Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Ein Betrieb, der für einen Automobilhersteller die Montage und Komplettierung der Motor-Getriebe-Einheit durchführt, gehört zum Wirtschaftszweig "Automobilindustrie und Fahrzeugbau" im Sinne des Tarifvertrages über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.10.2013 – 14 Ca 2241/13 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Branchenzuschlägen nach dem Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie (im Folgenden: TV BZ ME). Der Tarifvertrag gilt fachlich im Falle des Einsatzes von Arbeitnehmern im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung in einem Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie. Nach dem Tarifvertrag beträgt der Branchenzuschlag gestaffelt nach der Einsatzdauer im Kundenbetrieb zwischen 15 und 50 %. Er setzt erstmals nach der sechsten vollendeten Woche eines ununterbrochenen Einsatzes in einem Kundenbetrieb ein. Der Prozentsatz bezieht sich auf das Stundentabellenentgelt des jeweils gültigen Entgelttarifvertrages für die Zeitarbeit. Er ist auf die Differenz zum laufenden regelmäßig gezahlten Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebes beschränkt. Der Branchenzuschlag ist anrechenbar auf gezahlte übertarifliche Leistungen.
3Der Wortlaut der hier relevanten tariflichen Regelungen des TV BZ ME ist folgender:
4„§ 1 Geltungsbereich
5Dieser Tarifvertrag gilt:
61. Räumlich: Für das Gericht der Bundesrepublik Deutschland
72. Fachlich: Für die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) und des Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ), die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigte in einen Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie einsetzen. Als Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie gelten die Betriebe folgender Wirtschaftszweige, soweit sie nicht dem Handwerk zuzuordnen sind:
8NE-Metallgewinnung und –Verarbeitung, Scheideanstalten Gießereien
Ziehereien, Walzwerke und Stahlverformung – Schlossereien, Schweißereien, Schleifereien, Schmieden
Stahl-, Leichtmetallbau und Metallkonstruktionen
Maschinen-, Apparate- und Werkzeugbau
Automobilindustrie und Fahrzeugbau
Luft- und Raumfahrtindustrie
Schiffbau
Elektrotechnik, Elektro- und Elektrotechnikindustrie Hardwareproduktion
Feinmechanik und Optik
Uhren-Industrie
Eisen-, Blech- und Metallwaren Musikinstrumente
Spiel- und Sportgeräte Schmuckwaren
sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artvertrauter Industrien.
22Bei Zweifelsfällen hinsichtlich der Einordnung eines Kundenbetriebs gilt als maßgebliches Entscheidungskriterium der im Kundenbetrieb angewandte Tarifvertrag. In dem Vertrag gem. § 12 AÜG ist die Branchenzugehörigkeit festzustellen. Ohne eine eindeutige Angabe des Kundenbetriebs zum angewandten Tarifvertrag kann das Zeitarbeitsunternehmen den TV BZ ME anwenden.
233. Persönlich: Für alle Beschäftigten, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an Kundenbetriebe überlassen werden.
24§ 2 Branchenzuschlag
25(1) Arbeitnehmer erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Dauer ihres jeweiligen Einsatzes im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung in einen Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie einen Branchenzuschlag.
26(2) Der Branchenzuschlag wird für den ununterbrochenen Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb gezahlt. Unterbrechungszeiten einschließlich Feiertage, Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitstage, die die Dauer von 3 Monaten unterschreiten, sind keine Unterbrechungen im vorgenannten Sinne.
27(3) Der Branchenzuschlag beträgt nach der Einsatzdauer in einem Kundenbetrieb folgende Prozentwerte:
28nach der sechsten vollendeten Woche 15 %
nach dem dritten vollendeten Monat 20 %
nach dem fünften vollendeten Monat 30 %
nach dem siebten vollendeten Monat 45 %
nach dem neunten vollendeten Monat 50 %
des Stundentabellenentgelts des Entgelttarifvertrages Zeitarbeit, abgeschlossen zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal- Dienstleistungen e.V. – BZA – und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (im Folgenden ETV BZA) bzw. des Entgelttarifvertrages, abgeschlossen zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. – iGZ – und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (im Folgenden ETV iGZ), je nach Einschlägigkeit.
35(4) Der Branchenzuschlag ist auf die Differenz zum laufenden regelmäßig gezahlten Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebs beschränkt. Bei der Feststellung des Vergleichsentgelts im Kundenbetrieb bleibt das Äquivalent einer durchschnittlichen Leistungszulage der Branche unberücksichtigt.
36Der Kundenbetrieb hat das regelmäßig gezahlte Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers nachzuweisen.
37(5) Der Branchenzuschlag ist nicht verrechenbar mit sonstigen Leistungen jedweder Art. Der Branchenzuschlag ist jedoch anrechenbar auf gezahlte übertarifliche Leistungen. Bestehende einzelvertragliche Regelungen, aus denen sich für die Beschäftigten günstigere Arbeits- und Entgeltbedingungen ergeben als aus diesem Tarifvertrag und den Tarifverträgen für BZA und iGZ, werden durch diesen Tarifvertrag nicht berührt.
