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Die sachliche Rechtfertigung eines befristeten Arbeitsvertrages wegen (mittelbarer) Elternzeitvertretung scheitert nicht schon daran, dass ein rechtsverbindliches Elternzeitverlangen des zu vertretenden Arbeitnehmers bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags noch nicht vorlag. Es kann im Einzelfall ausreichen, wenn sich der Arbeitgeber auf eine Prognose des künftigen Vertretungsbedarfs stützen kann, die sich auf Erfahrung oder Äußerungen der Kindesmutter gründet (Abweichung zu BAG, Urteil vom 09.11.1994 7 AZR 243/94 -).
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.06.2008 16 Ca 627/08 abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31.12.2007 geendet hat.
3Die Klägerin ist seit dem 06.07.1996 aufgrund 12 unmittelbar sich aneinander anschließender Arbeitsverträge bei dem beklagten Land als Justizangestellte tätig.
4Das beklagte Land hatte der gleichfalls beim Amtsgericht K beschäftigten Justizbeschäftigten F nach der Geburt ihres Kindes am 05.11.2005 im Dezember 2005 Elternzeit bis zum 04.11.2007 bewilligt. Frau F war beim Amtsgericht K als Servicekraft unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 TV-L tätig.
5Die Beschäftigung der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2006 erfolgte aufgrund des Arbeitsvertrags vom 09.12.2005 als Elternzeitvertretung der Angestellten F .
6Am 23.11.2006 erklärte die Mitarbeiterin F gegenüber dem zuständigen Mitarbeiter des Amtsgerichts K , dass sie wegen der Entwicklung ihres Kindes den Dienst keinesfalls mit der Vollendung des 24. Lebensmonats ihrer Tochter wieder antreten könne. Sie wolle ihre Elternzeit bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats ihres Kindes verlängern lassen. Der Mitarbeiter vermerkte dies in der Datenbank und in seinen persönlichen Planungsunterlagen.
7Mit Schreiben vom 29.11.2006 unterrichtete der Präsident des Amtsgerichts den Personalrat über die beabsichtigte Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses der Klägerin bis zum 31.12.2007. Zur Begründung gab er die Elternzeit der Justizangestellten Forsbach an. Der Personalrat teilte unter dem 30.11.2006 seine Zustimmung zur Vertragsänderung mit.
8Sodann schlossen die Parteien am 15.12.2006 einen befristeten Arbeitsvertrag für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2007 und gaben darin die "Vertretung der Mitarbeiterin F , die in der Zeit vom 01.01.2006 bis 04.11.2008 Elternzeit genommen hat" als sachlichen Befristungsgrund an. Die Beschäftigung der Klägerin erfolgte als Servicekraft, eingruppiert in die Entgeltgruppe 8 TV-L.
9Frau F beantragte mit Schreiben vom 19.04.2007 die Verlängerung ihrer Elternzeit bis zum 04.11.2008. Der Präsident des Amtsgerichts Köln entsprach dem Antrag mit Verfügung vom 28.06.2007.
10Mit ihrer am 21.01.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die nach ihrer Ansicht unwirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses und begehrt ihre Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits.
11Das Arbeitsgericht hat der Klage statt gegeben. Die Befristung sei insbesondere nicht aus § 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt, denn die Mitarbeiterin F habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des letzten befristeten Arbeitsvertrages Elternzeit für den Zeitraum nach dem 04.11.2007 noch nicht verbindlich verlangt gehabt. Es sei keine hinreichende Prognosegrundlage dafür gegeben gewesen, dass die Arbeitnehmerin über den bislang beantragten Zeitraum hinaus ausfallen werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 73 ff. d. A.) verwiesen.
12Gegen das ihm am 28.11.2008 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 11.12.2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 02.02.2009 begründet.
