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1. Befristete Erhöhungen der vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. § 14 TzBfG ist nicht anwendbar.
2. Hier: Aufstockung eines 75%-Vertrags um ? ¼ der durchschnittlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten durch 25 sich aneinanderreihende Verträge.
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 26.04.2011 3 Ca 126/11 h abgeändert und festgestellt, dass die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin auch über den 30.06.2010 hinaus ¾ zuzüglich 1/8 der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechend Vollbeschäftigten beträgt und sich nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 12.04.2010 mit Ablauf des 30.06.2010 auf ¾ reduziert hat.
2. Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin für die Dauer des Rechtsstreits als Angestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von ¾ zuzüglich 1/8 der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechend Vollbeschäftigten weiter zu beschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer befristeten Aufstockung des unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnisses der Klägerin.
3Die im Jahr 1978 geborene Klägerin ist seit dem 04.07.1996 beim beklagten Land als Justizangestellte beschäftigt und nach einer Tätigkeit beim Landgericht D zuletzt seit dem 01.08.2010 beim Amtsgericht G tätig. Ihre Beschäftigung erfolgte auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 04.07.1996 als vollbeschäftigte Aushilfsangestellte zunächst befristet bis zum 31.12.1996. Mit Folgevertrag vom 19.12.1996 wurde die befristete Vollzeit-Aushilfstätigkeit bis zum 31.12.1997 verlängert. Mit Arbeitsvertrag vom 12.12.1997 vereinbarten die Parteien eine unbefristete Weiterbeschäftigung der Klägerin im Umfang von 3/4 einer Vollzeittätigkeit und gleichzeitig eine bis zum 30.08.2000 befristete Tätigkeit zu 1/4. In der Folgezeit vereinbarten die Parteien bis zum 12.04.2010 insgesamt 25 befristete Aufstockungen, wobei sich diese Verträge bis auf wenige Ausnahmen nahtlos aneinanderreihten. Die Aufstockungen erfolgten bis zum 31.12.2007 im Umfang von 1/4 sowie danach im Umfang von 1/8. Insoweit wird auf die Anlagen B1 bis B 27 zum Schriftsatz der Klägerin vom 22.03.2012 (Bl. 218 ff. d. A.) Bezug genommen. Im Verlauf des Berufungsverfahrens haben die Parteien mit Ergänzungsvertrag vom 27.10.2011 die Arbeitszeit der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2011 bis 31.01.2012 befristet um 10% erhöht.
4Die Klägerin hält die befristete Erhöhung der Wochenarbeitszeit in dem zuletzt vor der Klageerhebung geschlossenen Vertrag vom 12.04.2010 für unwirksam, da es an einem erforderlichen Sachgrund fehle. Sie hat die Auffassung vertreten, auch ohne unmittelbare Anwendbarkeit des Teilzeit- und Befristungsgesetzes seien die diesem Gesetz zugrunde liegenden Rechtsgedanken auch bei Überprüfung der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB heranzuziehen. Dabei entspreche der im Vertrag angeführte Sachgrund der vorübergehend freien Haushaltsmittel nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG. Im Übrigen verstoße diese Vorschrift gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei europarechtswidrig.
5Die Klägerin hat beantragt,
6Das beklagte Land hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Das beklagte Land hat die streitgegenständliche befristete Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin im Ergänzungsvertrag vom 12.04.2010 für rechtswirksam erachtet. Die befristete Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit stelle keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB dar. Zwar besitze die Klägerin ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an einer unbefristeten Vereinbarung des Umfangs ihrer Arbeitszeit. Das Interesse des beklagten Landes an der nur befristeten Arbeitszeiterhöhung sei aber höher zu bewerten, denn die Befristung beruhe auf Umständen, die sogar die Befristung eines Arbeitsvertrages insgesamt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG rechtfertigen würden. Auf Seiten der Klägerin fehle es demgegenüber an konkreten Umständen für das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung. die von der Klägerin angeführte Planungsunsicherheit sei aufgrund des geringen zeitlichen Umfangs der befristeten Aufstockung zu vernachlässigen. Im Übrigen hätte mangels zur Verfügung stehender Stellenanteile im Zeitpunkt des Abschlusses des Ergänzungsvertrages vom 12.04.2010 bei einem Absehen von der Befristung nur die Alternative einer insgesamt unterbleibenden Aufstockung bestanden. Ab 01.07.2010 sei auch eine befristete Aufstockung der Klägerin nicht mehr möglich gewesen, da keine freien Stellenanteile zur Verfügung gestanden hätten.
11Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.04.2011 abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 121 ff. d. A.)Bezug genommen. Gegen dieses ihr am 07.11.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.10.2011 Berufung eingelegt und diese am 25.11.2011 begründet.
12Die Klägerin hält an ihrer Rechtsauffassung fest. Sie hält für die befristete Erhöhung der Arbeitszeit weiterhin einen Sachgrund für erforderlich und meint außerdem, dass sie durch die lediglich befristete Aufstockung unangemessen benachteiligt werde. Insoweit wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.
13Die Klägerin beantragt,
14auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 26.04.2011, Az. 3 Ca 126/11 h, abzuändern und
15Das beklagte Land beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Das beklagte Land tritt der angefochtenen Entscheidung bei und wiederholt und vertieft seinerseits seinen erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die streitbefangene Befristung sogar den Anforderungen des - unstreitig nicht anwendbaren - § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG genüge. Mögliche unionsrechtliche Einwände gegen diese Vorschrift seien vorliegend ohne rechtliche Bedeutung, da es hierauf im Rahmen des anzuwendenden § 307 Abs.1 Satz 1 BGB nicht ankomme. Im Übrigen ergebe sich auch ohne Rückgriff auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG, dass das Interesse der Klägerin an der begehrten unbefristeten Aufstockung weniger hoch zu bewerten sei, als das Interesse des beklagten Landes , die Arbeitszeit nur befristet zu erhöhen. Das Land sei strikt an die haushaltsrechtlichen Vorgaben gebunden. Daher wären anderenfalls die für die befristete Erhöhung genutzten Mittel verfallen und das Land hätte gleichzeitig darauf verzichten müssen, den sonderurlaubsbedingt entstandenen Beschäftigungsbedarf auszugleichen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
23II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung im Arbeitsvertrag der Klägerin vom 12.04.2010 ist rechtsunwirksam und die Arbeitszeiterhöhung um 1/8 der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit besteht unbefristet über den 30.06.2010 hinaus fort.
241. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag zu 1) stellt einen allgemeinen Feststellungsantrag dar, der keinen Zulässigkeitsbedenken begegnet. Mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht die Kammer von der fehlenden Anwendbarkeit des § 17 Satz 1 TzBfG auf die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung aus (vgl. BAG, Urteil vom 02.09.2009 - 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253; zuletzt BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses liegt vor, weil sich das beklagte Land auf die Wirksamkeit der im o.g. Arbeitsvertrag mit der Klägerin vereinbarten Befristung der Arbeitszeiterhöhung beruft.
252. Die Klage ist auch begründet.
26a. Das gilt zunächst für den Feststellungsantrag zu 1). Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung im Arbeitsvertrag vom 12.04.2010 ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da sie eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne dieser Vorschrift darstellt.
27aa. Das Berufungsgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch in der materiell-rechtlichen Beurteilung von befristeten Arbeitszeiterhöhungen. Danach ist die Befristung der Arbeitszeiterhöhung regelmäßig eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB (vgl. BAG a.a.O.). Das ist auch vor vorliegend der Fall. Unstreitig handelt es sich bei dem streitbefangenen Arbeitsvertrag um vorformulierte Vertragsbedingungen des beklagten Landes. Letztlich findet § 307 BGB dessen ungeachtet ohnehin gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung.
28bb. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB wird hinsichtlich der Kontrolle der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht durch die für die Befristung von Arbeitsverträgen geltenden Bestimmungen der §§ 14 ff. TzBfG verdrängt. Diese Bestimmungen sind auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht anwendbar (BAG, Urteil vom 14.01.2004 - 7 AZR 213/03 -, NZA 2004, 719; BAG, Urteil vom 02.09.2009 - 7 AZR 233/08 -, NZA 2009, 1253; zuletzt BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 7 AZR 394/10 -, NZA 2012, 674).
29cc. Die rund zweieinhalbmonatige Befristung der Arbeitszeiterhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin im sog. Ergänzungsvertrag vom 12.04.2012 benachteiligt die Klägerin gemäß § 307 Abs. 1 BGB in unangemessener Weise.
