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1.) Die fristlose Kündigung eines technisch-kaufmännischen Außendienstmitarbeiters, dessen Arbeitsaufgabe darin besteht, im gesamten deutschsprachigen Raum Kundenfirmen aufzusuchen, um dort Vertriebsaufgaben wahrzunehmen und technischen Support zu leisten, ist gerechtfertigt, wenn der Mitarbeiter über mehrere Jahre hinweg seinen Dienstwagen ohne gültige Fahrerlaubnis benutzt und diesen Tatbestand dem Arbeitgeber gegenüber durch aktive Täuschungshandlungen verschleiert.
2.) Das gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer arbeitnehmerseitigen Eigenkündigung ohnehin 5 ½ Monate später enden würde.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.11.2011 in Sachen20 Ca 5500/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten in erster Linie um die Wirksamkeit einer von der Beklagten unter dem 11.07.2011 ausgesprochenen außerordentlichen, fristlosen Kündigung des beiderseitigen Arbeitsverhältnisses sowie um von der Wirksamkeit der Kündigung abhängende Vergütungsansprüche des Klägers.
3Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 20. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage in vollem Umfang abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 02.11.2011 Bezug genommen.
4Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 14.03.2012 zugestellt. Er hat hiergegen am 21.03.2012 Berufung eingelegt und diese zugleich auch begründet.
5Der Kläger wendet sich in seiner Berufung hauptsächlich gegen die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung. Das Arbeitsgericht habe dem wichtigen Umstand, dass er, der Kläger, das Arbeitsverhältnis bereits seinerseits zum 31.12.2011 gekündigt gehabt habe, nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. So seien bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses aufgrund seiner Eigenkündigung nur noch 107 Restarbeitstage verblieben. Für diese kurze Zeit sei der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in jedem Falle zumutbar gewesen.
6Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass eine außerordentliche Kündigung keinen Sanktionscharakter für Verfehlungen aus der Vergangenheit habe, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zukunftsgerichtet sei. Eine Gefahr der Wiederholung der streitigen Vorkommnisse sei aber schon deshalb ausgeschlossen gewesen, weil die Beklagte ja ihm, dem Kläger, bereits vor Ausspruch der Kündigung das Firmenfahrzeug entzogen habe. Selbst wenn die Beklagte ihn ferner im Hinblick auf seine Eigenkündigung nicht ohnehin hätte freistellen wollen, hätte er in der verbleibenden Zeit seine arbeitsvertraglichen Pflichten dennoch erfüllen können. Er habe seine Außendiensttätigkeit auch unter Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wie insbesondere des Flugzeuges ausführen können. Ferner sei zu beachten gewesen, dass die Beklagte keinerlei Schaden erlitten habe und das 15-jährige Arbeitsverhältnis bis dahin beanstandungsfrei verlaufen sei.
7Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
8das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.11.2011,20 Ca 5500/11, abzuändern und
91.) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 11.07.2011 geendet hat;
102.) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 11.07.2011 endet;
113.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.201,30 € brutto als weitere Vergütung für den Monat Juli 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.08.2011 zu zahlen;
124.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.843,50 € brutto als Vergütung für den Monat August 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.09.2011 zu zahlen;
135.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.843,50 € brutto als Vergütung für den Monat September 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.10.2011 zu zahlen;
146.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.843,50 € brutto als Vergütung für den Monat Oktober 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.11.2011 zu zahlen;
157.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.843,50 € brutto als Vergütung für den Monat November 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2011 zu zahlen;
168.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.843,50 € brutto als Vergütung für den Monat Dezember 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2012 zu zahlen.
17Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
18die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
19Die Beklagte verteidigt die Ausführungen der arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe. Sie stellt, wie bereits erstinstanzlich, in Abrede, dass sie üblicherweise alle Mitarbeiter, die eine Eigenkündigung aussprechen, für die Dauer der Kündigungsfrist von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistelle. Sie stellt ferner in Abrede, dass es dem Kläger ohne Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis möglich gewesen wäre, seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als technisch-kaufmännischer Außendienstmitarbeiter uneingeschränkt und sachgerecht fortzusetzen. Vor allem aber, so betont die Beklagte, beruhe die Kündigung darauf, dass der Kläger sie über den Entzug seiner Fahrerlaubnis über eine lange Zeit hinweg vorsätzlich getäuscht und damit die Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses unwiederbringlich zerstört habe. Dabei habe er sich bis zuletzt uneinsichtig gezeigt.
20Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Klägers und der Berufungserwiderung der Beklagten wird ergänzend Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.11.2011 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.
23II. Die Berufung des Klägers musste jedoch erfolglos bleiben. Die Einwände des Klägers gegen die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils sind nicht stichhaltig. Sie können zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen. Das Arbeitsgericht Köln hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden.
24Entgegen der Auffassung des Klägers ist die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 11.07.2011 rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung beendet. Schon deshalb, aber auch wegen der vom Kläger selbst ausgesprochenen Eigenkündigung zum 31.12.2011 kam es auf die Beurteilung der von der Beklagten hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung zum 31.03.2012 nicht an. Aus der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 11.07.2011 folgt, dass keine Vergütungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte für die Zeit nach Zugang der Kündigung bestehen. Auch die Zahlungsansprüche des Klägers wurden folglich zu Recht abgewiesen.
251. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 11.07.2011 ist rechtswirksam, weil für sie ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB besteht. Es liegen Tatsachen vor, aufgrund derer es der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden konnte, das Arbeitsverhältnis über den Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens hinaus fortzusetzen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Eigenkündigung des Klägers vom 29.06.2011 ohnehin zum Jahresende 2011 sein Ende gefunden hätte, wobei auch in Erinnerung zu rufen ist, dass der Kläger seine Eigenkündigung zwar vor Zugang der fristlosen Kündigung der Beklagten ausgesprochen hat, aber auch erst nachdem er bereits wegen der Vorfälle, die schließlich in die streitige fristlose arbeitgeberseitige Kündigung einmündeten, freigestellt worden war.
26a. Der Kläger stellt in der Berufungsinstanz nicht mehr in Abrede, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der Kündigung durch Tatsachen belastet war, die „an sich“ geeignet sein können, eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen. Der Kläger wendet sich jetzt vielmehr schwerpunktmäßig gegen die vom Arbeitsgericht auf der letzten Stufe der Prüfung der Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung vorgenommenen Interessenabwägung.
27b. Gleichwohl erscheint es angebracht in Erinnerung zu rufen, dass der Tatsachenkomplex, der vorliegend als „wichtiger Grund“ die außerordentliche Kündigung der Beklagten rechtfertigt, aus mehreren Komponenten besteht:
28aa. Zum einen wurde das Arbeitsverhältnis bereits dadurch erheblich belastet, dass der Kläger sich seit Anfang 2009 bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung im Juli 2011 und darüber hinaus bis mindestens zum Jahresende 2011 nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis befand. Dies wird durch die Mitteilung des Landrats des Rhein-Kreises Neuss an die Beklagte vom 29.06.2011 (Bl. 66 d. A.) dokumentiert. Diese Mitteilung sagt aus, dass dem Kläger die Fahrerlaubnis am 26.01.2009, rechtskräftig am 28.02.2009, entzogen wurde und sich sein Führerschein seit dem 30.01.2009 in den Akten der Behörde befinde. Dieses Faktum hat als unstreitig zu gelten. Es wurde vom Kläger schriftsätzlich nicht entkräftet. Auch die verworrenen Ausführungen des Klägers persönlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, wonach er zwischenzeitlich in Polen (!) einen neuen Führerschein erworben habe, der ihm aber im Jahre 2010 irgendwie abhanden gekommen sei (!), ändern hieran nichts.
