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Weigert sich ein Flugzeugführer unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken, entgegen einer vom Luftfahrtbundesamt genehmigten Dienstanweisung (Operations Manual) einen Flug mit nur einem Kabinenmitarbeiter durchzuführen, kann dies zur Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung berechtigten.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.04.2010 8 Ca 358/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.
3Der Kläger, geboren am 24. November 1968, ist bei der Beklagten seit dem 23. August 1998 als Flugzeugführer beschäftigt zu einem durchschnittlichen monatlichen Entgelt von EUR 10.000,00 brutto. Für die Beklagte sind ca. 1000 Arbeitnehmer im Bereich des fliegenden Personals tätig. Es besteht eine Personalvertretung.
4Mit Schreiben vom 22. Juli 2009 erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung:
5" im Nachgang zu dem am 20. Juli 2009 mit Ihnen, Herrn W , Herrn B (PV) und Herrn S (RP/B) geführten Personalgespräch halten wir nachfolgenden Sachverhalt fest:
6Am 13. Juli 2009 sollten Sie die Strecke Hamburg-Amsterdam-Hamburg (L ) fliegen. Zum Check-in teilte Ihnen die Crewplanung mit, dass Sie aufgrund einer Erkrankung diese Strecke mit einer Kabinenmitarbeiterin fliegen müssten. Sie lehnten die Durchführung dieses Fluges mit Hinweis auf Sicherheitsbedenken ab. Aufgrund der beiden ausgefallenen Flüge mussten 30 bzw. 40 Passagiere umgebucht werden.
7Auf unsere Nachfrage, welche konkreten Sicherheitsbedenken Sie genau hatten, erläuterten Sie, dass aufgrund der geschlossenen Cockpittür weder Kommunikation noch Überwachung möglich sei. Sollte ein Notfall an Bord (Feuer, unruly passenger) auftreten, hätten Sie keine genauen Informationen im Cockpit. Auch eine mögliche Verletzung und dadurch Ausfall der einzigen Flugbegleiterin stellt für Sie ein Sicherheitsrisiko dar. Des Weiteren führten Sie eine schlechte Wettervorhersage (Thunderstorms) an, welche die Verletzungsgefahr für die Flugbegleiter noch erhöhen könnte.
8Die Folgen ihrer Entscheidung für die Passagiere und die L wenn Sie den Flug ausfallen lassen, seien ihnen bewusst gewesen, allerdings wären für Sie die Sicherheitsbedenken vorrangig.
9Wir haben Sie auf die entsprechenden Vorschriften im OM-A hingewiesen. Diese lassen ausdrücklich die Durchführung eines Fluges mit dem C auch mit einem/einer Flugbegleiter/in zu. Dieses ist auch vom L genehmigt. In Ergänzung zu den entsprechenden Vorschriften gab es vom Leiter Flugbetrieb am 10. Juli 2009 eine entsprechende Veröffentlichung in den C News.
10Sie erklärten, diese Vorgaben zu kennen, allerdings seien die Vorschriften nie angepasst worden und die Erläuterungen im OM seien sehr schwammig.
11Aus unserer Sicht sind alle rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung des Fluges mit einem/einer Flugbegleiter/in vorhanden. Auch haben Sie keine konkreten Sicherheitsbedenken überzeugend vorbringen können, welche die Durchführung des Fluges unmöglich machten. Die von Ihnen vorgebrachten schwierigen Wetterbedingungen stellen sich um einen lt. dem uns vorliegenden Wetterbericht als nicht so gravierend dar, zum anderen wäre auch bei schlechten Wetterbedingungen ein Single Cabin Flug sicher durchzuführen gewesen.
12Ihr Verhalten werten wir als unberechtigte Arbeitsverweigerung und einen Verstoß gegen das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Dies missbilligen wir ausdrücklich, weshalb wir Sie hiermit abmahnen. Im Fall einer weiteren derartigen oder ähnlichen Pflichtverletzung behalten wir uns vor, arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses einzuleiten.
