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1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des bereits erteilten Arbeitszeugnisses vom 31.03.2024 ein neues Zeugnis mit folgendem Wortlaut zu erteilen:
Zeugnis
Herr E, geboren am 1980, war seit dem 01.07.2020 als vollzeitbeschäftigter Bezirkssozialarbeiter im Amt für Kinder, Jugendliche und Familien - Jugendamt -, in der Abteilung Soziale Dienste bei der Stadt T beschäftigt.
Die Abteilung Soziale Dienste des Jugendamtes der Stadt T als größte kreisangehörige Stadt im R mit einer Einwohnerzahl von ca. 79.000 Einwohner*innen ist bezirksräumlich ausgerichtet und organisiert.
Die Abteilung ist in den Sozialen Dienst (SD) - bezirksräumlich in drei Stadtteilteams organisiert -, den Kinderschutzfachdienst (KSD) - gesamtstädtisch spezialisiert - sowie die Besonderen Sozialen Dienste mit den Aufgabengebieten Pflegekinderdienst, Jugendhilfe im Strafverfahren, Fachdienst unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) und das Betreute Wohnen gegliedert.
Herr E war von Beginn seiner Tätigkeit an im Stadtteilteam I mit bezirksräumlicher Zuständigkeit für die Stadtteile T, A, E und O mit insgesamt ca. 29.150 Einwohner*innen eingesetzt.
Seit dem 01.05.2021 übernahm Herr E aufgrund einer Elternzeitvertretung mit 50 % Stellenanteil kommissarisch die Funktion der Teamleitung in Stadtteilteam I. Mit Wirkung vom 01.02.2023 wurde Herrn E die Teamleitung des Stadtteilteams I vollständig übertragen.
Zu den wesentlichen Aufgabenschwerpunkten einer sozialpädagogischen Fachkraft im Sozialen Dienst gehören:
• Beratung von Eltern, Erziehungs-, Personensorgeberechtigten, Kindern und Jugendlichen im Sinne des § 1 SGB VIII
• Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung gemäß § 17 SGB VIII
• Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts gemäß § 18 SGB VIII
• Anspruchsbegründende Abklärung und Einleitung von ambulanten, teilstationären und vollstationären Hilfen zur Erziehung für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern sowie junge Volljährigen
• Wahrnehmung des Kinderschutzes (Garantenpflicht) im Sinne des § 8a sowie Krisenintervention und Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII
• Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie gemäß § 16 SGB VIII
• Vermittlung in gemeinsame Wohnformen für Eltern und deren Kinder gemäß § 19 SGB VIII
• Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen gemäß § 20 SGB VIII
• Fallverantwortliche Hilfeplanung und -steuerung gemäß § 36 SGB VIII im Bereich der ambulanten, teilstationären und stationären Hilfen zur Erziehung i.V.m. §§ 27 und 41 SGB VIII sowie bei Eingliederungshilfen gemäß § 35a SGB VIII
• Mitwirkung in Verfahren vor dem Familiengericht gemäß § 50 SGB VIII
• Erstellung von fachlichen Stellungnahmen für das Familiengericht
Ein weiterer Schwerpunkt des Sozialen Dienstes ist die Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Stellen/ Institutionen der Jugend-, Sozial- und Gesundheitshilfe sowie mit Kindertagesstätten, Schulen, offener Ganztagsbetreuung, dem Frauenhaus, Amtsgerichten, dem Ordnungsamt und der Polizei.
In der Funktion der Teamleitung für das Stadtteilteam I war Herr E für ein Team mit bis zu sechs sozialpädagogischen Fachkräften verantwortlich. Die Verantwortungsbereiche in dieser Funktion beinhalten im Wesentlichen die Leitung des Teams im Sinne der Konzeption der Abteilung Soziale Dienste sowie der Aufgaben und Ziele des Sachgebietes mit den Verantwortungsbereichen: Mitarbeiterführung, Sicherstellung und Umsetzung der Pädagogischen Konzeption sowie der damit verbundenen Qualitätsmanagementbereiche, planvolle Koordination der Arbeit im Team, Gestaltung und Sicherstellung der organisatorischen Abläufe, Sicherstellung des Controllings für die pädagogischen Prozesse sowie eine verbindliche und verlässliche interne und externe Kommunikation und Außenvertretung als Teamleitung.
