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Soweit eine gesetzliche Krankenkasse an einen Arbeitnehmer erhöhtes Krankengeld zahlt gemäß § 46 Abs. 2 Satz 6 SGB V, weil der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf eine Einmalzahlung, z. B. Weihnachtsgeld hat, geht der Einmalzahlungsanspruch vom Arbeitnehmer auf die Krankenkasse nach § 115 SGB X über.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.11.2009 14 Ca 2720/09 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um den Anspruch auf Sonderzuwendung des Klägers für das Jahr 2008.
3Der Kläger war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 24 d. A.) seit dem 01.08.1990 als Kfz-Schlosser in dem Kfz-Betrieb der Beklagten beschäftigt (Bl. 24 d. A.). In dem schriftlichen Arbeitsvertrag wurde in Nr. 1 auf die Bestimmungen des regional geltenden Manteltarifvertrags und des Lohntarifvertrags für das Kfz-Gewerbe in der jeweils letzten Fassung Bezug genommen.
4Seit dem 16.01.2008 war der Kläger arbeitsunfähig krank.
5Der Kläger bezog Krankengeld aufgrund einer Entgeltbescheinigung, die die Beklagte der Innungskrankenkasse ausgestellt hatte (Bl. 27 d. A.) und in der ein Anspruch auf jährliche Einmalzahlungen in Höhe von 3.064,05 aufgeführt war. Mit der am 23.03.2009 bei Gericht eingegangen Klage begehrte der Kläger diese Einmalzahlung, aufgeteilt in ein Urlaubsgeld in Höhe von 1.802,38 und ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.261,67 entsprechend der im Vorjahr gezahlten Beträge auch für das Jahr 2008.
6Durch Urteil vom 10.11.2009 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, ein Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld bestehe bereits deshalb nicht, weil der Kläger diese Ansprüche entgegen der in Bezug genommenen tarifvertraglichen Verfallfrist von drei Monaten nicht rechtzeitig geltend gemacht habe (Bl. 56 ff. d. A.).
7Mit der Berufung hat der Kläger die Abweisung des Urlaubsgeldanspruchs nicht mehr angegriffen, aber die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insoweit verlangt, als er Weihnachtsgeld für 2008 in Höhe von 1.261,67 begehrt. Unter Bezugnahme auf das anwaltliche Schreiben vom 13.11.2008 (Bl. 94 d. A.) vertritt der Kläger die Auffassung, der Anspruch auf das Weihnachtsgeld sei fristgerecht geltend gemacht worden. Dem Anspruch könne auch nicht entgegengehalten werden, dass Krankengeld bezogen worden sei. Die Leistungen des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gingen lediglich als rechnerische Größe in die Berechnung des Krankengeldes ein; keinesfalls sei damit eine Ersetzung der Zahlung des Weihnachtsgeldes verbunden. Ein Anspruchsübergang könne nicht angenommen werden. Ein solcher liege nur vor, wenn es sich um aufgespartes Arbeitsentgelt aus mehreren Monaten handele. Zudem ergebe sich aus § 115 SGB X keine Klärung, wie die Einmalleistung zu verteilen sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass ein Bruttolohnanspruch verfolgt werde, während der Kläger die Sozialversicherungsleistung als Nettobetrag erhalten habe.
8Der Kläger beantragt,
9unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 10.11.2009 14 Ca 2720/09 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Weihnachtsgeld in Höhe von mindestens 1.261,67 brutto zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
12Sie trägt vor, verspätet sei der erstmals in zweiter Instanz vorgebrachte Vortrag des Klägers zur vorgeblich fristgerechten Geltendmachung seines Anspruchs. Im Übrigen stelle das Schreiben vom 13.11.2008 keine ordnungsgemäße Geltendmachung dar. Ein Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes bestehe zudem deshalb nicht, weil der Krankengeldanspruch bereits unter Berücksichtigung des Weihnachtsgelds errechnet worden sei. Wäre die Auffassung des Klägers richtig, würde dies letztlich zu einer Verdopplung seiner Ansprüche führen, wenn neben der partiellen Berücksichtigung des Weihnachtsgeldes bei der Berechnung des Krankengeldes nochmals ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld gegen den Arbeitgeber erhoben werden könnte. Nach der Neuregelung in § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V sei eine solche Doppelzahlung ausgeschlossen.
13Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die zulässige Berufung ist aus mehreren unabhängig voneinander bestehenden Gründen erfolglos.
