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1. Für die Klage des Geschäftsführers einer GmbH gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrags sind die Arbeitsgerichte nicht zuständig (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).
2. Das gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer geltend macht, er sei wegen seiner eingeschränkten Kompetenz in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen.
3. In einem auf die Bestellung zum Organvertreter gerichteten Vertrag ist der Dienstnehmer nicht etwa bis zur Bestellung Arbeitnehmer und erst danach Nichtarbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Dies ist auch anzunehmen, wenn der Bestellung eine Probezeit als Geschäftsführer vorgeschaltet wird. Die gesetzliche Fiktion gilt auch in der Probezeit.
4. Das Anstellungsverhältnis des Organs einer juristischen Person ändert sich mit der Beendigung der Organstellung nicht automatisch in ein Arbeitsverhältnis.
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.07.2011
- 3 Ca 1041/11 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges. In der Hauptsache streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung.
4Der bei Klageerhebung 53jährige Kläger war bei der Beklagten ab dem 01.03.2009 auf der Grundlage des schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrages vom 03.03.2009 (Bl. 6 ff d.A.) mit einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 8.500,- beschäftigt. Der Kläger wurde ausweislich des Dienstvertrages als Geschäftsführer angestellt. Im September 2009 wurde der Kläger zum Geschäftsführer berufen. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 22.09.2009. Am 29.03.2011 wurde der Kläger durch Gesellschafterbeschluss als Geschäftsführer abberufen. Mit Schreiben vom 29.03.2011 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis zum 30.06.2011 und stellte den Kläger gleichzeitig bis zum Beendigungszeitpunkt frei. Die Kündigung ging dem Kläger am 04.04.2011 zu.
5Mit seiner am 21.04.2011 bei dem Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Klage wendet der Kläger sich gegen die Kündigung. Er hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet, da er tatsächlich nicht als Geschäftsführer, sondern als Arbeitnehmer tätig gewesen sei. Hierzu hat er behauptet, er sei durch weitestgehende Einschränkung seiner Befugnisse ausschließlich weisungsgebunden tätig gewesen. Seine Befugnisse seien nicht über die eines Verkaufsleiters hinausgegangen.
6Nachdem die Beklagte die Rechtswegzuständigkeit gerügt hatte, hat das Arbeitsgericht Bonn mit Beschluss vom 07.07.2011 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Bonn als Gericht des zulässigen Rechtsweges verwiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht Bonn darauf abgestellt, dass der Kläger als GmbH-Geschäftsführer allein aufgrund seiner Organstellung gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG gelte. Ob der Kläger weisungsgebunden wie ein Arbeitnehmer eingesetzt worden sei, könne dahinstehen.
7Gegen den ihm am 02.08.2011 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.08.2011 sofortige Beschwerde einlegen lassen. Die sofortige Beschwerde ist am 15.08.2011 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangen. Das Arbeitsgericht Bonn hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 23.08.2011 nicht abgeholfen.
8Zur Begründung des Rechtsmittels behauptet der Kläger unter Vertiefung seines bisherigen Vortrags, er sei lediglich "auf dem Papier" als Geschäftsführer bezeichnet, aber nicht entsprechend beschäftigt worden. Dies sei auch nicht gewollt gewesen, da er ausweislich der vorvertraglichen Verhandlungen als Verkaufsleiter Deutschland für die Beklagte tätig werden sollte. Da er auch erst im September 2009 zum Geschäftsführer bestellt worden sei, habe er zu Beginn seiner Tätigkeit bei der Beklagten keine Organstellung innegehabt. Zu dieser Zeit habe er die Tätigkeiten eines Verkaufsleiters ausgeübt und sei damit Arbeitnehmer gewesen. Dieses Arbeitsverhältnis sei nach der Abberufung als Geschäftsführer wieder aufgelebt. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 04.04.2011sei die Organstellung bereits beendet gewesen.
9Die Beklagte meint, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ergebe sich allein aus der Organstellung des Klägers. Sie behauptet, es sei von Anfang an klar gewesen, dass der Kläger die Position des Geschäftsführers innehaben sollte. Der Kläger sei auch nicht weisungsgebunden gewesen, sondern habe alle Funktionen eines Geschäftsführers ausgeübt. Dass die Eintragung in das Handelsregister zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte, habe keine Auswirkungen auf die Gerichtszuständigkeit.
10II.
11Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
121. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 17 a Abs. 4 S. 2 GVG, § 78 S. 1 ArbGG, § 569 ZPO zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Notfrist ab Zustellung des Beschlusses des Arbeitsgerichts eingelegt worden. Dem Kläger wurde der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.07.2011 am 02.08.2011 zugestellt. Die sofortige Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 15.08.2011 eingelegt, der am 15.08.2011 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangen ist.
132. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Bonn hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das im Rechtsweg zuständige Landgericht Bonn verwiesen. Der Kläger gilt aufgrund seiner Organstellung als Geschäftsführer der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer.
14a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten "zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern". Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. In Betrieben einer juristischen Person gelten gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer solche Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen sind.
15§ 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG fingiert, dass der Organvertreter einer juristischen Person kein Arbeitnehmer und sein der Organstellung zugrunde liegendes Anstellungsverhältnis demgemäß kein Arbeitsverhältnis ist (BAG, Urteil vom 14.06.2006, 5 AZR 592/05, NZA 2006, 1154). § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG betrifft das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Dieses ist bei Vertretern juristischer Personen von der Organstellung zu unterscheiden. Die Bestellung und die Abberufung als Vertretungsorgan sind ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte. Durch sie werden gesetzliche und satzungsmäßige Kompetenzen übertragen oder wieder entzogen. Dagegen ist die Anstellung zum Zwecke des Tätigwerdens als Vertretungsorgan ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag (BAG, Beschluss vom 23.08.2001, 5 AZB 9/01, NZA 2002, 52).
16Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Anstellungsverhältnis ist. Auch wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und Vertretungsorgan wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen sein sollte und deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliegt, sind zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung wegen § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 13 GVG die ordentlichen Gerichte berufen (BAG, Urteil vom 14.06.2006 a.a.O.; BAG, Beschluss vom 23.08.2001 a.a.O.; BAG, Beschluss vom 06.05.1999, 5 AZB 22/98, NZA 1999, 839). Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nur dann eröffnet, wenn die Rechtsstreitigkeit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung betrifft (BAG, Urteil vom 14.06.2006 a.a.O.; BAG, Beschluss vom 23.08.2001 a.a.O.)
17Dabei hängt der betreffende rechtliche Charakter des Anstellungsvertrages nicht davon ab, ob es zur vorgesehenen Bestellung als Vertretungsorgan kommt und ob die Organstellung bereits geendet hat. Auch nach einer Abberufung wird das Anstellungsverhältnis nicht notwendig zum Arbeitsverhältnis (BAG, Beschluss vom 25.06.1997, 5 AZB 41/96, NZA 1997, 1363; BAG, Beschluss vom 06.05.1999 a.a.O.). Das gilt bis zu einer wirksamen Kündigung oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages (vgl. BAG, Beschluss vom 06.05.1999 a.a.O.).
18b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist. Der Kläger wurde von Beginn seiner Tätigkeit der Beklagten am 01.03.2009 auf der Grundlage des Geschäftsführer-Dienstvertrages vom 03.03.2009 tätig. In dem Geschäftsführer-Dienstvertrag ist die Tätigkeit als Geschäftsführer vereinbart. Darauf, ob der Kläger wegen der von ihm behaupteten eingeschränkten Kompetenz und Weisungsgebundenheit in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen ist, kommt es nicht an. Denn selbst wenn das Vertragsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhältnis anzusehen gewesen wäre, greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ein, mit der Folge dass die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen sind.
19aa) Der Umstand, dass der Kläger erst 6 Monate nach Aufnahme seiner Tätigkeit für die Beklagte zum Geschäftsführer bestellt und in das Handelsregister eingetragen worden ist, führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 01.03. bis 21.09.2009. Zwar greift die Fiktion in den Fällen nicht ein, in denen der Organvertreter Rechte aus einem schon vor Abschluss des Anstellungsvertrages begründeten und angeblich weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses herleitet oder wenn er Rechte mit der Begründung geltend macht, nach Abberufung habe sich das gekündigte und fortgesetzte Anstellungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt (vgl. BAG, Beschluss vom 06.05.1999 a.a.O.), solche Fälle liegen aber im Streitfall nicht vor.
