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Zur Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für eine Klage des Jobcenters gegen einen bei einem der Träger des Jobcenters angestellten Arbeitnehmer wegen unerlaubter Handlung in Zusammenhang mit der Einsatztätigkeit
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 15.01.2015– 11 Ca 7087/14 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Streitwert Beschwerdeverfahren: 16.944,33 €
G r ü n de :
2I. Die Parteien streiten um Schadenersatz wegen unerlaubter Handlung.
3Bei dem klagenden J handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung i.S.v. § 44 b SGB II, welche von der Agentur für Arbeit sowie dem R -B Kreis gebildet wurde. Die Beklagte ist Arbeitnehmerin des R -B Kreis und wurde dem J zur Dienstleistung gemäß § 44 g SGB II zugewiesen. Dort bearbeitet sie insbesondere Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin hält der Beklagten vor, sie habe in 125 Fällen Auszahlungen zugunsten ihres Kontos bzw. ihres Sparbuchs veranlasst.
4Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.02.2015 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin übe das Direktionsrecht aus, so dass zwischen den Parteien rechtliche Beziehungen mit arbeitsrechtlichem Charakter entstünden. Darüber hinaus sei der Rechtsweg auch unter dem Gesichtspunkt der Zusammenhangsklage eröffnet. Die Pflichtverletzungen seien Gegenstand mit der ebenfalls anhängigen Kündigungsschutzklage. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
5Mit der sofortigen Beschwerde begehrt die Beklagte eine Abänderung der Rechtswegentscheidung des Arbeitsgerichts. Sie meint, die ordentliche Gerichtsbarkeit sei zur Entscheidung berufen, da es sich nicht um unmittelbare Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag bzw. eines Arbeitsverhältnisses handele.
6Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts.
7Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
8II.
91. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist nach den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG an sich statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt, §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 569 ZPO.
102. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat zu Recht mit überzeugender Begründung festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ergibt sich zum einen aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a), d) ArbGG).
11a) Die Beklagte ist Arbeitnehmerin i.S.v. § 5 Abs. 1 ArbGG. Für den geltend gemachten Anspruch auf Schadenersatz ist die Klägerin auch Arbeitgeberin i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Für den Begriff des Arbeitgebers gibt es keine gesetzliche Definition; er lässt sich mittelbar aber aus dem Begriff des Arbeitnehmers ableiten. Arbeitgeber ist danach derjenige, der mindestens einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person i.S.v. § 5 ArbGG beschäftigt (BAG, Beschluss vom 15. März 2011 – 10 AZB 49/10 – m.w.N.).
12b) Vorliegend handelt es sich um einen Fall sog. gespaltener Arbeitgeberstellung. Einerseits besteht zwischen der Beklagten und dem R -B Kreis, einem der Träger der Klägerin, ein Arbeitsverhältnis. Andererseits bestehen auch zu der Klägerin rechtliche Beziehungen mit arbeitsrechtlichem Charakter. Dies folgt aus § 44 d SGB II. Nach § 44 d Abs. 4 SGB II übt die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung über die Beamtinnen und Beamten sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen in der gemeinsamen Einrichtung Tätigkeiten zugewiesen worden sind, die dienst-, personal- und arbeitsrechtlichen Befugnisse sowie die Dienstvorgesetzten- und Vorgesetztenfunktion aus mit Ausnahme der Befugnisse zur Begründung und Beendigung der mit den Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bestehenden Rechtsverhältnisse. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung stehen der Geschäftsführerin oder dem Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung nicht die Befugnisse zur Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu. Diese Befugnisse verbleiben bei den jeweiligen Trägern, die weiterhin Dienstherren oder Arbeitgeber sind (vgl. BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – 7 ABR 71/12 – m.w.N.).
13c) § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG begründet eine umfassende Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für individualrechtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Ziel des Arbeitsgerichtsgesetzes ist es, alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, auch prozessual im Rahmen der Arbeitssachen zu erfassen. Dem ist auch in Fällen gespaltener Arbeitgeberstellung dadurch Rechnung zu tragen, dass der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet ist, wenn die Ansprüche von oder gegen denjenigen, der zwar nicht Vertragsarbeitgeber ist, aber wesentliche Arbeitgeberfunktionen ausübt, in greifbarer Nähe zum Einsatzverhältnis stehen (vgl. zur Arbeitnehmerüberlassung: BAG, Beschluss vom 15. März 2011 – 10 AZB 49/10 – m.w.N.).
14d) Die streitigen Ansprüche wegen unerlaubter Handlung folgen aus dem Missbrauch der im Einsatzverhältnis eingeräumten Befugnisse. Das Einsatzverhältnis ist dadurch geprägt, dass der Klägerin, wie sich aus § 44 d Abs. 4 SGB II ergibt, wesentliche arbeitsrechtliche Befugnisse übertragen sind. Die Klägerin beschäftigt die Beklagte. Nach dem Regelungskonzept des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG ist daher der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.
153. Darüber hinaus ist dem Arbeitsgericht auch beizupflichten, soweit es die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus § 2 Abs. 3 ArbGG abgeleitet hat.
16a) Vor die Gerichte für Arbeitssachen können auch nicht unter § 2 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden. Dies setzt voraus, dass der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in § 2Abs. 1, Abs. 2 ArbGG bezeichneten Art in rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für die Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist, § 2 Abs. 3 ArbGG.
17b) Die vorliegende Schadensersatzklage war gleichzeitig mit dem zwischenzeitlich durch Prozessvergleich beendeten Kündigungsschutzverfahren anhängig. Der nachträgliche Wegfall der Hauptklage hat keinen Einfluss auf die Rechtswegzuständigkeit (vgl. z.B.: LAG Köln, Beschl. v. 28.02.1995 – 13 Ta 300/94 –; Schwab/Weth/Walker, 4. Auflage, § 2 ArbGG Rdn. 206 m.w.N.). Die Parteien der Zusammenhangsklage müssen auch nicht mit denen der Hauptklage identisch sein. Es genügt vielmehr, dass eine Partei der Hauptklage – wie hier die Beklagte – auch Partei der Zusammenhangsklage ist (LAG Köln, Beschl. v. 28.11.2014 – 6 Ta 221/14 – Schwab/Weth/Walker, 4. Auflage, § 2 ArbGG Rdn. 206 jew. m.w.N.). Der notwendige Zusammenhang folgt, wie das Arbeitsgericht festgestellt hat, schon daraus, dass die unerlaubten Handlungen Grund für die ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses waren. Eine ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts für die Geltendmachung des Schadensersatzes aus unerlaubter Handlung besteht nicht.
184. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
195. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 1/3 (vgl. hierzu: BAG, Beschl. v. 03.02.2014 – 10 AZB 77/13 –) des Hauptsachestreitwerts festgesetzt. Wird ein Verweisungsbeschluss im Beschwerdeweg angefochten, so ist über die Kosten des Rechtsmittels nach den allgemeinen für die Beschwerde geltenden Grundsätzen zu entscheiden (Zöller/Lückemann,30. Auflage, § 17 b GVG Rdn. 4 m. w. N.).
206. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung der §§ 17 a Abs. 4 GVG, 78 Satz 2, 72 Abs.2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.