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Die Befürchtung des Betriebsrats, bereits beschäftigte Arbeitnehmer erlitten durch die Neueinstellung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern Nachteile, weil sie nicht mehr wie im bisherigen zeitlichen Umfang beschäftigt würden und/oder ihrem Begehren auf Aufstockung der Arbeitszeit auf den in der Vergangenheit durchschnittlich praktizierten Arbeitszeitumfang, mindestens aber die tarifliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft, nicht stattgegeben werde, kann eine nicht erhebliche Verweigerung der Zustimmung zu den Neueinstellungen sein.
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.07.2010 8 BV 108/10 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats (Antragsgegner) zur Einstellung von Teilzeitbeschäftigten durch die Arbeitgeberin (Antragstellerin).
3Die Arbeitgeberin ist im Bereich der Passagier- und Gepäckkontrolle an Flughäfen als Dienstleister tätig. Seit dem 1. Januar 2009 ist sie von der Bundespolizei mit der Kontrolle der Fluggäste am Flughafen K /B beauftragt. Nach § 613 a BGB trat sie in die zu diesem Zeitpunkt mit der Auftragsvorgängerin bestehenden Arbeitsverhältnisse der Flugsicherheitskontrolleure ein. Im Februar 2009 beschäftigte sie in diesem Bereich 349 Mitarbeiter.
4Ab März 2009 besteht Streit zwischen den Beteiligten über die befristete Neueinstellung von teilzeitbeschäftigten Flugsicherheitskontrolleuren. Eine Anzahl der von der Arbeitgeberin eingeleiteten gerichtlichen Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung und auf Feststellung der Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme hat sich durch Ausscheiden der Arbeitnehmer nach Ablauf des Befristungszeitraums oder aber durch Erteilung der Zustimmung des Betriebsrats zur Weiterbeschäftigung über das Befristungsende hinaus erledigt.
5Das vorliegende Verfahren betrifft die befristete Einstellung von 4 Flugsicherheitskontrolleuren.
6Mit Schreiben vom 28. April 2010 beantragte die Arbeitgeberin bei dem Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung dieser Arbeitnehmer für die Zeit vom 15. Mai 2010 bis zum 14. Mai 2011, wobei sie die Arbeitszeit mit "120 Stunden monatlich zu erreichen im Jahresdurchschnitt" angab. Zur Begründung führte sie aus, sie benötige zur Erfüllung des Sicherheitsauftrags unbedingt weitere Teilzeitkräfte. Der Bedarf könne nicht dadurch abgedeckt werden, dass die Arbeitszeit der bereits angestellten Mitarbeiter erhöht werde. Die Bundespolizei gebe die Zahl der in der jeweiligen Schicht einzusetzenden Flugsicherheitskontrolleure vor. Es ergäben sich (aufgrund des schwankenden Passagieraufkommens) längere Arbeitszeitunterbrechungen (sog. Breaks), die nicht als normale Pausenzeiten eingeplant werden könnten. Es müsse eine gewisse Zahl von Teilzeitkräften mit geringer Monatsstundenzahl zur Verfügung stehen, auch für einen Einsatz als Springer.
7Zugleich unterrichtete sie dem Betriebsrat mit weiteren Schreiben vom 28. April 2010, sie beabsichtige, die personellen Maßnahmen ab dem 15. Mai 2010 vorläufig durchzuführen. Die Auftraggeberin fordere eine größere Flexibilität bei der Besetzung der Schichten. Zudem müssten ausgeschiedene Mitarbeiter ersetzt und arbeitsunfähig erkrankte Mitarbeiter vertreten werden. Ansonsten müsse mit dem Verlust des Auftrags und damit einer Gefährdung aller Arbeitsplätze gerechnet werden.
