene Abrundung sei unzulässig, denn es bestehe dafür weder eine gesetzliche noch eine tarifliche Grundlage. Weitergehende Ansprüche des Klägers folgten weder aus einer (nicht nachgewiesenen) individuellen Zusage, noch aus betrieblicher Übung, den Lohnabrechnungen oder dem Anschreiben der Beklagten vom 04.03.2016.
49Gegen das ihm am 13.02.2017 zugestellte und die Berufung zulassende Urteil hat der Kläger am 23.02.2017 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 11.05.2017 begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 01.02.2017 zugestellte und die Berufung zulassende Urteil am 01.03.2017 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 03.05.2017 am 02.05.2017 begründet.
50Der Kläger ist der Auffassung, dass weder der MTV Aviation noch ein anderer Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde.
51Wenn es auch an einer entsprechenden ausdrücklichen Abrede fehle, sei aber jedenfalls – so meint der Kläger – eine betriebliche Übung entstanden, nach der ihm jährlich 30 Arbeitstage als Urlaub zu gewähren seien. So sei dies in den Jahren 2014 und 2015 nach Maßgabe der Regelungen der „Betriebsvereinbarung Urlaub FIS“ erfolgt. Über sämtliche Urlaubstage habe er einen schriftlichen Antrag gestellt, der genehmigt und in einem jährlich erstellten Urlaubsplan festgehalten worden sei.
52Der Kläger beantragt,
53unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln– 20 Ca 2193/16 – vom 11.01.2017 die Beklagte zu verurteilen, ihm in Erfüllung des Urlaubsanspruchs für das Jahr 2016 weitere 3,73 Urlaubstage zu gewähren, also insgesamt 30 Arbeitstage.
54Die Beklagte beantragt,
55die Berufung des Klägers zurückzuweisen und
56das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2017 – 20 Ca 2193/16 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
57Der Kläger beantragt,
58die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
59Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie wendet ein, dass der geltend gemachte Anspruch nicht aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet werden könne, denn eine solche folge weder aus dem gelebten Arbeitsverhältnis noch aus der Betriebsvereinbarung über die Bewilligung von Urlaub bei der F GmbH.
60Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus, dass ihre Befugnis, die errechneten Urlaubstage auf ein „glattes“ Ergebnis abzurunden, jedenfalls aus einer ergänzenden Auslegung des MTV Aviation folge. Denn anderenfalls sei die Gewährung von Urlaub wegen der erforderlichen Umrechnung bei Mitarbeitern im Schichtmodel praktisch nicht durchführbar, weil die fehlende Rundungsregelung zu nicht umsetzbaren Ergebnissen führe.
61Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften sowie die Entscheidung der ersten Instanz Bezug genommen.
62E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
63Beide Berufungen sind zulässig, aber unbegründet.
64A. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 2 lit.a) ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.
65Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 2 lit.a) ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.
66B. Beide Berufungen sind unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger über die für das Jahr 2016 gewährten 26 nur Anspruch auf Gewährung weiterer 0,27 Urlaubstage hat. Zu letzterem hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, den nach tariflicher Regelung ermittelten Urlaubsanspruch abzurunden.
67I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger beantragt die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage. Hierbei handelt es sich um eine zulässige Leistungsklage.
68II. Die Klage ist nur in geringem Umfang begründet.
69Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung weiterer 0,27 Urlaubstage für das Jahr 2016 aus §§ 275 Abs. 1 und 4, 280 Abs. 1 und 3, 283 Satz 1, 286 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2, 249 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 17 Abs. 2 MTV Aviation. In dem zuerkannten Umfang hat die Beklagte dem Kläger keinen Urlaub gewährt, so dass sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaub in einen Schadenersatzanspruch umwandelt, der die Gewährung von Ersatzurlaub zum Gegenstand hat (BAG, Urteil vom 12.04.2016 – 9 AZR 659/14 –, Rn. 14, juris).
701. Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2016 richtet sich ausschließlich nach § 17 Abs. 2 MTV Aviation. Dieser beträgt 26,27 Arbeitstage. Einen über den tariflichen Urlaubsanspruch hinausgehenden Anspruch hat der Kläger nicht dargetan.
71a. Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2016 richtet sich nach § 17 Abs. 2 MTV Aviation.
72§ 17 Abs. 2 MTV Aviation findet nicht aufgrund unmittelbarer Tarifgeltung gemäß §§3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG Anwendung, denn der Kläger ist nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di. Der MTV Aviation findet auch nicht gemäß § 5 Abs. 4 TVG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, weil er nicht allgemeinverbindlich ist.
73Es kann offen bleiben, ob der MTV Aviation insgesamt – wie das Arbeitsgericht festgestellt hat – trotz der in der Präambel des Arbeitsvertrages getroffenen Vereinbarung, dass ein Tarifvertrag nur im Fall der Allgemeinverbindlichkeit oder beidseitiger Tarifbindung gelten soll, kraft betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
74Jedenfalls hat die Beklagte den Urlaub des Klägers für das Jahr 2016 nach § 17 Abs. 2 MTV Aviation ermittelt. Dieser besteht im Umfang von 26,27 Arbeitstagen und geht damit über den vertraglich geregelten Anspruch von 26 Arbeitstagen hinaus. Daran muss sich die Beklagte festhalten lassen. Einen Rechtsgrund für einen weitergehenden Anspruch hat der Kläger nicht dargetan.
75aa. Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2016 beträgt gemäß § 17 Abs. 2 MTV Aviation 26,27 Urlaubstage.
76Grundsätzlich hat der Kläger nach § 17 Abs. 2 MTV Aviation im Jahr 2016 28 Arbeitstage Erholungsurlaub, weil er seit vier Jahren betriebszugehörig war. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 5 MTV Aviation ist der Jahresurlaubsanspruch des Klägers, der im Schichtdienst tätig ist, nach der dort wiedergegebenen Formel umzurechnen. Der Kläger hat 2015 an 244 Tagen gearbeitet; daraus ergibt sich die Rechnung: 28 x 244 : 260 = 26,27.
77bb. Der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch aus einer anderen Abmachung. Es fehlt an einer weitergehenden Verpflichtung der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerin, für die die Beklagte wiederum nach dem erfolgtem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB einstehen müsste
78(1). Eine individuelle Zusage der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die der Kläger im Umfang von einem Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen jährlich in erster Instanz noch behauptet hatte, besteht – dies ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden – nicht.
79(2). Die Beklagte selbst ist mit Schreiben vom 04.03.2016 keine weitergehende Verpflichtung eingegangen. Dies hat das Arbeitsgericht mit dem Hinweis darauf festgestellt, dass die Beklagte in dem genannten Schreiben selbst mitteilt, dass sich der Urlaubsanspruch nach § 17 Abs. 2 MTV Aviation richte. Soweit den Arbeitnehmern in dem Schreiben versprochen worden sei, dass damit eine Schlechterstellung nicht verbunden sei, sei zu berücksichtigen, dass der MTV Aviation für die Ermittlung des Urlaubs auf Arbeitstage, der MTV WaSi hingegen auf Werktage abstelle. Eine nach erfolgter Umrechnung bestehende Schlechterstellung habe der Kläger nicht dargetan. Gegen diese Ausführungen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung nicht.
80(3). Eine andere Abmachung kann der Kläger auch nicht aus den Lohnabrechnungen herleiten. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dies unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der der Arbeitgeber in der Lohnabrechnung lediglich die Höhe der aktuellen Vergütung wiedergibt, Ansprüche aber nicht festlegt (zuletzt BAG, Urteil vom 23.08.2017 – 10 AZR 97/17 –, Rn. 25, juris), verneint. Auch hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung nicht.
81(4). Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung über einen weitergehenden Urlaubsanspruch liegen ebenfalls nicht vor.
