Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren vorrangig über die Frage der prozessualen Erledigung, sodann über die Wirksamkeit einer Kündigung, weitere Bestandsfeststellung und Weiterbeschäftigung.
3Der am 4. August 1950 geborene Kläger schloss mit Wirkung zum
41. Juni 1980 einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten, die mit mehr als 5 Arbeitnehmern einen Grafikbetrieb unterhält. Der Kläger war zuletzt als Grafikdesigner eingesetzt und erzielte eine Monatsvergütung von ca.8.700,-- DM.
5Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 5. Februar 2001, welches der Kläger am selben Tag erhielt, das Arbeitsverhältnis mit ihm zum 30. September 2001.
6Hiergegen hat der Kläger am 19. Februar 2001 die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben, verbunden mit einem Fortbestandsfeststellungs- und einem Weiterbeschäftigungsantrag.
7Im Gütetermin am 8. Mai 2001 war der Kläger säumig, so dass auf Antrag der Beklagten klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet worden ist. Vor dessen Zustellung am 13. Juni 2001 hat der Kläger am 9. Mai 2001 hiergegen Einspruch eingelegt. Im darauf anberaumten weiteren Gütetermin vom 7. August 2001 hat das Gericht den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, zu dem die Beklagte ihre Zustimmung erklärte.
8Am 21. August 2001 ist ein Schriftsatz des Klägervertreters beim Arbeitsgericht eingegangen, mit dem die Klage zurückgenommen wird.
9Mit schriftlicher Erklärung vom 21. September 2001 erklärte der Klägervertreter, es habe sich bei der Klagerücknahme um einen Irrtum gehandelt, das Verfahren möge fortgesetzt werden.
10Anläßlich des im Parallelrechtsstreit 8 (17) Ca 2490/01 anberaumten Kammtermin am 10. Januar 2002 haben die Parteien auch in diesem Verfahren unter Verzicht auf die förmliche Ladung im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme mündlich verhandelt.
11Der Kläger hat nunmehr beantragt,
121. festzustellen, dass das Verfahren nicht durch Klage
13rücknahme vom 21. August 2001 erledigt ist,
148. Mai 2001 aufzuheben,
16Parteien durch die Kündigung der Beklagten
18vom 5. Februar 2001 nicht beendet wurde,
194. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch
20nicht durch andere Beendigungstatbestände
21endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,
225. falls der Kläger mit dem Feststellungsantrag zu
233) obsiegt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger
24bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens
25zu unveränderten Bedingungen als Grafik-Designer
26weiterzubeschäftigen.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Das Arbeitsgericht hat durch einen am 10.01.2002 verkündetes Urteil festgestellt, dass das Verfahren durch Klagerücknahme vom 21.08.2001 erledigt ist. Der Schriftsatz des Klägers vom 20.08.2001 sei eindeutig und inhaltlich zweifelsfrei als Klagerücknahme erkennbar. Eine Anfechtung gemäß § 119 BGB komme nicht in Betracht.
30Gegen dieses dem Kläger am 22. Mai 2002 zugestellte Urteil hat dieser schriftlich beim Landesarbeitsgericht am Montag, dem 24.06.2002 Berufung eingelegt. Diese hat er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.08.2002 am Montag, den 12.08.2002 schriftlich begründet: Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Klagerücknahme ausgegangen. Es habe fehlerhaft die vom Kläger erklärte Klagerücknahme im Verfahren mit dem Aktenzeichen 8 (17) Ca 2490/01 in eine Klagerücknahme des (vorliegenden) Verfahrens 8 Ca 1720/01 umgedeutet. Der Schriftsatz mit der Klagerücknahme vom 20.08.2001 sei an das Arbeitsgericht zu dem Aktenzeichen der Leistungsklage 8 (17) Ca 2490/01 übersandt worden. Die handschriftliche Korrektur des Aktenzeichens auf diesem Schriftsatz stamme nicht von den Prozessbevollmächtigten des Klägers erster Instanz. Sie sei im Arbeitsgericht Köln vorgenommen worden und wohl Ausdruck der dortigen Zuordnung der Klagerücknahme.
