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Kein Leitsatz
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.03.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln 10 Ca 5030/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung, die der Kläger nicht unter Vorbehalt angenommen hat.
3Der am 20.12.1964 geborene Kläger, der verheiratet ist und drei Kinder hat, ist seit dem 01.07.1991 bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger war zunächst auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 06.05.1991 (Bl. 292 bis 293 d. A.) als Sachbearbeiter im K Betrieb der Beklagten tätig. Im Jahre 2000 rückte der Kläger als Teamleiter auf, zuletzt als Assistent Sales Office Professional. Seine Tätigkeit ist dem Bereich PSE im Kölner Betrieb der Beklagten zugeordnet. Grundlage der Tätigkeit des Klägers seit dem Jahr 2000 ist der Anstellungsvertrag vom 24./27.07.2000 (Bl. 4 bis 5 d. A.). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden gemäß Ziffer 12 des Anstellungsvertrages und aufgrund Allgemeinverbindlichkeit die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW Anwendung.
4Am 09.11.2005 beschloss die Konzernleitung, dass die Beklagte im Verlauf des Geschäftsjahres 2006 ihren Firmensitz und die unternehmerischen Aktivitäten von K nach B verlagert. Vor diesem Hintergrund vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat am 21.04.2006 einen Interessenausgleich (Bl. 28 bis 37 d. A.), der unter anderem die schrittweise Verlegung der Arbeitsplätze nach B regelt. Für die Arbeitsplätze im PSE-Bereich war die Verlegung auf den 22.01.2007 festgelegt. Eine Rahmenbetriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat vom 31.01.2006 (Bl. 38 bis 54 d. A.) sieht unter anderem Abfindungen für die Arbeitnehmer vor, die eine Weiterbeschäftigung in B ablehnen.
5Mit Schreiben vom 12.05.2006 erstattete die Beklagte vorsorglich die Anzeige von Entlassungen gemäß § 17 KSchG für den Fall, dass sich die Mitarbeiter nicht auf das Angebot einlassen, das Arbeitsverhältnis in B fortzusetzen. Wegen der Einzelheiten der Massenentlassungsanzeige wird auf Bl. 109 bis 120 d. A. Bezug genommen. Der Kläger lehnte das Angebot auf einvernehmliche Versetzung nach Berlin ab. Mit Schreiben vom 26.05.2006 (Bl. 55 bis 60 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur ordentlichen, fristgerechten Änderungskündigung unter Bezugnahme auf den Interessenausgleich an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
6Mit Schreiben vom 02.06.2006, das dem Kläger am 06.06.2006 übergeben wurde, sprach die Beklagte eine Änderungskündigung aus. In dem Kündigungsschreiben (Bl. 6 bis 7 d. A.) heißt es, soweit es hier interessiert:
7"(...)
8hiermit kündigen wir den zwischen Ihnen und uns bestehenden Arbeitsvertrag aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum 22.01.2007.
9(...)
10Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis am Standort S C B , P , zu ansonsten unveränderten Konditionen weiterzuführen. sollten Sie unser Angebot annehmen, so bitten wir eine Kopie dieses Schreibens unterschrieben bis spätestens 3 Wochen nach Erhalt an die Personalabteilung zurück zu geben. Sollten Sie Ihr Einverständnis bis zu diesem Zeitpunkt nicht erklärt und fristgerecht an Human Resources gesandt haben, so endet das Arbeitsverhältnis gemäß Interessenausgleich Ziffer 4 mit dem Ablauf des Monats, in den die Verlagerung des Bereichs fällt, d. h. in Ihrem Fall endet das Arbeitsverhältnis mit dem 31.07.2007. Hierfür gelten die Bedingungen des Sozialplans vom 31.01.2006 sowie des Interessenausgleiches vom 21.04.2006."
11(...)"
12Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Er hält die Kündigung für sozialwidrig. Das Änderungsangebot sei unangemessen, da das Arbeitsverhältnis nur mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende beendet werden könne. Unter Berücksichtung des Umzugstermins am 22.01.2007 folge daraus, dass die Änderungskündigung frühestens zum 31.03.2007 hätte ausgesprochen werden dürfen. Darüber hinaus habe die Beklagte als milderes Mittel einen Wechsel auf einen Home Office Arbeitsplatz anbieten müssen. Die Grundsätze der sozialen Auswahl seien nicht hinreichend beachtet worden, denn die mit ihm vergleichbare Mitarbeiterin K aus dem am Standort Köln verbleibenden Bereich "PSE Technical Operation Centre D-A-CH" sei weniger sozial schutzwürdig. Die Beklagte habe ihre Konsultations- und Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht ordnungsgemäß erfüllt und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
13Der Kläger hat beantragt,
14festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 02.06.2006 nicht aufgelöst worden ist.
15Die Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagte hat geltend gemacht, wegen des Umzugs nach B sei der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen. Am Standort K gebe es keine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Die Kündigungsfrist sei nicht nur eingehalten, sondern verlängert worden. Der Interessenausgleich selbst verlängere die Kündigungsfristen für den Fall der Nichtannahme des Änderungsangebotes. Freie Home Office Arbeitsplätze seien nicht vorhanden. Mit der Mitarbeiterin Koerbs sei der Kläger nicht vergleichbar, da er weder über Kenntnisse des PSE-Geschäftsfeldes, Erfahrungen mit PSE-Vertragskunden noch über hinreichende Fremdsprachenkenntnisse verfüge. Die Ordnungsmäßigkeit der Sozialauswahl werde nach § 1 Abs. 5 KSchG vermutet, da ein Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen worden sei. Dass es sich bei der Namensliste um eine sog. Negativliste der nicht zu kündigenden Mitarbeiter handele, sei unschädlich und habe lediglich der Arbeitserleichterung gedient. Die Konsultation des Betriebsrats vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Personalleiterin habe den Betriebsrat bei der festen wöchentlichen Besprechung gefragt, ob er etwas dagegen habe, wenn sie nun die Massenentlassungsanzeige erstatte. Der Betriebsrat habe keine Einwände erhoben. Er sei, wie im Interessenausgleich dokumentiert, hinreichend über die betriebsbedingten Kündigungsgründe informiert gewesen.
18Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass das vorfristige Änderungsangebot die Änderungskündigung sozialwidrig mache. Eine Auslegung oder Umdeutung des Änderungsangebots in ein Angebot zur Vertragsänderung mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist komme nicht in Betracht. Außerdem habe die Beklagte nicht dargetan, dass sie den Betriebsrat ordnungsgemäß im Sinne des § 17 Abs. 2 KSchG vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige konsultiert habe.
19Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die mit Rechtsausführungen daran festhält, dass das Änderungsangebot nicht zu beanstanden sei. Zu dem vom Arbeitsgericht gerügten Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG trägt die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.09.2007 (Bl. 286 bis 289 d. A.) ergänzend vor. Die Beklagte beantragt, dass angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, während der Kläger um Zurückweisung der Berufung bittet.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
22Die Klage ist begründet, denn die Kündigung vom 02.06.2006 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.
23I. Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Wirksamkeit der Änderungskündigung an dem vorfristigen Änderungsangebot scheitert. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanz Bezug genommen, denn die erkennende Kammer kommt auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zu übereinstimmenden Feststellungen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
24II. Der vorliegende Rechtsstreit ist eines von mehreren Verfahren zu der Frage, ob eine ordentliche Änderungskündigung, die auf eine vor Ablauf der Kündigungsfrist des betreffenden Arbeitnehmers wirksam werdende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zielt, nach § 1 Abs. 2, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln hat in ihrem Urteil vom 04.08.2007 4 Sa 233/07 dazu folgendes ausgeführt:
25"II. Im vorliegenden Fall enthält die Änderungskündigung das Angebot, mit Ablauf des 11.05.2007 das Arbeitsverhältnis am Standort S B fortzusetzen. Damit zielt es auf eine vor Ablauf der für das Arbeitsverhältnis der Klägerin geltenden Kündigungsfrist wirksam werdende Änderung ab.
261. Anders kann das Kündigungsschreiben nicht ausgelegt werden. Denn dort heißt es:
27"Hiermit kündigen wir den zwischen ihnen und uns bestehenden Arbeitsvertrag aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zu 11.05.2007 ... Gleichzeitig bieten wir ihnen an, das Arbeitsverhältnis am Standort S B ... zu ansonsten unveränderten Konditionen fortzuführen."