38Der Branchenzuschlag ist Teil des festen tariflichen Entgelts gemäß § 13.2 MTV BZA bzw. Teil der Grundvergütung gemäß § 2 Abs. 1 Entgelttarifvertrag iGZ.
39§ 3 Änderungen von tarifvertraglichen Bestimmungen
40Erhält der Arbeitnehmer einen Branchenzuschlag nach diesem Tarifvertrag, entfallen Ansprüche auf Zuschläge nach § 4 ETV BZA bzw. § 5 ERTV iGZ.“
41§ 5 dieses Entgeltrahmentarifvertrags zwischen der iGZ und u. a. der IG Metall enthält folgende Regelung:
42„§ 5 Einsatzbezogene Zulage
43Nach Ablauf von 9 Kalendermonaten ununterbrochener Überlassungsdauer an denselben Kundenbetrieb wird eine einsatzbezogene Zulage gezahlt. Diese einsatzbezogene Zulage beträgt für die Entgeltgruppen 1 bis 4 Euro 0,20, für die, für die Entgeltgruppen 5 bis 9 Euro 0,35 je Stunde. Die einsatzbezogene Zulage wird erstmals nach Ablauf von 14 Kalendermonaten ununterbrochenen Bestehens des Arbeitsverhältnisses gezahlt (vgl. PN Nr. 6).
44In Branchen, in denen die tariflichen Entgelte niedriger sind als die, die sich aus der Entgeltsystematik dieses Entgelttarifvertrages ergeben, kann die einsatzbezogene Zulage vermindert werden.“
45Während die Parteien erstinstanzlich auch noch über die konkrete Berechnung der vom Kläger geforderten Zuschläge, insbesondere auch über die Zahl der zugrundezulegenden Arbeitsstunden und die Verrechnung mit bereits von der Beklagten gezahlten Zuschlägen/Zulagen stritten, besteht über die Höhe der Forderungen des Klägers als solche zweitinstanzlich kein Streit mehr. Ebenso ist unstrittig, dass – soweit das erstinstanzliche Urteil der Klage stattgegeben hat – die Ausschlussfristen eingehalten sind.
46Zweitinstanzlich dreht sich der Streit der Parteien allein noch darum, ob der Einsatzbetrieb des Klägers, nämlich der Betrieb der L L M GmbH im Industriepark der F W GmbH in K ein „Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie“ im Sinne des § 1 Nr. 2 TV BZ ME ist.
47Der Kläger ist seit längerer Zeit bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Er war ab Beginn des Zeitraumes, für den das erstinstanzliche Urteil ihm Branchenzuschläge nach dem TV BZ ME zugesprochen hat, auch bereits länger als sechs Wochen bei der L L M GmbH in K als Leiharbeitnehmer eingesetzt.
48Die Beklagte vermittelt Zeitarbeitskräfte an Unternehmen aus der Industrie, dem Handel und dem Dienstleistungssektor. Sie ist ein tarifgebundenes Mitgliedsunternehmen des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ). Die iGZ und der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) haben als Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ) mit der IG Metall am 22. Mai 2012 den TV BZ ME vereinbart. Auch der Kläger ist als Mitglied der IG Metall insoweit tarifgebunden.
49Die L L M GmbH, K (im Folgenden L ), die den Einsatzbetrieb des Klägers führt, ist fast ausschließlich (nach Vortrag des Klägers zu 99 %) für den Hauptauftraggeber, die F W GmbH, tätig, in deren Industriepark in K sie ansässig ist.
50Für die F W GmbH werden nach deren Vorgaben von der L Motoren mit Getrieben, Federbeinen, Kompressoren, Lichtmaschinen, Kabelbaum, Schläuchen, Motorprägung, Vorderachsen usw. montiert und komplettiert. Dabei werden Steck-, Füge-, Füll-, Schraub- und Scanoperationen nach einem festgelegten Ablaufplan ausgeübt. Bei den Steckoperationen werden Teile zusammen gesteckt. Bei den Fügeoperationen werden zusammengesteckte Teile/Module zusätzlich verfügt. Fülloperationen sind Tätigkeiten, bei denen in der Regel Öl in das Getriebe eingefüllt wird. Schrauboperationen sind Verschraubungen, die mittels Elektro-Schraubern erfolgen. Drehmoment und Drehwinkel der Verschraubungen sind voreingestellt und brauchen durch die bei der L Beschäftigten, welche die Komplettierung vornehmen, nicht verändert zu werden. Scanoperationen, bei denen mittels eines Hand- und Stationsscanners die mit Barcodes versehenen Teile/Module gescannt werden, ermöglichen eine Kontrolle, ob zur Komplettierung die richtigen Einzelteile/Module verwendet werden. Das Ergebnis der von der L vorgenommenen Arbeiten ist die komplette Motor-Getriebe-Einheit, dass sogenannte „Pony-Pack“.
