Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Arbeitnehmer, die nach Bewährungsaufstieg höhergruppiert sind, bleiben für eine nach
§ 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmende Sozialauswahl mit den Arbeitnehmern der niedrigeren Vergütungsgruppe vergleichbar.
2.- Nach § 43 Abs. 1 KAVO kann einem unkündbaren Arbeitnehmer aus verhaltensbedingten Gründen nur fristlos, nicht aber außerordentlich mit sozialer Auslauffrist gekündigt werden.
3. In Fällen vorwerfbaren Fehlverhaltens ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Abmahnung nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.01.2009 1 Ca 5429/08 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten nach Rücknahme des erstinstanzlichen Antrags der Klägerin auf Weiterbeschäftigung um die Wirksamkeit einer seitens der beklagten Kirchengemeinde ausgesprochenen außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung vom 27.06.2008 sowie desweiteren um eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 18.07.2008.
3Die Beklagte war bis zum 01.08.2008 Trägerin der Kindertageseinrichtungen St. und St. .
4Im März 2008 informierte die beklagte Kirchengemeinde die Klägerin davon, dass die Kindertageseinrichtung zum 01.08.2008 auf die Stadt K übertragen werde. Dabei wurde mitgeteilt, dass hiervon der Arbeitsplatz der Klägerin betroffen sei.
5Mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 01.04.2008 widersprach die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Stadt K .
6Die Klägerin ist am 25.03.1958 geboren und wurde von der Beklagten durch Arbeitsvertrag vom 24.07./17.08.1978 zum 01.09.1978 auf unbestimmte Zeit als Erzieherin eingestellt. Im Arbeitsvertrag ist in § 2 u. a. Folgendes vereinbart:
7"Die KAVO ist in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil dieses Vertrages."
8Unter Beibehaltung der arbeitsvertraglichen Bedingungen im Übrigen wurde die Klägerin durch Nachtragsvertrag vom 16.01.1990 als Leiterin der Einrichtung St. M weiterbeschäftigt.
9Mit Schreiben vom 20.12.1991 erfolgte mit Wirkung zum 01.01.1992 eine Eingruppierung der Klägerin in die Vergütungsgruppe K IV b als Leiterin der dreigruppigen Tageseinrichtung St. M .
10Bei der Tageseinrichtung St. M handelt es sich um eine viergruppige Einrichtung.
11Für die Eingruppierung einer derartigen Funktion war nach den seinerzeitigen Vorschriften der Anlage 1 zur KAVO nach vier Jahren der Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe K IV a eröffnet.
12Mit außerordentlicher betriebsbedingter Änderungskündigung der Beklagten vom 27.06.2008 kündigte diese das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.12.2008 und bot der Klägerin zum 01.01.2009 die Weiterbeschäftigung als Gruppenleiterin an, mit welcher dem Kündigungsschreiben zufolge eine Reduzierung der Monatsvergütung um 755,64 verbunden ist.
13Zur Kündigungsbegründung macht das Änderungskündigungsschreiben geltend, dass eine Vergleichbarkeit der Klägerin zur Leiterin der beibehaltenen viergruppigen Einrichtung nicht gegeben sei, da ausgehend von der Vergütungsgruppe K IV b ohne die Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs bei der Leitung einer dreigruppigen Einrichtung nunmehr die Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 zu erfolgen habe, während es bei der Leiterin einer viergruppigen Einrichtung nach Maßgabe der früheren Vergütungsgruppe K IV b mit ausstehendem Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe K IV a nunmehr zu einer neuen Eingruppierung in Entgeltgruppe 10 komme. Daher fehle es kündigungsschutzrechtlich an der Vergleichbarkeit der Stelleinhaberinnen, so dass zugunsten der Klägerin eine "Verdrängungskündigung" gegenüber der Leiterin der anderen Einrichtung nicht in Frage komme.
14Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 03.07.2008, in welcher die Klägerin geltend macht, dass sich die Unwirksamkeit der Kündigung zum Einen daraus ergebe, dass sie, die Klägerin, nach Maßgabe von § 41 Abs. 3 KAVO unkündbar sei und sich die Kündigung darüber hinaus wegen Vergleichbarkeit mit der Leiterin der Einrichtung St. M als sozial nicht gerechtfertigt erweise. Zudem ergebe sich besonderer Kündigungsschutz für die Klägerin aus § 85 SGB IX, sofern der hierfür erforderliche Grad der Behinderung von 50 % in einem angestrengten Sozialgerichtsprozess rückwirkend festgestellt werde.
15Hierzu hat die Klägerin in der Kammersitzung vor dem Landesarbeitsgericht am 26.08.2009 erklärt, den Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung Ende 2007 gestellt zu haben.
16Die Klage vom 03.07.2008 führt desweiteren u. a. aus:
17"Hinter dieser Kündigung verbirgt sich eine nicht nachvollziehbare Kungelei im Bereich der beklagten Kirchengemeinde zugunsten der Leiterin der weiteren Kindestagesstätte der Beklagten Frau M ."
