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§ 19 TVK (Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern) ist nicht bestimmt genug, um daraus auf Abschluss eines Tarifvertrages mit konkretem Inhalt zu klagen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.05.2011 - 5 Ca 7569/10 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, ein Angebot der Klägerin auf Abschluss eines konkret ausformulierten Tarifvertrages anzunehmen, hilfsweise darum, ob sie verpflichtet ist, ein Angebot mit einem nach dem Hilfsantrag der Klägerin definierten Inhalt abzugeben, wobei die Klägerin dieses Letzte wiederum mit einem Leistungsantrag und hilfsweise mit einem Feststellungsantrag begehrt. Der begehrte Vergütungstarifvertrag soll eine Vergütungsanpassung an die Gehaltsentwicklung des öffentlichen Dienstes (Kommunen und Länder) ab dem Jahre 2010 vorsehen.
3Die Klägerin ist eine Gewerkschaft der professionellen Orchestermusiker und Orchestermusikerinnen sowie der Mitglieder der Rundfunkchöre in Deutschland. Als Tarifvertragspartei verhandelt sie Arbeits- und Vergütungsbedingungen mit dem Beklagten, unter anderem auch für die Kulturorchester, die sich in kommunaler Trägerschaft oder in Landesträgerschaft befinden.
4Der Beklagte ist der Berufsverband deutscher Theater und Orchester. Er ist ebenso wie die Klägerin in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisiert.
5Die Parteien sind Vertragspartner des Tarifvertrages für Musiker in Kulturorchestern vom 31.10.2009 (TVK). Der Beklagte ist zugleich - mit anderen Gewerkschaften - Vertragspartner des NV Bühne.
6Die frühere Fassung des TVK (dessen Erstfassung vom 01.07.1971 stammt) enthielt in § 55 folgende Regelung
7"§ 55
8Anpassung der Grundvergütung
9Werden die Grundvergütungen der unter den Bundesangestelltentarifvertrag fallenden Angestellten des Bundes rechtsverbindlich allgemein geändert, sind die Grundvergütungen und Tätigkeitszulagen der Musiker diesen Veränderungen durch Tarifvertrag sinngemäß anzupassen."
10Seit 2004 fanden langwierige Tarifverhandlungen statt, die teilweise von Streiks der Orchestermusiker begleitet wurden. Hintergrund dieser Streiks war auch die Neufassung der vorstehenden Regelung des § 55 TVK.
11Die Tarifparteien des TVK waren sich grundsätzlich darüber einig, dass § 55 TVK (a. F.) zu reformieren sei, nachdem die Tarifvertragsparteien des BAT ihre ursprüngliche Tarifeinheit zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgegeben hatten und mittlerweile der TVöD im Kommunalen Bereich bzw. der TV-L im Länderbereich abgeschlossen waren und es hier zu unterschiedlichen Vergütungserhöhungen gekommen war.
12Schließlich einigten sich die Parteien auf folgende neue Anpassungsklausel in § 19 der geltenden Fassung des TVK:
13"§ 19
14Anpassung der Vergütungen
15Gleichzeitig mit der Neufassung des TVK vom 31.10.2009 wurden weitere Tarifverträge abgeschlossen, so unter anderem der Tarifvertrag vom 31.10.2009 zur Neugestaltung der Vergütung im Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern vom 31.10.2009 (TVK) (im Folgenden TV-Neugestaltung), der in § 5 eine Besitzstandzulage regelt und in dessen Absatz 2 Satz 2 vorsieht, dass auf die Besitzstandzulage § 19 TVK Anwendung findet.
20Darüber hinaus schlossen die Parteien kurz darauf zum einen mit Wirkung ab 1. November 2009, zum anderen mit Wirkung ab 1. Dezember 2009 Vergütungsordnungen für die Gebiete West und Ost ab, die ungeachtet der in der Zeit davor abgeschlossenen unterschiedlichen Vergütungserhöhungen im Bereich des TV-L einerseits und des TVöD/VKA andererseits einheitliche Vergütungen für die Musiker in kommunalen Orchestern und in Landesorchestern vorsehen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dabei die Erhöhung der Musiker in Landesorchestern geringfügig höher ausfiel als die Vergütungserhöhung für die Beschäftigten ausgefallen war, die dem TV-L unterfielen.