31Die Kündigung des Klägers durch die Beklagte sei sozial ungerechtfertigt und unwirksam. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Zuweisung einer Tätigkeit im Bereich der Archivpflege gegenüber dem Kläger, der als Grafikdesigner eingestellt und beschäftigt worden sei, nicht vom Arbeitsvertrag gedeckt und überschreite das Direktionsrecht. Darüber hinaus könne die Weigerung des Klägers, die Archivarbeit zu übernehmen schon aus gesundheitlichen Gründen nicht als Arbeitspflichtverletzung angesehen werden, weil dem Kläger ärztlicherseits von einer Arbeit im Archiv abgeraten worden sei.
32Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
33Köln vom 10.01.2002 - 8 Ca 1720/01 - wird
35a) festgestellt, dass der Rechtsstreit nicht
36durch Klagerücknahme vom 21.08.2002
37erledigt ist;
38b) das Versäumnisurteil vom 08.05.2001 auf-
39gehoben;
40c) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis vom
4101.06.1980 nicht durch die ordentliche
42Kündigung vom 05.02.2001 aufgelöst wurde,
43sondern darüber hinaus ungekündigt fortbe-
44steht.
45Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
46die Berufung zurückzuweisen.
47Mit der Berufungserwiderung trägt sie vor, die Beklagte habe sich bei der Zuweisung anderer Tätigkeiten im Rahmen des ihr zustehenden Direktionsrechts bewegt, eine näher konkretisierende Formulierung der Tätigkeit des Klägers als Grafikdesigner sei nicht erfolgt, so dass ihm jede innerhalb des Berufsbildes liegende Tätigkeit zugewiesen werden könne. Vor dem Hintergrund der mit dem Kläger in den letzten Jahren aufgetretenen Probleme sei die Zuweisung des anderen Aufgabenbereichs auch sachlich gerechtfertigt und für den Kläger nicht unzumutbar. Die Mitarbeiter der Agentur lehnten nämlich die Zusammenarbeit mit dem Kläger wegen unkollegialen Verhaltens ab, zudem habe das Verhalten gegenüber Kunden zu Beanstandungen geführt, auch seien mehrfach Schlechtleistungen vom Kläger
48erbracht worden, z.B. habe er im Dezember 2000 den Auftrag, eine Geburtstagsliste für eine Karnevalsgesellschaft zu erstellen, fehlerhaft und in schlechter Qualität abgeliefert.
49Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
50E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
51Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte, in gesetzlicher Form und Frist eingelegte und begründete, damit zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
52Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO (n.F.) an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen. Auch nach der Neuregelung des Verfahrensrechts zum 01.01.2002 gilt diese Bestimmung im arbeitsgerichtlichen Verfahren gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 im Berufungsverfahren entsprechend. Zwar enthält § 68 ArbGG die Bestimmung, dass wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts die Zurückverweisung unzulässig ist. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Anwendung von § 538 ZPO durch § 68 ArbGG nicht ausgeschlossen wird (BAG AP Nr. 47 zu § 2 ArbGG 1953; Germelmann/Matthes/Prütting, 3. Auflage, § 68 ArbGG, Rdnr. 8). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (a.F.), welche inhaltlich mit der Vorschrift des § 538 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO (n.F.) übereinstimmt, nicht nur in Betracht, wenn das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat. Vielmehr ist eine entsprechende Anwendung auch dann geboten, wenn das Arbeitsgericht den Rechtsstreit als beendet angesehen hat, weil es von dem Vorliegen eines wirksamen Prozessvergleichs ausgegangen ist (BAG AP Nr. 17 zu § 794 ZPO). Diese Auffassung wird vom Bundesarbeitsgericht damit begründet, dass der Streit der Parteien darüber, ob der Rechtsstreit durch Vergleich beendet ist, den in § 538 Abs. 1, 2 ZPO (a.F.) aufgeführten Fällen sehr ähnlich ist, weil das erstinstanzliche Gericht mit seiner mehr oder weniger formalen Entscheidung einer Vorfrage den Streit als beendet angesehen und damit ohne sachliche Prüfung über erhobene Ansprüche entschieden hat. Diese Ähnlichkeit rechtfertige es, die Bestimmung über ihren Wortlaut hinaus auch auf den Fall des Streits über eine Beendigung des Verfahrens durch Vergleich anzuwenden. Andernfalls würden die Parteien einen Tatsacheninstanz verlieren, was durch die Bestimmung des § 538 ZPO vermieden werden solle (BAG a.a.O.; BGH LM Nr. 8 zu § 794 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO).