18Dies werde die Klägerin jedoch nicht akzeptieren. Zum Hintergrund der Kungelei sei auf Folgendes hinzuweisen:
19" Nachdem die Beklagte im Jahre 2007 beabsichtigte perspektivisch sowohl im Jahr 2008 die Kindertagesstätte St. M auf irgendeinen anderen Träger zu übertragen (...) wurde der Klägerin (...) zugesagt, sie zum Beginn des Kindergartenjahres 2007/2008 in die Kindertagesstätte St. M als Leitung zu versetzen. (...)
20Auch stellte die Beklagte selbst nach den ihr vorliegenden Personalunterlagen Anfang 2007 eine Liste auf, welche mit "Punkte nach dem Sozialplan (entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG)" überschrieben war. Nach dieser Liste hatte die Klägerin die meisten Punkte, nämlich 190. Demgegenüber hatte die erst seit fünf Jahren als Leiterin der Kindertagesstätte St. M eingesetzte Frau M 25 Punkte.
21Sämtliche langjährig beschäftigten Mitarbeiterinnen, also Erzieherinnen, der Kita St. M wurden dann auch von der Beklagten in die Kita St. M versetzt, während verschiedene noch nicht sehr lange dort beschäftigte Mitarbeiterinnen der Kita St. M in die von der Klägerin geleitete Kita St. M versetzt wurden. Es fand also quasi ein Austausch nahezu sämtlicher Mitarbeiterinnen der beiden Kitas zu Beginn des Kindergartenjahres 2007/2008 statt. Der Austausch der Kräfte wirkte also zum 01.08.2007. Nachdem der Klägerin noch im Frühjahr 2007 mitgeteilt worden war, dass sie am 01.10.2007 in die Kita St. M versetzt werde, erfuhr sie dann völlig überraschend und für sie zugleich schockierend am 16.05.2007 im Laufe eines Gesprächs mit dem Kirchenvorstandsmitglied Frau R , dass sie nun doch nicht versetzt werde. Vielmehr bleibe es dabei, dass Frau B Leiterin der Kita St. M und sie, die Klägerin, Leiterin der Kita St. M sei. Wie die Klägerin nach und nach herausbekam, hatten hier offenbar persönliche Bekanntschaften und Freundschaften zwischen Frau B einerseits und verschiedenen Kirchenvorstandsmitgliedern und anderen Beteiligten andererseits den Ausschlag gegeben. So lud Frau B nahezu sämtliche Entscheidungsträger in der Angelegenheit zu einer persönlichen Feier zu sich nach Hause ein und duzt sich zwischenzeitlich auch mit einigen der beteiligten Personen. Dies alles, obwohl sie noch nicht sehr lange als Leiterin der Kita St. M beschäftigt ist."
22Die Kündigungsschutzklage wurde der beklagten Kirchengemeinde am 10.07.2008 zugestellt.
23Unter dem 17.08.2008 datiert nunmehr die weitere außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2008. Die Kündigung wird auf die in der Klageschrift enthaltenen Ausführungen der Klägerin gestützt, es handele sich bei der betriebsbedingten Änderungskündigung um eine nicht nachvollziehbare "Kungelei und Mauschelei" im Bereich der beklagten Kirchengemeinde.
24Das Kündigungsschreiben wurde zum Einen den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit einem Anschreiben vom 18.07.2008 zugeleitet, welches lautet:
25"Sehr geehrte Herren,
26als Anlage erhalten Sie ein Exemplar der außerordentlichen Kündigung vom 18.07.2008."
27Die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin teilten der beklagten Kirchengemeinde mit Schreiben vom 25.07.2008 mit, von der Klägerin nicht dazu bevollmächtigt worden zu sein, eine außerordentliche Kündigungserklärung in Empfang zu nehmen. Die zugeleitete Kündigungserklärung vom 18.07.2008 werde daher zurückgewiesen.
28Dem Schreiben vom 01.04.2008, in welchem die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Stadt K widersprochen haben, war eine von der Klägerin unterzeichnete Vollmacht beigefügt, die sich gemäß Ziffer 2 auf die Befugnis erstreckt:
29"Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen und Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z. B. Kündigungen)".
30Die Klägerin hat das ihr unter dem 18.07.2008 per Einschreiben/Rückschein zugeleitete Kündigungsschreiben, welches da die Klägerin nicht angetroffen wurde niedergelegt worden war, am 28.07.2008 abgeholt.
31Die Klägerin hat soweit im Berufungsverfahren aufrecht erhalten beantragt
32festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2008 und auch nicht durch die beiden weiteren Kündigungen der Beklagten vom 18.07.2008 aufgelöst worden ist.
33Die Beklagte hat beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Die Beklagte sieht nach Widerspruch der Klägerin gegen Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses auf die Stadt K die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen als sozial gerechtfertigt an, da der Arbeitsplatz der Klägerin entfallen sei und die Klägerin das Änderungsangebot der Änderungskündigung vom 27.06.2008 nicht, auch nicht unter Vorbehalt, angenommen habe.
36Die Klägerin könne sich insbesondere nicht darauf berufen, dass an ihrer Stelle die Leiterin der Kindertageseinrichtung St. M habe entlassen werden müssen. Die Leiterinnenstellen seien nicht miteinander vergleichbar. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass es sich zum Einen um eine dreigruppige Einrichtung, zum Anderen um eine viergruppige Einrichtung handele, so dass hieraus unterschiedliche Eingruppierungsansprüche der als Leiterin tätigen Mitarbeiter ableitete.
