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1. Beantwortet ein PKH-Empfänger im Rahmen des Abänderungsverfahrens die gerichtliche Nachfrage, ob ein Abfindungsbetrag brutto oder netto ausgezahlt worden ist, nicht, so kann nicht unterstellt werden, dass die Abfindung netto ausgezahlt worden sei, weil Abfindungen grundsätzlich steuerpflichtig sind.
2. In einem solchen Fall kann aber zugrunde gelegt werden, dass nur der Eingangssteuersatz (unterster Grenzsteuersatz) von 14 % nach § 32 a EStG angefallen ist.
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 05.05.2010 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2010 aufgehoben. Die Prozesskostenhilfe ist weiterhin mit der Maßgabe bewilligt, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
G r ü n d e :
2I. Durch Beschluss vom 16.11.2009 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Rückzahlungsverpflichtung für den von ihm geführten Prozess gegen die ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses bewilligt. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich im erstinstanzlichen Kammertermin am 05.11.2009, in welchem ein Abfindungsanspruch des Klägers in Höhe von 6.000,00 brutto festgelegt worden war.
3Im Hinblick hierauf fragte das Arbeitsgericht mit Schreiben vom 05.02.2010 (Bl. 14 der PKH-Akte) an, ob der Kläger die Abfindung in Höhe von 6.000,00 zwischenzeitlich erhalten habe. Nachdem insoweit keine Reaktion des Klägers erfolgte, änderte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 21.04.2010 den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss dahingehend ab, dass der Kläger aus seinem Vermögen einen Betrag in Höhe bis zu 3.400,00 zur Deckung der Prozesskosten zu zahlen habe. In der Begründung hieß es, dass mangels entgegenstehender Äußerung des Klägers davon auszugehen sei, dass die Abfindungssumme zwischenzeitlich in voller Höhe zur Auszahlung gelangt sei. Als Schonvermögen sei ein Betrag von 2.600,00 in Abzug zu bringen, so dass ein Betrag in Höhe von 3.400,00 verbleibe, welcher in voller Höhe zur Deckung der Kosten der Prozessführung zu verwenden sei.
4Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 05.05.2010, bei Gericht eingegangen am 06.05.2010.
5II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet. Es hat bei dem ursprünglichen Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 16.11.2009 zu verbleiben, wonach der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
61. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht in dem angegriffenen Beschluss ein Schonvermögen von nur 2.600,00 gemäß § 90 SGB XII in Ansatz gebracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 24.04.2006 3 AZB 12/05, NZA 2006, S. 751) ist bei der Berücksichtigung einer zugeflossenen Abfindung als Vermögenswert das Schonvermögen gemäß § 90 SGB XII und zusätzlich ein Pauschalbetrag in Höhe eines nochmaligen Schonbetrages abzuziehen. Letzterer soll als Pauschale die durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden Kosten abdecken. Daher ist im Regelfall das doppelte Schonvermögen abzuziehen. Dieser weitere Abzug ist nicht etwa daran gebunden, dass die hilfebedürftige Partei die Kosten des Arbeitsplatzverlustes im Einzelnen spezifiziert, etwa Kosten der Arbeitsplatzsuche, Schulungen, Umzug wegen Wechsel des Arbeitsplatzes oä im Einzelnen darlegt. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dieser weitere Schonbetrag als Regelfall zugrunde zu legen. Soweit keine Anhaltspunkte für eine besondere Ausnahmesituation vorliegen, ist daher der zweifache Schonbetrag in Abzug zu bringen.
7Vor diesem Hintergrund sind jedenfalls 5.200,00 der erhaltenen Abfindung anrechnungsfrei.
82. Des Weiteren kann bei der Anwendung des § 115 Abs. 2 ZPO nicht unterstellt werden, dass die im Vergleich zugesagte Abfindung netto, d. h. steuerfrei, gezahlt worden ist. Zwar hat der Kläger entsprechende gerichtliche Nachfragen in Bezug auf die Höhe des tatsächlich zur Auszahlung gelangten Betrages nicht beantwortet. Dies rechtfertigt aber nicht, zu unterstellen, die Abfindung sei netto gezahlt worden.
9Dagegen spricht schon, dass die Abfindung im Vergleich ausdrücklich als Bruttozahlung bezeichnet worden ist.
10Maßgeblich ist des Weiteren, dass die Steuerfreiheit der Abfindungen entfallen ist. Nach dem Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes sind Abfindungen grundsätzlich wie jedes andere Entgelt steuerpflichtig (s. Küttner, Personalbuch 2010, Stichwort Abfindung, Rz. 41 ff.).
11Selbst wenn eine Abfindung ohne Abzug darauf entfallender Steuer zur Auszahlung gelangt sein sollte, bleibt die Steuerschuld des Arbeitnehmers insoweit bestehen und mindert den Gesamtsaldo seines Vermögens.
12Angesichts dessen kann auch dann, wenn der Arbeitnehmer entsprechende Anfragen nicht beantwortet, nicht unterstellt werden, die Abfindung sei steuerfrei zur Auszahlung gelangt.
13Denn dies würde bedeuten, dem auszahlenden Arbeitgeber ein rechtswidriges, ggf. steuerhinterziehendes Verhalten zu unterstellen, ohne dass es hierfür Anhaltspunkte gäbe. Auszugehen ist vielmehr vom Regelfall, dass Steuern und Abgaben gesetzeskonform abgeführt werden.
14Erst recht gilt dies, wenn die Parteien die Abfindung im Vergleich ausdrücklich als Bruttozahlung bezeichnet haben.
15Allerdings vermag es in einem Fall der Nichtbeantwortung der gerichtlichen Nachfrage gerechtfertigt zu sein, zu unterstellen, dass mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auf die Abfindungssumme nur der Mindeststeuersatz, also der Eingangssteuersatz nach § 32 a EStG angefallen ist. Damit kann zu Lasten einer Partei, die entsprechende Anfragen nicht beantwortet, unterstellt werden, dass der Abfindungsbetrag jedenfalls nur abzüglich des darauf entfallenden Eingangssteuersatzes von z. Zt. 14 % ( siehe Schmidt, Kommentar zum Einkommenssteuergesetz, 28. Auflage § 32 a EStG Rn. 8 ff. ) zur Auszahlung gelangt ist.
16Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass zu Lasten des Klägers davon auszugehen ist, dass als Steuer nur ein Betrag von 14 % von 6.000,00 = 840,00 angefallen ist, und dem Kläger folglich 6.000,00 - 840,00 also 5.160,00 aus dem Abfindungsbetrag verblieben sind.
17Unter Berücksichtigung des doppelten Schonvermögens und des angeführten Mindeststeuerbetrages verbleibt aber kein positiver Vermögenssaldo, so dass bereits aus diesem Grund nicht von einer wesentlichen, für den Kläger günstigen Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i. S. d. § 120 Abs. 4 ZPO gesprochen werden kann.
184. Da die Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung von Zahlungen gemäß § 120 Abs. 4 ZPO nicht vorlagen, konnte der Abänderungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 21.04.2010 keinen Bestand haben und musste aufgehoben werden, so dass es bei dem ursprünglichen Prozesskostenhilfebeschluss vom 16.11.2009 verbleibt.
19R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
20Gegen diesen Beschluss ist kein weiteres Rechtsmittel zugelassen.
21Dr. Griese