53Im vorliegenden Verfahren hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zu Unrecht als durch Klagerücknahme beendigt angesehen und deshalb über die Kündigungsschutzklage in der Sache nicht entschieden. Dieser Fall ist ohne weiteres mit dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen vergleichbar, eine Zurückverweisung in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO ist daher geboten. Mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung lässt sich die Auffassung, die Klage sei erstinstanzlich vom Kläger zurückgenommen worden, nicht begründen. Aus dem vom Arbeitsgericht als Klagerücknahme behandelten Schreiben vom 20.08.2001(Bl. 41 GA) ergibt sich zweifelsfrei, dass zunächst die Klagerücknahme maschinenschriftlich zu dem Aktenzeichen 8 (17) Ca 2490/01 und nicht zum Aktenzeichen der vorliegenden Kündigungschutzklage (1720/01) erfolgt ist. Dieses Aktenzeichen ist vielmehr handschriftlich hinzugefügt worden, während das in Maschinenschrift angegebene Aktenzeichen mit einem Kugelschreiber durchgestrichen wurde. Der Berufungskläger hat unbestritten vorgetragen, dass diese handschriftliche Änderung weder von ihm noch von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erster Instanz stammt und daher wohl erst nach Eingang des Schriftsatzes beim Arbeitsgericht erfolgt sein muss. Dieses hatte möglicherweise Schwierigkeiten bei der Zuordnung des Schriftsatzes angesichts der zwei damals zwischen den Parteien erstinstanzlich schwebenden Verfahren gehabt hat. Damit ist aber offensichtlich, dass eine vom Willen der Prozessbevollmächtigten des Klägers getragene Klagerücknahmeerklärung gegenüber dem Arbeitsgericht überhaupt nicht vorliegt, sondern vielmehr lediglich die Klage mit dem Aktenzeichen 2490/01 zurückgenommen werden sollte. Dies war auch für das Arbeitsgericht ohne weiteres erkennbar, weil sich aufgrund der handschriftlichen Änderung des Aktenzeichens auf dem Klägerschriftsatz vom 20.08.2001 dem Gericht die Frage aufdrängen musste, ob diese Änderung tatsächlich auch vom Kläger durchgeführt worden war. Da somit erst durch eine Veränderung des Schriftsatzes außerhalb des Verantwortungsbereichs des Klägers oder seiner Prozessbevollmächtigten erster Instanz der Eindruck entstanden ist, dass eine Klagerücknahme im vorliegenden Verfahren vorliegt, ist das entsprechende Schreiben vom Arbeitsgericht zu Unrecht als Klagerücknahme behandelt worden.
54Die Entscheidung über die Kosten ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die durch den Erlass des erstinstanzlichen Urteils ausgelösten Kosten sind gemäß § 8 GKG niederzuschlagen (vgl. Zöller/Gummer, 23. Auflage, § 538 ZPO, Rdnr. 58).
55R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
56Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsbehelf, § 72 a ArbGG, wird hingewiesen.
57(Rietschel) (Frau Schloß) (Fischer)