21Die Gehaltstarifverhandlungen im öffentlichen Dienst (TVöD einerseits und TV-L andererseits) hatten im Jahre 2010 folgendes Ergebnis:
22a) TVöD:
231. Vergütungserhöhung ab Januar 2010 um 1,2 %,
242. Vergütungserhöhung ab Januar 2011 um 0,6 %,
253. Vergütungserhöhungen ab 01.08.2011 um weitere 0,5 %,
264. Einmalzahlung in Höhe von 240,00 am 01.01.2011.
27b) TV-L:
28Vergütungserhöhung ab 01.03.2010 um 1,2 %.
29Darüber hinaus wurden die Gehälter für die Beschäftigten in Ost und West vereinheitlicht.
30Zwischen den Parteien kam es in der Folge zu einem Streit unter anderem darüber, in welcher Höhe die Vergütungen der Musiker zu erhöhen seien, deren Arbeitsverhältnisse mit einem Arbeitgeber des Tarifbereichs TV-L begründet waren (Staatsorchester). Der Beklagte wollte die im Jahre 2009 für diese Musiker (zum Zwecke einheitlicher Vergütungssätze der Musiker in kommunalen Orchestern und in Staatsorchester) geringfügig höher als für die übrigen Beschäftigten im Tarifbereich TV-L erfolgte Vergütungserhöhung angesichts der nunmehr aufgegebenen Einheitlichkeit der Vergütungen im Jahre 2010 dadurch kompensieren, dass die Vergütungserhöhung für die Musiker, deren Arbeitgeber den TV-L anwenden, ab 01.03.2010 nicht um 1,2 %, sondern nur um 0,9 % erfolgen sollte und damit um 0,3 % geringer als für die übrigen Beschäftigten im Bereich des TV-L.
31Der Beklagte begehrte sowohl von der Klägerin als auch von den Gewerkschaften der NV Bühne den erwähnten Abschlag von 0,3 % für die Musiker der Staatsorchester. Er schloss schließlich mit den Gewerkschaften des NV Bühne Tarifverträge ab, die diesen Abschlag vorsahen. Zuvor hatte der für den Beklagten verhandlungsführende geschäftsführende Direktor, R B mit dem für die Klägerin verhandlungsführenden Geschäftsführer, G M , den Abschlag von 0,3 % erörtert. Ziel des Beklagten war es dabei, für beide künstlerischen Tarifbereiche (TVK und NV Bühne) den gleichen Abschlag zu vereinbaren. Der Geschäftsführer der Klägerin sandte dem Geschäftsführer der Beklagten daraufhin unter dem 17. März 2010 folgendes Fax:
32Vergütungsabschluss 2010
33Sehr geehrter Herr B ,
34ohne einen formellen Beschluss unserer Tarifkommission vorgreifen zu können, darf ich Ihnen mitteilen, dass die Deutsche Orchestervereinigung, analog zu Ihrem Verhandlungsstand mit VdO und GDBA von vergangener Woche, zum Zweck der Aufrechterhaltung einer einheitlichen Vergütungstabelle zumindest für das Jahr 2010 einen Abschlag von 0,3 % für die "TdL-Orchester" (vgl. § 19 Abs. 2 TVK) bei einem Gesamtvolumen von 1,2 % mittragen würde.
35Der Beklagte hatte zunächst einen Abschlag von 0,4 % gefordert, der Verhandlungsführer der Klägerin zunächst einen solchen von 0,2 % angeboten.
36Die Tarifkommission stimmte nicht zu. Der Tarifvertrag kam nicht zustande.
37Die Verhandlungen wurden hiernach noch weitergeführt. Schließlich legte der Verhandlungsführer der Beklagten einen Tarifvertragsentwurf vom 16.06.2010 (voller Text Bl. 133 ff d. A.), der insbesondere den zwischen den Tarifparteien umstrittenen Abschlag von 0,3 % für die Musiker in den Staatsorchestern enthielt, der zeitlich nachfolgende weitere Erhöhungen in dem Bereich des TVöD nicht berücksichtigte, der auch die im Bereich des TVöD vereinbarte Einmalzahlung von 240,00 zum 31.07.2011 nicht berücksichtigte und die Vergütungen der Musiker im Beitrittsgebiet auch in den oberen Vergütungsgruppen nicht vollständig auf 100 % der Vergütungsordnung West anhob. Gleiches galt für die Besitzstandzulage der Musiker im Bereich Ost.