29Der Kläger war bei der Beklagten laut dem aktuellen Arbeitsvertrag vom 01.03.2006 als „Technisch-kaufmännischer Außendienstmitarbeiter (Sales technical)“ beschäftigt. In Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben hatte der Kläger fortwährend im gesamten deutschsprachigen Raum einschließlich Österreich angesiedelte Kundenfirmen aufzusuchen. Neben den eigentlichen Vertriebsaufgaben hatte der Kläger dabei den Kunden auch technischen Support zu leisten. Zum Zwecke der Ausübung seiner Außendiensttätigkeit stellte die Beklagte dem Kläger einen Dienstwagen als, wie es in dem Arbeitsvertrag vom 01.03.2006 wörtlich heißt, „Arbeitsmittel“ zur Verfügung. Ohne im Besitz einer in Deutschland gültigen Fahrerlaubnis zu sein, war es dem Kläger von Rechts wegen nicht möglich, das Arbeitsmittel „Dienstwagen“ oder auch ein sonstiges Kraftfahrzeug für seine Außendiensttätigkeit zu nutzen. Es liegt für das Berufungsgericht auf der Hand, dass bereits hierin zumindest eine ganz erhebliche Einschränkung der Einsatzfähigkeit des Klägers für seine arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben zu sehen war.
30Gleichwohl wäre bis zu diesem Punkt die Frage zu klären gewesen, ob eine Übergangszeit bis zur Neuerteilung eines Führerscheins nicht durch organisatorische Maßnahmen hätte überbrückt werden können, die es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht hätten, den Kläger seine Außendiensttätigkeit im Wesentlichen fortsetzen zu lassen und/oder ihn in sinnvoller Weise vorübergehend mit Innendiensttätigkeiten zu betrauen.
31Die Bestimmung des Maßes der Zumutbarkeit wäre in diesem Zusammenhang nicht zuletzt davon abhängig gewesen, für welchen Zeitraum Überbrückungsmaßnahmen notwendig sein würden, und wer die durch Überbrückungsmaßnahmen zu kompensierenden organisatorischen Probleme zu verantworten hatte. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Verlust der Fahrerlaubnis auf ein schuldhaftes Verhalten des Klägers zurückgeführt werden muss. Auch wurde die Fahrerlaubnis dem Kläger Anfang 2009 entzogen und – nach den mündlichen Einlassungen des Klägers vor dem Berufungsgericht – (erst) im Laufe des Jahres 2012 neu erteilt. Ferner hat die Beklagte behauptet, keinen für den Kläger geeigneten freien Innendienstarbeitsplatz zur Verfügung gehabt zu haben.
32Die Antwort auf diese Fragen kann letztlich jedoch dahingestellt bleiben, da sie nicht mehr als entscheidungserheblich anzusehen sind. Der hier in Rede stehende „wichtige Grund“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB beinhaltet nämlich noch weitere, verhaltensbedingte Komponenten:
33bb. So hat der Kläger der Beklagten den Entzug der Fahrerlaubnis bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nahezu zweieinhalb Jahre lang verschwiegen, gleichwohl aber den ihm von der Beklagten als Arbeitsmittel zur Verfügung gestellten Dienstwagen für seine Außendiensttätigkeit intensiv weiter genutzt. Dabei hätte dem Kläger klar sein müssen, dass er allein schon durch dieses Verhalten nicht nur sich selbst, sondern auch die Beklagte als seine Arbeitgeberin in erhebliche rechtliche Schwierigkeiten hätte bringen können,
34z. B. wenn es zu einem Unfallereignis gekommen wäre.
35Tatsächlich hat die Beklagte durch das Verhalten des Klägers zumindest auch einen Image-Schaden erlitten; denn die letztlich zur Kündigung führenden Tatsachen kamen bekanntlich erst dadurch zum Vorschein, dass die Polizei, die den Tatbestand des Fahrens ohne Führerschein mittlerweile entdeckt hatte, bei der Beklagten nachfragte, wie es denn um deren innerbetriebliche Kontrollmechanismen bestellt sei.