51Dieses wurde bis zum Jahre 2002 von der F W GmbH in K selbst gefertigt. Im Jahre 2002 wurde dieser Bereich ausgegliedert und seither von der L übernommen. Dabei handelte es sich nach unwidersprochenem Vorbringen der Beklagten nicht um einen Betriebsübergang.
52Die von der L bei der Montage und Komplettierung verwendeten Komponenten werden von der F W GmbH bereitgestellt. Die zu montierenden Vorderbeine und Federachsen werden von der Firma B , einem weiteren Vertragspartner der F W GmbH, der in dem Industriepark der F W GmbH ansässig ist, montiert und sodann im laufenden Fließbandprozess von der eigenen Halle über Laufbänder durch ein Loch in der Wand in die Betriebsräume der L beigestellt. So werden alle Einzelteile, die von der L zur Komplettierung der Motor-Getriebe-Einheit verwendet werden, entweder von Zulieferern von F ober aber von F selbst hergestellt. Auch die zu verfüllenden Flüssigkeiten stellt F zur Verfügung. Die Getriebe werden von G , die Kompressoren von V , die Lichtmaschinen von D bzw. Va , die Kabelbäume von S und die Kabelschläuche von Va hergestellt. F gibt auch jeweils vor, welche Motor-Getriebe-Einheit komplettiert bzw. montiert wird.
53Nach Montage und Komplettierung werden die Motor-Getriebe-Einheiten über eine Förderbrücke „just-in-sequence“ direkt in die „Y-Halle“ der F W GmbH gefördert. Dort findet die sogenannte „Hochzeit“ statt, das heißt der Zusammenbau der Motor-Getriebe-Einheit mit der Karosserie.
54Die L plant ihre innerbetrieblichen Materialflüsse so, dass das für die Komplettierung und Montage erforderliche Material immer rechtzeitig an den jeweiligen Stationen ist. Ferner wird von der L jeder einzelne Prozessschritt für die Komplettierung des Moduls unter Einhaltung der Vorgaben von F festgelegt. L hat die Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass pro Werktag 1.650 Motor-Getriebe-Einheiten komplettiert werden können. F gibt jeweils vor, welche Motor-Getriebe-Einheit in welcher Stückzahl komplettiert werden soll. Die bei der L Beschäftigten arbeiten in einem festgelegten Ablaufplan am Fließband. Die zur Komplettierung und Montage erforderlichen Betriebsmittel (z. B. Stapler, Schraubtechnik, Werkzeuge) werden von der L eigenständig entwickelt, beschafft und implementiert.
55Am Standort K beschäftigt L insgesamt etwa 240 Mitarbeiter, darunter sechs Prozessingenieure, sieben Mechatroniker, 14 kaufmännische Angestellte. Überwiegend handelt es sich bei den Mitarbeitern um angelernte Arbeitskräfte. Sechs Mitarbeiter sind sogenannte Mitarbeiter „Repair“, die entweder bei der L oder auch direkt bei der F W GmbH erforderliche Reparaturen an der bei der L montierten und komplettierten Motor-Getriebe-Einheit durchführen, um die Funktionsfähigkeit bei Auftreten von Mängeln der Montage/Komplettierung zu gewährleisten.
56Die L trägt die Verantwortung für die zeitgenaue Lieferung und die korrekte Ausführung der in ihrem Bereich geleisteten Arbeiten. Sie haftet bei falscher Montage/Komplettierung der Motor-Getriebe-Einheit. Sie haftet nicht für die Funktionsfähigkeit der von ihr verbauten Einzelteile. Stellt die L Fehler an Einzelteilen fest, wird hierüber die Eingangsinspektion von F in Kenntnis gesetzt, die alle weiteren Schritte mit dem Lieferanten der Einzelteile abstimmt.
57L trägt nicht das Absatzrisiko. Die F W GmbH muss die bestellten Motor-Getriebe-Einheiten zu dem vereinbarten Stückpreis abnehmen.
58Die L L M GmbH selbst hat im Jahre 2005 mit der IG Metall Bezirksleitung Haustarifverträge abgeschlossen, so einen Rahmen-Haustarifvertrag, einen Entgeltabkommen, einen Entgelt-Haustarifvertrag (Bl. 55 ff. d. A.) und einen Haustarifvertrag über eine Jahressonderzahlung (Bl. 62 f. d. A.). Die L L M GmbH ist nicht Mitglied eines Metall-Arbeitgeberverbandes, sondern Mitglied des Unternehmerverbandes im Industrieservice + Dienstleistungen e.V. (UIS) mit Sitz in D . Die UIS hat mit der IG Metall keinen Tarifvertrag abgeschlossen.