38Zugleich wurde der Entwurf eines Sondertarifvertrages für den Bereich des § 19 Abs. 4 TVK vorgelegt, dessen Inhalt zwischen den Parteien als solcher nicht strittig ist.
39Der von der Klägerin formulierte Entwurf des ersten Tarifvertrages zur Durchführung des § 19 TVK, dessen Annahme sie mit dem Hauptantrag begehrt (Anlage K 12 Bl. 136 ff d. A.) legt den Entwurf der Beklagten vom 16.06.2010 zugrunde und nimmt in diesem in § 2 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 6, § 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 die Änderungen vor, die dem Begehren der Klägerin zu den Streitpunkten entsprechen und die in den Hilfsanträgen nochmals inhaltlich ausformuliert sind.
40Beide Parteien machen sowohl erst- wie zweitinstanzlich ausführliche Rechtsausführungen zu der Frage, ob die Klägerin grundsätzlich einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Abschluss eines Vergütungstarifvertrages hat, ob sie einen Anspruch auf einen solchen Abschluss mit dem von ihr gewünschten Inhalt in den einzelnen Streitpunkten hat und wie ein solcher Anspruch prozessual durchzusetzen ist. Insoweit wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
41Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
42den Beklagten zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss des als Anlage K 12 beigefügten Tarifvertrages und des als Anlage K 13 beigefügten Sondertarifvertrages anzunehmen;
43hilfsweise,
44den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ein Angebot zum Abschluss eines Durchführungstarifvertrages gemäß § 19 TVK zu unterbreiten, in dem geregelt ist, dass
45hilfsweise,
58festzustellen, dass der Beklagte durch Tarifvertrag verpflichtet ist
59Der Beklagte hat beantragt,
72die Klage abzuweisen.
73Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
74Gegen dieses ihr am 12.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.07.2011 Berufung eingelegt und diese am 09.09.2011 begründet.
75Die Klägerin beantragt,
76das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20. Mai 2011 abzuändern und den Beklagten nach den zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge zu verurteilen, mit der Maßgabe, dass es eingangs des 2. Hilfsantrages richtig heißt: ". . . festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, durch Tarifvertrag . . "
77Der Beklagte beantragt,
78die Berufung zurückzuweisen.
79Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
80E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
81Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hatte in der Sache keinen Erfolg.
82§ 19 TVK ist zu unbestimmt, als dass daraus auf Abschluss eines Tarifvertrages mit einem bestimmten Inhalt geklagt werden könnte. Aus diesem Grunde kann der Beklagte weder dazu verurteilt werden, das Angebot auf Abschluss eines Tarifvertrages mit dem Inhalt des Hauptantrages der Klägerin anzunehmen, noch kann die Klägerin von dem Beklagten verlangen, ein Angebot zum Abschluss eines Tarifvertrages mit den im ersten Hilfsantrag aufgezählten Teilinhalten abzugeben, noch kann im Sinne des zweiten Hilfsantrages festgestellt werden, dass der Beklagte verpflichtet ist, durch Tarifvertrag einzelne Vergütungsbestandteile der Musiker zu erhöhen bzw. ihnen bestimmte Zahlungen zu gewähren.
83A. § 19 TVK regelt die Verpflichtung zum Abschluss eines Tarifvertrages unter bestimmten Bedingungen. Er stellt sich damit als ein für unbestimmte künftige Fälle geltender Vorvertrag dar. Zumindest ist er einem solchen gleichzustellen und sind die für den Vorvertrag geltenden Voraussetzungen anzuwenden.
84I. Im Hinblick auf seine Funktion kann ein Vorvertrag nur dann rechtsverbindliche Wirkung entfalten, wenn der Inhalt des abzuschließenden Hauptvertrages hinreichend klar bestimmt ist. Dies ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn der Vorvertrag selbst den Inhalt des Hauptvertrages regelt, aber auch bereits dann, wenn der Inhalt des Hauptvertrages sich aus den Erklärungen der Parteien zum Vorvertrag eindeutig bestimmen lässt, ohne dass es darauf ankommt, dass auch letzte Feinheiten geregelt wären (BAG 05.07.2006 4 AZR 381/05).