36cc. Der Kläger hat aber nicht nur über Jahre hinweg das ihm von der Beklagten als Arbeitsmittel zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug als Werkzeug eines „Fahrens ohne Führerschein“ benutzt und dies der Beklagten verschwiegen, sondern er hat darüber hinaus durch zielgerichtetes aktives Tun die Repräsentanten der Beklagten absichtlich darüber getäuscht, dass er im Besitz eines gültigen Führerscheines sei. Er hat nämlich der Beklagten bei mehreren innerbetrieblichen Routinekontrollen, aber auch zuletzt bei einer aus gegebenem Anlass erfolgenden Kontrolle im Juni 2011 jeweils einen alten Führerschein aus den 1970-er Jahren vorgelegt, um die Mitarbeiter der Beklagten glauben zu machen, dies sei seine immer noch aktuelle, gültige Fahrerlaubnis, obwohl er denselben bereits Anfang der 1990-er Jahre bei den zuständigen Behörden als – angeblich – abhanden gekommen gemeldet hatte. Er hat damit nicht nur einmal, sondern mehrfach und bis zuletzt seine Arbeitgeberin über für das Arbeitsverhältnis erkennbar wichtige Umstände absichtlich hinters Licht geführt und dabei eine nahezu kriminelle Energie an den Tag gelegt.
37c. Der Kläger hat durch dieses sein Verhalten die Vertrauensgrundlage zerstört, die notwendig gewesen wäre, um das Arbeitsverhältnis – und sei es auch nur für weitere fünfeinhalb Monate – aufrechterhalten zu können. Es ist für das Berufungsgericht objektiv nachvollziehbar, wenn die Beklagte sich vor diesem Hintergrund nicht in der Lage sah, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der von ihm ausgesprochenen Eigenkündigung aufrechtzuerhalten.
38Es ist zwar zutreffend, wenn der Kläger ausführen lässt, dass der Sinn und Zweck des § 626 BGB nicht darin besteht, ein Fehlverhalten aus der Vergangenheit als solches zu sanktionieren, sondern dass es um die Auswirkungen eines Fehlverhaltens für die zu erwartende Zukunft eines Arbeitsverhältnisses geht. Wenn die Beklagte sich auf ein zerstörtes Vertrauensverhältnis beruft, will sie damit aber sagen, dass sie sich aus der Sicht des Zeitpunkts der Kündigung nicht mehr in der Lage sah, zukünftig darauf zu vertrauen, dass der Kläger sich ihr gegenüber in arbeitsvertraglichen Belangen korrekt, ehrlich und vertragstreu verhalten würde.
39Diese Einschätzung muss der Beklagten nach den hier in Rede stehenden Ereignissen als nachvollziehbar zugestanden werden. Es handelt sich bei dem Verhalten des Klägers nicht etwa um ein – wenn auch schwerwiegendes – Augenblicksversagen oder um ein bloßes Verschweigen eines vom Kläger vielleicht als peinlich empfundenen Umstandes wie den Führerscheinverlust. Es handelt sich vielmehr um ein über Jahre hinweg aufrechterhaltenes Fehlverhalten, in dessen Verlauf der Kläger es mehrfach aktiv darauf angelegt hat, Kontrollmechanismen der Beklagten „auszutricksen“.
40Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem Kläger um einen Außendienstmitarbeiter handelt. Das arbeitsvertraglich relevante Verhalten eines Außendienstmitarbeiters ist für den Arbeitgeber naturgemäß erheblich schwerer kontrollierbar, weswegen in Bezug auf das Arbeitsverhältnis eines solchen Mitarbeiters die Vertrauensgrundlage eine noch größere Rolle spielt als sonst. Auch deutet die Höhe des Gehalts des Klägers auf eine gehobene Stellung hin, von dessen Inhaber der Arbeitgeber zu Recht auch eine gesteigerte Selbstverantwortung erwarten kann.