8Der Betriebsrat verweigerte am 30. April 2010 die Zustimmung zu den Neueinstellungen mit folgender Begründung:
9" Der Betriebsrat begründet diese Entscheidung damit, dass eine große Anzahl der Mitarbeiter, die einen 160 Stunden-Vertrag haben, diese zuerst ihre vertraglichen Stunden erreichen müssen. Der Betriebsrat widerspricht gemäß § 99 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG wegen Verstoß gegen § 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie gemäß § 99 Abs. 2 Ziff. 3 BetrVG. Dem Betriebsrat ist bekannt, dass viele Kolleginnen und Kollegen ihren derzeitigen Arbeitsvertrag auf einen 173 Stunden-Vertrag aufstocken möchten. Diese Neueinstellungen stehen diesen Wünschen entgegen und erscheinen im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes eine Benachteiligung aller Arbeitnehmer. Es gibt keinen sachlichen arbeitsplatzbezogenen Grund, diese Aufstockungswünsche der Mitarbeiter/innen nicht zu berücksichtigen und stattdessen Neueinstellungen vorzunehmen.
10Wie wir Ihrer Begründung entnehmen konnten, benötigen Sie Teilzeitkräfte mit geringer Monatsstundenzahl, die als Springer eingesetzt werden. Wir sind der Auffassung, dass ein 80 Stunden-Arbeitsvertrag zur Auftragserfüllung ausreichend ist, da dann die Benachteiligung der genannten Mitarbeiter, die eine Aufstockung der Stundenverträge beantragt haben, weniger zu befürchten wäre. Somit berücksichtigen wir als Betriebsrat auch die Flexibilität und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
11Auch lehnt der Betriebsrat Ihre Festlegung der Monatsarbeitszeit von 120 Stunden auf den Jahresdurchschnitt festzulegen nach §§ 305 ff. BGB ab.
12Des Weiteren möchten wir Sie auf § 4 Abs. 2 der neuvereinbarten Betriebsvereinbarung hinweisen, dass durch das flexible Zeitfenster längere Schichten planbar sind, indem Sie weniger Mitarbeiter benötigen. Deswegen bitten wir Sie, Ihre personelle Jahresplanung noch einmal zu überprüfen."
13Am 30. April 2010 bestritt er zudem, dass die vorläufige Einstellung der Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.
14Mit dem am 3. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Einstellung der Arbeitnehmer und Feststellung, dass die vorläufige Einstellung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
15Die Arbeitgeberin hat beantragt,
161. die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der Mitarbeiter/innen
17- A H A
18- S K
19- D B
20- E Y
21zu ersetzen,
222. festzustellen, dass die vorläufige Einstellung der vorgenannten Mitarbeiter aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
23Der Betriebsrat hat beantragt,
241. die Anträge der Arbeitgeberin zurückzuweisen,
252. festzustellen, dass die vorläufige Durchführung der Einstellung offensichtlich nicht dringend erforderlich war.
26Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 8. Juli 2010 den Anträgen der Arbeitgeberin stattgegeben und den Gegenantrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Zustimmung zur Einstellung von Arbeitnehmern mit einer Arbeitszeit von 120 Stunden pro Monat sei zu ersetzen, weil kein Verstoß gegen § 9 TzBfG und damit kein Verweigerungsgrund iSd § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG vorliege. Ein etwaiger Anspruch bereits beschäftigter Arbeitnehmer auf Aufstockung der Arbeitszeit könne unabhängig von den hier in Frage stehenden Einstellungen durchgesetzt werden. Gegebenenfalls müsse die Arbeitgeberin die neueingestellten Arbeitnehmer wieder entlassen, soweit überhaupt Aufstockungsansprüche bestünden. Im Übrigen sei es das Organisationsrecht der Arbeitgeberin, Arbeitsplätze mit einer monatlichen Arbeitszeit von 120 Stunden einzurichten. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sie dabei rechtsmissbräuchlich handle. Angesichts des stark schwankenden Arbeitsanfalls biete eine größere Anzahl von Mitarbeitern mit geringerer monatlicher Arbeitszeit die Möglichkeit, für kürzere Schichten flexibler zu planen. Es liege auch kein Verweigerungsgrund iSd § 99 Abs. 2 Ziff. 3 BetrVG vor, da aufgrund der Neueinstellungen weder zu besorgen sei, dass bereits beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt würden, noch dass Rechtsansprüche oder Anwartschaften auf Übertragung von Arbeitsplätzen mit verlängerten Arbeitszeiten vereitelt würden. Die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahmen sei nicht zu beanstanden. Es könne keine Rede davon sei, dass sie offensichtlich nicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen sei. Die Arbeitgeberin habe damit den vorhandenen personellen Bedarf abgedeckt.
27Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 15. Juli 2010 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 16. August 2010 (Montag) Beschwerde eingelegt und diese am 15. September 2010 begründet.
28Der Betriebsrat ist weiterhin der Ansicht, durch die Einstellung der Teilzeitbeschäftigten erlitten bereits beschäftigte Arbeitnehmer Nachteile bei ihrem Begehren, eine höhere Arbeitszeit feststellen zu lassen bzw. die Arbeitszeit aufzustocken. Eine Vielzahl von Arbeitnehmern mache geltend, sie hätten bereits nach dem bestehenden Arbeitsvertrag einen Anspruch auf eine Beschäftigung als Vollzeitkraft. Da die Arbeitgeberin sich weigere, dies anzuerkennen, müssten sie gerichtliche Verfahren gegen die Arbeitgeberin anstrengen. Soweit sie nicht bereits aufgrund des bestehenden Arbeitsvertrages einen Anspruch auf eine Beschäftigung als Vollzeitkraft hätten, sei die Arbeitgeberin jedenfalls verpflichtet, die Arbeitszeit entsprechend aufzustocken. Tatsächlich beschäftige die Arbeitgeberin diese Arbeitnehmer auch derzeit noch mit einer monatlichen Arbeitszeit, die weit höher liege als die tarifliche Arbeitszeit für eine Vollzeitkraft von 160 Stunden. Dennoch habe die Arbeitgeberin angekündigt, möglicherweise werde sie sich entschließen, Änderungskündigungen gegenüber diesen Arbeitnehmern mit dem Ziel auszusprechen, die Arbeitszeit wieder zu reduzieren. Es treffe zu, dass er auch im September 2010 Neueinstellungen von Teilzeitkräften mit einer Monatsarbeitszeit von 120 Stunden mit der Begründung widersprochen habe, es sei ausreichend, Teilzeitkräfte mit einer monatlichen Arbeitszeit von (nur) 80 Stunden einzustellen, um den Aufstockungsbegehren der bereits beschäftigten Arbeitnehmer zu entsprechen. Der Einwand, die Arbeitszeitregelung in den Arbeitsverträgen der neueingestellten Arbeitnehmer verstoße gegen §§ 305 ff. BGB habe sich erledigt, nachdem die Arbeitgeberin die Klausel dahin gefasst habe, dass die regelmäßige monatliche Arbeitszeit 120 Stunden betrage. Die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme sei offensichtlich nicht dringend erforderlich, da die Arbeitgeberin sie nur mit pauschalen Gründen zu rechtfertigen versuche.
29Er beantragt,
30unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 8. Juli 2010 8 BV 108/10 seinen erstinstanzlichen Anträgen stattzugeben.
31Die Arbeitgeberin beantragt,
32die Beschwerde zurückzuweisen.
33Sie bestreitet, dass durch die Neueinstellung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern bereits bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer Nachteile iSd § 99 Abs. 2 Ziff. 3 BetrVG erlitten. Der Arbeitsanfall ermögliche es ihr, sowohl gerichtlichen Entscheidungen nachzukommen, in denen festgestellt werde, dass Arbeitnehmer bereits aufgrund des bestehenden Arbeitsvertrages als Vollzeitkräfte zu beschäftigen seien, als auch Urteilen, nach denen sie zur Aufstockung der Arbeitszeit auf die einer Vollzeitkraft verpflichtet sei. Der Betriebsrat verweise selbst auf Dienstpläne, nach denen weiterhin Arbeitnehmer tatsächlich mit einer weit höheren monatlichen Arbeitszeit als die einer Vollzeitkraft mit 160 Stunden beschäftigt würden. Sie erwäge nicht, Änderungskündigungen gegenüber Arbeitnehmern mit dem Ziel auszusprechen, die Arbeitszeit wieder zu reduzieren. Im Übrigen widerlege der Betriebsrat selbst die Richtigkeit des von ihm vorgetragenen Verweigerungsgrundes, wenn er in seinem Widerspruch und auch im September 2010 der Neueinstellung von Teilzeitkräften mit einer monatlichen Arbeitszeit von 120 Stunden widerspreche mit der Begründung, es solle stattdessen eine Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von 80 Stunden pro Monat vereinbart werden. Die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahmen sei dringend erforderlich, um personelle Engpässe durch Freistellungen, Schulungen, Urlaub und Erkrankungen von Arbeitnehmern bewältigen zu können.
