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TATBESTAND
2(abgekürzt gem. § 543 Abs. l ZPO)
3Die Parteien - nämlich die beklagte KG, die mit Holdingfunktion einer Unternehmensgruppe der Verpackungsindustrie mit mehreren Standorten in Deutschland angehört und der von ihr seit August 1985 an ihrem Standort in Brühl zuletzt als Sachbearbeiter im Personalbüro beschäftigte, am 19. 07. 1963 geborene Kläger - streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 22. 10. 2000 zum 30. 06. 2001. Die Beklagte hat sie ausgesprochen, weil sie durch Umstrukturierung die Belegschaft ihrer deutschen Standorte in der Zeit von Dezember 1998 bis März 2001 von 769 auf 557 Mitarbeiter verkleinert hat und deshalb - aber auch wegen Aufgabenumverteilung und -entzug im Brühler Personalbüro - die Besetzung des Personalbüros von acht auf sechs Mitarbeiter reduzieren will. Der Kläger hat Kündigungsgründe bestritten sowie Sozialauswahl und Betriebsratsanhörung gerügt.
4Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutz- sowie der Weiterbeschäftigungsklage stattgegeben. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter und erläutert die Hintergründe der Kündigung unter Berufung auf den mit ihrem Betriebsrat unter dem 05. 05. 1999 abgeschlossenen Sozialplan (Bl. 38 ff.). Aus dem Personalbüro genieße nur die Mitarbeiterin Ulrike Busch geringeren Sozialschutz als der Kläger, weil sie um ein Jahr jünger sei; allerdings sei sie mit dem Kläger nicht vergleichbar. Der Betriebsrat sei mit Schreiben vom 13. 10. 2000 (Bl. 33) angehört worden; dort heißt es zum Kündigungsgrund: "Die Auflösung des Anstellungsverhältnisses ist geboten, da in der Personalabteilung durch Umverteilung der Aufgaben zwei Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren werden." Im übrigen behauptet die Beklagte am Ende ihrer Berufungsbegründung, die "zur Vermeidung von Wiederholungen" den bisherigen Sachvortrag auch zum Gegenstand des Berufungsverfahrens macht: "All diese Tatsachen sind dem Betriebsrat bereits bei Anhörung bekannt gewesen oder aber sind ihm von Frau T. im Zusammenhang mit der Anhörung mündlich mit-geteilt worden. Bei seiner Beschlussfassung verfügte er über alle vorstehenden Tatsachen." Die Beklagte, die mittlerweile eine zweite Kündigung, diesmal zum 31. 12. 2001 ausgesprochen hat, derentwegen ein inzwischen ausgesetztes Kündigungsschutzverfahren erstinstanzlich anhängig ist, beantragt,
5die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.
6Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung und wiederholt seine erstinstanzlichen Verteidigungsmittel. Nach wie vor hält er die Betriebsratsanhörung nicht für ordnungsgemäß: Sie genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen .
7Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
8ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
9I. Die Berufung ist unbegründet, soweit es um den Feststellungsantrag geht. Die streitige Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Sie ist unwirksam - jedenfalls nach § 102 Abs. 1 S.3 BetrVG. Die Beklagte hat eine ausreichende Anhörung ihres Betriebsrats vor Ausspruch der streitigen Kündigung nicht vorgetragen.
10Aus dem von ihr vorgelegten Anhörungsschreiben vom 13. 10. 2000 ergibt sich eine solche ausreichende Anhörung nicht. Denn diese setzt voraus, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat "die Gründe für die Kündigung" mitteilt (§ 102 Abs. 1 S.2 BetrVG). Das kann dem Anhörungsschreiben nicht entnommen werden. Dass "zwei Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren werden", ist keine Begründung, sondern eine Tautologie. Die Angabe, dass dies "durch Umverteilung der Aufgaben" geschehen soll, verschweigt, welche Aufgaben gemeint sind und wie deren Umverteilung erfolgen soll.
11Dieser schon vom Arbeitsgericht angekreidete Mangel im Vortrag wird nicht durch die Ergänzung in der Berufungsbegründung behoben, "all diese Tatsachen sind dem Betriebsrat bereits bei Anhörung bekannt gewesen oder aber sind ihm von Frau T. im Zusammenhang mit der Anhörung mündlich mitgeteilt worden." Dieser Vortrag ist sowohl unsubstantiiert als auch unschlüssig:
12Er ist unsubstantiiert, weil unklar bleibt, was "all diese Tatsachen" sind - ob es z.B. die Tatsache ist, "dass der Kläger unter dem 20. 11. 2000 bereits ein Zwischenzeugnis erhalten hat" (Schriftsatz vom 02. 03. 2001) oder dass der Kläger "keinen Überblick über die personellen Maßnahmen bei seiner Arbeitgeberin" hat (Schriftsatz vom 24. 04. 2001). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus einer Fülle von Tatsachen das herauszusuchen, was die Beklagte gemeint haben könnte. Der Vortrag ist aber auch deshalb unsubstantiiert, weil verschwiegen wird, wann dem Betriebsrat welche Tatsache wodurch bekannt geworden ist und wann ihm welche Tatsache von Frau T. in welcher Form mitgeteilt worden sein soll. Unsubstantiiert ist der Vortrag vor allem aber auch deshalb, weil infolge der Verknüpfung "oder aber" völlig unklar bleibt, welche der nicht näher bezeichneten Tatsachen dem Betriebsrat nun eigentlich mitgeteilt wurden und welche ihm ohnehin - wodurch auch immer - bekannt waren.
13Vor allem aber ist der Vortrag der Beklagten unschlüssig: Die Beklagte spricht nämlich nicht von Kenntnis oder Mitteilung der Gründe. sondern von Kenntnis und Mitteilung von Tatsachen. Das reicht nicht aus; denn § 102 Abs. 1 S.2 BetrVG fordert die Mitteilung der "Gründe" für die Kündigung. Gründe und Tatsachen sind aber nicht dasselbe. Zu "Gründen" werden Tatsachen erst dann, wenn der Arbeitgeber sie zu Gründen erhebt, wodurch der Begriff eine subjektive Komponente erfährt. Die Rechtsprechung spricht deshalb auch davon, dass die Betriebsratsanhörung "subjektiv determiniert" sei (KR-Etzel, 6. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 62), was bedeutet, dass der Arbeitgeber seine Motive für seinen Kündigungsentschluss mitteilen muss. Aus der Fülle aller Tatsachen, die dem Betriebsrat bekannt sind, können das immer nur einige sein - so wie es andererseits auch nur vermeintliche oder nur gemutmaßte Tatsachen sein können. Daraus folgt:
14Die Kenntnis des Betriebsrats von Tatsachen besagt noch nichts über seine Kenntnis von den Gründen für die Kündigung, solange er nicht weiß, ob sie für den Arbeitgeber auch Gründe sind. Das hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat klarzumachen - es sei denn, der Betriebsrat weiß aus anderen Quellen um die kausale Rolle dieser Tatsachen. Der Betriebsrat muss wissen oder vom Arbeitgeber im Anhörungsverfahren darauf hingewiesen werden, auf welche Tatsachen die Kündigung gestützt werden soll (KR-Etzel, 6. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 69). Das diese Voraussetzung erfüllt ist, kann dem Beklagtenvortrag nicht entnommen werden.
15Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.