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Der Rechtsanwalt muss das für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ermitteln.
1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.11.2011 – 13 Ca 3664/11 – werden als unzulässig verworfen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten in der Sache darum, welcher Tarifvertrag für die Übergangsversorgung des Klägers Anwendung findet.
3Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 15.11.2011 antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen der Übergangsversorgung zu gewähren, die sie aufgrund IV der Schlichtungsschlussempfehlung zum Manteltarifvertrag (MTV) sowie zum Vergütungstarifvertrag (VTV) vom 23.06.2010 den C -Mitarbeitern, die ihr erstess fliegerisches Arbeitsverhältnis im Zeitraum nach dem 01.12.1992 bei C begonnen haben und deren fliegerisches Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Tarifvereinbarung noch nicht beendet war und die zur Beklagten wechselten, gewährt.
4Das erstinstanzliche Urteil wurde der Beklagten am 01.12.2011 zugestellt. Am 27.12.2011 hat die Beklagte „Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.11.2011, Aktenzeichen 13 Ca 3664/11, zugestellt am 02.12.2011“ eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist am 02.02.2012 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.
5Nach dem gerichtlichen Hinweis vom 15.02.2012, dass die Berufungsbegründung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils begründet worden sei, beantragte die Beklagte mit bei Gericht am 29.02.2012 eingegangenen Schriftsatz, ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Beklagtenvertreter begründet den Antrag auf Wiedereinsetzung damit, dass er irrtümlich von der Zustellung des Urteils am 02.12.2011 ausgegangen sei. Dieser Irrtum sei ihm erst durch den gerichtlichen Hinweis vom 15.02.2012 bekannt geworden. Der Irrtum habe auf einem einmaligen Arbeitsfehler der bei ihm angestellten, sehr erfahrenen und bislang uneingeschränkt zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten und Rechtsfachwirtin Frau J beruht und sei wie folgt zustande gekommen. Die Beklagte habe die Kanzlei mit Schreiben vom 06.12.2011 mit der Berufungseinlegung beauftragt. Diesem Schreiben sei die gesamte Handakte der Beklagten des Verfahrens in erster Instanz, d. h. insbesondere alle Schriftsätze, der Schriftverkehr und die gerichtlichen Unterlagen, beigefügt gewesen. In dem entsprechenden Anschreiben sei von der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass das Urteil am 01.12.2011 zugestellt worden sei. Auf dem Urteil selbst sei jedoch der 02.12.2011 als Eingangsstempel vermerkt gewesen. Dieser Unterschied der Daten resultiere daraus, dass am 01.12.2011 eine Zustellung bei der Poststelle der Beklagten in Köln erfolgte, erst am 02.12.2011 jedoch der Eingangsstempel durch die Rechtsabteilung der Beklagten in Frankfurt auf dem Urteil selbst aufgebracht worden sei. Frau J habe das am 09.12.2011 in der Kanzlei eingegangene Schreiben der Beklagten bearbeitet und habe auch den Hinweis im Anschreiben gesehen, dass die Zustellung bereits am 01.12.2011 erfolgt war. Sie habe jedoch versehentlich eine fehlerhafte Fristenberechnung vorgenommen. Sie habe das Ende der Berufungsfrist zutreffend wegen des auf den Neujahrstag fallenden 01.01.2012 mit dem 02.01.2012 und dann fehlerhaft – schlicht einen Monat später – hierauf am 02.02.2012 das Ende der Berufungsbegründungsfrist notiert. Frau J sei es nicht erklärlich, wie es zu diesem Arbeitsfehler gekommen sei, da es ihr selbstverständlich langjährig bekannt sei, dass die Berufungsbegründungsfrist mit Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils berechnet wird. Frau J habe die entsprechenden Berufungs- und Berufungsbegründungsfristen unter anderem auf der Durchschrift des Urteils in der Prozessakte notiert und habe die Akte dem Beklagtenvertreter am 12.12.2011 zur Prüfung der notierten Frist und weiteren Bearbeitung vorgelegt.