59Wegen der erstinstanzlich zuletzt gestellten Leistungsanträge und wegen des erstinstanzlich zuletzt gestellten Feststellungsantrags wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
60Beide Parteien halten erst- wie zweitinstanzlich ausführlichen Vortrag zur Auslegung des Tarifvertrages hinsichtlich seines fachlichen Geltungsbereiches, insbesondere dazu, ob die Tätigkeit der L ein Teil der Automobilindustrie und des Fahrzeugbaus ist, und in diesem Zusammenhang z. B. zu Fragen wie denen, ob es sich bei der Tätigkeit der L um Produktion oder Dienstleistung handelt, ob die L durch Verarbeitung Eigentum an der Motor-Getriebe-Einheit erwirbt, ob L diese zur eigenen kommerziellen Nutzung herstellt. Sie streiten mit Rechtsausführungen auch darüber, welche Rückschlüsse aus § 1 Nr. 2 Abs. 1 letzter Halbsatz TV BZ ME und insbesondere aus dem dort gebrauchten Begriff „Hilfs- und Nebenbetriebe“ zu ziehen ist, sowie über die Bedeutung der Zweifelsfallregelung im letzten Absatz des § 1 Nr. 2 TV BZ ME. Insoweit wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
61Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil den Zahlungsanträgen teilweise stattgegeben. Es hat die Anwendbarkeit des TV BZ ME bejaht und bei der Berechnung der Klageansprüche die vom Kläger behaupteten und von der Beklagten nicht substantiiert bestrittenen Stunden für die einzelnen Monate zugrunde gelegt sowie die Höhe der Zulage an dem vom Kläger genannten Bruttostundenlohn der Entgeltgruppe 1 (West) des Entgelttarifvertrags der iGZ und u. a. der IG Metall orientiert. Es ist von der Einhaltung der Ausschlussfristen ausgegangen und hat den Branchenzuschlag gemäß § 2 Abs. 5 TV BZ ME mit der übertariflichen Zulage in Höhe von 0,62 € sowie den Zuschlag nach § 5 ERTV iGZ von 0,20 € die Stunde verrechnet. Es hat schließlich dem Feststellungsantrag stattgegeben.
62Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese ebenso form- und fristgerecht begründet. Sie setzt sich im Wesentlichen mit ausführlichen Rechtsausführungen mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinander. Auf die Berufungsbegründung und den Schriftsatz vom 30.05.2014 wird Bezug genommen.
63Die Beklagte beantragt,
64auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.10.2013 – 14 Ca 2241/13 – abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Klage wird abgewiesen.
65Der Kläger beantragt,
66die Berufung zurückzuweisen.
67Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insoweit wird auf die Berufungserwiderung und den Schriftsatz vom 05.06.2014 Bezug genommen.
68Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätzen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
69E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
70Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte in der Sache keinen Erfolg.
71Die Beklagte greift in der Berufungsinstanz weder die Zulässigkeit des Feststellungsantrags noch die Berechnung der Höhe der Zuschläge als solche noch die Feststellungen des Arbeitsgerichts zur Einhaltung der Ausschlussfristen an. Insoweit wird daher auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
72Die Beklagte wendet sich allein und grundsätzlich gegen die Anwendbarkeit des TV BZ ME und die dafür vom Arbeitsgericht angeführten Argumente.
73Die Kammer teilt indes im Wesentlichen die Begründung des Arbeitsgerichts für die fachliche Anwendbarkeit des TV BZ ME. Die Argumente der Berufung führen nicht zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils:
74A. Für die nachfolgend zu behandelnde Auslegung des § 1 Nr. 2. TV BZ ME ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von folgenden Grundsätzen auszugehen:
75Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z. B. BAG 18.02.2014 – 3 AZR 833/12).
76I. Es kommt entscheidend darauf an, ob der Kundenbetrieb, d. h. hier die L K , ein Betrieb der „Metall- und Elektroindustrie“ ist. Dieses ergibt sich aus Satz 1 des § 1 Nr. 2 des Tarifvertrages. Dabei ist zunächst – das dürfte unstrittig sein – davon auszugehen, dass das „und“ in diesem Wortlaut als „oder“ zu verstehen ist. Das ergibt sich schon eindeutig aus den in § 1 Nr. 2S. 2 TV BZ ME genannten einzelnen Industriezweigen und Branchen.
77Nach Satz 2 des § 1 Nr. 2 TV BZ ME „gelten“ die Betriebe der nachfolgend aufgezählten Wirtschaftszweige, soweit sie nicht dem Handwerk zuzuordnen sind, als Kundenbetriebe der Metall- und Elektroindustrie. Es handelt sich also nicht um eine abschließende Aufzählung, sondern um eine Fiktion. Wenn ein Betrieb den aufgeführten Wirtschaftszweigen zugehört, ist er ein Kundenbetrieb im Sinne des § 1 Nr. 2 S. 1 TV BZ ME.
78Die L führt in K in diesem Sinne einen Betrieb im Wirtschaftszweig „Automobilindustrie und Fahrzeugbau“.