37Damit sei die Klägerin mit der Leiterin der Kindertageseinrichtung St. M nicht vergleichbar.
38Eine Sozialauswahl habe demzufolge nicht stattzufinden.
39Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei allerdings auch nach Maßgabe der außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 18.07.2008 rechtswirksam beendet worden. Die weiteren außerordentlichen Kündigungen seien aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt, da es der Beklagten nicht zumutbar sei, mit einer Arbeitnehmerin weiter zusammen zu arbeiten, die gegenüber ihrem Kirchenvorstand bzw. dessen Mitgliedern den Vorwurf der Korruption und Vetternwirtschaft erhoben habe, wie dies die Klägerin in der Klageschrift getan habe.
40Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlender vorheriger Zustimmung des Integrationsamts nach § 85 SGB IX unwirksam. Der Beklagten sei weder eine Schwerbehinderung der Klägerin noch eine entsprechende Antragsstellung bekannt gewesen.
41Das Arbeitsgericht hat der Klage mit den in zweiter Instanz weiterverfolgten Anträgen entsprochen. Es hat die Kündigung vom 27.06.2008 als sozial nicht gerechtfertigt angesehen. Eine Sozialauswahl zwischen den Leiterinnen der Kindertageseinrichtungen St. M und St. M ergebe offenkundig, dass die Klägerin sozial schützenswerter sei als die nicht gekündigte Leiterin der Kindertageseinrichtung St. M . Beide Arbeitnehmerinnen übten arbeitsplatzbezogen identische Tätigkeiten aus nämlich die einer Leiterin einer Kindertageseinrichtung. Der einzige Unterschied ergebe sich daraus, dass sich zum Einen um eine viergruppige, zum Anderen um eine dreigruppige Einrichtung gehandelt habe.
42Die Einbeziehung der Leiterin der viergruppigen Tageseinrichtung in den Kreis der zur Sozialauswahl vergleichbaren Arbeitnehmer laufe entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf eine unzulässige Beförderungsversetzung hinaus. Dass aus der Größe der Einrichtungen wegen der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs in der größeren Einrichtung nunmehr für die Klägerin eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 für die der Leiterin der Kindertageseinrichtung St. M in Entgeltgruppe 10 folge, sei letztlich ausschließlich eine Folge des Bewährungsaufstiegs, der für eine viergruppige Einrichtung aus Vergütungsgruppe K IV b in Vergütungsgruppe K IV a eröffnet gewesen sei, ändere aber nichts daran, dass sich die Leiterinnentätigkeit inhaltlich nicht ändere, sondern lediglich ein Parameter sei, an dem die Vergütung anknüpfe.
43Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die weiteren Kündigungen vom 18.07.2008 beendet. Es fehle bereits am Erfordernis eines wichtigen Grundes im Sinne § 626 Abs. 1 BGB. Bei den in der Klageschrift enthaltenen Wendungen "Kungelei" und "Mauschelei" handele es sich nicht um feststehende Rechtsbegriffe, denen ein eindeutiger und unmissverständlicher Bedeutungsgehalt beigemessen werden könne.
44Sie könnten deshalb jedenfalls nicht zwingend dahingehend verstanden werden, dass mit ihnen per se der Vorwurf von Korruption bzw. von Käuflichkeit erhoben werde.
45Nichts anderes gelte für das weitere Vorbringen der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift dahingehend, dass ausschlaggebend für die unterbliebene Versetzung der Klägerin in die Kindertagesstätte St. M offenbar persönliche Bekanntschaften und Freundschaften der Leiterin Frau B gewesen seien. Auch mit diesem Vorbringen habe die Klägerin die Repräsentanten der Beklagten nicht der Korruption bzw. der Käuflichkeit bezichtigt.
46Die Klägerin mutmaßt vielmehr lediglich, dass die unterbliebene Versetzung allein auf persönliche Beziehungen zurückzuführen sei. Dies sei nicht zwingend mit dem Vorwurf "Korruption" oder "Käuflichkeit" gleichzusetzen.
47Ergänzend wird auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 279 bis 291 d. A.) Bezug genommen.
48Gegen dieses der Beklagten am 19.02.2009 zugestellte Urteil erster Instanz wendet sich die Berufung der Beklagten vom 19.03.2009, die am 19.03.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Beklagte hat sodann die Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.05.2009 mit der am 20.05.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründungsschrift begründet.
49Die Berufung macht geltend, dass das Arbeitsgericht in Bezug auf die betriebsbedingte Änderungskündigung der Beklagten vom 27.06.2008 zu einer fehlerhaften Rechtsanwendung gelangt sei.
50Die Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts sei deshalb zu rügen, weil die von der Klägerin in Betracht gezogene Vergleichbarkeit mit der Leiterin der Kindertageseinrichtung St. M letztlich darauf hinauslaufe, dass die Klägerin sich in ihrer Vergleichbarkeit auf eine Beförderungsstelle beziehe. Im Rahmen der Sozialauswahl könne allerdings keine Beförderung verlangt werden.