16I. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er dem Grunde nach trotz seiner fast das ganze Jahr 2008 andauernden Erkrankung einen Weihnachtsgeldanspruch in Höhe des Vorjahresanspruchs hatte, ist der Kläger nicht mehr Anspruchsinhaber eines vollen Weihnachtsgeldanspruchs wegen § 115 SGB X. Nach § 115 Abs. 1 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber einen entsprechenden Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt hat. Dabei zählt zum Arbeitsentgelt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch der Anspruch auf einmalige Zahlungen.
171. Dieser gesetzliche Anspruchsübergang kam bereits vor der gesetzlichen Neuregelung in § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V zum Tragen. Deshalb hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits vor der gesetzlichen Neureglung vertraglich zugesichertes Urlaubsgeld und Weihnachtsgratifikationen als Arbeitsentgelt angesehen und einen Anspruchsübergang gemäß § 115 Abs. 1 SGB X angenommen (s. BAG, Urteil vom 26.05.1992 9 AZR 41/91 NZA 1993, 848). Diesen Anspruchsübergang hatte das Bundesarbeitsgericht festgestellt, obwohl zum damaligen Zeitpunkt das Urlaubsgeld und die Weihnachtsgratifikation den sozialrechtlichen Anspruch (in jenem Fall: Arbeitslosengeld) nicht vermehren konnten (s. BAG, Urteil vom 26.05.1992 9 AZR 49/91 NZA 1993, 848 ff. unter I 1 b der Gründe). Auch eine Kausalität zwischen Nichterfüllung des Anspruchs durch den Arbeitgeber und der Zahlung durch den Sozialversicherungsträger wurde angenommen. Hinsichtlich des Umfangs des Anspruchsübergangs und damit der Höhe des Anspruchs hat das Bundesarbeitsgericht in jenem Fall eine Zurückverweisung beschlossen, um aufklären zu lassen, wie die Einmalleistungen auf die einzelnen Entgeltabschnitte zu verteilen sind (s. BAG, Urteil vom 26.05.1992 9 AZR 41/99 NZA 1993, 848 ff. unter II 2 a - d der Gründe). Dabei kommt so das Bundesarbeitsgericht eine Berücksichtigung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgratifikation bei dem gesamten im Bemessungszeitraum geleisteten Sozialversicherungsbezug nur in Betracht, wenn sich die Sonderleistungen als Entgelt für geleistete Arbeit pro abtrennbare Zeiteinheit in diesem Zeitraum erweisen und nur auf ein oder zwei Auszahlungszeitpunkte fällig gestellt werden. Andernfalls sind die Ansprüche jeweils den Auszahlungsmonaten zuzuordnen.
18Im vorliegenden Fall wäre nach jeder der vom Bundesarbeitsgericht gebildeten Zuordnungsvariante eine Anspruchsübergang vorzunehmen. Soweit die Sonderleistung als Entgelt für geleistete Arbeit pro abtrennbare Zeiteinheit handelt, käme es zu einem anteiligen Anspruchsübergang für jeden Bezugsmonat. Andernfalls wäre der Weihnachtsgeldanspruch dem Auszahlungsmonat, also Dezember 2008 zuzuordnen und ein Anspruchsübergang hinsichtlich des im Dezember 2008 erhaltenen Krankengeldes anzunehmen.
192. Durch die gesetzliche Neuregelung in § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V ist die Frage, welchen Zeiträumen eine Sozialversicherungsleistung zuzurechnen ist, geklärt. Diese Neuregelung wurde angestoßen durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.05.2000 (1 BvL 1/98). In jenem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung von kurzfristigen beitragsfinanzierten Lohnersatzleistungen wie bspw. Arbeitslosengeld und Krankengeld leistungserhöhend berücksichtigt wird, wenn es auf der anderen Seite zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird. Die Beitragslast auf der einen Seite gebietet die entsprechende Sozialleistungserhöhung auf der anderen Seite.
20Diese verfassungsrechtliche Vorgabe setzt § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V (eingefügt durch das Einmalzahlungsneuregelungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl. I 2000, 1971) um. Danach erhöht sich das Krankengeld, das sich aus dem durchschnittlichen Monatsverdienst ergibt, durch Ansprüche auf Einmalzahlungen in der Weise, dass für jeden Kalendertag der dreihundertsechzigste Teil der Einmalzahlung dem kalendertäglichen Krankengeld zugeschlagen wird. Ausgehend von dem Gesamtanspruch auf Einmalzahlungen in Höhe von 3.064,05 hat der Kläger daher aufgrund dieser gesetzlichen Neureglung ein Krankengeld erhalten, das um 8,51 täglich (3.064,05 : 360 Kalendertage = 8,51 pro Kalendertag) höher war, als es gewesen wäre, wenn der Kläger keine Einmalzahlungen zu beanspruchen gehabt hätte.