791. Das Arbeitsgericht hat – was den Wortlaut der Norm anbetrifft – schon zu Recht darauf hingewiesen, dass der Begriff „Industrie“ im Allgemeinen und aufgrund des § 1 Nr. 2 S. 2 letzter Halbsatz TV BZ ME im Besonderen zunächst vom „Handwerk“ zu unterscheiden ist. Das Arbeitsgericht hat dabei die Definition aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.2009(10 AZR 325/08 – Rn. 16 m.w.N.) zugrunde gelegt: Ein Industriebetrieb unterscheidet sich von einem Handwerksbetrieb aufgrund seiner Betriebsgröße, der Anzahl seiner Beschäftigten sowie eines größeren Kapitalbedarfs infolge der Anlagenintensität. Die Industrie ist dabei durch Produktionsanlagen und Produktionsstufen gekennzeichnet. Bei einem Handwerksbetrieb handelt es sich dagegen um einen kleineren, weniger technisierten Betrieb, in dem die Arbeiten überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks und nicht auf Vorrat, sondern für einen bestimmten Kundenkreis ausgeführt werden.
80Aufgrund der Anzahl der Beschäftigten (rund 240), der Fließbandfertigung und des Fehlens der Anwendung typischer Methoden des Handwerks ist der Betrieb der L kein Handwerksbetrieb, auch wenn dort nicht auf Vorrat, sondern für einen bestimmten Kundenkreis gearbeitet wird.
812. Damit erschöpft sich aber nicht die Definition der Industrie.
82a) Laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Industrie) wird „Industrie“ wie folgt definiert:
83„Die Industrie (lat. industria: Betriebsamkeit, Fleiß) bezeichnet den Teil der Wirtschaft, der gekennzeichnet ist durch die Produktion und Weiterverarbeitung von materiellen Gütern oder Waren in Fabriken und Anlagen, verbunden mit einem hohen Grad an Mechanisierung und Automatisierung – im Gegensatz zur handwerklichen Produktionsform.“
84Nach Duden (http://www.duden.de/rechtschreibung/Industrie) bedeutet „Industrie“:
85„Wirtschaftszweig, der die Gesamtheit aller mit der Massenherstellung von Konsum- und Produktionsgütern beschäftigten Fabrikationsbetriebe eines Gebietes umfasst und Gesamtheit aller Fabrikationsbetriebe einer bestimmten Branche in einem Gebiet.“
86Außer der Massenherstellung lässt sich aus solchen Definitionen ein Verständnis dahingehend ableiten, dass in der Industrie Güter oder Waren in Fabriken oder Anlagen produziert oder weiterverarbeitet werden.
87Der Begriff beinhaltet damit nicht notwendig die Verformung eingesetzter Werkstoffe, wie es die Beklagte in der Berufungsbegründung offenbar meint, wenn sie darauf hinweist, dass „keine Bearbeitung/Veränderung der Einzelteile“ stattfinde, sondern nur eine Komplettierung und ein Montieren.
88b) Dass der Begriff der Industrie auch für den vorliegenden Tarifvertrag in diesem weiten Sinne zu verstehen ist, ergibt unter systematischen Gesichtspunkten ein Blick auf die zahlreichen in § 1 Nr. 2 S. 2 aufgeführten Beispiele: Zwar sind in den ersten beiden Beispielen ganz deutlich Betriebe angesprochen, in denen Metall wenn nicht als Werkstoff gewonnen oder aufbereitet, so doch verformt wird (NE Metallgewinnung und –verarbeitung, Scheideanstalten, Gießereien, Ziehereien, Walzwerke und Stahlverformung, Schweißereien, Schleifereien, Schmieden). Sodann sind aber z. B. auch „Metallkonstruktionen“ angesprochen. In solchen Betrieben findet nicht notwendig eine Verformung oder sonstige Veränderung des eingesetzten Metalls statt.
89c) Gerade die Automobilfertigung besteht zu großen Teilen oder insbesondere dort, wo viel menschliche Arbeitskraft eingesetzt wird, in dem Zusammenbau von einzelnen als solchen nicht weiter veränderten Teilen, in dem Montieren. So beinhaltete schon die frühe industrielle Automobilproduktion Henry Ford’s als prägendes Kernstück eine „assembly line“ (vgl. z. B http://en.wikipedia.org/wiki/Henry_Ford).
90Aber auch in der heutigen Automobilindustrie ist die Montage und Komplettierung gerade auch der Teile, die von der L komplementiert werden, integraler und wesentlicher Bestandteil der Fertigung.
91Illustrativ ist dazu wiederum der deutschsprachige Wikipedia-Artikel zu dem Stichwort „Automobilfertigung“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Automobilfertigung). Bereits einleitend (3. Absatz) heißt es dort:
92„Meistens werden Autos heute in Linienfertigung hergestellt. Dabei durchläuft das unfertige Fahrzeug zahlreiche Stationen, in denen automatisch oder durch Werker jeweils einige wenige Arbeitsschritte ausgeführt werden, die das Auto weiter komplementieren (siehe auch Fließbandfertigung).“
93Sodann heißt es unter der Hauptüberschrift „Produktionsschritte und Produktionsstruktur“ u. a.:
94„Bei der Fertigung des Automobils werden in der Regel die nachfolgend beschriebenen Produktionsbereiche durchlaufen… Die hintereinanderliegenden Fertigungsbereiche bilden eine sequenzielle Materialflussstrecke… In der Hauptfertigungslinie (Endmontagelinie) wird das Fahrzeug weiter komplettiert. Die Endmontagelinie wird dabei entweder aus der darunter liegenden Etage mit Teilen oder aus den Vormontagen, die auf die Endmontagelinie zulaufen und mit dieser steuerungstechnisch gekoppelt sind, mit Baugruppen und Modulen versorgt…“
95Die Endmontage, überhaupt das Montieren und Komplettieren ist mithin integraler und wesentlicher Bestandteil der „Automobilfertigung“, die wiederum die „industrielle Herstellung von Automobilen“ bezeichnet (Wikipedia a.a.O. einleitend).