51Bei richtiger Betrachtung der tatsächlichen Umstände leite aus den Unterschieden einer viergruppigen Kindertageseinrichtung einerseits zu einer dreigruppigen Kindertageseinrichtung andererseits ab, dass eine Vergleichbarkeit der dort eingesetzten Leiterinnen nicht in Betracht komme. Dies ergebe sich aus den zwingenden Unterschieden der unterschiedlichen Eingruppierungen beider Personen. Es liege daher bei korrekter Anwendung der einschlägigen Rechtsprechung keine Vergleichbarkeit zwischen diesen Arbeitnehmern vor. Dies müsse zur Folge haben, dass auch die Unkündbarkeit der Klägerin nicht zu einer "Verdrängung" der Leiterin der Kindertageseinrichtung St. M führen könne. Damit falle die gesamte Argumentation des Arbeitsgerichts in sich zusammen. Wenn man richtigerweise die Vergleichbarkeit ablehnen müsse, ebenso wie einen Anspruch auf Beförderung in die Leitung in der viergruppigen Einrichtung, sei auch gegenüber einer unkündbare Mitarbeiterin wie die Klägerin eine Kündigung zum Zwecke der Herabgruppierung gestattet.
52Dem habe die Beklagte mit der ausgesprochenen Änderungskündigung vom 27.60.2008 Rechnung getragen.
53Jedenfalls sei von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die weitere Kündigung vom 18.07.2008 auszugehen. Der Beklagtenseite sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden.
54Aus den der Klägerin bekannten Umständen des Einzelfalles sei die Bewertung der beklagten Kirchengemeinde auf ein fundiertes Rechtsgutachten der kirchlichen Aufsichtsbehörde im erzbischöflichen Generalvikariat K zurückzuführen. Die Klägerin habe sogar für die getroffene Entscheidung und die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Schreiben des Generalvikars erhalten. Wenn unter diesen Umständen von "Kungelei" und "Mauschelei" gesprochen werde, sei dies beleidigend, wenn man bedenke, dass die Beklagte sich nur aus Rechtsgründen zu der tatsächlich getroffenen Entscheidung gezwungen gesehen habe.
55Die Klägerin behaupte im Ergebnis, dass die getroffene Entscheidung auf persönliche Freundschaften und Bekanntschaften der Leiterin der Kindertageseinrichtung St. M zurückgehe. Dies sei nicht hinnehmbar.
56Die Beklagte beantragt,
57das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.01.2009 1 Ca 5429/08 abzuändern und die Klage abzuweisen.
58Die Klägerin beantragt,
59die Berufung zurückzuweisen.
60Die Klägerin verteidigt unter Vertiefung ihres Sachvortrags das Urteil erster Instanz.
61Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.04.2009 der Leiterin der Kindertageseinrichtung St. M , Frau M , den Streit verkündet. Die Streitverkündete ist dem Rechtsstreit auf Seiten der beklagten Kirchengemeinde beigetreten.
62Die Streitverkündete sieht die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen als sozial gerechtfertigt an, weil sie in ihrer Aufgabenstellung mit der Klägerin als Arbeitnehmerin nicht vergleichbar sei im Sinne einer zu treffenden Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG.
63Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Akten sowie die gewechselten Schriftsätze beider Instanzen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
64E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
65I. Die Berufung ist zulässig.
66Die Beklagte hat gegen das ihr am 19.02.2009 zugestellte Urteil erster Instanz fristwahrend am 19.03.2009 Berufung eingelegt.
67Die Beklagte hat sodann nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.05.2009 ihre Berufung mit der am 20.05.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Berufungsbegründungsschrift fristwahrend begründet.
68Die Berufungsbegründung setzt sich im Einzelnen mit dem Urteil erster Instanz auseinander und erweist sich damit als ein ordnungsgemäß eingelegtes und begründetes Rechtsmittel.
69II. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
70Die Kündigungen der Beklagten vom 27.06.2008 und 18.07.2008 haben nicht zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages geführt.
71Die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2008 erweist sich als betriebsbedingte Kündigung nicht als sozial gerechtfertigt. Dieser Kündigung liegt eine fehlerhafte Entscheidung der Beklagten zu einer zu treffenden Sozialauswahl zugrunde.
72Die erklärte Kündigung vom 18.07.2008 ist von § 43 Abs. 1 KAVO nicht gedeckt. Die Kündigung ist zudem als verhaltensbedingte Kündigung unwirksam.
73Ein ausreichender Grund für die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ist nicht gegeben. Jedenfalls führt eine vorzunehmende Interessenabwägung der Umstände des Einzelfalls dazu, dem Interesse der Klägerin an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber den Interessen der Beklagten an der Beendigung desselben Vorrang einzuräumen.
741. Die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2009 als Änderungskündigung unterlag bereits deshalb besonders strengen Anforderungen, weil es sich bei dem Arbeitsvertragsverhältnis der Parteien um ein so genanntes "unkündbares Arbeitsverhältnis" handelt.
75a) Der Arbeitsvertrag der Parteien richtet sich nach Maßgabe der einzelvertraglich getroffenen Festlegungen nach der KAVO in ihrer jeweiligen Fassung.
