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1. Mit der mangels Widerspruch rechtskräftigen Versetzung eines Beamten nach Vivento verliert der Beamte nicht seinen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung.
2. Eine amtsangemessene Beschäftigung besteht "üblicherweise" nicht in einem ständigen Wechsel des Arbeitsplatzes/Dienstposten. Schon aus diesem Grund ist der Anwendungsbereich der Fiktion des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht eröffnet.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 08.05.2008 1 BV 108/07 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Antragsteller bei befristeten Versetzungen von Beamten des Betriebs V, mit Ausnahme der in der Position eines Leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG tätigen Beamten, von mehr als einem Monat zum C C B P (C) verbunden mit einem Wechsel des Dienstortes nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
2I. Die Beteiligten streiten über das personelle Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Versetzung von Beamten, die der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V angehören, in die Einheit C C B P (CCBP).
3Antragsteller und Beteiligter zu 1) ist der für den Betrieb V zuständige Betriebsrat, Beteiligter zu 2) ist die Arbeitgeberin. Der Beteiligte zu 1) vertritt auch die Beamten nach § 24 Abs. 2 PostPersG, die in den Betrieb V eingegliedert sind. Der Betrieb V hat die Aufgabe, rationalisierungsbetroffene Beschäftigte der Antragsgegnerin aus ihren Organisationseinheiten aufzunehmen und möglichst zeitnah auf andere Dauerarbeitsplätze innerhalb oder außerhalb des Konzerns der Telekomgruppe zu vermitteln. Zur Unterstützung dieser Zielsetzung gehört es, die sog. Transfermitarbeiter durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen auf eine künftige Dauerbeschäftigung in neuen Tätigkeitsbereichen vorzubereiten und sie vorübergehend befristet innerhalb und außerhalb des Konzerns der Telekom-Gruppe einzusetzen. Zur Durchführung dieser befristeten Einsätze tritt V am Markt als Zeitarbeitsfirma auf. Unter anderem setzt die Beteiligte zu 2) die in den Betrieb V rechtskräftig versetzten Beamten von ihrem bisherigen Dienstort zum Projekt C nach B um. Bei dem CCBP handelt es sich um eine interne Abteilung, in welcher verschiedene Projekte zur Erfüllung von Werks- und Dienstleistungsverpflichtungen gegenüber Drittunternehmen durchgeführt werden.
4Nach § 8 Abs. 3 des Zuordnungstarifvertrags für die Deutsche Telekom AG vom 22.03.2006 soll der vorübergehende Einsatz von Transferkräften aus der Vivento heraus dem § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG unterfallen, wobei die Regelungen des TV Rationalisierungsschutz in seiner jeweils gültigen Fassung unberührt bleibt.
5Die Beteiligten vereinbarten am 14.03.2007 die "Betriebsvereinbarung Temporäre Einsätze", die u.a. die Beteiligung des Betriebsrates beim Einsatz der Transfermitarbeiter regelt. Gemäß Anlage 3 zu dieser Betriebsvereinbarung erfasst diese Vereinbarung nicht die temporären Einsätze bezüglich des CCBP.
6Der Beteiligte zu 1) macht geltend, dass ihm bei der befristeten Versetzung von Beamten des Betriebs V , soweit diese mehr als einen Monat dauert und mit einem Wechsel des Dienstorts verbunden ist, ein Beteiligungsrecht nach § 99 BetrVG zustehe. Das Arbeitsgericht hat das Begehren zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, da die Beamten nach § 24 Abs. 2 PostPersRG als Arbeitnehmer gelten und sie durch den Wechsel nach V nunmehr in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit eingegliedert seien, sei ihre Beschäftigung durch den Wechsel des Arbeitsbereichs charakterisiert. Wegen der Eigenart der Dienstverhältnisse der Transferkräfte liege keine Versetzung vor, denn diese Beschäftigungsverhältnisse seien dadurch geprägt, dass ihnen kein dauerhafter Arbeitsplatz im Betrieb V zur Verfügung gestellt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gründe wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.05.2008 (Bl. 253 ff. d.A.) Bezug genommen.
7Gegen den ihm am 01.07.2008 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) am 18.07.2008 Beschwerde eingelegt und diese am 28.08.2008 begründet.