13Wir bitten Sie ein Exemplar unterschrieben an RP/B zurückzusenden. Wir weisen Sie darauf hin, dass wir diesen Vorgang für die Dauer von zwei Jahren in Ihre Personalakte aufnehmen werden "
14Mit der vorliegenden Klage, die am 15. Januar 2010 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verlangt der Kläger Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.
15Der Kläger trägt zuletzt vor, er bestreite nicht, dass gesetzlich der Einsatz nur eines Flugbegleiters bei einem Flugzeug des Musters B mit einer Maximalbestuhlung von 50 Passagiersitzen erlaubt sei. Jedoch plane die Beklagte, Flüge grundsätzlich nicht mit nur einem Flugbegleiter durchzuführen. Grund sei, dass die Kommunikation zwischen Kabinen- und Cockpitpersonal erschwert werde, wenn nur ein Flugbegleiter eingesetzt werde. Auch sei eher die Möglichkeit gegeben, dass Passagiere versuchten, sich Zutritt zum Cockpit zu verschaffen. Es komme hinzu, dass an den Vortagen die Flüge durch Turbulenzen erschwert gewesen seien und entsprechende Wetterverhältnisse auch für den Flugtag vorhergesagt gewesen seien. Die Beklagte hätte dafür Sorge tragen können, dass an dem fraglichen Tag Ersatz für das erkrankte Kabinenmitglied vorhanden gewesen sei.
16Die Beklagte trägt vor, nach der vom Luftfahrbundesamt genehmigten Dienstanweisung (sog. Operations Manual) sei es zulässig, einen Flug mit nur einem Flugbegleiter bei einem Flugzeug des Musters B durchzuführen. Ihre Flugbegleiter seien auch entsprechend ausgebildet. Grundsätzlich setze sie zwar zwei Flugbegleiter ein, jedoch könne es in Ausnahmefällen erforderlich sein, den Flug mit nur einem Kabinenmitglied durchzuführen. Der Kläger sei über diese Anweisung auch unterrichtet gewesen. Nachdem sich am 12. Juli 2009 beide Kabinenmitglieder nacheinander krankgemeldet hätten und nur ein Ersatzflugbegleiter zur Verfügung gestanden habe, sei von ihr entschieden worden, die beiden Flüge jeweils mit nur einem Flugbegleiter durchzuführen.
17Entgegen dem Vorbringen des Klägers sei der Einsatz von zwei Flugbegleitern nicht zwingend geboten, um die Kommunikation zwischen Kabinen- und Cockpitpersonal zu gewährleisten. Zwar müsse die Cockpittür seit den Ereignissen im September 2001 grundsätzlich geschlossen bleiben. Sie könne nur mit einem Code von der Kabine aus geöffnet werden. Jedoch könnten bei einem Ausfall des Single-Flugbegleiters Passagiere durch die Tür oder über ein vorhandenes Telefon mit dem Cockpitpersonal sprechen.
18Der Kläger habe mit seiner Weigerung, die Flüge durchzuführen, unberechtigt die Arbeit verweigert. Zwar sei der Kläger als Kapitän für die Sicherheit an Bord verantwortlich. Er müsse sich jedoch dabei an die geltenden Rechtsvorschriften halten. Sie habe ein schutzwürdiges Interesse an einem reibungslosen Ablauf des Transports ihrer Passagiere.
19Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 8. April 2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, da in der Abmahnung der Vorgang richtig wiedergegeben werde, bestehe kein Entfernungsanspruch. Mit der Rüge, der Kläger habe sich vertragswidrig verhalten und im Wiederholungsfall erfolge eine Kündigung, habe die Arbeitgeberin ihr zustehende Vertragsrechte wahrgenommen, da sie dem Kläger damit weder unverhältnismäßig große Nachteile zufüge, noch seine schutzwürdigen Interessen verletze. Der Kläger könne eine Gegendarstellung zur Personalakte reichen.