82Eine betriebliche Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung oder sonstige Vergünstigung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung oder Vergünstigung auch künftig gewährt (BAG, Urteil vom 21.02.2017 – 3 AZR 455/15 –, Rn. 80, juris; BAG, Urteil vom 15.04.2014 – 3 AZR 51/12 –, Rn. 66, juris; BAG, Urteil vom 29.08.2012 – 10 AZR 571/11 –, Rn. 18, juris). Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst (BAG, Urteil vom 21.02.2017 – 3 AZR 455/15 –, Rn. 80, juris; BAG, Urteil vom 15.04.2014 – 3 AZR 51/12 –, Rn. 68, juris; BAG, Urteil vom 29.08.2012 – 10 AZR 571/11 –, Rn. 19, juris)
83Grundsätzlich kann eine betriebliche Übung auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen (BAG, Urteil vom 29.08.2012 – 10 AZR 571/11 –, Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 24.03.2010 – 10 AZR 43/09 –, Rn. 17, juris). Dann muss aber dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht der Arbeitnehmer der Wille zugrunde liegen, auch eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen. Will der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer jedoch erkennbar aufgrund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht erbringen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG, Urteil vom 21.02.2017 – 3 AZR 455/15 –, Rn. 82, juris; BAG, Urteil vom 10.12.2013 – 3 AZR 832/11 –, Rn. 62, juris).
84Die Darlegungslast dafür, dass der Arbeitgeber aus Sicht des Empfängers Leistungen oder Vergünstigungen gewähren wollte, zu denen er nicht aus einem anderem Rechtsgrund – etwa aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung – verpflichtet war oder sich verpflichtet glaubte, trägt der Kläger als Anspruchssteller (BAG, Urteil vom 21.02.2017 – 3 AZR 455/15 –, Rn. 82, juris; BAG, Urteil vom 15.04.2014 – 3 AZR 51/12 –, Rn. 70, juris; BAG, Urteil vom 29.08.2012 – 10 AZR 571/11 –, Rn. 20, juris).
85Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt es im vorliegenden Fall an Anhaltspunkten für das Entstehen einer betrieblichen Übung.
86Zutreffend hat das Arbeitsgericht herausgearbeitet, dass die Gewährung des Urlaubs von 30 Tagen im Jahr 2014 jedenfalls dem zum damaligen Zeitpunkt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten geltenden Übergangstarifvertrag (§ 3 Abs. 2) entsprach. Sollte ihm – so hat das Arbeitsgericht weiter zutreffend festgestellt – im Jahr 2015 tatsächlich – die Beklagte bestreitet das – Urlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen gewährt worden sein, reicht dies allein für die erforderliche Feststellung aufeinander folgender und den Kläger begünstigender Verhaltensweisen durch die Beklagte nicht aus. Die Anwendung einer „anderen“ betrieblichen Übung, unter die der Kläger als hinzugekommener Arbeitnehmer fallen könnte, hat der Kläger nicht dargetan.
87b. Anders als die Beklagte meint, sind die sich anteilig ergebenden 0,27 Urlaubstage nicht abzurunden. Hierfür fehlt es an einer einschlägigen gesetzlichen oder tariflichen Regelung. Die Kammer schließt sich insoweit den überzeugenden und nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts in ihrer Entscheidung vom 24.05.2017 (LAG Köln 3 Sa 826/16) zu einem Parallelfall an und macht sich diese zu Eigen:
88„Der MTV (Aviation) regelt eine Rundung von anteiligen Urlaubstagen nicht. Auch das Bundesurlaubsgesetz enthält insoweit keine Regelung.
89Zwar findet sich in § 5 Abs. 2 BUrlG eine Regelung zur Aufrundung von Bruchteilen von Urlaubstagen. Dort ist geregelt, dass Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden sind. Eine Regelung zur Abrundung enthält das Gesetz nicht. Nach allgemeiner Auffassung kann auch aus der Aufrundungsregelung nicht im Gegenschluss auf die ebenfalls gebotene Abrundung geschlossen werden. Vielmehr gilt im Gegenteil, dass gerade die Regelung zur Aufrundung zeigt, dass auch eine Abrundung nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig sein kann (vgl. ErfK/Gallner, 17. Aufl., § 5 BUrlG Rn. 21; Küttner/Röller, Personalbuch, 24. Aufl., Urlaubsdauer Rn 10; Neumann/Fenski/Kühn, BurlG, 11. Aufl., § 5 Rn. 36 jeweils mit weiteren Nachweisen).