8Er ist der Ansicht, dass die in den Betrieb V versetzten Beamten weiterhin einen grundrechtlich geschützten Anspruch auf Beschäftigung in einem amtsangemessenen Statusamt hätten. Ihr Dienstverhältnis sei anders als das Arbeitsverhältnis eines Leiharbeitnehmers nicht durch Einsatz an wechselnden Einsatzstellen geprägt. Der Einsatz der Beamten im Projekt C sei weder vom abstrakt-funktionellem noch vom konkret-funktionellen Amt des Beamten gedeckt.
9Der Beteiligte zu 1) beantragt,
101. der Beschluss des Arbeitsgerichtes Bonn vom 08.05.2008, Az. 1 BV 108/07, wird abgeändert;
112. es wird festgestellt, dass der Antragsteller bei befristeten Versetzungen von Beamten des Betriebs V , mit Ausnahme der in der Position eines leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG tätigen Beamten, von mehr als einem Monat zum C C B P (C ) verbunden mit einem Wechsel des Dienstortes nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist.
12Die Beteiligte zu 2) beantragt,
13die Beschwerde zurückzuweisen.
14Die Beteiligte zu 2) meint, durch die rechtskräftige Versetzung zu V verliere der betroffene Beamte sei bisheriges Amt im abstrakt-funktionellem und konkret-funktionellem Sinne. Er habe keinen genau beschriebenen Dienstposten mehr inne, sondern werde in einem Personalpool "geparkt". Der Einsatz innerhalb des Bereichs C der V sei quasi ein vorübergehender Einsatz innerhalb derselben Behörde/Dienststelle, was mit dem Betrieb gleichzusetzen sei. Er stelle beamtenrechtlich eine Umsetzung dar.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
16II.
171. Die Beschwerde ist zulässig, denn sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 87 Abs. 2 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
182. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beteiligte zu 1) hat ein Mitbestimmungsrecht für die im Streitfall in Rede stehende Beamtengruppe.
19a) Die §§ 28, 29 PostPersRG lassen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG für solche Versetzungen bestehen, die nicht vom Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 BPersVG erfasst werden (BAG, Beschl. v. 12.08.1997 1 ABR 18/97 m.w.N.). Eine Umsetzung innerhalb einer Dienststelle, die mit einem Wechsel des Dienstorts verbunden ist, ist nur dann nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG mitbestimmungspflichtig, wenn sie auf Dauer angelegt ist (BVerwG, Beschl. v. 10.10.1991 6 P 23/90 m.w.N.).
20b) Versetzung ist nach der für § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG maßgeblichen Definition in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet oder - bei kürzerer Dauer - doch mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet werden muss. Der Arbeitsbereich wird in § 81 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 BetrVG beschrieben als die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Der Begriff ist demnach räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben dem Ort der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine "andere" anzusehen ist. Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben. Sie kann aus einer Änderung des Arbeitsorts oder der Art der Tätigkeit, also der Art und Weise folgen, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist. Zudem kann sie mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs erfüllt für sich allein den Versetzungsbegriff, wenn sie für längere Zeit als einen Monat geplant ist (BAG, Beschl. v. 23.06.2009- 1 ABR 23/08 m.w.N.).
21Nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt bei Arbeitnehmern, die nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem Arbeitsplatz beschäftigt werden, die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung. So gilt etwa die Entsendung eines Leiharbeitnehmers wegen der Eigenart des Leiharbeitsverhältnisses im Entsendebetrieb nicht als Versetzung (BAG, Beschl. v. 19.06.2001 1 ABR 43/00 m.w.N.).