Herr E verfügt über ein solides Fachwissen, das er zur Bewältigung seiner Aufgaben einsetzte. Er führte seine Aufgaben selbständig, effizient und sorgfältig aus. Seine Arbeitsqualität war überdurchschnittlich. Herr E bewies Belastbarkeit und Flexibilität und fand sich in neuen Situationen zurecht. Er zeigte Engagement und Initiative. Auch bei hohem Arbeitsanfall erwies er sich als belastbarer Mitarbeiter. Er arbeitete zuverlässig und selbständig. Herr E galt als Teamleitung, die es verstand, ihre Mitarbeitenden zu fördern, zu informieren und Aufgaben sowie Verantwortung zu delegieren.
Aufgrund der gegen Herrn E laufenden Ermittlungsverfahren erhielt die Stadt T aus gefahrenabwehrenden Gründen die Empfehlung, Herrn E alle Zugriffsmöglichkeiten auf Kinder und Jugendliche zu verwehren. Diesbezüglich wurde Herr E ab dem 27.12.2023 befristet bis zum 01.02.2024 im Rahmen einer Abordnung im Amt für Soziales, Wohnen und Integration, Sachgebiet Wohnungswesen, eingesetzt. Folgende Aufgaben, ohne Kontakt zu Kindern und Jugendlichen, fielen in den Tätigkeitsbereich:
• Unterbringung in den städtischen Notunterkünften für Obdachlose
• Präsenz in den Notunterkünften
• Beratung und Hilfestellung für die Bewohner*innen der Notunterkünfte
• Ansprechpartner für unfreiwillige Obdachlose
• Beratung von Wohnungsnotfällen
• Unterstützung von Räumungsklagen
• Begleitung von Zwangsräumungen
• Unterstützung bei der Wohnungssuche
• Zusammenarbeit mit anderen Diensten (SPZ, SKM, Diakonie, u.a.)
• Führen und Weitergabe von Landes- und Bundesstatistiken
• Verfassen des jährlichen Obdachlosenberichtes
Sein Verhalten zu Führungskräften, Kolleg*innen, Klient*innen und Externen war einwandfrei.
Herr E erfüllte seine Aufgaben zu meiner vollen Zufriedenheit.
Aufgrund der gegen Herrn E eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Inhalte sah ich mich gezwungen, das Arbeitsverhältnis fristgerecht mit Ablauf des 31.03.2024 zu beenden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
4. Der Kläger hat von den Kosten des Rechtsstreits 80 Prozent zu tragen, die Beklagte 20 Prozent.
5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.400,00€ festgesetzt.
Tatbestand
2Die Parteien stritten um eine Zeugnisberichtigung.
3Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.07.2020 als vollzeitbeschäftigter Bezirkssozialarbeiter beschäftigt und verdiente ca. 4.400,00 € brutto pro Monat. Dabei war er unter anderem für die Wahrnehmung des Kinderschutzes, der Krisenintervention und der Inobhutnahme von entsprechend gefährdeten Kindern und die Betreuung von Kindern in Notsituationen verantwortlich.
4Unter dem 24.08.2022 erteilte die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis mit folgendem Inhalt:
5Am 22.12.2023 kam es zu einer Durchsuchung der dienstlichen Räume sowie der Wohnung des Klägers durch die Kriminalpolizei. Das Diensthandy des Klägers wurde beschlagnahmt. Die Durchsuchung erfolgte aufgrund des Verdachts, dass der Kläger im Besitz kinderpornographischer Schriften ist.
9Der zugrundeliegende Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 21.12.2023 führte insoweit auszugsweise aus:
10„Es besteht der Tatverdacht, dass der Beschuldigte im Besitz kinderpornographischer Schriften ist.
11Der Tatverdacht ergibt sich aus den polizeilichen Ermittlungen. Im Rahmen einer Auswertung des Mobilfunktelefons des gesondert verfolgten G konnte ein Chat festgestellt werden, in dem dieser dem Beschuldigten in dem Zeitraum vom 27.07. bis 05.08.2021 mehrere kinder- und jugendpornographische Dateien übersandte und der Beschuldigte die Zusendung kommentierte. Auf den Dateien waren männliche Jungen nackt, posend oder masturbierend abgebildet. Durch weitere Ermittlungen konnte festgestellt werden, dass die Rufnummer seit dem 25.06.2021 durch den Beschuldigten E benutzt wird. Es handelt sich um das ihm zugeordnete dienstliche Mobiltelefon.“
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Durchsuchungsbeschlusses wird auf Bl. 57-59 der Akte Bezug genommen.