6Der Beklagtenvertreter trägt weiter vor, er habe sodann die Berechnung und Notierung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist durch Frau J durch den Vergleich der in der Akte notierten Fristen mit dem Eingangsstempel auf der ihm vorliegenden Durchschrift des Urteils geprüft und sei dabei vom dortigen Eingangsstempel „02.12.2011“ ausgegangen. Er sei davon ausgegangen, dass das Urteil an diesem Tage erst bei der Beklagten zugestellt worden sei, da nach seiner langjährigen Erfahrung der Eingangsstempel der Rechtsabteilung der Beklagten dem Zustellungsdatum entsprochen habe und entspreche. Er sei damit im Ergebnis seiner Prüfung irrtümlich davon ausgegangen, dass die Fristberechnung durch Frau J zutreffend gewesen sei. Den Hinweis im Anschreiben der Beklagten auf das Zustellungsdatum 01.12.2011 habe er nicht bemerkt. Er prüfe im Hinblick auf die Kontrolle der Notierung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist durch seine Bürovorsteherin nicht die gesamte umfangreiche Akte und nicht das entsprechende Anschreiben. Er habe sich vielmehr von der Angabe seiner Bürovorsteherin in Verbindung mit der fehlerhaften Eingangsstempelung auf der Durchschrift des Urteils bei der Prüfung der Berechnung und Notierung fehlleiten lassen. Das Landesarbeitsgericht Köln habe im Weiteren mit Schreiben vom 02.01.2012, eingegangen am 03.01.2012, den fristgemäßen Eingang der Berufungsschrift bestätigt, dabei allerdings leider nicht darauf hingewiesen, dass er erkennbar von einem fehlerhaften Zustellungsdatum ausgegangen sei. Auch bei der Erstellung der Berufungsbegründungsschrift habe er wiederum den in der Akte notierten Fristablauf nur im Hinblick auf die von ihm erstellte Berufungsschrift neben der ihm vorliegenden Durchschrift des Urteils erster Instanz mit Eingangsstempel vom 02.12.2011 geprüft. Auch bei der Erstellung der Berufungsbegründungsschrift seien ihm mithin keine Zweifel an der Richtigkeit der notierten Frist gekommen.
7Der Beklagtenvertreter meint, er habe seine Sorgfaltspflichten nicht verletzt. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts dürften nicht überspannt werden; ihre Beachtung müsse im Einzelfall auch zumutbar sein, da andernfalls das Recht auf wirkungsvollen Rechtschutz und zumutbaren Zugang zu den Gerichten verletzt werde. Er meint, von einem Prozessbevollmächtigten könne nicht erwartet werden, dass er zusätzlich auch in jedem Fall den gesamten Akteninhalt darauf prüft, ob möglicherweise weitere Hinweise zu beachten sind. Er müsse sich auf die eigenverantwortliche Vorprüfung des gesamten Posteingangs durch seine qualifizierten Mitarbeiter verlassen dürfen, sofern diese ordnungsgemäß ausgewählt und ausgebildet sind, sowie auf den Vergleich des Prüfungsergebnisses mit den entscheidenden Unterlagen – hier der ihm von der Beklagten vorgelegten Urteilsdurchschrift.
8Zur Glaubhaftmachung des Vorbringens hat die Beklagte eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten Frau J sowie ihres Prozessbevollmächtigten vorgelegt.
9Der Kläger hat am 15.03.2012 Anschlussberufung eingelegt. Gegen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wendet der Kläger sich nicht.
10Die Beklagte beantragt,
11der Beklagten und Berufungsklägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren und das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.11.2011, 13 Ca 3664/11, abzuändern und die Klage abzuweisen.
12Der Kläger beantragt,
131. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
142. auf die Anschlussberufung das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen der Übergangsversorgung einschließlich der Regelungen zur Loss of License zu gewähren, die sie aufgrund der Protokollnotiz II. 3. des Änderungs- und Ergänzungstarifvertrages Nr. 4 zum Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG vom 15./16.05.2000 i.d.F. des 3. Ergänzungstarifvertrages vom 20.12.2007 den Cockpitmitarbeitern gewährt, die ihr erstes, dem dortigen Manteltarifvertrag unterliegendes fliegerisches Arbeitsverhältnis im Zeitraum ab dem 01.12.1992 bei CFG begonnen haben und im Rahmen des Tarifvertrages Wechsel und Förderung (TV WeFö) einen Arbeitgeberwechsel zu DLH vollzogen haben.
15Die Beklagte beantragt,
16die Anschlussberufung zurückzuweisen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist. Der Antrag der Beklagten, ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist zulässig, aber unbegründet. Die Anschlussberufung des Klägers war damit von vornherein unzulässig bzw. ist wirkungslos, weil keine zulässige (Haupt-)Berufung vorlag.
20I. Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG als unzulässig zu verwerfen, weil die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat.
211. Gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG beginnt die zweimonatige Begründungsfrist für die Berufung mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Dies war vorliegend am 01.12.2011. Die Berufung hätte demnach bis zum 01.02.2012 begründet werden müssen. Der Berufungsbegründungsschriftsatz der Beklagten ging jedoch erst am 02.02.2012 und damit verspätet beim Landesarbeitsgericht ein.