28Für den Fall der Nichtannahme des Angebots innerhalb der der Klägerin gesetzten Frist von 3 Wochen heißt es weiter:
29"... so endet das Arbeitsverhältnis gemäß Interessenausgleich Ziffer 4 mit dem Ablauf des Monats, in den die Verlagerung des Bereiches fällt, d. h. in Ihrem Fall endet das Arbeitsverhältnis mit dem 31.05.2007."
30Aus der Kündigung zum 11.05.2007 und der davon für den Fall der Nichtannahme des Änderungsangebots unterschiedenen Beendigung für den Ablauf des Monats, in den der 11.05.2007 fällt, ergibt sich, dass die Beklagte der Klägerin anbot, mit Ablauf des 11.05.2007 das Arbeitsverhältnis in B fortzusetzen.
312. Dieses Angebot kann nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, die neuen Arbeitsbedingungen bei Unzulässigkeit der vorfristigen Änderung erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist eintreten zu lassen. Die Rechtslage ist in insoweit nicht mit der bei einer Beendigungskündigung vergleichbar (vgl. BAG, 21.09.2006 a. a. O). Bei einem vorfristigen Änderungsangebot ist regelmäßig nicht von einem entsprechenden mutmaßlichen Willen des Arbeitgebers auszugehen, die neuen Arbeitsbedingungen, wenn sie nicht vorfristig durchsetzbar sind, jedenfalls mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gelten zu lassen. Es ist durchaus denkbar, dass der Arbeitgeber die vorfristige Änderung der Arbeitsbedingungen gerade deshalb anbietet, weil eine weitere Arbeit des Arbeitnehmers zu den geänderten Bedingungen erst nach dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für ihn nicht mehr von Interesse ist.
32Umgekehrt kann der Arbeitnehmer von seinem Empfängerhorizont aus regelmäßig kaum abschließend beurteilen, ob nicht der Änderungsangebot des Arbeitgebers damit stehen und fallen soll, dass er die neuen Arbeitsbedingungen schon zu dem im Kündigungsschreiben genannten Termin annimmt (BAG a. a. O.).
33Hinzukommt, dass das Interesse des Arbeitnehmers, der bei einer Änderungskündigung sich innerhalb einer kurzen Frist entscheiden muss, ob er die neuen Arbeitsbedingungen mit oder ohne Vorbehalt annimmt oder ablehnt, eine enge Auslegung des Änderungsangebots des Arbeitgebers erfordert (BAG aaO).
34Im vorliegenden Fall sollte der Umzug für den Arbeitsbereich der Klägerin zum 11.05.2007 stattfinden. Die Beklagte differenzierte bewusst zwischen dem Fall der Annahme des Änderungsangebots zum 11.07.2005 und dem Fall der Nichtannahme, bei dem das Vertragsverhältnis zum 30.05.2005 enden sollte. Danach ergab sich aus dem Empfängerhorizont, dass der Termin 11.07.2005 bewusst und abschließend für das Änderungsangebot gelten sollte.
353. Auch eine Umdeutung in eine Änderungskündigung mit einem Änderungsangebot zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist kommt nicht in Betracht. Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung ausdrücklich die Ansicht von Löwisch abgelehnt, der bei fehlender sozialer Rechtfertigung einzelner vom Arbeitgeber vorgeschlagener Arbeitsbedingungen grundsätzlich eine Umdeutung in ein Änderungsangebot ohne diese Arbeitsbedingungen zulassen will. Die Begründung des Bundesarbeitsgerichts dazu überzeugt: Da der Arbeitnehmer auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss, ob er die geänderten Arbeitsbedingungen ablehnt oder mit oder ohne Vorbehalt annimmt, erfordert schon die Rechtssicherheit, dass zweifelsfrei klargestellt ist, zu welchen neuen Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers fortbestehen soll. Die weitgehende Anerkennung von Umdeutungsmöglichkeiten hinsichtlich des Änderungsangebots des Arbeitgebers würde den Arbeitnehmer entgegen dem Schutzzweck des § 2 KSchG bei einer Änderung von mehreren Arbeitsbedingungen möglicherweise verpflichten, alternativ zu den verschiedenen künftigen Arbeitsvertragsgestaltungen Stellung zu nehmen, die in der Änderungskündigung ausdrücklich so nicht enthalten sind.