13Die Beklagte erhielt einen Polizeibericht, worin empfohlen wurde, dem Kläger jeglichen Zugriff auf Kinder und Jugendliche zu verweigern. In dem Bericht ging es auch um ein früheres Ermittlungsverfahren wegen eines ähnlichen Vorfalls aus dem Jahr 2017.
14Das Strafverfahren gegen den Kläger ist noch nicht abgeschlossen.
15Über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigten sich die Parteien vergleichsweise im Vorprozess (Aktenzeichen 1 Ca 214/24), nachdem die Beklagte unter dem 01.02.2024 eine außerordentliche fristlos, hilfsweise ordentlich Kündigung ausgesprochen hatte.
16Danach erteilte die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis mit folgendem Inhalt:
17Mit der am 13.09.2024 beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen und der Beklagten am 18.09.2024 hat der Kläger die Berichtigung des Zeugnisses vom 31.03.2024 verlangt.
21Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm ein korrigiertes Arbeitszeugnis zu erteilen. Die Passagen, in denen das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren erwähnt sind, seien zu entfernen. Dass Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig sind bzw. waren, stelle keine Tatsache dar, die in ein Zeugnis aufzunehmen seien. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit gebiete die Angabe von Tatsachen, nicht dagegen von Behauptungen oder Verdachtsmomenten. Die Ermittlungsverfahren ließen den zugrundeliegenden Verdacht nicht bereits zur Tatsache werden. Arbeitszeugnisse würden etwas „Endgültiges“ darstellen, dass dem betroffenen Arbeitnehmer in der Regel während der Dauer seines weiteren Berufslebens anhaftet und sein Fortkommen entscheidend hemmen könne. Daher verstoße die Angabe von laufenden Ermittlungsverfahren in dem Zeugnis gegen den Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung. Im vorliegenden Fall sei eine Straftat nicht nachgewiesen. Dies sei nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen auch nicht zu erwarten bzw. habe sich dies nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen abschließend nicht ergeben.
22Die im Rahmen einer Einigung zwischen den Arbeitsvertragsparteien geschlossene Vereinbarung darüber, dass bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses eine Freistellung erfolgte, gehöre nicht in das Arbeitszeugnis. Es entspreche auch nicht der Wahrheit, dass der Kläger von der Beklagten ab dem 01.02.2024 freigestellt wurde. Vielmehr wurde er rechtswidrig fristlos gekündigt. Auf die Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses hätten sich die Parteien in dem Kündigungsschutzklageverfahren geeinigt.
23Da das ihm erteilte Zwischenzeugnis gut gewesen ist, müsse die Beklagte ihm auch ein gutes Endzeugnis erteilen. Die Gründe für ein Abweichen in der Beurteilung habe sie nicht hinreichend dargelegt. Er habe in der weiteren Beschäftigungszeit keinen Anlass gegeben, ihn schlechter zu beurteilen, als dies in dem Zwischenzeugnis geschehen ist.
24Der Kläger beantragt,
25die Beklagte zu verurteilen, dass dem Kläger mit Datum vom 31.03.2024 erteilte Zeugnis wie folgt zu berichtigen und neu zu erteilen:
26Die Passagen
27„Herr E verfügt über ein solides Fachwissen, dass er zur Bewältigung seiner Aufgaben einsetzte. Er führte seine Aufgaben selbstständig, effizient und sorgfältig aus. Seine Arbeitsqualität war überdurchschnittlich. Herr E bewies Belastbarkeit und Flexibilität und fand sich in neuen Situationen zurecht. Er zeigte Engagement und Initiative. Auch bei hohem Arbeitsanfall erwies er sich als belastbarer Mitarbeiter. Er arbeitete zuverlässig und selbständig. Herr E galt als Teamleitung, die es verstand, ihre Mitarbeitenden zu fördern, zu informieren und Aufgaben sowie Verantwortung zu delegieren.“
28„Aufgrund der gegen Herrn E laufenden Ermittlungsverfahren erhielt die Stadt T aus gefahrenabwehrenden Gründen die Empfehlung, Herrn E alle Zugriffsmöglichkeiten auf Kinder und Jugendliche zu verwehren. Diesbezüglich wurde E ab dem 27.12.2023 befristet bis zum 01.02.2024 im Rahmen einer Abordnung im Amt für Soziales, Wohnen und Integration, Sachgebiet Wohnungswesen, eingesetzt. Folgende Aufgaben ohne Kontakt zu Kindern und Jugendlichen, fielen in den Tätigkeitsbereich:“
29„Sein Verhalten zu Führungskräften, Kolleg*innen und Klient*innen war einwandfrei. Herr E erfüllte seine Aufgaben zu meiner vollen Zufriedenheit.“
30„Mit Wirkung vom 01.02.2024 wurde E vom Dienst freigestellt. Aufgrund der gegen Herrn E eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Inhalte sah ich mich gezwungen, dass Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.03.2024 zu beenden.“
31werden gestrichen und / bzw. ersetzt durch
32In dieser Situation hat er sich innerhalb kürzester Zeit eingearbeitet, eine sehr hohe Anzahl an Fällen übernommen und stets sicher geführt. In der Funktion der der kommissarischen Teamleitung nahm er die personell, konzeptionell, organisatorisch und administrativ erforderlichen Entwicklungsanforderung stets motiviert an.