222. Der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Nach dem Vorbringen der Beklagten beruht die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten.
23a) Der Antrag ist gemäß § 233 ZPO statthaft und rechtzeitig innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO eingegangen.
24b) Er erweist sich jedoch als unbegründet. Nach § 233 ZPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.
25Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt einem Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob eine zu beachtende Frist richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.01.2009, Xa ZB 34/08, NJW-RR 2009, 642 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BGH).
26Die eigenverantwortliche Fristenkontrolle muss zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakte, aber dann erfolgen, wenn die Akten dem Rechtsanwalt im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. Darauf, ob die Vorlage der Handakte wegen der Berufungsbegründungsfrist oder aus Anlass einer anderen fristgebundenen Prozesshandlung, wie z. B. der Einlegung der Berufung, erfolgt ist, kommt es nicht an. Denn der Rechtsanwalt muss im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich stets auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen. Auch wenn die Handakten im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, beschränkt sich die Kontrollpflicht nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist notiert ist, sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist (BGH vom 20.01.2009 a.a.O.).
27Nach dem Vorbringen der Beklagten ist es zur Fristversäumnis gekommen, weil die für die Fristberechnung und Fristnotierung zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte Frau J aus Gründen, die sie selbst nicht erklären kann, die Berufungsbegründungsfrist fehlerhaft statt mit dem 01.02.2012 mit dem 02.02.2012 berechnet und notiert hat. Auf diesen Fehler der Frau J kommt es jedoch nicht entscheidend an, denn nach den oben ausgeführten Grundsätzen muss eine eigenverantwortliche Fristenkontrolle durch den Rechtsanwalt erfolgen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden. Dementsprechend ist auch durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine eigenverantwortliche Fristenkontrolle vorgenommen worden. Irrtümlich ist der Beklagtenvertreter dabei allerdings von dem Zustelldatum des erstinstanzlichen Urteils entsprechend dem Eingangsstempel der Beklagten auf der Durchschrift des Urteils, dem 02.12.2011, ausgegangen, obwohl das Urteil der Beklagten unstreitig bereits am 01.12.2011 zugestellt worden war. Damit hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seiner Sorgfaltspflicht nicht genügt. Denn die ordnungsgemäße und insbesondere fristgerechte Erteilung des Rechtsmittelauftrags macht es erforderlich, dass für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln (BGH, Beschluss vom 16.04.1996, VI ZR 362/95, NJW 1996, 1968 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen des BGH).
28Der Beklagtenvertreter hätte sich damit nicht darauf verlassen dürfen, dass der von der Beklagten aufgebrachte Eingangsstempel auf der Durchschrift des Urteils dem tatsächlichen Zustelldatum entspricht. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass aufgrund der Erfahrungen des Beklagtenvertreters der Eingangsstempel bei der Beklagten in der Vergangenheit auch dem Zustelldatum entsprochen hat, so ist dieser Eingangsstempel kein geeigneter Zustellnachweis, auf den man sich verlassen darf. Gerade in einem großen Unternehmen wie der Beklagten, in dem die Rechtsabteilung sich in Frankfurt und damit nicht am Sitz der Beklagten in Köln befindet, und dem Umstand, dass der Eingangsstempel von der Rechtsabteilung aufgebracht wird, ist es naheliegend, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Zustelldatum und Eingangsstempel auseinanderfallen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hätte demnach, um seinen Sorgfaltspflichten ausreichend nachzukommen, den Zugangszeitpunkt für das Urteil ermitteln müssen. Das Urteil erster Instanz wurde der Beklagten, die in erster Instanz nicht anwaltlich vertreten war, per Zustellungsurkunde zugestellt. Gemäß § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO wird der Tag der Zustellung auf dem Umschlag vermerkt und bringt damit die Zeit der Zustellung dem Empfänger zur Kenntnis. Der Beklagtenvertreter hätte die von der Beklagten eingereichten Unterlagen, die nach seinem Vortrag auch den gesamten Schriftverkehr einschließlich der gerichtlichen Unterlagen enthielten, danach durchsehen müssen, ob sich dort der Umschlag befindet, auf dem der Zeitpunkt der Zustellung des Urteils vermerkt worden ist. Hätte er diesen Umschlag nicht auffinden können, hätte er sich bei seiner Partei rückversichern müssen, ob der Eingangsstempel dem tatsächlichen Zustelldatum entspricht.