96II. Dabei montiert und komplettiert L einen Teil des Automobils, nämlich das sogenannte „Pony-Pack“, die Motor-Getriebe-Einheit, die das Arbeitsgericht treffend mit dem „Herzstück des Automobils“ bezeichnet hat.
97Vor 2002 hat die F W GmbH diesen Schritt der Automobilfertigung noch selbst vorgenommen. Sie hat ihn 2002 auf die L ausgegliedert. Die Fertigung der L ist aber örtlich, technisch und zeitlich in die Fertigungssequenz des produzierten Automobils integriert.
98Durch ein solches Zerlegen und Herausschneiden wesentlicher Teile des Fertigungsprozesses wird die dabei verrichtete Arbeit nicht von produzierender Arbeit zu reiner Dienstleistung. Die Arbeit der L bleibt Teil der industriellen Fertigung des Endproduktes Automobil.
99Dass dem so ist, kann durch ein argumentum ad absurdum untermauert werden: Es könnten sonst nämlich sämtliche Einzelschritte der Automobilfertigung, wie im vorliegenden Fall geschehen, in Einzelgewerke zerlegt werden, für die die Verantwortung einzelnen „Industriedienstleistern“ übergeben würde. Würde man deren Tätigkeit nicht mehr als industrielle Tätigkeit ansehen, als Teil des Produktionsprozesses des Automobils und damit auch als Teil der Automobilindustrie, dann stünde schließlich ein fertiges Auto da, ohne dass dieses in der Automobilindustrie entstanden wäre.
100III. Die von der Beklagten, die davon ausgeht, dass die Tätigkeit der L nur „Dienstleistung“ sei und nicht zur Automobilindustrie gehöre, gegen das so gefundene Ergebnis aufgeführten Argumente überzeugen letztlich nicht:
1011. Erstinstanzlich hat die Beklagte sich darauf berufen, industrielle Betriebe stellten per definitionem Produkte „aus eigenen Mitteln“ her.
102Es ist nicht ersichtlich, wo eine solche Definition vertreten würde. Auch die von der Beklagten zitierte Fundstelle von Terporten (Automobilindustrie 1999, 86), wonach Automobilindustrie als „Hersteller von Kraftwagen und deren Motoren, von Straßenzugmaschinen, Aufbauten, Anhängern, Kraftfahrzeugteilen und Zubehör“ definiert wird, enthält keinen Hinweis darauf, dass Herstellung „aus eigenen Mitteln“, womit die Beklagte offenbar meint aus Materialien, die im Eigentum des Herstellers stehen, erfolgen müsste.
103Unerheblich ist daher, dass die zusammengebauten Teile nicht im Eigentum der L stehen. Ebenso unerheblich ist es aber nach Auffassung der Kammer für die Auslegung des Tarifvertrages, ob die L durch Verarbeitung Eigentum gem. § 950 BGB erwirbt.
1042. Wenn die Beklagte weiter damit argumentiert, dass das von L montierte und komplettierte Teil von dieser nicht frei am Markt veräußert werde, sondern ihr nur von F ein Stückpreis bezahlt werde, die den Wert des Montierens und Komplettierens reflektiere, so ist nicht ersichtlich, warum deshalb die Tätigkeit der L nicht zur Automobilindustrie gehören sollte. Keine der auffindbaren Definitionen enthält ein entsprechendes Merkmal.
1053. Ebenso wenig ist die „Bearbeitung/Veränderung“ der Einzelteile unverzichtbarer Teil einer Definition der Automobilindustrie. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man – wie es die Beklagte offenbar will – die „Bearbeitung/Veränderung“ als einen Eingriff in die Struktur der aus Metall vorgefertigten Teile und nicht als bloße Verarbeitung bzw. „Weiterverarbeitung“ (siehe oben die Definition bei Wikipedia) verstehen will.
1064. Soweit die Beklagte darauf abhebt, der Betriebszweck der L bestehe „nicht in der Produktion von Kfz“, sondern nur im Komplettieren bzw. der Montage, so ist zwar richtig, dass die L kein komplettes Kraftfahrzeug herstellt, sondern nur einen Teil davon. Dass aber eine solche Zerlegung des Fertigungsprozesses in einzelne Bestandteile nicht dazu führen kann, dass es sich nicht mehr um Automobilindustrie handelt, wurde oben bereits ausgeführt.