76In den Regelungen der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) ist in den §§ 41 und 43 Folgendes bestimmt:
77"Nach einer Beschäftigungszeit (..:) von 15 Jahren, frühestens nach Vollendung des 40. Lebensjahres ist eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, § 41 Abs. 3 S. 1 KAVO.
78Dem nach § 41 Abs. 3 KAVO unkündbaren Mitarbeiter kann fristlos gekündigt werden, wenn wichtige Gründe im Sinne des § 626 BGB vorliegen, § 43 Abs. 1 KAVO.
79Andere wichtige betriebliche Gründe, die einer Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters entgegen stehen, berechtigen den Arbeitgeber nicht zur Kündigung. In diesem Fall kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen.
80(...)
81Die Kündigungsfrist beträgt in diesen Fällen sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres.
82Lehnt der Mitarbeiter die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den ihm angebotenen geänderten Vertragsbedingungen ab, so gilt das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist als vertragsgemäß nach § 46 KAVO gelöst, § 43 Abs. 2 KAVO."
83b) Die Klägerin kann den Schutz der vorgenannten Bestimmungen der KAVO für sich in Anspruch nehmen. Die Klägerin ist am 25.03.1958 geboren und damit älter als 40 Jahre. Die Klägerin ist bei der beklagten Kirchengemeinde seit dem 01.09.1978 beschäftigt und erfüllt damit auch die Voraussetzung einer für die Unkündbarkeit erforderlichen Beschäftigungszeit von 15 Jahren.
84c) Die Beklagte vermag sich bezüglich der Kündigung vom 27.06.2008 nicht auf einen betrieblichen Grund zu berufen, der die Beschäftigung der Klägerin zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar unmöglich machte. Die beklagte Kirchengemeinde war im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung Trägerin zweier Kindertageseinrichtungen, der Einrichtung St. M und St. M .
85Beide Einrichtungen verfügten über die Stelle für einen Leiter/eine Leiterin. Die Unterschiede tatsächlicher Art diese Aufgabenstellung betreffend besteht ausschließlich darin, dass es sich bei der einen Einrichtung um eine dreigruppige Einrichtung handelt, während die andere Einrichtung eine viergruppige Einrichtung ist. Daraus resultierte nach Maßgabe der alten Vergütungsordnung eine Eingruppierung der Leiterin der dreigruppigen Einrichtung in die Vergütungsgruppe K IV b ohne die Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs und bezüglich der Leiterin der viergruppigen Einrichtung nach Vergütungsgruppe K IV b mit ausstehendem Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe K IV a.
86Folge dieser Eingruppierung wäre nunmehr die Zuordnung der Leiterinnenfunktion einer dreigruppigen Einrichtung in Entgeltgruppe 9, während für die Leiterin der viergruppigen Einrichtung eine Zuordnung in die neue Entgeltgruppe 10 zu erfolgen hat.
87Diese Zuordnungen zunächst in die Vergütungsgruppe K IV b bzw. K IV a und nunmehr daraus abgeleitet in die Entgeltgruppe 9 bzw. die Entgeltgruppe 10 führt schon nicht dazu, dass zwischen einem Leiter/einer Leiterin einer viergruppigen Einrichtung und einem Leiter/einer Leiterin einer dreigruppigen Einrichtung die Vergleichbarkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG auszuschließen wäre.
88aa) Durch die Zuordnung beider Tätigkeiten zunächst in dieselbe Vergütungsgruppe, die Vergütungsgruppe K IV b mit der einzigen Abweichung dahingehend, dass bei dem Leiter/der Leiterin einer viergruppigen Einrichtung der Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe K IV a ermöglicht ist, während dies für den Leiter/die Leiterin einer nur dreigruppigen Einrichtung nicht in Betracht kommt wird gleichzeitig deutlich, dass die Tätigkeiten für eine zu treffende Sozialauswahl als gleichwertig und vergleichbar anzusehen sind.
89bb) Wer in den Kreis der von einer sozialen Auswahl betroffenen Arbeitnehmer einzubeziehen ist, richtet sich nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und damit nach der ausgeübten Tätigkeit (BAG Urteil vom 05.06.2008 2 AZR 907/06 NZA 2008, 1120; BAG Urteil vom 18.10.2006 2 AZR 676/05 NZA 2007, 798). Zu prüfen ist daher, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist alsbald die Funktion eines anderen Arbeitnehmers würde wahrnehmen können. Dies setzt nicht die Identität der Arbeitsplätze voraus. Es reicht aus, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner bisherigen Aufgaben und angesichts seiner beruflichen Qualifikation die andersartige aber gleichwertige Tätigkeit eines Kollegen/einer Kollegin ausüben kann (BAG Urteil vom 18.10.2006 2 AZR 676/05 a. a. O.).