29Zu Unrecht meint der Beklagtenvertreter, ihn treffe kein Verschulden, weil ihm nicht zuzumuten sei, in jedem Fall den gesamten Akteninhalt darauf zu überprüfen, ob möglicherweise weitere Hinweise zu beachten sind, er müsse sich vielmehr grundsätzlich auf die vorhergehende Prüfung der gesamten eingehenden Post durch seine qualifizierten und überwachten Posteingangsmitarbeiter verlassen dürfen. Denn dem Beklagtenvertreter wird vorliegend nicht abverlangt, bei jeder Vorlage der Akte im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung die komplette Akte nach möglichen Hinweisen durchzusehen, sondern lediglich, dass er bei der Fristenkontrolle das für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ermittelt. Dies erfordert gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Prüfung der Rechtsmittelfristen ein einmaliges komplettes Durchsehen der Akte nach einem eindeutigen Zustellnachweis und falls dieser in den Unterlagen nicht vorhanden sein sollte, das Anstellen von entsprechenden Nachforschungen. Bei entsprechender Durchsicht der Akte, um das maßgebliche Zustelldatum zu ermitteln, wäre dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten dann möglicherweise auch das Anschreiben der Beklagten aufgefallen, in dem diese auf das zutreffende Zustelldatum des 01.12.2011 hingewiesen hatte. Andernfalls hätte er weitere Nachforschungen über den Zustellzeitpunkt anstellen müssen.
30Damit werden die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts nach Auffassung der Berufungskammer nicht überspannt.
31Wäre der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seiner Sorgfaltspflicht zur eigenverantwortlichen Fristenkontrolle mit der hierfür erforderlichen zuverlässigen Ermittlung des Datums der Urteilszustellung nachgekommen, so hätte sich der Fehler der Rechtsanwaltsfachangestellten Frau J nicht weiter ausgewirkt. Denn dieser Fehler wäre dann von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten bemerkt worden.
32Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten entfällt auch nicht deswegen, weil – wie er möglicherweise meint – das Landesarbeitsgericht ihn nicht auf seinen Irrtum bezüglich des Zustelldatums hingewiesen hat. Es trifft zwar zu, dass das Gericht diesen Irrtum hätte bemerken können, weil mit der Berufungsschrift „Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.11.2011, Aktenzeichen 13 Ca 3664/11, zugestellt am 02.12.2011“ eingelegt worden ist. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, die Berufungsschrift bei deren Eingang darauf zu überprüfen, ob der Berufungsführer von dem zutreffenden Zustelldatum der angegriffenen Entscheidung ausgeht. Die Einhaltung der Rechtsmittelfristen ist allein Sache des Rechtsmittelführers.
33Der Fehler ihres Prozessbevollmächtigten ist der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
34c) Der Umstand, dass der Kläger sich nicht gegen den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten gewandt hat, vielmehr - entsprechend der Äußerung seines Prozessbevollmächtigten in der letzten mündlichen Verhandlung - mit der Wiedereinsetzung einverstanden gewesen wäre, führt nicht dazu, dass dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben werden könnte, da das Gericht die Zulässigkeit und Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Auflage, § 233 Rn. 2) und ein Parteiverzicht daher nicht möglich ist.
35II. Die Anschlussberufung des Klägers ist unzulässig bzw. hat gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verloren, weil die (Haupt-)Berufung der Beklagten - aus den oben genannten Gründen - als unzulässig zu verwerfen war.
36III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu tragen. Zwar sind die Kosten von Berufung und Anschließung grundsätzlich nach § 92 Abs. 1 ZPO zu quoteln, wenn sich der Berufungsbeklagte einer von vornherein unzulässigen Hauptberufung angeschlossen hatte (Zöller-Heßler, ZPO, 29. Auflage, § 524 Rn. 43; BGH Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 17.12.1951, GSZ 2/51, BGHZ 4, 229). Vorliegend wurden die Kosten des Berufungsverfahrens jedoch insgesamt gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO der Beklagten auferlegt, da sich die Anschlussberufung nicht streitwerterhöhend ausgewirkt hat. Die Anschlussberufung diente der Anpassung an den zwischenzeitlich abgeschlossenen Tarifvertrag und der Klarstellung im Hinblick auf die Einbeziehung der Loss-of-Licence. Dass der Anschlussberufung kein gesonderter Streitwert zukommt, haben die Prozessbevollmächtigten der Parteien in der mündlichen Verhandlung erklärt. Die mit der Anschlussberufung verfolgte „Zuvielforderung“ i.S.d. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO war damit „geringfügig“ und hat insbesondere keine höheren Kosten veranlasst.
37IV. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.
38Rechtsmittelbelehrung
39Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
40Riemann Gerß Schergel