34Sie hat bei der mündlichen Anhörung am 16. Februar 2011 erklärt, auch derzeit bestehe noch weiterer Einstellungsbedarf. Die Bundespolizei habe als Auftraggeberin schon damit gedroht, mit der Personenkontrolle auch noch andere Unternehmen zu beauftragen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
36II. Die Beschwerde ist zurückzuweisen.
37A. Zwar ist die Beschwerde zulässig.
38Sie ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 87 Abs. 2 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.
39B. Jedoch ist die Beschwerde unbegründet.
401. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der 4 Arbeitnehmer ist nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen. Sie gilt nicht als bereits erteilt.
41a. Die begehrte Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht etwa deshalb als schon erteilt, weil dieser dem Ersuchen der Arbeitgeberin nicht frist- oder formgerecht widersprochen hätte.
42Der Betriebsrat hat die Zustimmung innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG verweigert. Er hat dabei Gründe geltend gemacht, die sich den Verweigerungsgründen des § 99 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BetrVG zuordnen lassen. Dies ist ausreichend (vgl. z. B. BAG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 1 ABR 45/03 - ).
43Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu den Neueinstellungen mit der Begründung verweigert, dadurch erlitten bereits beschäftigte Arbeitnehmer Nachteile, weil sie nicht mehr im bisherigen zeitlichen Umfang beschäftigt würden ("kommen nicht mehr auf ihre Stunden") und/oder ihrem Begehren auf Aufstockung der Arbeitszeit auf den in der Vergangenheit durchschnittlich praktizierten Arbeitszeitumfang, mindestens aber auf die tarifliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft, nach § 9 TzBfG nicht nachgekommen werde. Soweit er daneben Einwände gegen die Regelung über die Arbeitszeitklausel in den Arbeitsverträgen der neueingestellten Arbeitnehmer unter Hinweis auf §§ 305 ff. BGB erhoben hat, hat sich der Einwand erledigt, da die Arbeitgeberin eine regelmäßige monatliche Arbeitszeit von 120 Stunden vereinbart hat, die Arbeitszeit also hinreichend bestimmt hat.
44Der Verweigerungsgrund der befürchteten Benachteiligung anderer Arbeitnehmer muss ausreichend konkretisiert sein, um "durch Tatsachen begründet zu sein" (§ 99 Abs. 2 Ziff. 3 BetrVG). Auf die Richtigkeit der entsprechenden Behauptungen kommt es dabei nicht an, bloße Vermutungen genügen indessen nicht (vgl. BAG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 1 ABR 45/03 - ).
45Zwar werden in dem Verweigerungsschreiben des Betriebsrats die angeblich benachteiligten Mitarbeiter nicht namentlich benannt. Auch werden die befürchteten Nachteile nicht dahin konkretisiert, in welchem Umfang jeweils eine Reduzierung bzw. Nichterhöhung der Arbeitszeit in Frage steht. Aus dem Hinweis auf die Vielzahl der auch vor dem Beschwerdegericht anhängigen Individualverfahren von bereits beschäftigten Arbeitnehmern ist jedoch sowohl für die Arbeitgeberin als auch für das Gericht erkennbar, dass der Betriebsrat die Begehren auf Feststellung einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit zumindest im Umfang der tariflichen Vollzeit von 160 Stunden oder jedenfalls auf Aufstockung auf diese tarifliche Vollzeit unterstützt. Er meint, diese Begehren würden durch die Neueinstellungen möglicherweise gefährdet.