30aaa. Unangemessen ist nach der vorgenannten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Betrifft die Inhaltskontrolle einen Verbrauchervertrag, sind nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 02.09.2099 - 7 AZR 233/08 -, NZA 2009, 1253; zuletzt BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 7 AZR 394/10 -, NZA 2012, 674 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
31Ferner führt das Bundesarbeitsgericht in der vorgenannten Entscheidung zutreffend aus, dass es jedenfalls dann, wenn eine befristete Arbeitszeiterhöhung von erheblichem Umfang vorliegt, trotz der Unanwendbarkeit des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zur Annahme einer nicht unangemessenen Benachteiligung bei der Befristung der Aufstockung der Arbeitszeit solcher Umstände bedarf, die die Befristung des gesamten - über das erhöhte Arbeitszeitvolumen gesondert geschlossenen - Vertrages rechtfertigen würden (BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674). Das Gericht stellt zu Recht heraus, dass die dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zugrunde liegende Wertung, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme ist, auch für die Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit gilt. Denn das sozialpolitisch erwünschte - auch seinem Inhalt nach - unbefristete Arbeitsverhältnis soll dem Arbeitnehmer ein dauerhaftes Auskommen sichern und zu einer längerfristigen Lebensplanung beitragen. Für diese Planung des Arbeitnehmers ist regelmäßig auch die Höhe des von ihm erzielten Einkommens maßgebend. Diese hängt u. a. vom Umfang seiner Arbeitszeit ab. Eine längerfristige Planungssicherheit wird dem Arbeitnehmer daher nicht schon allein durch den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags ermöglicht, sondern nur dann, wenn auch der Umfang der Arbeitszeit unbefristet vereinbart wird (BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 7 AZR 394/10 -, NZA 2012, 674 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
32bbb. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, ist sowohl von einer Befristung erheblichen Ausmaßes als auch von einer fehlenden Rechtfertigung im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG auszugehen.
33(1) Soweit das Bundesarbeitsgericht in der vorgenannten Grundsatzentscheidung vom 15.12.2011 jedenfalls bei Vorliegen einer befristeten Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang eine Rechtfertigung nach § 14 TzBfG verlangt hat, gilt dies gleichermaßen auch dann, wenn zwar der Umfang der befristeten Arbeitszeiterhöhung im Verhältnis zum unbefristeten Teil des Arbeitsvertrages geringer ist, sich eine entsprechende Belastung des Arbeitnehmers aber aus der Vielzahl der Befristungen und der Gesamtdauer dieser Vertragspraxis ergibt. Denn der vom 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts in der vorgenannten Entscheidung zu Recht in den Vordergrund gestellte Gesichtspunkt der längerfristigen Planungssicherheit für den Arbeitnehmer gilt für diese Sachverhaltskonstellation in gleicher Weise. Auch eine Aufstockung um 1/4, wie sie hier in der Zeit von Januar 1998 bis Dezember 2007 (also für 10 Jahre) bzw. 1/8 für die Zeit von Januar 2008 bis Juni 2010 (mit zwei- bzw. viermonatiger Aufstockung um 1/4 durch zwei teilweise zeitgleiche Ergänzungsverträge im Umfang von 1/8 Ende 2008 sowie Ende 2009) erfolgt ist, beeinträchtigt die Planungssicherheit der Klägerin in erheblicher Weise. Eine derartige Vielzahl von 25 sich aneinanderreihenden Befristungen weicht vom Normalfall des unbefristeten Arbeitsverhältnisses trotz offensichtlich bestehenden Dauerbedarfs in eklatanter Weise ab.
34(2) Ein Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG liegt nicht vor.