33Herr E verfügte über ein umfassendes und fundiertes Fachwissen, dass er jederzeit gut in die Praxis umzusetzen wusste.
34Mit einem guten Blick für das Wesentliche führte er seine Aufgaben immer planvoll, methodisch und gründlich aus und bewies ein gutes Organisationsgeschick. Die Arbeitsbeziehung zu Klienten gestaltete er jederzeit transparent, wertschätzend, ressourcen- und lösungsorientiert sowie gegebenenfalls mit der notwendigen Klarheit und Konsequenz.
35Auch in sehr schwierigen und komplexen Situationen gelang es ihm gut, deeskalativ und pragmatisch vorzugehen und seinen Standpunkt jederzeit fachlich fundiert zu vertreten. Dabei wahrte Herr E intern wie extern immer die Interessen der Abteilung.
36Seine Arbeitsergebnisse waren auch bei wechselnden Anforderungen und unter sehr schwierigen Bedingungen stets von guter Qualität. Er verfügt über ein gutes analytisch-konzeptionelles und zugleich pragmatisches Urteils- und Denkvermögen. Neue Situationen meisterte er stets gut und sicher.
37Herr E war ein stets motivierter Mitarbeiter. Schwierige Aufgaben ging er mit Elan an und fand dabei sinnvolle und praktikable Lösungen. Auch in Situationen mit sehr hohem Arbeitsaufkommen erwies er sich als sehr belastbarer Mitarbeiter und ging jederzeit überlegt, ruhig und zielorientiert vor. Er arbeitete stets zuverlässig und gewissenhaft.
38Herr E erfüllte die ihm übertragenen Aufgaben stets zu meiner vollen Zufriedenheit.
39Herr E verfügt über natürliche Autorität und sehr gute Integrationsfähigkeiten. Er wurde von seinen Mitarbeiter*innen anerkannt und geschätzt und war gut in der Lage, die Mitarbeiter*innen und entsprechend ihrer Fähigkeiten einzusetzen und mit ihnen gute Leistungen zu erzielen. Die Zusammenarbeit mit der Amtsleitung gestaltete Herr E verbindlich und jederzeit konstruktiv, transparent und loyal.
40Sein persönliches Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kolleg*innen, Mitarbeiter*innen und Externen war vorbildlich. Er wurde sehr geschätzt.
41Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger, fristgemäßer Kündigung.
42Die Beklagte beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Die Beklagte behauptete, dass gemäß dem Durchsuchungsbeschluss in einem Chat eines weiteren Beschuldigten mit dem Kläger auf dem von ihm genutzten Diensthandy kinderpornographische Bilder gefunden worden seien. Sie ist der Ansicht, dass sie aufgrund des Umstandes, dass gegen den Kläger bereits zum zweiten Mal ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften eingeleitet worden sei, dies in das Zeugnis aufzunehmen habe. Dies vor dem Hintergrund, dass der Kläger aufgrund seiner Ausbildung jederzeit wieder eine Tätigkeit mit Kindern aufnehmen könne und dieser Sachverhalt einem etwaigen neuen Arbeitgeber nicht verschwiegen werden dürfe. Die gegen den Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung laufenden Ermittlungsverfahren stünden in einem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Jugendamt. Es sei in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Erwähnung eines solchen Ermittlungsverfahrens im Arbeitszeugnis nicht nur erfolgen kann, sondern aus Haftungsgründen gegenüber dem neuen Arbeitgeber sogar erfolgen müsse.