46b. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu Unrecht verweigert. Verweigerungsgründe liegen nicht vor.
47aa. Ein solcher Grund folgt nicht aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Danach kann der Betriebsrat der beabsichtigten personellen Maßnahme seine Zustimmung versagen, wenn die Maßnahme gegen ein Gesetz verstoßen würde. Dies ist nicht der Fall.
48Ein Gesetzesverstoß als Zustimmungsverweigerungsgrund setzt voraus, dass die personelle Maßnahme als solche gesetzeswidrig ist. Geht es um die Einstellung eines Arbeitnehmers muss diese als solche untersagt sein. Dazu bedarf es zwar keiner Verbotsnorm im technischen Sinne, die unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführte. Der Zweck der betreffenden Norm, die Einstellung selbst zu verhindern, muss aber hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Dazu genügt es nicht, dass einzelne Vertragsbedingungen des eingestellten Arbeitnehmers rechtswidrig sind. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen ist kein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Einstellungen lediglich dann gegeben, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (vgl. BAG, Beschluss vom 17. Juni 2008 1 ABR 20/07 und vom 21. Juli 2009 1 ABR 35/08 - ).
49Nach § 9 TzBfG hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. Höchstgrenze für das Verlangen nach Verlängerung ist die Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten (§ 2 TzBfG). Der Arbeitgeber ist im Rahmen des § 9 TzBfG nicht verpflichtet, den freien Arbeitsplatz den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers entsprechend anzupassen (vgl. BAG, Urteil vom 8. Mai 2007 9 AZR 874/06 - ).
50Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, erstreben die bereits beschäftigten Arbeitnehmer nicht, einen Arbeitsplatz der neueingestellten Arbeitnehmer zu besetzen, also mit einer geringeren monatlichen Arbeitszeit als sie für sie selbst gilt.
51Vielmehr geht das Begehren des sie unterstützenden Betriebsrats dahin, die Neueinstellung von Arbeitnehmern mit einer Arbeitszeit von 120 Stunden pro Monat zu blockieren, solange nicht sämtliche Begehren von bereits beschäftigten Arbeitnehmern auf Feststellung einer bestimmten vertraglichen Arbeitszeit bzw. Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit auf die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft erfüllt sind. § 9 TzBfG verbietet aber keine Neueinstellungen von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, sondern gewährt nur bereits beschäftigten Arbeitnehmern einen Vorrang bei der Besetzung von freien Arbeitsplätzen mit einer längeren Arbeitszeit als für sie selbst gilt.
52bb. Ein Verweigerungsgrund folgt auch nicht aus § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Die Vorschrift erfordert die durch Tatsachen begründete Besorgnis, dass aufgrund der Neueinstellungen im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer, auch wenn sie nicht gekündigt werden, so doch sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt wäre. Auch das ist nicht der Fall.
53"Sonstige Nachteile" sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht unerhebliche Verschlechterungen der tatsächlichen oder rechtlichen Stellung eines Arbeitnehmers. Regelungszweck des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ist die Erhaltung des status quo der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Ist mit der beabsichtigten Maßnahme für andere Arbeitnehmer nicht eine Veränderung oder Erschwerung der bestehenden Arbeitsbedingungen, sondern lediglich der Verlust einer Chance auf eine gerade als vorteilhaft empfundene Veränderung verbunden, stellt dies keinen Nachteil dar. Dazu müsste entweder ein Rechtsanspruch auf die erstrebte Veränderung bestanden oder zumindest eine tatsächliche Position sich bereits zu einer rechtlich erheblichen Anwartschaft verstärkt haben. Die Nichterfüllung der bloßen Erwartung eines Arbeitnehmers auf eine für ihn günstige Veränderung ist dagegen kein Nachteil (ständige Rechtsprechung des BAG, z. B. Beschluss vom 26. Oktober 2004 1 ABR 45/03 - ).