85Das BAG hat diese Grundsätze gerade auch bei einer Klage auf Abschluss eines Tarifvertrages angewandt (BAG a. a. O.).
86Die dieser Entscheidung zugrundeliegende, als Vorvertrag anzusehende Tarifeinigung der streitenden Tarifparteien war in diesem Sinne hinreichend bestimmt. Wie das BAG feststellte, war der entscheidende Teil des Vortrages so bestimmt, dass daraus die Umsetzung in einzelne Änderungsverträge ohne weitere Verhandlungen durchgeführt werden konnte, weil der Inhalt des Hauptvertrages wie das BAG zusammenfassend feststellt, "eindeutig bestimmbar" war.
87Auch in der Entscheidung des BAG vom 25.09.1997 (6 AZR 77/96) zu § 55 TVK a. F. war ohne dass das BAG dieses ausdrücklich geprüft hätte eine solche Eindeutigkeit deshalb gegeben, weil sich die Klägerin dort nicht allein auf § 55 TVK a. F. berief (in welchem Bundesarbeitsgericht einen "Verhandlungsanspruch" begründet sah II. 1. der Gründe), sondern weil die Tarifparteien in Ausführung des § 55 TVK a. F. bereits vollständig ausformulierte Tarifverträge vereinbart hatten, diese aber unter die Bedingung gestellt hatten, dass rechtskräftig festgestellt werde, dass der Beklagte zur Anpassung verpflichtet sei, ohne dies von einer Verlängerung des Ausgleichszeitraums auf 26 Wochen mit entsprechender Erhöhung der Anzahl der 10-Dienste-Wochen in § 15 TVK a. F. abhängig machen zu können. Das BAG hatte mithin in der Entscheidung lediglich festzustellen, dass ein Anspruch des Beklagten auf Einbeziehung weiterer tariflicher Arbeitsbedingungen in die Anpassungsregelung nach § 55 TVK a. F. nicht bestehe. Das BAG hatte umgekehrt nicht festzustellen, dass sich aus § 55 TVK a. F. ein bestimmter Inhalt eines abzuschließenden Tarifvertrages ergebe.
88II. Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass es bislang keine Einigung über irgendeinen bestimmten Inhalt des von der Klägerin angestrebten Tarifvertrages gibt. Zwar hat der Beklagte verschiedene Entwürfe vorgelegt und konzentrierte der Streit sich zeitweilig nur auf wenige Punkte, die Parteien haben jedoch nie auch nur einen Teilbereich der für erforderlich gehaltenen Regelungen verbindlich und in der gebotenen Form abgeschlossen.
89III. Die oben genannten Eindeutigkeitserfordernisse für den Vorvertrag haben, abgesehen davon, dass sie grundsätzlich für alle Vorverträge gelten, hier noch eine zusätzliche, verfassungsrechtliche Bedeutung. Die Gerichte für Arbeitssachen sind nämlich nicht befugt, in die Gestaltungsfreiheit der Tarifparteien korrigierend und ergänzend einzugreifen und eine Aufgabe zu übernehmen, die das Grundgesetz (Artikel 9 Abs. 3 GG) allein den Tarifvertragsparteien zugewiesen hat (vgl. BAG 23.09.1981 BAGE 36, 218 ff). Ließe man es zu, dass die Gerichte für Arbeitssachen auf Grund einer unbestimmten Absprache der Tarifparteien, künftig einen Tarifvertrag abzuschließen, unter Ausnutzung der nach juristischen Methoden gegebenen weiten Auslegungsspielräume den Inhalt eines Tarifvertrages bestimmten, dann übernähmen sie eine Aufgabe, die das Grundgesetz der Tarifautonomie zugewiesen hat. Dementsprechend scheidet regelmäßig auch die Möglichkeit aus, eine unbewusste tarifliche Regelungslücke durch die Gerichte zu schließen. Dieses ist nämlich nur dann möglich, wenn hinreichende und vor allem auch sichere Anhaltspunkte für eine solche Leistungsbestimmung durch die Tarifvertragsparteien gegeben sind oder nur eine ganz bestimmte Regelung billigem Ermessen entspricht und deshalb davon ausgegangen werden kann, dass sich die Tarifvertragsparteien einer solchen zwingend gebotenen Regelung nicht entzogen hätten (BAG a. a. O.).