45Sofern das Ermittlungsverfahren eingestellt oder ein Freispruch erwirkt werden sollte, könne der Kläger dies durch Vorlage des entsprechenden Gerichtsbeschlusses gegenüber einem neuen Arbeitgeber nachweisen.
46Darüber, dass die erfolgte Freistellung nicht, wohl aber die vergleichsweise erfolgte Einigung auf eine fristgerechte Kündigung im Zeugnis erscheinen solle, sei sie aufgrund der zu beachtenden Zeugniswahrheit verwundert.
47Die Leistungen des Klägers hätten sich in dem Jahr nach Erteilung des Zwischenzeugnisses erheblich verschlechtert, weshalb die gewählte Bewertung zutreffend sei. Des Weiteren seien nach dem Ausscheiden bzw. der Freistellung viele Schlechtleistungen des Klägers ans Licht gekommen, die zum Zeitpunkt der Erteilung des Zwischenzeugnisses nicht bekannt gewesen seien. Nach Auffassung des Fachamtes seien die Leistung und das Verhalten des Klägers zuletzt bestenfalls mit einem „ausreichend" zu bewerten. Aus Gründen des Wohlwollens sei diese Einschätzung zugunsten des Klägers auf ein „Befriedigend" heraufgesetzt worden.
48Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
49Entscheidungsgründe
50Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
51Dem Kläger war kein Schriftsatznachlass zu gewähren, da das Schreiben der Beklagten vom 22.01.2025 kein Vorbringen enthält, auf das sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erklären konnte, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Darüber hinaus enthält dieser Schriftsatz keinen neuen entscheidungsrelevanten Vortrag.
52I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit dem tenorierten Inhalt. Die Beklagte erfüllte ihre Verpflichtung nach § 109 I 1, 3 GewO nicht, indem sie dem Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das qualifizierte Zeugnis vom 31.03.2024 mit den teilweise zu Recht beanstandeten Formulierungen erteilte. Sein Anspruch ist deshalb nicht gem. § 362 I BGB erloschen.
1. Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht. Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss sich das Zeugnis auf Führung (Verhalten) und Leistung erstrecken (qualifiziertes Zeugnis), § 109 I 3 GewO. Dabei richtet sich der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl (st. Rspr., vgl. BAGE 97, 57 = NZA 2001, 843 = NJW 2001, 2995 [zu B I 2 a]). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt (vgl. bereits BAGE 24, 112 = NJW 1972, 1214). Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 II GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit (vgl. BAGE 108, 86 = NZA 2004, 842 = NJW 2004, 2770 [zu III 2]). Genügt das erteilte Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen (vgl. mwN. BAG, Urt. v. 15. 11. 2011 − 9 AZR 386/10, NZA 2012, 448, beck-online).
2. Diesen Anforderungen genügt das bereits erteilte Arbeitszeugnis nicht vollständig, weshalb dem Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeugnisses vom 31.03.2024 ein neues Zeugnis mit dem tenorierten Wortlaut zu erteilen ist.
a. Nicht in das Zeugnis aufzunehmen ist die Formulierung: „Mit Wirkung vom 01.02.2024 wurde Herr E vom Dienst freigestellt.“ Diese Formulierung entspricht nicht der Wahrheit, da der Kläger nicht am 01.02.2024 freigestellt, sondern – wenn auch unwirksam – außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt worden ist. Erst durch den gerichtlichen Vergleich vom 29.02.2024 vereinbarten die Parteien, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen, fristgemäßen Kündigung der Beklagten vom 01.02.2024 mit Ablauf des 31.03.2024 sein Ende finden wird und dass der Kläger bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Fortzahlung seiner vertragsgemäßen Vergütung und unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen und Überstunden von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt ist. Mithin war der Kläger seit dem 29.02.2024 und nicht bereits seit dem 01.02.2024 freigestellt. Eine rückwirkende Freistellung vereinbarten die Parteien nicht.