54Es besteht weder die begründete Besorgnis, dass bereits beschäftigte Arbeitnehmer aufgrund der Neueinstellung von Teilzeitkräften eine Änderungskündigung erhalten, noch dass sie einen sonstigen Nachteil erleiden.
55Die Arbeitgeberin hat die Behauptung des Betriebsrats, sie beabsichtige, gegenüber bereits beschäftigten Arbeitnehmern eine Änderungskündigung mit dem Ziel der Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit auszusprechen, als unrichtig dargestellt. Sie hat zudem ausgeführt, dass sie rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen, in denen eine höhere Arbeitszeit als Vertragsinhalt festgestellt worden ist oder in denen einem Begehren auf Aufstockung der monatlichen Arbeitszeit stattgegeben worden ist, nachkommt und auch künftig nachkommen wird. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Berufungs- und Beschwerdegerichts, in denen überwiegend entweder auf eine bereits geltende Arbeitszeit von 160 Stunden pro Monat oder jedenfalls auf eine Aufstockung der monatlichen Arbeitszeit auf 160 Stunden erkannt worden ist. Zudem verweist sie darauf, dass das vorhandene und zu erwartende Arbeitsvolumen es ohne weiteres ermöglicht, diesen Entscheidungen nachzukommen, auch wenn die neueingestellten Arbeitnehmer weiterhin beschäftigt werden. Sie kann darauf verweisen, dass die vorläufige Durchführung dieser personellen Maßnahmen die Richtigkeit des Vorbringens bestätigt hat. Der Betriebsrat trägt selbst zuletzt noch vor, dass weiterhin Arbeitnehmer mit einer monatlichen Arbeitszeit tätig sind, die weit höher als die tarifliche Arbeitszeit für eine Vollzeitkraft von 160 Stunden ist. Er sieht auch selbst Einstellungsbedarf für Teilzeitkräfte. Anders kann seine Stellungnahme gegenüber der Arbeitgeberin von September 2010 nicht verstanden werden, sie solle aus Gründen der "Flexibilität und Wirtschaftlichkeit" neue Arbeitnehmer mit einer monatlichen Arbeitszeit von 80 Stunden einstellen, was zur "Auftragserfüllung" ausreiche.
56Nach alledem bestand auch kein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Ziff. 3 BetrVG.
572. Die vorläufige Durchführung der Neueinstellung der Arbeitnehmer war auch aus sachlichen Gründen dringend erforderlich.
58Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kann bei einer nicht gerechtfertigten Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zur Neueinstellung von Arbeitnehmern der Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG nur dann abgewiesen werden, wenn die Neueinstellung offensichtlich nicht dringend war. Dies erfordert eine grobe, ohne weiteres ersichtliche Verkennung der betrieblichen Notwendigkeiten für eine alsbaldige Durchführung der Maßnahme (vgl. Fitting, BetrVG, 25. Aufl., § 100 Rdn. 13 und 14).
59Die Arbeitgeberin hat dargelegt, dass sie angesichts des Auftragsvolumens dringend darauf angewiesen ist, neue Arbeitskräfte einzustellen. Dies bestätigt im Übrigen der Betriebsrat durch seinen Hinweis auf die Arbeitszeit der bereits eingestellten Arbeitnehmer. Auch aus seinem Widerspruch und auch den Stellungnahmen von September 2010 zu den Neueinstellungen ergibt sich, dass zur "Auftragserfüllung" und aus Gründen der "Flexibilität und der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens" die personellen Maßnahmen durchgeführt werden mussten.
60Daraus ergibt sich zugleich, dass der Gegenantrag des Betriebsrats auf Feststellung, dass die vorläufige Durchführung der Neueinstellungen offensichtlich nicht dringend erforderlich war, unbegründet ist.
61Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Es stellten sich keine grundsätzlichen Rechtsfragen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden sind.
62Re c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
63Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
64Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 92a ArbGG verwiesen .
65Schwartz Fahrmer Ewerling