90§ 5 BUrlG ist jedoch im vorliegenden Fall insgesamt nicht einschlägig. Die Vorschrift betrifft ausschließlich das Entstehen von Bruchteilen von Urlaubstagen nach § 5 Abs. 1 BUrlG. Nach dieser Vorschrift entsteht entweder ein echter Teilurlaub, wenn der volle Jahresurlaubsanspruch noch nicht entstanden ist (§ 5 Abs 1 a) und b) BUrlG), oder der Vollurlaubsanspruch wird gemäß § 5 Abs. 1 c) BUrlG entsprechend gekürzt.
91Keiner dieser Fälle ist vorliegend betroffen. Hier ergeben sich Bruchteile von Urlaubstagen vielmehr allein aus der tariflich in § 17 Abs. 2 MTV vorgegebenen Umrechnung wegen der Tätigkeit im Schichtplanmodell. Eine derartige Umrechnung nach einem tariflichen Umrechnungsquotienten hat mit der Regelung in § 5 Abs. 1 BUrlG offensichtlich nichts zu tun, so dass auch § 5 Abs. 2 BUrlG nicht zur Anwendung kommen kann (vgl. BAG, Urteil vom 09.08.1994 - 9 AZR 384/92, NZA 1995, 174; BAG, Urteil vom 19.04.1994 - 9 AZR 478/92, NZA 1995, 86). Mangels einer gesetzlichen oder tariflichen Rundungsregelung bleibt daher nur die Abrechnung von Bruchteilen von Urlaubstagen, wie oben tenoriert.“
92Das Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Fall führt zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere ist die von der Beklagten gewünschte Abrundung des Umrechnungsergebnisses des § 17 Abs. 2 MTV Aviation nicht im Wege einer ergänzenden Tarifvertragsauslegung herzustellen.
93Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Voraussetzung einer ergänzenden Auslegung ist daher, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, eine Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (BAG, Urteil vom 16.12.2010 – 6 AZR 423/09 –, Rn. 16, juris; Löwisch/Rieble, 4. Aufl. 2017, § 1 TVG Rn. 1737). Fehlen jedoch sichere Anhaltspunkte dafür, welche Regelungen die Tarifvertragsparteien getroffen hätten und sind verschiedene vernünftige Regelungen denkbar, so ist den Gerichten nicht gestattet, korrigierend und ergänzend einzugreifen, und eine Aufgabe zu übernehmen, die Art. 9 Abs. 3 GG allein den Tarifvertragsparteien zugewiesen hat (BAG, Urteil vom 12.02.2015 – 10 AZR 50/14 –, Rn. 26, juris; Löwisch/Rieble, 4. Aufl. 2017, § 1 TVG Rn. 1738).
94An solchen Anhaltspunkten für den mutmaßlichen Willen beider Tarifvertragsparteien fehlt es im vorliegenden Fall. Dabei kann der Hinweis der Beklagten auf die nach ihrem Vorbringen fehlende Praktikabilität in der Gewährung von Urlaubsbruchteilen als zutreffend angenommen werden. Aus den Schwierigkeiten in der praktischen Durchführung folgt aber nicht nur eine und einzige zu regelnde Lösung, die die praktischen Schwierigkeiten behebt. Denkbar ist, um nur ein Beispiel zu nennen, auch das Aufrunden auf ggf. auch halbe Tage. Eine ergänzende Auslegung durch das Gericht bestünde im vorliegenden Fall im Treffen einer Regelung. Dies ist ohne Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie nicht möglich und hat daher zu unterbleiben.
95C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 2 ZPO.
96D. Die Revision hat die Kammer für die Beklagte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Für den Kläger war die Revision nicht zuzulassen, weil die Entscheidung keine über den Einzelfall hinausweisende Bedeutung hat.