22c) Der Inhaber eines statusrechtlichen Amtes kann gemäß Artikel 33 Abs. 5 GG beanspruchen, dass ihm ein abstrakt-funktionelles Amt sowie ein amtsangemessenes konkret-funktionelles Amt, d.h. ein entsprechender Dienstposten, übertragen werden. Das statusrechtliche Amt wird grundsätzlich durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe, durch das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe und durch die dem Beamten verliehene Amtsbezeichnung gekennzeichnet. Das Amt im funktionellen Sinne bezieht sich auf die dienstlichen Aufgaben des Beamten. Das konkret-funktionelle Amt, der Dienstposten, bezeichnet die dem Beamten tatsächlich übertragene Funktion, seinen Aufgabenbereich. Das abstrakt-funktionelle Amt knüpft ebenfalls an die Beschäftigung des Beamten an, jedoch im abstrakt verstandenen Sinne. Gemeint ist der einem statusrechtlichen Amt entsprechende Aufgabenkreis, der einem Inhaber dieses Statusamtes bei einer bestimmten Behörde auf Dauer durch Verfügung des Dienstherrn zugewiesen ist. Die für die amtsgemäße Besoldung nach § 18 BBesG notwendige Zusammenschau von Amt im statusrechtlichen und im funktionellen Sinne steht einer dauernden Trennung von Amt und Funktion grundsätzlich entgegen. Im Rahmen dieser Vorgaben liegt es im Ermessen des Dienstherrn, den Inhalt des abstrakt- und des konkret-funktionellen Amtes festzulegen. Das bedeutet aber auch, dass der Dienstherr gehalten ist, dem Beamten solche Funktionsämter zu übertragen, die in ihrer Wertigkeit dem Amt im statusrechtlichen Sinne entsprechen. Bei jeder sachlich begründbaren Änderung der dem Beamten übertragenen Funktionsämter muss ihm jedoch stets ein amtsangemessener Tätigkeitsbereich verbleiben. Ohne seine Zustimmung darf dem Beamten diese Beschäftigung weder entzogen, noch darf er auf Dauer unterwertig beschäftigt werden. Die Umwandlung des Sondervermögens der D B in Unternehmen privater Rechtsform erfolgte auf der Grundlage des Art. 143 b GG i.V.m. Art 87 f Abs. 2 GG. Das Personal sollte mit größerer Flexibilität eingesetzt werden können, ohne die Rechtsstellung der bei der damaligen D B tätigen Beamten zu schmälern und das Institut des Berufsbeamtentums zu verändern (BVerwG, Urt. v. 22.06.2006 - 2 C 236/05- m.w.N.)
23d) Mit der mangels Widerspruch rechtskräftigen Versetzung eines Beamten nach V verliert der Beamte nicht seinen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Der Inhaber eines beamtenrechtlichen Statusamtes hat, von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen, stets einen Anspruch auf Übertragung eines abstrakten sowie eines konkreten Funktionsamtes (vgl.: BVerwG, Urt. v. 22.06.2006 - 2 C 236/05- m.w.N). Er hat Anspruch auf eine seinem Amt entsprechende Tätigkeit. Demzufolge findet § 18 BBesG gemäß § 8 PostPersRG ausdrücklich auch auf die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost mit der Maßgabe Anwendung, dass gleichwertige Tätigkeiten bei den Aktiengesellschaften als amtsgemäße Funktionen gelten. Eine amtsangemessene Beschäftigung besteht "üblicherweise" nicht in einem ständigen Wechsel des Arbeitsplatzes/Dienstposten. Schon aus diesem Grund ist der Anwendungsbereich der Fiktion des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht eröffnet. Die Regelung des § 8 Abs. 3 des Zuordnungstarifvertrags für die Deutsche Telekom ist nicht einschlägig, denn der Tarifvertrag erfasst nicht die Beamten. Bei der nicht auf Dauer angelegten, aber mehr als einen Monat andauernden Zuweisung eines Beamten zum CCBP, die zudem mit einem Wechsel des Dienstorts verbunden ist, handelt es sich um eine Versetzung nach § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Dem Beamten wird mit dem Wechsel ungeachtet der früheren Amtstätigkeit ein neuer, anderer Arbeitsbereich an einem anderen Dienstort zugewiesen. Er wird mit neuen Aufgaben in geändertem Arbeitsablauf mit neuen Verantwortlichkeiten eingegliedert. Zu Recht weist der Beteiligte zu 1) auf das bestehende Kontrollbedürfnis hin. Neben dem Schutz der Interessen der Belegschaft soll insbesondere der einzelne von der Versetzung Betroffene nach dem Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts § 99 BetrVG geschützt werden, vorliegend insbesondere im Hinblick auf den Tätigkeitsinhalt und den Tätigkeitsort.
243. Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung im Hinblick auf den Versetzungsbegriff der bei Vivento beschäftigten Beamten zuzulassen.
25R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
26Gegen diesen Beschluss kann von der Beteiligten zu 2)
27R E C H T S B E S C H W E R D E
28eingelegt werden.
29Für den Beteiligten zu 1) ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
30Die Rechtsbeschwerde muss
31innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
32nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich beim
33Bundesarbeitsgericht
34Hugo-Preuß-Platz 1
3599084 Erfurt
36Fax: 0361 2636 2000
37eingelegt werden.
38Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
39In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
41Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
42* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
43Weyergraf Dumm Mingers