20Denn der Kläger ist auch in den ersten 6 Monaten seiner Tätigkeit auf der Grundlage des Geschäftsführer-Dienstvertrages beschäftigt worden. Neben diesem Vertrag ist keine weitere rechtsgeschäftliche Vereinbarung für ein Tätigwerden des Klägers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses getroffen worden. Vor Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages gab es keine vertraglichen Beziehungen der Parteien. Soweit der Kläger vorträgt, ausweislich der vorvertraglichen Verhandlungen habe er als Verkaufsleiter Deutschland für die Beklagte tätig werden sollen, so wird dies zwar belegt durch die vom Kläger vorgelegte e-mail des Herrn Beier vom 24.11.2008 (Anlage zum Schriftsatz vom 21.04.201, Bl. 29 d. A.). Zum Abschluss eines entsprechenden Arbeitsvertrages ist es dann aber nicht gekommen, vielmehr haben die Parteien sich letztlich - wenn auch möglicherweise abweichend von ihren vorvertraglichen Verhandlungen - für den Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages bereits mit Aufnahme der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte entschieden. Der Geschäftsführer-Dienstvertrag war darauf gerichtet, den Kläger zum Geschäftsführer zu bestellen. Selbst wenn worauf die e-mail vom 24.11.2008 hindeuten könnte von vorneherein beabsichtigt gewesen sein sollte, den Kläger erst nach einer sechsmonatigen Probezeit zum Geschäftsführer zu bestellen, so greift die Fiktion des § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG ein. Das Bundesarbeitsgericht hat in dem bereits oben zitierten Beschluss vom 25.06.1997 ausdrücklich ausgeführt: "In einem auf die Bestellung zum Organvertreter gerichteten Vertrag ist der Dienstnehmer nicht etwa bis zur Bestellung Arbeitnehmer und erst danach Nichtarbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Dies ist auch anzunehmen, wenn der Bestellung eine Probezeit als Geschäftsführer vorgeschaltet wird. Die gesetzliche Fiktion gilt auch in der Probezeit." Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer an.
21Auch die am 29.03.2011 erfolgte Abberufung des Klägers als Geschäftsführer führt nicht zu einer Unanwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Durch die Abberufung als Geschäftsführer ändert sich der rechtliche Charakter des Anstellungsvertrages eines Organvertreters nicht ohne Weiteres. Durch den Abberufungsakt als solchen wird das Einstellungsverhältnis nicht automatisch zum Arbeitsverhältnis. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, aus denen folgt, dass neben dem Geschäftsführervertrag noch ein Arbeitsvertrag bestanden hat oder ein solcher wieder aufgelebt ist oder dass der Anstellungsvertrag infolge der Abberufung zum Arbeitsvertrag geworden ist. Soweit Rechte aus einem solchen wieder aufgelebten oder neu begründeten Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden, ist § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht anzuwenden. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, zu welchem sich das tatsächliche Geschehen, dass der Klage zugrunde liegt, vollzieht. Wenn es sich dabei lediglich um eine Abwicklungsvereinbarung handelt, verbleibt es bei der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG und damit bei der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte (vgl. BAG, Urteil v. 05.06.2008, 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; LAG Köln, Beschluss vom 03.03.2011, 10 Ta 301/10, juris; LAG Hamm, Beschluss vom 27.07.2011, 2 Ta 145/11, juris; LAG Hamm, Beschluss vom 21.01.2007, 2 Ta 286/06, juris)).
22Wie bereits oben unter 2. b) aa) ausgeführt, bestand neben dem Geschäftsführer-Dienstvertrag kein Arbeitsverhältnis, das während der Geschäftsführertätigkeit hätte ruhen und nach der Abberufung als Geschäftsführer hätte aufleben können. Ein Arbeitsverhältnis ist auch nicht etwa nach der Abberufung des Klägers begründet worden. Dies könnte nur angenommen werden, wenn der Kläger nach der Abberufung weisungsgebundene Tätigkeiten in persönlicher Abhängigkeit verrichtet hätte. Der Kläger war indes nach der Abberufung nicht mehr für die Beklagte tätig, da er mit dem Kündigungsschreiben vom 29.03.2011 bis zum Beendigungszeitpunkt am 30.06.2011 von der Erbringung seiner Tätigkeiten für die Beklagte freigestellt worden war. Es handelt sich damit um die bloße Abwicklung der Geschäftsführer-Dienstverhältnisses, die die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG unberührt lässt.
23Nach alledem hat das Arbeitsgericht Bonn den Rechtsstreit zu Recht an das im Rechtsweg zuständige Landgericht Bonn verwiesen.
243. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst (§ 17 a Abs. 4 GVG). Die Entscheidung erfolgt gemäß § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter.
25Riemann