35Das beklagte Land benennt in § 1 des Ergänzungsvertrages vom 12.04.2010 als sachlichen Grund für die befristete Arbeitszeiterhöhung der Klägerin das Vorliegen vorübergehend freier Haushaltsmittel im Sinne von § 6 Abs. 8 HHG und stützt damit die Befristung letztlich auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG. Diese Vorschrift ist allerdings nach Auffassung der erkennenden Kammer europarechtswidrig. Die Kammer stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Argumentation des Generalanwalts J beim EuGH in seinen Schlussanträgen vom 15.09.2011 in der Rechtssache C-313/10 (BeckRS 2011, 81466, Rz. 65), auf die auch der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 15.12.2011 hinweist. Richtigerweise führt Generalanwalt J aus, dass ein Missbrauch durch aufeinanderfolgende Befristungen nur dann verhindert werden könne, wenn umso strengere Kriterien für die Feststellung des Vorliegens "sachlicher Gründe" angelegt würden, je größer die Zahl der befristeten Verträge sei (a.a.O. Rz. 37). Es dürfe nicht nur isoliert der letzte Vertrag betrachtet werden, sondern das Arbeitsverhältnis müsse in seiner Gesamtheit geprüft werden (a.a.O. Rz. 45). Auch für die durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG geschaffene rechtliche Privilegierung des öffentlichen Dienstes sieht der Generalwalt keine stichhaltige Begründung (a.a.O. Rz. 59) und weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Gefahr des Rechtsmissbrauchs hin, da auf diese Weise Arbeitgebern mit der Festlegung ihrer Haushaltsprioritäten die Möglichkeit verschafft werde, sich selbst den Grund für eine Befristung zu schaffen (a.a.O. Rz. 61).
36ccc. Aber selbst wenn man der Rechtsauffassung des beklagten Landes folgend die Rechtsgrundsätze des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vorliegend insgesamt unbeachtet lässt, stellt die vorliegende Vertragskonstruktion eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.
37Wägt man die Interessen des beklagten Landes als Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber denjenigen der Klägerin als Vertragspartner ab, überwiegen die Interessen Letzterer in erheblichem Maße. Die Vertragspraxis der letzten 12 Jahre macht deutlich, dass beim beklagten Land erkennbar ein dauerhafter Bedarf für die Tätigkeit der Klägerin zumindest im Umfang der letzten Aufstockung von 1/8 besteht. Abgesehen von einer 14-tägigen Unterbrechung im Dezember 2006, einer gut einmonatigen Unterbrechung im April 2007, einer 12-tägigen Unterbrechung im Januar 2008 und einer weiteren 9-tägigen Unterbrechung im Juli 2008 war die Klägerin über einen Zeitraum von zwölfeinhalb Jahren in entsprechend aufgestocktem Umfang für das beklagte Land tätig. Warum dieser Dauerbedarf nur im Wege befristeter Aufstockungen von teilweise nur wenigen Monaten erfolgen muss, ist nicht nachvollziehbar. Trotz der letztlich nahezu nahtlosen Vertragsfortführung bestand für die Klägerin gleichwohl zu keiner Zeit Planungssicherheit, wie gerade die letztlich im Juni 2010 unterbliebene Verlängerung der Befristung zeigt. Auf der anderen Seite ist der Umfang der Beschäftigung für die Klägerin gleichbedeutend mit der Höhe ihres monatlichen Verdienstes. Ausgehend von einem monatlichen Bruttoverdienst der Klägerin von rund 2.400 im Rahmen der unbefristeten Teilzeittätigkeit macht die von ihr begehrte Aufstockung einen monatlichen Differenzbetrag von rund 400 aus. Dies stellt bei der Höhe des monatlichen Einkommens der Klägerin einen erheblichen Betrag für die Ausgestaltung des persönlichen Lebensstandards dar. Der Gesichtspunkt der Planungssicherheit ist damit - anders als das beklagte Land meint - für die Klägerin von großem Gewicht.
38Auch der schließlich vom beklagten Land erhobene Einwand, die Haushaltsmittel wären ansonsten verfallen, überzeugt im Rahmen der Interessenabwägung nicht. Zum einen handelt es sich hierbei um selbst geschaffene Beschränkungen des beklagten Landes. Zum anderen steht dem die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin in den letzten 12 Jahren entgegen. Anderenfalls hätte die Klägerin die Tätigkeit lediglich im Rahmen eines insgesamt unbefristeten Arbeitsverhältnisses ausgeübt.
39b. Auch der Weiterbeschäftigungsantrag ist begründet. Auf die Grundsätze der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch wird insoweit Bezug genommen (BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 , NZA 1985, 702).
40III. Als unterliegende Partei hat das beklagte Land gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
41RECHTSMITTELBELEHRUNG
42Gegen dieses Urteil kann von
43R E V I S I O N
44eingelegt werden.
45Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
46Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
47Bundesarbeitsgericht
48Hugo-Preuß-Platz 1
4999084 Erfurt
50Fax: 0361 2636 2000
51eingelegt werden.
52Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
53Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
54In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
56Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
57* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
58Dr. Kreitner Steinhilper Alt