1075. Wenn die Beklagte sich darüber hinaus auf die Definition der „Produktion“ wiederum bei Wikipedia beruft („Der vom Menschen (Produzent) bewirkte Prozess der Transformation, der aus natürlichen wie bereits produzierten Ausgangsstoffen (Material) unter Einsatz von Energie, Arbeitskraft und bestimmten Produktionsmitteln, lagerbare Wirtschafts- und Gebrauchsgüter (ökonomisches Gut) erzeugt.“), so spricht doch dieses nicht gegen das oben gefundene Ergebnis. Zum einen handelt es sich nämlich auch bei der Tätigkeit der L um eine „Transformation“ der „bereits produzierten Ausgangsstoffe“. Denn aus den vorproduzierten Einzelteilen stellt die L durch Montage und Komplettieren ein neues lagerbares Wirtschaftsgut, nämlich das „Pony-Pack“ her. Auch dabei handele es sich um eine Transformation, eine Umwandlung. In diesem weiten Sinne ist auch die bei Wikipedia auffindbare Begriffserklärung zu verstehen. Dieses ergibt sich deutlich, wenn man die Einzelheiten des Artikels (http://de.wikipedia.org/wiki/Produktion) liest, auf den die Beklagte sich bezieht. Danach bezeichnet der Begriff „Produktion“ „die Herstellung von Gütern im Allgemeinen“. Produzierbar seien, so heißt es dort, in eingeschränkter Weise im Übrigen auch Dienstleistungen, solange ein zumindest in Maßen als Gegenstand zu begreifendes Produkt erzeugt werde, wie z. B. eine Fernsehsendung. Was insbesondere aber die Tätigkeit der L anbelangt, findet sich im Weiteren dort der deutliche Satz: „Unter Fertigung versteht man die Herstellung und Montage von festen Teilen mit geometrisch bestimmter Gestalt.“
1086. Desweiteren führt die Beklagte aus: „Der Produzent stellt ein Produkt nach eigener Planung zur kommerziellen Nutzung, also zur Veräußerung her. Der Kompletteur oder Monteur fügt das Produkt lediglich im Auftrag eines Anderen zusammen.“
109Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es hier nicht um die Abgrenzung zwischen „Produzent“ und „Kompletteur/Monteur“ geht. Es geht um den tarifvertraglichen Begriff der „Industrie“, der Metallindustrie, der Automobilindustrie. Wie oben gezeigt ist die Komplettierung und Montage ein integraler und wichtiger Teil der Automobilfertigung, der Automobilindustrie. Komplettierung und Montage sind kein Gegensatz zur Fertigung, zur Produktion.
110Im Übrigen stellt auch die L in einer ganzen Reihe von Arbeitsschritten, die sie als solche selbst plant, ein Produkt zur kommerziellen Nutzung her, nämlich das Pony-Pack, für dessen Endmontage/Komplettierung sie bezahlt wird.
111Wenn dem auch die Haftung der L entspricht, so ändert das ebenso wenig daran, dass ihre Tätigkeit Teil der Automobilfertigung, der Automobilindustrie ist.
1127. Auch das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart (22.01.2014– 11 Ca 5441/13 -), auf das sich die Beklagte beruft, enthält nichts Erhebliches, das gegen das hier gefundene Ergebnis spricht. Dort ging es um einen Betrieb, der Fahrzeugkomponenten aus Kunststoff herstellt. Die L stellt nicht Kunststoffprodukte her, sondern übernimmt einen wesentlichen Fertigungsschritt der Automobilfertigung selbst.
113IV. Schließlich argumentiert die Beklagte aus dem letzten Satzteil des § 1 Nr. 2 S. 2 TV BZ ME. Dieser schließt an den Beispielskatalog von Wirtschaftszweigen an, in denen ein Kundenbetrieb als ein solcher der Metall- und Elektroindustrie „gilt“ und lautet wie folgt:
114„… sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artverwandter Industrien.“
115Die Beklagte meint, dieser Satzteil bestimme „eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des TV BZ ME für Montage- und Dienstleistungsbetriebe.“ Die Beklagte vertritt damit ersichtlich die Ansicht, dieser Satzteil schränke die übrigen Vorschriften des § 1 Nr. 2 TZ BZ ME für den fachlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrages ein. Offenbar will die Beklagte mit diesem in der Berufungsinstanz aufgeführten Argument an ihre erstinstanzlichen Darlegungen anknüpfen, nach denen „Hilfs- und Nebenbetriebe“ voraussetzten, dass sie von demselben Inhaber wie der Hauptbetrieb geführt würden. Da „Reparatur-, Zubehör-, Montage- und sonstige Dienstleistungsbetriebe“ wegen des Wortes „sonstige“ unter den Begriff „Hilfs- und Nebenbetriebe“ zu subsumieren seien, schließt die Beklagte offenbar, dass dann, wenn ein „Montage- und Dienstleistungsbetrieb“ ein selbständiger Betrieb (ein Betrieb eines anderen Inhabers) sei, er nicht dem Anwendungsbereich des TV BZ ME unterfalle.