41d. Schließlich bedurfte es auch keiner vorangegangenen Abmahnung. Es musste für jeden durchschnittlich begabten Arbeitnehmer offenkundig sein, dass ein Arbeitgeber ein derartiges Verhalten nicht würde dulden können und dass durch ein derartiges Verhalten der Arbeitsplatz aufs Spiel gesetzt wird. Zudem kommt hinzu, dass der Kläger sich bis zuletzt hartnäckig uneinsichtig gezeigt hat. Dies belegt im Vorfeld der Kündigung z. B. der Inhalt der E-Mail vom 01.07.2011 an Frau M S (wie Bl. 80 d. A.), setzte sich aber auch im Auftreten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht fort. Auch hier musste die Berufungskammer feststellen, dass der Kläger sich nicht einsichtsfähig zeigte, sondern vielmehr bestrebt war, das eigene Fehlverhalten herunterzuspielen.
42e. Auch wenn das Arbeitsverhältnis des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit ca. 15 Jahren bestanden hat, hat das Arbeitsgericht somit bei seiner abschließenden Interessenabwägung dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit zu Recht den Vorzug eingeräumt.
43Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung davon ausgehen konnte, dass das Arbeitsverhältnis fünfeinhalb Monate später aufgrund der Eigenkündigung des Klägers ohnehin sein Ende finden würde. Es handelte sich nicht etwa darum, das Arbeitsverhältnis etwa noch bis zum nächsten Monatsende oder bis zu dem Zeitpunkt, der durch noch offene Urlaubsansprüche abgedeckt war, auslaufen zu lassen, sondern um einen Zeitraum von immerhin fünfeinhalb Monaten oder, wie der Kläger selbst ausgerechnet hat, 107 Arbeitstagen. In Anbetracht des Umstands, dass die Beklagte dem Kläger das nötige Vertrauen nicht mehr entgegenbringen konnte, um ihn die in ihrer Art der Ausübung für sie kaum kontrollierbaren, arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten ausführen zu lassen, erscheint dieser Zeitraum bereits als unzumutbar lang, zumal wegen der fehlenden Fahrerlaubnis ohnehin besondere organisatorische Vorkehrungen hätten getroffen werden müssen.
44Erst recht kann die Beklagte nicht darauf verwiesen werden, dass sie den Kläger bis zum Jahresende hätte freistellen können. Zwar liegt die Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung in einem gekündigten Arbeitsverhältnis – gemeint ist hier die Eigenkündigung des Klägers – erfahrungsgemäß oftmals im Interesse beider Parteien. Der Arbeitgeber kann aber regelmäßig frei entscheiden, ob ihm sein Interesse an der Freistellung des Arbeitnehmers die Fortzahlung der Vergütung ohne den Erhalt einer Gegenleistung für einen mehr oder weniger langen Zeitraum wert ist. Ein Arbeitnehmer, der durch eigenes Fehlverhalten die notwendige Vertrauensbasis für eine aktive Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zerstört, würde den Arbeitgeber aber in die Zwangslage bringen, für einen im vorliegenden Fall immerhin fünfeinhalb Monate langen unproduktiven Zeitraum ohne Gegenleistung erhebliche Vergütung zahlen zu müssen, im vorliegenden Fall mehr als 50.000,00 €. Dies erscheint nach Lage der Dinge ebenso unzumutbar wie eine Verpflichtung zur aktiven Weiterbeschäftigung eines Mitarbeiters, in welchen der Arbeitgeber nachvollziehbar kein Vertrauen mehr setzt.
45f. Die Kündigung der Beklagten vom 11.07.2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien somit wirksam fristlos aufgelöst. Auf andere als die hier erörterten denkbaren Unwirksamkeitsgründe wie etwa eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung ist der Kläger in der Berufungsinstanz zu Recht selbst nicht mehr zurückgekommen. Sie liegen ersichtlich nicht vor.
462. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 11.7.2011 hat zur Folge, dass Ansprüche des Klägers auf Vergütungszahlung für die Zeit nach Zugang der Kündigung nicht mehr bestehen und dass der gegen die hilfsweise fristgerecht ausgesprochene Kündigung gerichtete Antrag nicht zur Entscheidung angefallen ist.
47III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
48Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor. Die Entscheidung folgt den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht auf den Umständen des Einzelfalls.
49R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
50Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht statthaft.
51Auf § 72 a) ArbGG wird Bezug genommen.