36Dies entspricht in der Parallelwertung der Rechtssprechung zu § 8 TZBfG: Ein zu kurzfristig gestelltes Teilzeitverlangen, dass die Ankündigungsfrist des § 8 Abs. 2 TZBfG nicht wahrt, kann die in § 8 Abs. 5 S. 2 und 3 TZBfG geregelten Zustimmungsfiktionen nicht auslösen. Dieses wird vom Bundesarbeitsgericht damit begründet, dass dann, wenn die zum Schutz des Arbeitgebers gesetzlich bestimmte Dreimonatsfrist nicht eingehalten ist, der Arbeitnehmer den Arbeitgeber Unklarheiten bei der Fristberechnung aussetzt und der Arbeitgeber dadurch gezwungen wird, das Verlangen erst auszulegen, um die für ihn maßgebliche Frist zu berechnen (BAG 20.07.2004 9 AZR 626/03 -).
37Gegenüber diesen grundsätzlichen Erwägungen können im vorliegenden Fall keine besonderen Anhaltspunkte für eine Umdeutbarkeit festgestellt werden.
38Auch kann die Überlegung der Beklagten nicht zu einem anderen Ergebnis führen, bei einer Versagung der Umdeutung des Änderungsangebots müsse sonst immer eine Änderungskündigung, bei der der Arbeitgeber die Kündigungsfrist falsch berechnet habe, ohne Umdeutungsmöglichkeit endgültig unwirksam sein. Denn ein solcher Fall liegt nicht vor. Das Kündigungsschreiben muss jedenfalls aus dem Empfängerhorizont eindeutig so verstanden werden, dass die Beklagte bewusst zwischen den Fristen für das Änderungsangebot und der Kündigungsfrist für die Vertragsbeendigung differenzierte. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass das Änderungsangebot ausdrücklich auf den 11.05.2007 bezogen war und die Kündigung zum 11.05.2007 sich ausdrücklich nur auf die von der Klägerin anzunehmende Vertragsänderung bezog. Für den Fall der Beendigung nannte die Beklagte den 31.05.2007, also ein Beendigungsdatum, welches den in § 622 BGB geregelten Kündigungsfristen ebenso wie den meisten tariflichen Beendigungszeitpunkten entspricht. Aus der Sicht der Klägerin differenzierte die Beklagte damit bewusst zwischen dem Änderungsangebot, für welches die gesetzlich und tariflich möglichen Beendigungszeitpunkte nicht eingehalten sind, und dem Datum für das Auslaufen des Arbeitsverhältnisses für den Fall der Nichtannahme des Änderungsangebots.
39III. Eine Beendigung zum 11.05.2007 entsprach unter keinem möglichen Gesichtspunkt dem Ablauf der tariflichen Kündigungsfrist.
401. Der Arbeitsvertrag nimmt in Ziffer 15 ausdrücklich auf die jeweils gültigen Tarifverträge für Mitarbeiter im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen Bezug. Gemäß § 7 Nr. 2. (9) des Manteltarifvertrages gelten für die Kündigungen von Arbeitsverhältnissen, die vor dem 15.10.1993 begründet und die bis zum 26.05.1994 nicht rechtskräftig beendet worden sind, abweichend von den vorstehenden Fristen die bis zum 15.10.1993 geltenden einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen, aus denen sich für das Arbeitsverhältnis der Klägerin eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende ergab.
412. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, dass der alte Tarifzustand insoweit verfassungswidrig gewesen sei, als er hinsichtlich der Kündigungsfristen zwischen Arbeitern und Angestellten differenzierte. Denn eine solche Diskriminierung der Arbeiter könnte allenfalls zur Unwirksamkeit der für diese geltenden Fristen führen, nicht jedoch zur Unwirksamkeit der tariflichen Vereinbarungen für die Angestellten. Davon abgesehen aber kann es auf diese Verfassungsfrage schon deshalb nicht ankommen, weil die Tarifverträge im vorliegenden Fall kraft einzelvertraglicher Vereinbarung gelten. Sofern bei der Beklagten insoweit eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten vorläge, hätte dieses wiederum nur zur Folge, dass die Arbeiter sich auf die längeren Fristen berufen könnten.