20Das Urteil ist dem Kläger am 22. April 2010 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 21. Mai 2010 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. Juli 2010 am 22. Juli 2010 begründen lassen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23I. Die Berufung ist zulässig.
24Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.
25II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
26Das Arbeitsgericht Köln hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Kläger vor Ablauf der in der Abmahnung genannten 2-jährigen Frist keinen Anspruch auf Entfernung des Schreibens aus der Personalakte hat.
271. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen, wenn sie formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesses des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht. Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (z. B. Urteil vom 27. November 2008 2 AZR 675/07 -).
282. Nach diesen Maßstäben ist der Verbleib der Abmahnung vom 22. Juli 2009 nicht zu beanstanden.
29a. Aus formellen Gründen kann die Entfernung der Abmahnung nicht verlangt werden.
30b. In dem Abmahnungsschreiben vom 22. Juli 2009 werden auch keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen erhoben. Zutreffend wird der Vorfall die Verweigerung der Durchführung der beiden Flüge mit nur einer Kabinenmitarbeiterin und die Notwendigkeit der Umbuchung von 30 bzw. 40 Passagieren beschrieben. Es wird auch die vom Kläger gegenüber der Beklagten erklärte Begründung für die Verweigerung im Einzelnen benannt (fehlende Kommunikation und erhöhtes Sicherheitsrisiko sowie schlechte Wetterverhältnisse), ebenso wie sein Beharren auf der Verweigerung nach den Hinweisen der Beklagten auf die Rechtslage nach den vom Luftfahrtbundesamt genehmigten Anweisungen und auf einen vorliegenden Wetterbericht.
31c. Die Abmahnung beruht auch nicht auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Klägers.
32Die Beklagte hat sein Verhalten als unberechtigte Arbeitsverweigerung und einen Verstoß gegen ihr Weisungsrecht gerügt.
33Sie hat dargetan, dass nach Ziff. 8.3.17.2.1 ihrer vom Luftfahrtbundesamt genehmigten Dienstanweisung (Operations Manual) der Einsatz von mindestens einem Kabinenmitarbeiter auf Flügen mit dem Flugzeugmuster CR 2 vorgeschrieben ist, und zwar auch nach den Ereignissen am 11. September 2001. Darin ist auch geregelt, wie bei einem Ausfall dieses einzigen Kabinenmitarbeiters zu verfahren ist: Ansteuern des nächsten Flughafens und Information der Passagiere durch den Flugzeugkapitän sowie ggf. Auswahl von unterstützenden Passagieren (Bl. 157 d. A.). Die Beklagte hat ferner dargelegt, dass der Kläger bereits über diese Anweisung unterrichtet war, als er die Durchführung der Flüge verweigerte.
34Die Hinweise des Klägers darauf, grundsätzlich plane die Beklage auch für Flüge mit dem Flugzeugmuster C den Einsatz von 2 Kabinenmitarbeitern, am Einsatztag und/oder Vortag hätte sie für beide ausgefallenen Flugbegleiter jeweils eine Ersatzperson heranziehen können und es habe von schlechten Wetterverhältnissen während der Flüge ausgegangen werden müssen, entlasten ihn nicht. Für die Beklagte besteht keine rechtliche Verpflichtung, insbesondere auch nicht aufgrund von Sicherheitsvorschriften, nur dann den Flug mit einem Kabinenmitglied durchführen zu lassen, wenn es für sie nicht möglich oder nicht zumutbar ist, Ersatzflugbegleiter einzuteilen, und zudem keine Turbulenzen während des Flugs zu erwarten sind.
35d. Die Abmahnung stellt auch keine unverhältnismäßige Reaktion auf das Fehlverhalten des Klägers dar. Es hatte erhebliche betriebliche Auswirkungen. Es mussten immerhin zwei Flüge mit insgesamt 70 Passagieren umgebucht werden.
36Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.
37Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der sich keine grundsätzlichen Rechtsfragen stellen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet sind.
38R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
39Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
40Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
41Schwartz Scherer Dujardin