90Lassen sich hingegen mehrere Auslegungsmöglichkeiten vertreten, und sind die Vorgaben der Tarifparteien nicht hinreichend bestimmt, dann muss ebenso wie die Ergänzung eines Tarifvertrages die Verurteilung einer Tarifpartei ausscheiden, einen ganz bestimmten Inhalt eines Tarifvertrages abzuschließen.
91B. § 19 TVK ist zu unbestimmt.
92Es lässt sich aus ihm weder der konkrete Inhalt des Durchführungstarifvertrages entnehmen, noch lässt sich aus den Erklärungen der Tarifparteien (§ 19 TVK) eindeutig bestimmen, welchen Inhalt der Durchführungsvertrag haben muss. Es geht auch nicht nur um "letzte Feinheiten", sondern um Kernbereiche:
931. Nicht hinreichend bestimmt ist bereits, was mit "Vergütungen der Musiker" gemeint ist. Während die Vorgängerregelung in § 55 TVK a. F. insoweit noch klar von "Grundvergütungen und Tätigkeitszulagen" sprach, ist der Vergütungsbegriff in § 19 im Gegensatz zu anderen Normen des TVK nicht näher bestimmt.
94Während zum Beispiel in § 24 die dort gemeinte "Vergütung" durch den Klammerzusatz (§ 16 und § 2 Abs. 2) näher bestimmt ist, ebenso wie in § 25 die Vergütung durch den Klammerzusatz (§ 16) präzisiert wird, fehlt eine entsprechende nähere Bestimmung in § 19, so dass ihm jedenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen ist, ob auch die Vergütungen der in § 2 Abs. 2 TVK erfassten Musiker betroffen sind. Dagegen spricht, dass § 2 Abs. 2 TVK ausdrücklich regelt, dass im Arbeitsvertrag von einzelnen Vorschriften des Tarifvertrages Abweichendes vereinbart werden kann, und dass unstreitig ist, dass mit den dort aufgeführten Musikern tatsächlich auch bestimmte Festgehälter vereinbart werden, die regelmäßig oberhalb der tariflichen Gehälter liegen. Umgekehrt könnte für ein Unterfallen der Vergütungen dieser Musiker unter § 19 die bisherige Tarifgeschichte sprechen, auf die sich die Klägerin beruft und nach der ebenso unstreitig diese Vergütungen in der Vergangenheit unter dem Regime des § 55 TVK a. F. von den Durchführungstarifverträgen erfasst wurden.
952. Nicht weniger unscharf ist das in § 19 TVK angesprochene Vergleichsentgelt. § 19 TVK spricht von "Arbeitsentgelt". Diesen Begriff kennt weder der TVöD (VKA) noch der TV-L. In § 55 TVK a. F. hieß es insoweit noch viel genauer: "Grundvergütungen".
96Kennen die Vergleichstarifverträge den Begriff "Arbeitsentgelt" als solchen nicht, so wird indes zum Beispiel im dritten Abschnitt des TVöD (VKA) die "Eingruppierung und Entgelt" geregelt. Der Abschnitt sieht ein "Tabellenentgelt (§ 15), ein "Leistungsentgelt" (§ 18), Erschwerniszuschläge (§ 19), eine Jahressonderzahlung (§ 20) und "besondere Zahlungen (§ 23) vor. Alle diese Geldleistungen stehen unter der Abschnittsüberschrift "Entgelt". Auch außerhalb dieses Abschnitts sind Zahlungen an die Arbeitnehmer geregelt. so zum Beispiel in § 8. In allen Fällen stellt sich die Frage, ob sie im Gegensatz zu der in § 55 TVK a. F. genannten "Grundvergütung" nunmehr sämtlich als Vergleichsentgelt in Betracht bezogen werden müssen. Sodann stellt sich die noch erheblich schwieriger zu beantwortende Frage, was eine "sinngemäße" Übertragung auf die im TVK geregelten Vergütungsbestandteile wäre.