423. Sofern die Beklagte des Weiteren dahingehend argumentiert, sie habe aufgrund der Kündigung vom 19.07.2006 das Arbeitsverhältnis bereits zum 31.03.2007 beenden können, eine Kündigung zum 11.05.2007 sei mithin günstiger und enthalte deshalb keinen Verstoß gegen die durch einzelvertragliche Bezugnahme geltenden tariflichen Fristen, so greift auch diese Argumentation nicht durch.
43Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des BAG vom 04.07.2001 (2 AZR 469/00), auf die die Beklagte sich beruft, für den vorliegenden Fall nichts hergibt. Dort hatten die Parteien einzelvertraglich nicht etwa gestufte Kündigungsfristen wie in § 622 BGB oder in den tariflichen Vorschriften vereinbart, sondern ausschließlich: "Er (der Vertrag) kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Quartalsschluss gekündigt werden". Eine Verlängerung der Frist bei lang andauerndem Arbeitsverhältnis sah der Vertrag nicht vor. Das BAG hatte nur darüber zu entscheiden, ob nach langjähriger Vertragsdauer der Arbeitgeber nur die erheblich längeren Fristen des § 622 BGB (in concreto die der Nr. 7 von 7 Monaten zum Monatsende) einzuhalten habe oder ob die vertragliche Vereinbarung in zwänge, auch bei verlängerten Kündigungsfristen jeweils nur zur Quartal zu kündigen. Ein dementsprechender Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben.
44Demgegenüber behandelt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.04.1985 (2 AZR 197/84) die im vorliegenden Fall erheblichen Fragen:
45In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatten die Parteien für die ordentliche Kündigung eine Frist von 6 Wochen zum Quartalsende vereinbart. Der Arbeitgeber kündigte das Vertragsverhältnis am 15. November zum 31. Januar. Er hätte am 15. November auch zum 31. Dezember kündigen können.
46Das Bundesarbeitsgericht lehnt in dieser Entscheidung die Auffassung ab, der entsprechend § 622 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. vereinbarte Kündigungstermin (Quartalsende) habe keine eigenständige Bedeutung, sondern diene nur der technischen Bestimmung der Kündigungsfrist. Die vom Gesetz vorgesehenen, von den Parteien vertraglich übernommenen Kündigungstermine hätten so das Bundesarbeitsgericht nicht nur den Hilfszweck, die Berechnung des Ablaufs der Kündigungsfristen zu erleichtern, sie hätten vielmehr im Rahmen des Bestandschutzes auch eine besondere selbstständige Bedeutung, indem sie die Beendigungswirkung der Kündigung auf einen späteren Zeitpunkt verschöben, um sicherzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht zu einem für den Gekündigten ungünstigen Zeitpunkt ende.
47Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob die dortige Beklagte das Arbeitsverhältnis bereits zum 31. Dezember habe kündigen können. Auch wenn diese Möglichkeit bestanden hätte so das Bundesarbeitsgericht lasse sich mit Billigkeitserwägungen nicht das Hinausschieben des Kündigungstermins um einen Monat begründen.
48Zudem weist das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass nach dem vom Landesarbeitsgericht in jenem Fall festgestellten Kündigungssachverhalt darüber hinaus eine Kündigung zum 31. Dezember auch nicht nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt gewesen wäre. Wenn die Beklagte so das Bundesarbeitsgericht bei Ausspruch der Kündigung beabsichtigt habe, den Betrieb erst zum 31. Januar zu schließen, dann wäre eine Kündigung zum 31. Dezember nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.
49Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dieses: Die Beklagte konnte den 11. Mai auch dann nicht als Kündigungstermin wählen, wenn sie zum 31. März hätte kündigen können. Darüber hinaus aber liegt im vorliegenden Fall ebenfalls ein Kündigungssachverhalt vor, in dem eine Kündigung zum 31. März sozial nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Denn die Beklagte beabsichtigte bei Ausspruch der Kündigung, den Arbeitsplatz der Klägerin erst zum 11. Mai 2007 zu verlegen. Sie konnte daher gar nicht zum 31. März wirksam kündigen.
504. Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass sich an diesem Ergebnis nichts ändern würde, wenn die Kündigungsfrist nicht aufgrund § 7 Nr. 2 (9) des Manteltarifvertrages 6 Monate zum Quartal betrüge, sondern gemäß § 7 Nr. 2 (2) d 6 Monate zum Ende eines Kalendermonats. In diesem Fall hätte die Beklagte nach dem zuvor Gesagten, da der betriebliche Grund erst zum 11. Mai 2007 griff, frühestens zum 31. Mai 2007 kündigen können und hätte dementsprechend auch die Veränderungen der Vertragsbedingungen erst zu diesem Zeitpunkt verlangen dürfen."
51III. Die erkennende Kammer schließt sich diesen Erwägungen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung an. Im vorliegenden Fall sollte die Änderung zum 22.01.2007 erfolgen, während eine fristgerechte Beendigung der bisherigen Arbeitsbedingungen erst zum 31.03.2007 möglich war. In der Berufungsverhandlung ist übereinstimmend festgestellt worden, dass das Unternehmen der Beklagten unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW fällt. Der einschlägige TV vom 09.07.1997 war bis zum 31.03.2005 allgemeinverbindlich, er findet sowohl durch die einzelvertragliche Bezugnahme in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages vom 24./27.07.2000 als auch im Wege der Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung (vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2000 4 AZR 212/00 -). Nach § 7 Nr. 2 Abs. 9 dieses MTV gelten für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen, die wie hier vor dem 15.10.1993 begründet und die bis zum 26.05.1994 nicht rechtskräftig beendet worden sind, die bis zum 15.10.1993 geltenden einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen, aus denen sich für das Arbeitsverhältnis des Klägers eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende ergibt.
52Die Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende wäre zwar bei einer Kündigung zum 31.12.2006 eingehalten. Zu diesem Kündigungstermin war der Arbeitsplatz des Klägers in K aber nicht weggefallen. Dies war erst am 22.01.2007 der Fall. Eine vorzeitige Kündigung wäre sozial nicht gerechtfertigt gewesen. Die Kammer verkennt nicht, dass sich die Beklagte insoweit in einem Rechtsirrtum befand, als sie gemeint haben mag, sie könne nach dem 31.12.2006 zu jedem beliebigen Termin kündigen, weil es sich insoweit lediglich um eine "Verlängerung" der Kündigungsfrist handele. Rechtlich handelt es sich allerdings nicht um eine Verlängerung, weil eine Kündigung zum 31.12.2006 schon deshalb sozialwidrig gewesen wäre, weil der Arbeitsplatz erst später wegfallen sollte. Ein Rechtsirrtum der Beklagten rechtfertigt auch nach Auffassung der erkennenden Kammer keine Umdeutung in eine ordentliche Änderungskündigung mit Änderungsangebot und Beendigungsdatum 31.03.2007. Gegen eine solche Umdeutung spricht der Umstand, dass die Beklagte zu einem festen Termin, vorliegend dem 22.01.2007, den Umzug vollziehen und ein Interesse daran hatte, dass zu diesem Termin die Arbeit in B weitergeführt wird. Es ist daher in der Tat denkbar, dass die Beklagte die vorfristige Änderung der Arbeitsbedingungen zum 22.01.2007 gerade deshalb angeboten hat, weil eine weitere Arbeit des Klägers erst nach dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, also dem 31.03.2007, für sie nicht mehr von Interesse war. Auch aus der Sicht des Klägers war die Einhaltung des Umzugstermins für die Beklagte von maßgebender Bedeutung, denn ein Umzug zum 22.01.2007 ohne Arbeitnehmer macht wenig Sinn.
53IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
54V. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
55R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
56Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
57R E V I S I O N
58eingelegt werden.
59Die Revision muss
60innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
61schriftlich beim
62Bundesarbeitsgericht
63Hugo-Preuß-Platz 1
6499084 Erfurt
65Fax: (0361) 2636 - 2000
66eingelegt werden.
67Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
68Die Revisionsschrift muss von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
69* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
70(Schroeder) (König) (Hester)