116Dieses Verständnis des letzten Halbsatzes des § 1 Nr. 2 S. 2 teilt die Kammer nicht.
117Der letzte Halbsatz soll ersichtlich die davorstehenden Regelungen nicht einschränken sondern erweitern. Das wird deutlich durch die additive Anknüpfung „sowie“ und die letzten Wörter „sowie die Betriebe artverwandter Industrien“.
118In der Vorschrift ist auch nichts darüber gesagt, dass „Hilfs- und Nebenbetriebe“ im Sinne des Tarifvertrages demselben Inhaber wie ein Hauptbetrieb gehören müssten. Wenn die Beklagte sich erstinstanzlich auf verschiedene Urteile des Bundesarbeitsgerichts zu „Hilfs- und Nebenbetrieben“ berufen hat, so beziehen sich diese teils auf das Betriebsverfassungsgesetz, teils auf ganz andere, nicht vergleichbare Tarifverträge. Hätten die Tarifparteien in dem letzten Satzteil des § 1 Nr. 2 S. 2 des Tarifvertrages eine Einschränkung der zuvor getroffenen Regelungen dahingehend gewollt, dass „Reparatur-, Zubehör-, Montage-“ oder ähnliche Betriebe nicht dem Tarifvertrag unterfallen sollten, wenn sie einem anderen Inhaber als der Hauptbetrieb gehörten, dann hätte es sich aufgedrängt, dieses ausdrücklich zu formulieren und nicht allein in dem Begriff „sonstigen“ zu verstecken. Nichts spricht mithin dafür, dass die Tarifparteien des vorliegenden Tarifvertrages insbesondere Zubehör- und Montagebetriebe, die zu den zuvor genannten Wirtschaftszweigen gehören, nur dann dem Tarifvertrag unterwerfen wollten, wenn diese von demselben Inhaber eines Hauptbetriebes geführt würden.
119Dahinstehen kann, ob der Betrieb der L überhaupt als ein reiner „Montagebetrieb“ bezeichnet werden kann. Die Beklagte selbst spricht von Montage und Komplettierung. Es werden auch einzelne Arbeiten verrichtet, die der allgemeinen Begrifflichkeit nach jedenfalls nicht unter Montage fallen, z. B. das Befüllen mit Öl.
120V. Dahinstehen kann mithin, zu welchem Ergebnis die Zweifelsfall-Regelung § 1 Nr. 2 Abs. 2 führte („Bei Zweifelsfällen hinsichtlich der Einordnung eines Kundenbetriebes gilt als maßgebliches Entscheidungskriterium der im Kundenbetrieb angewandte Tarifvertrag.“).
121Mithin kann auch dahinstehen, ob der zwischen der IG Metall und der L abgeschlossene Tarifvertrag, weil er von der Industriegewerkschaft Metall abgeschlossen ist und/oder weil er metallindustrietypische Regelungen enthält, zur Geltung des TV BZ ME im Sinne der zitierten Vorschrift führt.
122Dahinstehen kann damit auch, ob es eine Bedeutung hat, dass bis zur Vereinbarung des Haustarifvertrages mit der IG Metall auf die Beschäftigten im Betrieb der L ein von HBV und DAG mit der Tarifgemeinschaft des Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen abgeschlossenes Lohnrahmenabkommen (Anl. cc 11 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30. Mai 2014) Anwendung fand, was die Beklagte zweitinstanzlich ebenso unbestritten vorträgt wie die Tatsache, dass der Tarifabschluss mit der IG Metall „nur auf massiven Druck der IG Metall, die für den Fall des Nichtabschlusses mit Bestreiken des Betriebes der L drohte“, zustande kam.
123Ebenso kann schließlich dahinstehen, ob es dabei eine Rolle spielt, dass die L – ebenso unstreitig – nicht Mitglied eines Metallarbeitgeberverbandes ist, sondern Mitglied des Unternehmerverbandes Industrieservice + Dienstleistungen e.V. ist.
124B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
125C. Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier behandelten Auslegung des Tarifvertrages die Revision zugelassen. Dabei sei darauf hingewiesen, dass erstinstanzlich insgesamt 28 einschlägige Verfahren anhängig waren, von denen bis auf die vier von der erkennenden Kammer entschiedenen Verfahren alle anderen durch Unterwerfungsvergleich erledigt wurden. Es sei ferner darauf hingewiesen, dass der hier strittige Tarifvertrag bundesweit gilt und – wie z. B. das oben genannte Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart zeigt – die hier behandelte Auslegungsfrage bundesweit strittig ist.
126R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
127Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
128R E V I S I O N
129eingelegt werden.
130Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
131Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
132Bundesarbeitsgericht
133Hugo-Preuß-Platz 1
13499084 Erfurt
135Fax: 0361-2636 2000
136eingelegt werden.
137Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
138Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1391. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
144Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
145Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
146* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.