90cc) Nach Maßgabe dieser Grundsätze vermag nicht jeder Festlegung einer Vergütungsgruppe nach Maßgabe einschlägiger Tarifverträge für die Frage der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern ausschlaggebende Bedeutung beigemessen zu werden. Dementsprechend ist einer arbeitsvertraglich erfolgten Eingruppierung in eine Vergütungsgruppe für die Vergleichsgruppenbildung nach dem Kündigungsschutzgesetz dann keine entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn es sich im Hinblick auf die geschuldete höhere Eingruppierung um eine Eingruppierung handelt, die sich aus den Grundsätzen eines so genannten Bewährungsaufstiegs ableitet. Diese Arbeitnehmer, denen eine höhere Eingruppierung nach Maßgabe eines Bewährungsaufstiegs geschuldet ist, bleiben demzufolge mit den Arbeitnehmern der niedrigeren Vergütungsgruppe vergleichbar (BAG, Urteil vom 23.11.2004 2 AZR 38/04 NZA 2005, 1225). Somit ist vom Grundsatz her festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin als Leiterin der Einrichtung St. M mit der Tätigkeit der Arbeitskollegin B als Leiterin der Einrichtung St. M im Rahmen einer zu treffenden Sozialauswahl vergleichbar ist.
91dd) Hinzukommt, dass Voraussetzung für die Möglichkeit des eröffneten Bewährungsaufstiegs ausschließlich die Größe einer Einrichtung ist.
92(1) Damit greifen worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat für die gebotene Eingruppierung ausschließlich die Grundsätze der Tarifautomatik. Dies bedeutet, dass bereits ohne eine Vertragsänderung oder Änderungskündigung die Größe der Einrichtung die Eingruppierung und damit die Vergütung des Arbeitnehmers bedingt (BAG Urteil vom 05.09.2002 8 AZR 620/01 AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; LAG Düsseldorf Urteil vom 06.03.2007 8 Sa 1245/06 zitiert nach juris).
93(2) Gegenteiliges leitet nicht aus den Grundsätzen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 12.03.2008 ab (BAG Urteil vom 12.03.2008 - 4 AZR 93/07 ZTR 2008, 602 bis 604).
94Soweit dort für den vergleichbaren Fall der Auswirkung des Absinkens von Schülerzahlen auf die Eingruppierung ausgeführt ist, dass eine Herabgruppierung bei Sinken der Schülerzahlen nicht bereits aus Tarifautomatik ableite, beruhte dies für den dort entschiedenen Fall darauf, dass in den tarifvertraglichen Regelungen des BAT-O nach den Lehrerrichtlinien der Tarifgemeinschaft der Länder für die Eingruppierung das Beamtenbesoldungsrecht entsprechend heranzuziehen war, so dass bei jeder Höhergruppierung oder Herabgruppierung sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses entsprechend dem Status des Beamten ändert. Dieser aber ist grundsätzlich nicht tariflich bestimmt, sondern arbeitsvertraglich festgelegt.
95Derartige Voraussetzungen können für den Streitfall nicht in Anspruch genommen werden.
96Für die arbeitsvertragliche in Bezug genommenen Regelungen der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) ist eine Heranziehung beamtenbesoldungsrechtlicher Bestimmungen nicht vereinbart.
97(3) Damit bleibt festzuhalten, dass sich nach Maßgabe arbeitsplatzbezogener Merkmale die Tätigkeit des Leiters/der Leiterin einer dreigruppigen Einrichtung mit der Tätigkeit des Leiters/der Leiterin einer viergruppigen Einrichtung als vergleichbar darstellt, so dass eine Sozialauswahl zwischen der Klägerin als Leiterin der Einrichtung St. M und der Leiterin der Einrichtung St. M stattzufinden hat, zumal für die zu prüfende Austauschbarkeit der Arbeitnehmer die einseitige Austauschbarkeit ausreicht und eine wechselseitige Austauschbarkeit nicht erforderlich ist (BAG Urteil vom 18.10.2006 2 AZR 676/05 NZA 2007, 798).
98d) Die Beklagte hat die von der Klägerin eingeführten Angaben zu ihren Sozialdaten und den Sozialdaten der Streitverkündeten nicht in Abrede gestellt, sondern im Gegenteil durch die von ihr selbst aufgestellte "Punkteliste nach dem Sozialplan (entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG)" bestätigt (Anlage K2, Bl. 11 d. A.).
99Das hiernach die zu treffende Sozialauswahl zweifelsfrei zugunsten der Klägerin und zu Lasten der Streitverkündeten vorzunehmen ist, bedarf schon im Hinblick auf die ausgewiesenen Punktzahlen von 190 zu 25 keiner weiteren Erläuterung.
100Damit kann nach Maßgabe dieser Umstände nicht in Zweifel stehen, dass für die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2008 von der Beklagten keine wichtigen betrieblichen Gründe in Anspruch genommen werden können, die eine Beschäftigung der Klägerin zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar unmöglich machten.
101Die Kündigung vom 27.06.2008 ist daher - nachdem die Klägerin das Änderungsangebot der Änderungskündigung nicht unter Vorbehalt angenommen hat - nicht geeignet, das Vertragsverhältnis der Parteien zu beenden.
1022. Auch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 18.07.2008 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht.
103Es müsste sich um eine Kündigungserklärung im Sinne des § 43 Abs. 1 KAVO handeln. Inhaltlich wäre für diese Kündigung das Arbeitsverhältnis der unkündbaren Klägerin betreffend Voraussetzung, dass vom Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB auszugehen ist, § 43 Abs. 1 KAVO.