b. Des Weiteren ist der Satz „Sein Verhalten zu Führungskräften, Kolleg*innen und Klient*innen war einwandfrei.“ zu ersetzen durch die Formulierung „Sein Verhalten zu Führungskräften, Kolleg*innen, Klient*innen und Externen war einwandfrei.“ Dies, da die ergänzende Aufnahme des Begriffs Externe für die Beklagte nach ihrer Einlassung im Kammertermin unproblematisch und somit vom Wohlwollen des Arbeitgebers getragen ist.
c. Nicht zu ersetzen ist das Wort einwandfrei durch das Wort vorbildlich, da es sich um Synonyme handelt und der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht den Wortlaut des Zeugnisses vorgeben kann.
d. Ebenfalls nicht in das Zeugnis aufzunehmen ist die Formulierung: „Er wurde sehr geschätzt.“ Dies, da für die erkennende Kammer nicht ersichtlich ist, dass dies der Wahrheit entspricht. Vom Kläger wurde nicht substantiiert dazu vorgetragen, von wem bei der Beklagten er sehr geschätzt worden sein soll.
Ein Anspruch auf Aufnahme der Formulierung folgt auch nicht draus, dass das Zwischenzeugnis eine entsprechende Formulierung enthält. Zwar gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Arbeitgeber bei der Erteilung eines Endzeugnisses in der Regel an den Inhalt eines zuvor von ihm erteilten Zwischenzeugnisses gebunden ist, soweit die zu beurteilenden Zeiträume identisch sind. Schließt sich nach der Erteilung des Zwischenzeugnisses ein weiterer im Endzeugnis zu beurteilender Zeitraum an, darf der Arbeitgeber vom Inhalt des Zwischenzeugnisses nur abweichen, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers das rechtfertigen (vgl. BAG, Urteil vom 16. 10. 2007 - 9 AZR 248/07, NZA 2008, 298, beck-online).
67Der vorliegende Sachverhalt stellt die Ausnahme von der Regel dar, sodass die Beklagte im Endzeugnis von der Formulierung im Zwischenzeugnis abweichen darf. Fest steht gemäß § 138 III ZPO, dass der Kläger sich auf sein Diensthandy kinderpornographische Bilder schicken ließ.
68Die Partei eines Zivilprozesses unterliegt der Wahrheitspflicht des § 138 I ZPO, die allenfalls insofern Einschränkungen erfährt, als die Partei sich selbst oder einen Angehörigen einer Straftat oder Unehrenhaftigkeit bezichtigen müsste (vgl. MüKoZPO/Fritsche, 5. Aufl., § 138 Rn. 14; Stein/Jonas/Kern, ZPO, 23. Aufl., § 138 Rn. 13; Zöller/Greger, ZPO, 16. Aufl., § 138 Rn. 3; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 15; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 38. Aufl., § 138 Rn. 7; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 138 Rn. 3). Hat die Partei in dieser Konstellation die Möglichkeit, von (wahrheitsgemäßen) Angaben abzusehen, so hat sie die mit dem Verzicht auf den entsprechenden Vortrag verbundenen prozessualen Folgen – etwa das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung – in Kauf zu nehmen (vgl. BVerfGE 56, 37 [44] = NJW 1981, 1431; MüKoZPO/Fritsche, § 138 Rn. 14; Gerken in Wieczorek/Schütze, § 138 Rn. 15; Zöller/Greger, § 138 Rn. 3). So verhält es sich im Fall der Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast; die betroffene Partei hat die nachteiligen Folgen ihres unzureichenden Vortrags zu tragen, weil ihr einfaches Bestreiten unwirksam ist und die Geständniswirkung des § 138 III ZPO eintritt (vgl. mwN. BGH, Urteil vom 30.3.2017 – I ZR 19/16, NJW 2018, 65, Rn. 27).
69Zu dem Vortrag der Beklagten, wonach der Kläger sich auf sein Diensthandy kinderpornographische Bilder schicken ließ, hat er sich weder schriftsätzlich noch im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Kammertermin eingelassen. Der diesbezügliche Tatsachenvortrag, der durch die Ausführungen im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 21.12.2023 konkretisiert wird, gilt gemäß § 138 III ZPO als zugestanden. Fest steht damit, dass der Kläger sich im Zeitraum vom 27.07. bis 05.08.2021 mehrere kinder- und jugendpornographische Dateien, auf denen männliche Jungen nackt, posend oder masturbierend abgebildet wurden, auf sein Diensthandy schicken ließ. Davon, dass derjenige, der ein entsprechendes Verhalten an den Tag legt, von bzw. bei seinem Arbeitgeber sehr geschätzt wird, ist nicht auszugehen.