13Es rügt, das Arbeitsgericht habe die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 BEEG rechtsfehlerhaft verneint und sich mit dem Sachgrund der Vertretung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG zu Unrecht nicht befasst. Die Vorschrift des § 21 Abs. 1 BEEG erfordere kein schriftliches Elternzeitverlangen. Eine zuverlässige Prognose sei nicht nur aufgrund der nach allgemeiner Erfahrung zu erwartenden Antragstellung, sondern auch im Hinblick auf die gegebene Begründung möglich gewesen. Der Sachgrund mittelbarer Vertretung sei gegeben, die gedankliche Zuordnung bei Vertragsschluss erkennbargewesen.
14Das beklagte Land beantragt,
15das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Juni 2008 (16 Ca 627/08) abzuändern und die Klage abzuweisen.
16Die Klägerin beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit Rechtsausführungen. Unter der Geltung der Vorgängervorschrift des § 21 BErzGG sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt gewesen, dass zumindest ein rechtswirksames, abschließendes Elternzeitverlangen erforderlich sei, um die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Vertreterin rechtfertigen zu können.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21I. Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig, denn sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG und sie wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
22II. Die Berufung hat auch in der Sache erfolgt.
23Die Befristung aufgrund des Arbeitsvertrages vom 15.12.2006 bis zum 31.12.2007 ist nach den §§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG, 21 Abs. 1 BEEG wirksam. Damit entfällt zugleich die Weiterbeschäftigungspflicht des beklagten Landes.
241. Bei mehreren aufeinander folgenden befristeten unterliegt grundsätzlich nur der letzte Vertrag der Befristungskontrolle. Durch den vorbehaltlosen Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue rechtliche Grundlage, die für ihre künftige Vertragsbeziehung allein maßgeblich ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben.
252. Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Sachgrund der Vertretung wird u. a. für Fälle der Elternzeit seit dem 01.01.2007 konkretisiert durch § 21 Abs. 1 BEEG. Danach liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer einer Elternzeit oder für Teile davon eingestellt wird.
263. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu dem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer in einem Rechtsverhältnis steht und er mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet. Daher besteht für die Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass der befristetet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die Aufgaben der vorübergehend ausfallenden Stammkraft erledigt, denn die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt.
274. Der Sachgrund der Vertretung setzt allerdings einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. In Fällen unmittelbarer Vertretung hat der Arbeitgeber darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren. In Fällen mittelbarer Vertretung hat der Arbeitgeber zum Nachweis des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter vorzutragen. Da er aber aufgrund seines Organisationsrechts in seiner Entscheidung über die Umverteilung der Arbeitsaufgaben des zeitweise ausgefallenen Mitarbeiters frei ist, kann er von einer Neuverteilung der Arbeitsaufgaben absehen und dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Tätigkeiten übertragen, die der vertretene Arbeitnehmer zu keiner Zeit ausgeübt hat. Der für den Sachgrund der Vertretung notwendige Kausalzusammenhang besteht in diesem Fall, wenn der Vertreter mit Aufgaben betraut wird, die vom Vertretenen nach dessen Rückkehr unter Beachtung der arbeitsvertraglichen Befugnisse ausgeübt werden könnten. Der Arbeitgeber muss bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten gedanklich zuordnen und dies z. B. durch Angabe im Arbeitsvertrag oder im Rahmen der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung nach außen erkennbar machen (BAG, Urt. v. 25.03.2009 7 AZR 59/08 m. w. N.).
285. Das beklagte Land hat im Streitfall den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der elternzeitbedingten Abwesenheit der Justizangestellten F und der befristeten Einstellung der Klägerin dargelegt. Die erkennbare Verknüpfung zwischen der befristeten Einstellung der Klägerin und dem durch die Elternzeit der Mitarbeiterin F verursachten Vertretungsbedarf ist durch die Angabe im Arbeitsvertrag vom 15.12.2006 sowie im Rahmen der Beteiligung des Personalrats erfolgt. Das beklagte Land hatte tatsächlich und rechtlich die Möglichkeit, der Justizangestellten F den Aufgabenbereich der Klägerin zu übertragen. Beide Arbeitnehmerinnen wurden in derselben Dienststelle als Servicekräfte, die in die Entgeltgruppe 8 TV-L eingruppiert sind, mit vergleichbaren und gleichwertigen Tätigkeiten beschäftigt.