104a) Der Wirksamkeit der Kündigung vom 18.07.2008 steht zunächst nicht entgegen, dass bereits die Erklärungsfrist im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt ist.
105Die die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 18.07.2008 auslösenden tatsächlichen Umstände sind die Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift vom 03.07.2008.
106Diese Ausführungen waren der Beklagten frühestens bekannt mit Zustellung der Klageschrift am 10.07.2008.
107Das Kündigungsschreiben vom 18.07.2008 ist zum Einen der Klägerin persönlich zugeleitet worden, zum Anderen allerdings auch deren Prozessbevollmächtigten. Diese haben das Schreiben innerhalb der Zweiwochenfrist, gerechnet ab dem 10.07.2008, erhalten. Nachdem diese bereits mit ihrem Schreiben vom 01.04.2008 eine von der Klägerin unterzeichnete Vollmacht vorgelegt hatten, die die Befugnisse zur Begründung und Aufhebung des Vertragsverhältnisses und die Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z. B. Kündigungen) umfasst, ist davon auszugehen, dass mit Zugang des Kündigungsschreibens an die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Zugang des Kündigungsschreibens bewirkt wurde.
108An dem Erklärungswert einer Kündigung ändert sich nichts dadurch, dass im Anschreiben die Zuleitung des Kündigungsschreibens betreffend davon die Rede ist, die Prozessbevollmächtigten erhielten ein Exemplar der außerordentlichen Kündigung zugeschickt. Dass damit die Zuleitung lediglich zur Kenntnis erfolgen sollte und nicht die Zuleitung der Kündigungserklärung darstellt, ist dem Anschreiben nicht zu entnehmen. Das Kündigungsschreiben vom 18.07.2008 selbst ist in seiner Aussage eindeutig.
109b) Die erklärte Kündigung ist nicht von § 43 Abs. 1 KAVO gedeckt.
110Als verhaltensbedingte Kündigung erlaubte sich die Kündigung vom 18.07.2008 gegenüber der Klägerin als unkündbarer Arbeitnehmerin nur nach § 43 Abs. 1 KAVO.
111Hiernach kann dem unkündbaren Arbeitnehmer aus verhaltensbedingten Gründen (nur) fristlos gekündigt werden.
112Eine solche Kündigung hat die Beklagte nicht erklärt.
113Erklärt ist eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Dies betont das Kündigungsschreiben vom 18.07.2008 ausdrücklich indem dort der Hinweis enthalten ist, dass die kündigende Beklagte vom Ausspruch einer fristlosen Kündigung Abstand genommen habe.
114Damit liegt bereits die aus verhaltensbedingten Gründen allein gestattete fristlose Kündigung nicht vor. Die Kündigung vom 18.07.2008 ist daher bereits aus diesen Gründen von § 43 Abs. 1 KAVO nicht gedeckt und daher unwirksam.
115c) Die Kündigung rechtfertigt sich zudem nicht nach Maßgabe der Grundsätze des § 626 Abs. 1 BGB.
116Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt nicht vor.
117Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund darstellt vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Grund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien zumutbar ist oder nicht (ständige Rechtsprechung, BAG Urteil vom 07.07.2005 2 AZR 581/04 BAGE 115, 195; BAG Urteil vom 23.06.2009 2 AZR 103/08 zitiert nach juris).
118aa) Die Beklagte hat durch die Kündigung vom 18.07.2008 bereits selbst zum Ausdruck gebracht, dass diese Voraussetzungen nicht anzunehmen sind. Die Beklagte hat mit der Kündigung vom 18.07.2008 eine so genannte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2008 erklärt und damit zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Auslauf der Kündigungsfrist zumutbar erschien.
119Schon hiernach bestehen Zweifel am Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Kündigung.
120bb) Ein solcher wichtiger Grund liegt wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat nicht vor.
121(1) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt hierzu das so genannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt die Kündigung wegen einer Vertragsverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (BAG Urteil vom 19.04.2007 2 AZR 180/06 AP BGB § 174 Nr. 20). Die Abmahnung ist zugleich aber auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt, der durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren hat, ist auch bei Störungen des Vertrauensbereichs zu beachten.
122(2) Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (BAG Urteil vom 19.04.2007 2 AZR 160/06 a. a. O.) oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offenkundig ausgeschlossen ist (BAG Urteil vom 15.11.2001 2 AZR 605/00 BAGE 99, 331).
123(3) Nach Maßgabe dieser Grundsätze vermag auf eine Abmahnung des der Klägerin vorgehaltenen Fehlverhaltens jedenfalls nicht verzichtet zu werden.
124Die Klägerin macht mit ihrer Klage zu Recht geltend, dass die ausgesprochene Kündigung vom 27.06.2008 sich nicht als sozial gerechtfertigt erweist, weil sie sich auf eine erforderliche Sozialauswahl im Verhältnis zur Streitverkündeten berufen kann. Nach Maßgabe der Sozialdaten, die die Beklagte selbst bewertet hat, durfte die Klägerin zumindest subjektiv bewerten, dass sie ohne rechtfertigenden Grund entlassen wird, weil eine Sozialauswahl zweifelsfrei wenn sie denn getroffen werden musste nicht zu ihren Lasten ausfallen durfte. Hinzukommt, dass die Klägerin als unkündbare Arbeitnehmerin besonderen Schutz für sich in Anspruch nehmen kann.