97Es lassen sich keine sicheren Anhaltspunkt gewinnen, die insoweit ohne nennenswerte Auslegungsspielräume ein eindeutiges Ergebnis hervor brächten.
983. Erhebliche Unschärfen enthält auch der Begriff der "allgemeinen" Änderung der Arbeitsentgelte. Es ließe sich nach Auffassung der Kammer jedoch als Selbstverständlichkeit eher unwahrscheinlich die Auffassung der Klägerin vertreten, damit seien nur individuell vereinbarte Änderungen einzelner Beschäftigter ausgeschlossen. Es ließe sich aber ebenso gut die Auffassung vertreten, dass gerade angesichts der sehr unterschiedlichen Vergütungsgruppen im TVK einerseits und im TVöD (VKA) bzw. im TV-L andererseits eine Erhöhung nur für einzelne Gruppen von Beschäftigten die Anpassungsverpflichtung nach § 19 TVK nicht auslösen soll. Es ließe sich darüber hinaus auch die Auffassung vertreten, dass da TVöD (VKA) und TVK bundesweit gelten, eine Änderung "allgemein" für das gesamte Tarifgebiet gelten muss. Mit dieser Argumentation ließe sich die von der Klägerin hier verlangte Ost-Westanpassung in Frage stellen. Dieses gilt sowohl für die Ost-Westanpassung allgemein, als auch speziell für die ebenfalls von der Klägerin verlangte Ost-Westanpassung der Besitzstandzulage. Der Hinweis der Klägerin auf § 5 Abs. 2 des TV Neugestaltung führt hier nicht zu einer Eindeutigkeit. Denn nach Sinn und Zweck ("sinngemäß") ließe sich mit guten Gründen die Frage stellen, warum ein Entgeltbestandteil in Ost und West angeglichen werden muss, der gerade auf die Vergangenheit, nämlich den früheren Besitz abstellt.
994. Auslegungsspielräume, die einer Eindeutigkeit entgegenstehen, hält auch das Wort "geändert" bereit. Es bezieht sich auf Arbeitsentgelte. Nimmt man noch das Adverb "allgemein" hinzu, so ist die Auslegung naheliegend, dass eine Einmalzahlung keine "allgemeine Änderung der Arbeitsentgelte" darstellt. Auch vom Sinn und Zweck der Einmalzahlung, auf den im konkreten Fall die Klägerin abhebt, lässt sich nicht ohne weiteres ein eindeutiges Ergebnis erreichen. Einmalzahlungen müssen keineswegs immer den Grund haben, Verluste durch verzögerte Tarifverhandlungen auszugleichen.
1005. Erhebliche Spielräume und Auslegungsprobleme birgt schließlich der Begriff "sinngemäß". Beide Parteien gehen im vorliegenden Fall allerdings davon aus, dass durch § 19 TVK ein "Gleichklang zwischen den nicht künstlerischen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes und den Musikern" sichergestellt werden soll. Dieses macht den Begriff allerdings nicht viel schärfer.
101a) So lassen sich zum Beispiel unter diesem Gesichtspunkt gerade für die Frage, die den Streit der Tarifparteien primär ausgelöst hat, nämlich ob für die Musiker, die über einen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber des Tarifbereichs TV-L verfügen, zum 1. März 2010 die Vergütungen nur um 0,9 % oder wie im Tarifbereich TVL geschehen um 1,2 % zu erhöhen sind, mit jeweils guten Argumenten durchaus unterschiedliche Ergebnisse vertreten: Unstreitig ist zwischen den Tarifparteien, dass im Vorjahr (2009), in dem entgegen der bereits sonst im öffentlichen Dienst vorhandenen Differenzierung zwischen Länderangestellten und Kommunalangestellten, das heißt zwischen TVöD/VKA Bereich und TV-L Bereich, in den ausdrücklich als Anlagen zum Vergütungs-Neugestaltungs-TV ausgewiesenen Vergütungsordnungen ab 1. November 2009 bzw. ab 1. Dezember 2009 (s. unter Bl. 33 d. A.) für alle Musiker einer Vergütungsgruppe gleiche Festbeträge vereinbart wurden, die für die Musiker, die für Arbeitgeber aus dem Tarifbereich TV-L tätig waren, eine höhere Vergütungsanpassung vorsahen, als für die vom TV-L unmittelbar erfassten Angestellte.