21Unrichtig ist daher die Annahme der Klägerseite, es handele sich bei der gesetzlichen Neuregelung nur um eine abstrakte Berechnungsvorschrift. Richtig ist demgegenüber, dass die Einbeziehung der Einmalleistungen in die Berechnung des Krankengeldanspruchs zu einer realen Erhöhung des Krankengeldanspruchs geführt hat.
22Die notwendige Kausalität zwischen Entgelt und Sozialleistung ist gegeben. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, dass beide für denselben Zeitraum bestimmt und insoweit zeitlich kongruent sind (s. Pohl in Beck`scher Onlinekommentar hrsg. von Rolfs/Giesen/Kreikeboom/Udsching § 115 SGB X Rz. 18). Dies ist hier gegeben, da der Anspruch auf das Weihnachtsgeld in denselben Zeitraum fällt, in dem auch die Krankengeldzahlung erfolgt ist. Der Zusammenhang wird auch daran deutlich, dass der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V teilweise geruht hätte, wenn der Arbeitgeber den Anspruch auf ein Weihnachtsgeld selbst erfüllt hätte (s. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 115 SGB X Rz. 31 c).
23Im Umfang des erhöhten Krankengeldes ist ein etwaiger Anspruch auf Weihnachtsgeld daher auf die Krankenkasse gemäß § 115 SGB X übergegangen. Der Kläger ist insoweit nicht mehr Anspruchsinhaber.
24Zur Schlüssigkeit einer Klage auf Weihnachtsgeldzahlung hätte es daher gehört, das erhaltene Krankengeld anzugeben und darzulegen, inwieweit nach dem Anspruchsübergang noch ein etwaiger Teilanspruch beim Arbeitnehmer verblieben sein kann. Dabei ist gegebenenfalls vom Bruttoanspruch die erhaltene Sozialversicherungsleistung als Nettozahlung im Klageantrag auszuweisen und in Abzug zu bringen (beanspruchter Bruttobetrag abzüglich des erhaltenen Nettobetrages, siehe BAG, Urteil vom 24.09.2003 5 AZR 582/02 NZA 2003, 1332 ff.).
25Aufgrund des Anspruchsübergangs gemäß § 115 Abs. 1 SGB X kann jedenfalls eine Aktivlegitimation für den vom Kläger geltend gemachten Weihnachtsgeldanspruch in Höhe von 1.261,67 nicht mehr festgestellt werden. Schon aus diesem Grund konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
26II. Es mangelt darüber hinaus an einer ordnungsmäßen Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger. Nach dem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Manteltarifvertrag für das Kfz-Gewerbe in NRW bestand gemäß § 9 Nr. 2 MTV eine dreimonatige Verfallfrist. Nach dieser Bestimmung erlöschen Ansprüche, wenn sie nicht spätestens drei Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist ist im vorliegenden Fall nicht gewahrt. Insbesondere ist das von der Klägerseite erstmals im Berufungsverfahren vorgelegte Schreiben vom 13.11.2008 (Bl. 94 d. A.) nicht geeignet, eine ordnungsgemäße Geltendmachung zu bewirken. Denn angesichts des Anspruchsübergangs und der insoweit entfallenden Aktivlegitimation des Klägers reichte es in einem solchen speziellen Fall nicht, pauschal zu verlangen, dass dem Kläger das ihm zustehende Weihnachtsgeld ordnungsgemäß überwiesen werde. Zur Geltendmachung gehört neben der Beschreibung des Anspruchs auch die Mitteilung der ungefähren Höhe (s. BAG, Urteil vom 14.12.2006 8 AZR 628/05 NZA 2007, 262).
27Angesichts der Sondersituation der zumindest teilweise in Wegfall geratenen Aktivlegitimation des Klägers durch den Krankengeldbezug war zur Geltendmachung eine Spezifizierung notwendig. Der Kläger hat aber weder in seinem Geltendmachungsschreiben die ungefähre Höhe seiner noch beanspruchten Forderung geltend gemacht, noch den Krankengeldbescheid eingereicht oder die Höhe des bezogenen Krankengeldes gegenüber dem Arbeitgeber angegeben und dies auch im Laufe des Rechtsstreits nicht nachgeholt. Angesichts dessen kann von einer ordnungsgemäßen Geltendmachung nicht ausgegangen werden. Auch aus diesem Grund ist die Berufung des Klägers daher unbegründet.
28III. Insgesamt hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.
29Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte und auch kein Fall von Divergenz vorlag.
30R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
31Gegen dieses Urteil ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich einer Nichtzulassungsbeschwerde wird auf die in § 72 a ArbGG genannten Voraussetzungen verwiesen.
32Dr. Griese Dr. Noppeney Petermann