70e. Aufgrund dieser Tatsache ist auch die im Zeugnis erfolgte Beurteilung der Arbeitsleistung des Klägers nicht abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.
Unproblematisch ist insoweit, dass dieses Verhalten bereits im dem Zeitraum erfolgte, für den das Zwischenzeugnis geschrieben wurde. In Ergänzung der zuvor aufgezeigten, richtigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist festzustellen, dass ein Arbeitgeber, wenn er nach Erteilung eines Zwischenzeugnisses von Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Beurteilung im Zwischenzeugnis als unzutreffend erweisen, nicht mehr an das Zwischenzeugnis und die darin enthaltene Bewertung gebunden ist und die übliche Darlegungs- und Beweislast bezogen auf die Beurteilung im Arbeitszeugnis gilt. Der Arbeitgeber muss dann nicht mehr darlegen und beweisen, dass die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers nach der Erteilung des Zwischenzeugnisses bis zum im Endzeugnis zu beurteilenden Zeitraum dies rechtfertigen. Sobald feststeht, dass die Beurteilung im Zwischenzeugnis falsch ist, gelten wieder die allgemeinen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast. Dies bedeutet, dass wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis bescheinigt, er habe seine Leistungen „zur vollen Zufriedenheit“ erbracht, der Arbeitnehmer im Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen hat, die eine bessere Schlussbeurteilung rechtfertigen sollen (BAG, Urt. v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13 , NZA 2015, 435 ff.).
73Das Zwischenzeugnis ist im Hinblick auf die Beurteilung des Klägers erkennbar falsch. Dass derjenige, der sich kinder- und jugendpornographische Dateien auf sein Diensthandy schicken lässt, insgesamt keine guten Arbeitsleistungen erbringt, ist selbsterklärend. Genauso wie es selbstverständlich ist, dass man sich derartige Inhalte gar nicht schicken lässt, stellt es immer eine massive Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar, wenn man sich derartiges Material auf sein Diensthandy schicken lässt. Vom Kläger ist nicht dazu vorgetragen, wieso er trotz dieser massiven Pflichtverletzung insgesamt eine überdurchschnittliche Arbeitsleistung erbracht haben soll. Wie man bei einer derartigen Pflichtverletzung auf die Idee kommt, ernsthaft ein gutes Zeugnis einzufordern, ist schlicht nicht nachvollziehbar.
74f. Auch die Ausführungen der Beklagten zu den gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahren und dem Kündigungsgrund sind nicht aus dem Arbeitszeugnis zu streichen.
(1) Die Frage, ob ein Ermittlungsverfahren in ein Arbeitszeugnis aufgenommen werden darf oder nicht, ist in der Rechtsprechung und Literatur stark umstritten.
77Das Bundesarbeitsgericht hat in einer bereits älteren Entscheidung im Leitsatz insoweit ausgeführt:
78„Läuft gegen einen als Heimerzieher beschäftigten Angestellten ein Strafverfahren wegen sittlicher Verfehlungen des Heimerziehers an seinen Pfleglingen, so kann der Heimerzieher nach seiner Entlassung von seinem bisherigen Arbeitgeber nicht verlangen, daß dieser in einem Zeugnis über Führung und Leistung des Heimerziehers das Strafverfahren unerwähnt läßt. Das gleiche gilt für Auskünfte, die der bisherige Arbeitgeber solchen Stellen erteilt, die eine Anstellung des Heimerziehers in seinem bisherigen Beruf in Betracht ziehen.“ (vgl. BAG, Urteil vom 05.08.1976 - 3 AZR 491/75, AP BGB § 630 Nr. 10).
