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Einzelfall
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.05.2017 – 9 Ca 8140/16 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um eine Hinterbliebenenversorgung.
3Die Klägerin ist die Ehefrau des Herrn d . Die Ehe wurde am 31.08.2007 geschlossen.
4Der am . .19 geborene Ehemann war bei dem Beklagten, einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, in dem Zeitraum vom 01.01.1972 bis zum 31.03.2008 als angestellter Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war von einem Versorgungsversprechen begleitet, zunächst nach der Versorgungsordnung zu betrieblichen Altersversorgung vom 01.01.1970 (Bl. 11 ff. d. A.). Diese Versorgungsordnung wurde vom DE -Versorgungswerk vom 01.04.1983 (DE VO 1983) abgelöst, welche auf einer Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat beruht. Nach § 1 der DE VO 1983 gehören zu dem Kreis der Berechtigten Betriebsangehörige in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis, die Höhe der Witwenrente beträgt gemäß § 11 Ziffer 1. DE VO 1983 60 % des Rentenanspruchs des Verstorbenen. Witwenrente erhält die hinterlassene Ehefrau eines verstorbenen Rentenempfängers (ehemaliger Betriebsangehöriger), § 6 Ziffer 1. DE VO 1983. Weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Witwenrente ist nach § 6 Ziffer 3. Nr.1 DE VO 1983, dass die Ehe mindestens ein Jahr vor dem Tod des Berechtigten und mindestens ein Jahr vor seinem Ausscheiden aus den Diensten der DE geschlossen worden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten der DE VO 1983 wird auf Bl. 84 ff. d. A. verwiesen.
5Das Arbeitsverhältnis des Ehemanns als Außendienstmitarbeiter endete aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 30.01.2008. Dieser regelt u. a. in Ziffer 1. Satz 2, dass ab dem 01.04.2008 keine Rechte und Pflichten arbeitsvertraglicher Natur mehr bestehen, ausgenommen hiervon sind Ansprüche auf Altersversorgung. Ferner vereinbarten die Parteien in Ziffer 2., dass der Ehemann ab dem 01.04.2008 als selbständiger Handelsvertreter im Außendienst auf vertraglicher Grundlage für den Beklagten tätig sein soll. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vergleichs vom 30.01.2008 wird auf Bl. 7 ff. d. A. Bezug genommen.
6In Vollzug des Vergleichs haben die Parteien unter dem 10.03.2008 einen Generalagentenvertrag ab dem 01.04.2008 nebst Besonderer Vereinbarung und einen Vertretervertrag für hauptberufliche Vertreter (§§ 84 ff. HGB) geschlossen. Wegen der Einzelheiten dieser drei Vereinbarungen wird auf Bl. 97 ff. d. A. verwiesen. Das Vertreterverhältnis endete zum 30.09.2011. Der Ehemann bezieht vom Beklagten seit dem Jahre 2011 eine Betriebsrente nach Maßgabe der DE VO 1983.
7Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.05.2017 (Bl. 113 ff. d. A.) die Klage, mit der die Klägerin die Feststellung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung im Falle des Ablebens ihres Ehemanns begehrt, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Jahresfrist hinsichtlich der Eheschließung gemäß § 6 Ziffer 3. Nr. 1 DE VO 1983 nicht eingehalten sei. Die Auslegung der DE VO 1983 ergebe, dass hinsichtlich des Ausscheidens aus den Diensten des Beklagten auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen sei, nicht auf den Dienst als selbständiger Handelsvertreter. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
8Gegen das ihr am 24.06.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.07.2017 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 25.09.2017 begründet.
9Die Klägerin trägt vor, ihr Ehemann sei als selbständiger Handelsvertreter mit Ausschließlichkeitsklausel weisungsabhängig gewesen. Die DE VO 1983 honoriere Betriebstreue, die der Ehemann auch im Vertretungsverhältnis fortgesetzt habe. Dies sei bei der Auslegung der DE VO 1983 zu beachten. Weiterhin ergebe sich aus dem Inhalt der Regelung der Altersversorgung im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs, dass die Bestimmungen der DE VO 1983 auch nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens weiterhin gelten sollten.