102Unter dem Ziel eines Gleichklangs zwischen Musikern und sonstigen Angestellten im TV-L Bereich ließe sich gut argumentieren, dass es dem Sinn des § 19 TVK entspreche und mithin "sinngemäß" sei, diesen Gleichklang dadurch wieder herzustellen, dass im Folgejahr, in dem den Vorgaben des § 19 TVK entsprechend die einheitliche Vergütungsordnung für alle TVK-Musiker aufgegeben wird, der "Gleichklang" mit den sonstigen Beschäftigten des TV-L Bereiches dadurch wieder hergestellt wird, dass in diesem Jahr die Vergütungserhöhung geringer, nämlich so ausfällt, dass ein Betrag erreicht wird, der den Erhöhungen im TV-L Bereich in 2009 und 2010 zusammen entspricht.
103Es ließe sich aber auch im Sinne der Klägerin vertreten, dass bei einer Anpassung nach § 19 TVK es nur auf die jeweilige zeitgleiche oder zeitlich unmittelbar vorausgegangene Änderung der Arbeitsentgelte im Vergleichsbereich ankomme.
104b) Von dieser Frage abgesehen allerdings ergeben sich zahlreiche weitere Auslegungsprobleme daraus, dass die Vergütungsstrukturen im Bereich von TV-L und TVöD/VKA einerseits und TVK andererseits grundlegend verschieden sind. Dies wurde bereits oben zu den Begriffen "Arbeitsentgelte" und "Vergütung" aufgezeigt. Es lässt sich nur schwer und sicherlich nicht mit Eindeutigkeit beantworten, welche Änderungen bei welchen Arbeitsentgelten zu welchen Änderungen bei welchen Vergütungsbestandteilen führen müssten. Ebenso schwierig zu beantworten ist die Frage, welches bei nach Vergütungsgruppen differenzierten Erhöhungen im Bereich der erstgenannten Tarifverträge die vergleichbaren Vergütungsgruppen im TVK Bereich wären. Auch eine solche Zuordnung würde sich in weiten Wertungsspielräumen bewegen, die fern jeder Eindeutigkeit sind.
105Solche Beispiele ließen sich fortsetzen, zum Beispiel für die Frage der Kompensation von Zeitverzögerungen oder von strukturellen Veränderungen im Vergütungsbereich, z. B. bei Jahressondervergütungen, Entgeltumwandlung etc.
106Insgesamt ergibt sich mithin, dass § 19 TVK zu unbestimmt ist, als dass aus ihm nicht nur eine Verhandlungspflicht, sondern ein einklagbarer Anspruch auf Abschluss eines Tarifvertrages mit einem konkreten Inhalt abgeleitet werden könnte.
107Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Satz 1 ZPO.
108RECHTSMITTELBELEHRUNG
109Gegen dieses Urteil kann von
110R E V I S I O N
111eingelegt werden.
112Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
113Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
114Bundesarbeitsgericht
115Hugo-Preuß-Platz 1
11699084 Erfurt
117Fax: 0361 2636 2000
118eingelegt werden.
119Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
120Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
121In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
123Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
124* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
125Dr. Backhaus Engels Marx
126LANDESARBEITSGERICHT KÖLN
127BERICHTIGUNGSBESCHLUSS
128In dem Rechtsstreit
129- Kläger und Berufungskläger -
130Prozessbevollmächtigte:
131g e g e n
132- Beklagter und Berufungsbeklagter -
133Prozessbevollmächtigter:
134hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln
135am 15.03.2012 ohne mündliche Verhandlung
136durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus
137als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richtern Engels und Marx
138b e s c h l o s s e n :
139Der Tatbestand des Urteils vom 06.01.2012 wird dahingehend berichtigt, dass es auf Seite 4 in der ersten Zeile des letzten Absatzes statt "kurz darauf" richtig heißt: "am selben Tag".
140Dr. Backhaus Engels Marx