296. Die Wirksamkeit der Befristung lässt sich nicht dadurch in Abrede stellen, dass mangels eines rechtsverbindlichen Antrags der Mitarbeiterin Forsbach eine hinreichende Prognosegrundlage für die Befristung nicht bestand.
30a) Der Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 BEEG verlangt für die Elternzeitvertretung nicht das Vorliegen eines schriftlichen Antrags nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG oder einen verbindlichen Verlängerungsantrag nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG. In der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung der Vorgängervorschrift des § 21 Abs. 1 BErzGG waren noch die Worte "zu Recht verlangten" vor dem Vertretungsgrund Erziehungsurlaub eingefügt. Das Bundesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Streichung der Worte "zu Recht verlangten" mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien lediglich eine redaktionelle Änderung darstelle, durch die die sprachliche Fassung des § 21 Abs. 1 BErzGG habe gestrafft werden sollen. Ein Antrag auf Gewährung von Erziehungsurlaub sei daher erforderlich (BAG, Urt. v. 09.11.1994 - 7 AZR 243/94 -). In einer weiteren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, das damals beklagte Land habe mit hinreichender Sicherheit bei Vertragsschluss einen Vertretungsbedarf für eine Beamtin annehmen dürfen, weil diese vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages der Vertreterin bereits Erziehungsurlaub im Anschluss an die Mutterschutzfrist verlangt hatte, wenn auch ohne sich zu dessen Dauer bereits festzulegen (BAG, Urt. v. 09.07.1997 - 7 AZR 540/96 -). Die Rechtsprechung, die das Vorliegen eines rechtsverbindlichen Elternzeitverlangens bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages der Vertreterin erfordert, überzeugt die erkennende Kammer nicht. Ein sich im Wortlaut niederschlagender Akt der Gesetzesänderung kann nicht allein aufgrund des Schweigens der Gesetzesmaterialien gänzlich hinweg interpretiert werden. Auch aus teleologischen Gründen besteht kein hinreichender Grund, am Erfordernis der "verlangten" Elternzeit festzuhalten. Schließt der Arbeitgeber einen kalenderbefristeten Vertrag mit dem Vertreter auf Grund einer Prognose, die sich auf Erfahrung oder auf Äußerungen der Mutter zur Inanspruchnahme von Elternzeit gründet, trägt er das Risiko des Irrtums. Die sachliche Rechtfertigung des befristeten Vertrages wird solange nicht ausgehöhlt, als die Kausalität dieser Prognose für den Vertragsschluss nachweisbar ist (APS-Backhaus, 3. Auflage, § 21 BEEG Rdn. 16; KR/Lipke, 9. Auflage, § 21 BEEG Rdn. 13 a m.w.N. zum Streitstand).
31b) Es genügte daher, dass die zu Vertretende im Streitfall hinreichend klar zu erkennen gegeben hatte, dass sie eine Elternzeit beantragen werde. Es gab im Hinblick auf die Begründung der Angestellten Forsbach keinen Anlass für das beklagte Land, an der Ernsthaftigkeit der Absicht zu zweifeln.
327. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Befristung aus Gründen des Personalvertretungsrechtes bestehen nicht, der Personalrat wurde gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NRW a.F. unter Nennung des Befristungsgrundes ordnungsgemäß beteiligt. Er hat der Maßnahme zugestimmt, die erstinstanzlich von der Klägerin pauschal erhobene Rüge nicht ordnungsgemäßer Beteiligung ist unerheblich. Die Klägerin hat nicht dargetan, aus welchen gründen die Beteiligung des Personalrates nicht ordnungsgemäß sein soll.
33III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
34IV Die Kammer hat der Frage, ob die auf Elternzeitvertretung gestützte Vertretung einen schriftlichen Antrag der zu Vertretenden erfordert, grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen.
35R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
36Gegen dieses Urteil kann von
37R E V I S I O N
38eingelegt werden.
39Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
40Bundesarbeitsgericht
41Hugo-Preuß-Platz 1
4299084 Erfurt
43Fax: 0361 2636 2000
44eingelegt werden.
45Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
46Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
47In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
49Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
50* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
51Weyergraf Haas Preckel