125Wenn unter Berücksichtigung derartiger Umstände die Klägerin in ihrer subjektiven Bewertung vortragen lässt, bei der Kündigungsentscheidung die dennoch nach einer 30jährigen Betriebszugehörigkeit zu ihren Lasten ausfalle, handele es sich um Mauschelei und Kungelei, weil die Streitverkündete ein besonders gutes Verhältnis auch zu Mitgliedern des Kirchenvorstandes hat, so ist zwar dies zwar zu rügen und zu beanstanden. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass die Klägerin auf eine Abmahnung der Beklagten nicht jedenfalls in Zukunft derartiges Verhalten nicht mehr an den Tag gelegt hätte.
126Eine Vertragsstörung im Sinne besonders schwerer Pflichtverletzung liegt diesbezüglich jedenfalls nicht in dem Sinne vor, dass die Rechtswidrigkeit der Klägerin ohne Weiteres erkennbar sein musste und sie davon ausgehen durfte, dass mit der Hinnahme dieses Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich nicht gerechnet werden konnte.
127Damit war eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung geboten.
128Bereits aus diesem Grund erweist sich die Kündigung vom 18.07.2008 als rechtsunwirksam.
129cc) Jedenfalls führt die gebotene umfassende Interessenabwägung im Einzelfall dazu, die Unwirksamkeit der Kündigung festzustellen.
130Selbst wenn an sich ein geeigneter Grund zur Rechtfertigung einer Kündigung vorliegt, kann ein hierauf gestützte außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis gleichwohl nur dann beenden, wenn sich bei einer umfassenden Interessenabwägung ergibt, dass das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers im Verhältnis zum Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt (BAG Urteil vom 27.04.2006 2 AZR 445/05 EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Zunächst kommt der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen beanstandungsfreiem Bestand ein besonderes Gewicht zu. Darüber hinaus sind die Unterhaltspflichten und das Lebensalter zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind insbesondere das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragsverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG Urteil vom 10.11.2005 2 AZR 623/04 EzA BGB 2002 § 611 Nr. 11).
131Danach ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung länger als 30 Jahre bestanden hat und dass die Vermittelbarkeit der Klägerin auf dem Arbeitsmarkt Schwierigkeiten begegnen dürfte. In diesem Zusammenhang kann es nicht zum Nachteil der Klägerin gereichen, dass sie sich wie der Rechtsstreit belegt zu Recht sowohl zum Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Stadt K veranlasst gesehen hat, wie auch es abgelehnt hat, die geänderten Arbeitsbedingungen nach Maßgabe der Änderungskündigung der Beklagten vom 27.06.2008 zu akzeptieren.
132Wenn die Klägerin in der Klageschrift die zu Recht seitens der Beklagten gerügten Vorwürfe von "Kungelei" und "Mauschelei" erhoben hat, so kann dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie nach ihren subjektiven Bewertung dies aus Betroffenheit darüber getan hat, dass sie nach einer mehr als 30jährigen Betriebszugehörigkeit von der im Ergebnis rechtlich nicht wirksamen betriebsbedingten Kündigung der Beklagten vom 27.06.2008 betroffen gewesen ist.
133Damit ist die zu Recht gerügte Verhaltensweise der Klägerin nach dem Grad ihres Verschuldens nicht als schwerwiegend zu bewerten, auch sind darüber hinausgehende Auswirkungen des der Klägerin diesbezüglich vorgeworfenen Pflichtverstoßes nicht erkennbar und eine mögliche Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich.
134Damit führt die vorzunehmende umfassende Interessenabwägung jedenfalls für die Kündigung vom 18.07.2008 als unwirksam anzusehen.
1353. Im Hinblick auf den Umstand, dass festzustellen war, dass es für die Kündigungen vom 27.06.2008 und vom 18.07.2008 an einem ausreichenden Kündigungsgrund fehlt kam es für den Rechtsstreit nicht darauf an, ob die beantragte Zuerkennung eines Grad der Erwerbsminderung von 50 % und damit eine in Betracht zu ziehende Schwerbehinderung der Klägerin sich auf die Wirksamkeit der streitbefangenen Kündigung auswirkt.
1364. Damit ist festzustellen, dass das Arbeitsgericht zu Recht der Klage entsprochen hat. Die Berufung führt nicht zu einer Abänderung des Urteils erster Instanz.
137III. Die Beklagte ist mit dem Rechtsmittel der Berufung unterlegen und hat daher die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, § 97 ZPO.
138IV. Die Entscheidung des Rechtsstreits beruht auf den Umständen des Einzelfalles. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung.
139Die Kammer hat aus diesen Gründen die Revision nicht zugelassen.
140R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
141Gegen dieses Urteil ist für die Partei und die Streitverkündete ein Rechtsmittel nicht gegeben.
142Gegen dieses Urteil ist für und die Streitverkündete mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde beim
143Bundesarbeitsgericht
144Hugo-Preuß-Platz 1
14599084 Erfurt
146Fax: (0361) 2636 - 2000
147anzufechten und die Streitverkündete auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
148Jüngst Kathrein Otten