10Die Klägerin beantragt sinngemäß,
11unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichtes Köln vom 24.05.2017 festzustellen, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten im Falle des Ablebens ihres Ehemannes, M d , Ansprüche auf eine Witwenrente gemäß §§ 6, 11 des D -Versorgungswertes vom 01.04.1983 (VO 1983) hat.
12Der Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen. Bei verständiger Würdigung hätten die Betriebsparteien nur Regelungen für betriebsangehörige Personen treffen wollen, auf denen sich das Mitbestimmungsrecht und die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bezogen habe. Der Ehemann sei aufgrund des Vertretervertrags vom 10.03.2008 selbständig tätig gewesen und habe über Zeit und Art der Durchführung seiner Tätigkeit frei bestimmen können. Er habe den gewöhnlichen Loyalitäts- und Berichtspflichten eines selbständigen Handelsvertreters unterlegen. Das Recht sich auf ein Arbeitsverhältnis ab dem 01.04.2008 zu berufen, sei verwirkt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 25.09.2017, 04.12.2017 und 13.03.2018, die Sitzungsniederschrift vom 14.03.2018 sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
17I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
18II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, der sich die Berufungskammer anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Die Klägerin kann gegenüber dem Beklagten keine Hinterbliebenenversorgung aus der DE VO 1983 im Falle des Ablebens ihres Ehemanns beanspruchen. Die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
191. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Betriebsvereinbarungen wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen sind. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. z.B.: BAG, Urt. v. 08.12.2015 – 3 AZR 267/14 – m. w. N.).
202. Entgegen der Ansicht der Klägerin erfasst das „Ausscheiden aus den Diensten der DE “ nach § 6 Ziffer 3. Nr. 1 DE VO 1983 nicht die Zeiten des Dienstverhältnisses aufgrund der Vereinbarungen vom 10.03.2008. Der Ehemann der Klägerin ist mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses als Außendienstmitarbeiter zum 31.03.2008 aus den Diensten des Beklagten im Sinne des § 6 Ziffer 3. Nr. 1 DE VO 1983 ausgeschieden. Die Jahresfrist hinsichtlich der Eheschließung war zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt. Das Ausscheiden aus den Diensten beim Beklagten im Sinne des § 6 Ziffer 3. Nr. 1 DE VO 1983 ist eingebettet in die Grundregelung des Berechtigtenkreises des § 1 DE VO 1983, der abschließend den Kreis der Berechtigten der Altersversorgung bestimmt und in Satz 1 ausschließlich auf Betriebsangehörige verweist, die in einem „ungekündigten Arbeitsverhältnis mit regelmäßiger Arbeitszeit“ zum Beklagten stehen. Der Folgesatz erweitert den berechtigten Kreis auf eine bestimmte Arbeitnehmergruppe (Mitarbeiter im Werbeaußendienst gemäß Teil III des Tarifvertrages) ohne regelmäßige Arbeitszeit. Auch der dritte Satz des § 1 DE VO 1983 knüpft hinsichtlich der Herausnahme bestimmter Betriebsangehöriger aus dem Kreis der Berechtigten, vorliegend der zeitlich befristet oder aushilfsweise Beschäftigten, an Rechtsverhältnisse an, die typischerweise als Arbeitsverhältnis begründet werden. Entscheidend stellt daher die Grundregel der Bezugsberechtigung des § 1 DE VO 1983 auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses ab. Die Hinterbliebenenversorgung wiederum steht regelmäßig in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Alters- oder Invaliditätsrente des Berechtigten. Sie ist als Annex abhängig davon, ob der berechtigte Arbeitnehmer die Voraussetzungen einer Betriebsrente erfüllt. Die Witwenberechtigung nach § 6 Ziffer 3. Nr. 1 DE VO 1983 knüpft an den Status des verstorbenen Rentenempfängers an, der im Klammerzusatz auch als „ehemaliger Betriebsangehöriger“ bezeichnet wird. Es bestehen keine plausiblen Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebsparteien den Begriff des Betriebsangehörigen in der Hinterbliebenenversorgung anders haben verstehen wollen als im Bereich der Alters- oder Invaliditätsversorgung. Da die Spätehenklausel des § 6 Ziffer 3. Nr. 1 DE VO als „weitere“ Voraussetzung wiederum systematisch Bestandteil der Berechtigungsbestimmungen der Witwenversorgung ist, ist es naheliegend, dass mit dem Ausscheiden aus den Diensten das Ausscheiden als betriebsangehöriger Arbeitnehmer im Sinne des § 1 DE VO 1983 gemeint ist. Auch die Berücksichtigung anrechnungsfähiger Dienstjahre verbindet einerseits den Tatbestand der Angehörigkeit zum Betrieb mit dem ununterbrochenen Bestand eines Arbeitsverhältnisses, § 14 Ziffer 1. DE VO 1983, so dass bereits die Systematik des vorliegenden Versorgungswerks zeigt, dass die Betriebsparteien mit ihren Regelungen nicht selbständige Handelsvertreter erfassen wollten. Zutreffend verweist der Beklagte ergänzend darauf hin, dass im Regelfall Betriebsparteien Vereinbarungen im Rahmen der gesetzlichen Kompetenzregelungen treffen wollen. Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten, hier des Gesamtbetriebsrats nach den §§ 50, 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, erstrecken sich auf die Arbeitnehmer eines Betriebs im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG, nicht auf freie Dienstverhältnisse. Für die Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses zum freien, selbständigen Dienstverhältnis ist nicht die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Einfirmenvertreters entscheidend, sondern die Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB. Hiernach ist selbständig, wer nach den getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG, Urt. v. 09.06.2010 – 5 AZR 332/09 – m. w. N.). Der Ehemann war ab dem 01.04.2008 für den Beklagten als selbständiger Vertreter tätig. Dies zeigt sich daran, dass der Ehemann nach Ziffer 2. Abs. 1 Satz 2 des Vertretervertrags berechtigt war, über seine Zeit und die Art der Durchführung seiner Tätigkeit frei zu bestimmen, eine vom Dienstvertrag abweichende praktische Handhabung ist nicht dargetan. Er war keiner fremdbestimmten Arbeitsorganisation unterworfen, sondern durfte selbst eigene Beratungsstellen betreiben, in denen er zeitlich gestaffelt bis zu vier Agenturvertreter „anbauen“ durfte, Ziffer 8. der Besonderen Vereinbarung vom 10.03.2008.
213. Soweit die Klägerin meint, der Ehemann und der Beklagte hätten mit Ziffer 1. Satz 2 des Prozessvergleichs vereinbart, dass der Ehemann für die Dauer des Bestands des Vertreterverhältnisses so behandelt werden sollte als ob das Arbeitsverhältnis fortbestehe, mithin er erst mit Beendigung des Vertreterverhältnisses aus den Diensten des Beklagten im Sinne des § 6 Ziffer 3. Nr. 1 DE VO 1983 ausscheidet, kann dem nicht gefolgt. Eine ausdrückliche Regelung mit diesem Inhalt haben die Arbeitsvertragsparteien im gerichtlichen Vergleich nicht getroffen, sie lässt sich auch nicht im Rahmen der Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte herleiten. Bereits die Wortwahl knüpft an entstandene Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung an, nicht hingegen an eine Erweiterung der Anspruchsgrundlagen aus dem betrieblichen Versorgungswerk an. Es ist auch keine beidseitige Interessenlage zu erkennen, die eine Abweichung von den betrieblichen Versorgungsregelungen rechtfertigen könnte. Die Klägerin hat auch keine Begleitumstände bei Abschluss des Prozessvergleichs vorgetragen, die für die von ihr beanspruchte Interpretation der Ziffer 1. Satz 2 des Prozessvergleichs sprechen könnten. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Arbeitsvertragsparteien überhaupt den konkreten Inhalt der Altersversorgung, geschweige denn der Hinterbliebenenversorgung, näher thematisiert hatten. Inhaltlich wird mit der Klausel zur Altersversorgung lediglich deklaratorisch klargestellt, dass das vorzeitige Ausscheiden nicht zum Verlust einer erworbenen unverfallbaren Anwartschaft führt, § 1b Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Eine einzelvertragliche Verpflichtung des Beklagten in Abweichung des Normenvollzugs aus der DE VO 1983 Leistungen der Hinterbliebenversorgung zu erbringen war damit nicht bezweckt.
22III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
23IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.