79Das OLG Oldenburg führt in seinem Beschluss vom 23. Juli 2021 - 1 Ws 190/21 zur Frage der Verantwortlichkeit einer Klinikleitung für spätere Tötungsdelikte ihres vormaligen Krankenpflegers in einem anderen Klinikum bei Nichterwähnung von Verdachtsmomenten im Arbeitszeugnis aus:
80„Gemessen an diesen Maßstäben erscheint es zweifelhaft, ob das Arbeitszeugnis für II dem Gebot der Zeugniswahrheit und -klarheit entspricht. Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen haben insbesondere die das Zeugnis ausstellenden Angeschuldigten DD und AA spätestens Ende Oktober 2001 erkannt, dass II Patienten in reanimationspflichtige Zustände gebracht und somit deren Leben gefährdet hat. Durch das Verschweigen eben dieses, einen Krankenpfleger völlig disqualifizierenden Umstands unter zeitgleicher Erwähnung nur der günstigen, auf ein – so wörtlich – „umsichtiges“, „gewissenhaftes“, „überlegt und sachlich richtiges“ Arbeitsverhalten hinweisenden Tatsachen ist die Annahme durchaus berechtigt, dass diese Angeschuldigten beim Ausstellen des Zeugnisses pflichtwidrig gehandelt haben. Denn eine durch das Verschweigen etwaiger strafbarer Handlungen zum Ausdruck kommende wohlwollende Gesinnung zugunsten des Arbeitnehmers auf Kosten anderer, zukünftiger Arbeitgeber begründet einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.1970 – VI ZR 193/69, NJW 1970, 2291 <2292>; ferner eine Sittenwidrigkeit annehmend RG, Urteil vom 17.04.1905 – 329/04 VI, JW 1905, 369; OLG München, Urteil vom 30.03.2000 – 1 U 6245/99, BeckRS 2000, 31362731). Beiden Angeschuldigten DD und AA muss bei Zeugnisausstellung klar gewesen sein, dass es für einen zukünftigen Arbeitgeber ersichtlich von Bedeutung ist, nur eine solche Pflegekraft einzustellen, deren einwandfreie Führung und Leistung es erlaubt, diesem das Wohl von hilfebedürftigen Patienten anzuvertrauen; ein Zeugnis in dieser Form hätten sie daher ohne Erwähnung ihres Kenntnisstandes von den bisherigen internen Ermittlungen zu den reanimierungspflichtigen Vorgänge um II (etwa „CC-Liste“; „Kaliumkonferenz“) wohl kaum ausstellen dürfen (vgl. BAG, Urteil vom 05.08.1976 – 3 AZR 491/75, AP BGB § 630 Nr. 10 m. Anm. Schnorr von Carolsfeld; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.11.2007 – 11 Sa 53/07, juris Rn. 32).
81Dementsprechend dürfte auch eine Pflicht zur Aufnahme eines dahingehenden Tatverdachts in das Arbeitszeugnis bestanden haben – und zwar gerade auch vor dem Hintergrund des vorstehend zitierten Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 5. August 1976 (a.a.O.): Jene Entscheidung hatte den Schadensersatzanspruch eines pädagogischen Mitarbeiters wegen der Erstellung eines aus seiner Sicht unrichtigen Zeugnisses zum Gegenstand. Gegen den Kläger hatte der (bisherige) Arbeitgeber zuvor eine Strafanzeige wegen sexueller Übergriffe auf von ihm betreute Jugendliche erstattet. Obwohl das daraufhin eingeleitete Strafverfahren mangels Tatverdachts mit einem rechtskräftigen Freispruch geendet hatte, hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass der Kläger von seinem Arbeitgeber nicht habe verlangen können, dass dieser das Strafverfahren in seinem Zeugnis über Führung und Leistung hätte unerwähnt lassen dürfen.
82In Ansehung dieses Maßstabs und unter Zugrundelegung der in der Anklageschrift erwähnten Erkenntnisse hätte eine mögliche Erstattung einer Strafanzeige gegen II wegen des Verdachts der Tötungen im AA Klinikum im Zeugnis Erwähnung finden müssen, auch wenn – wie in dem vom Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) entschiedenen Fall – sich der Tatverdacht im Nachhinein nicht erhärten sollte. Dabei dürfte es – entgegen der Ansicht von Prof. Dr. JJ in seinem von der Verteidigung im Zwischenverfahren vorgelegten Gutachten – in Ansehung des Grundsatzes der Zeugniswahrheit und -klarheit keinen Unterschied machen, ob eine Strafanzeige tatsächlich erstattet wurde oder nicht. Denn das berechtigte und verständige Interesse des (künftigen) Arbeitgebers an der Kenntnis strafbarer Handlungen des Arbeitnehmers kann – wie hier – bei einem erheblichen Tatverdacht und angesichts der Schwere des im Raume stehenden Vorwurfs nicht allein von der Zufälligkeit oder dem Belieben des (bisherigen) Arbeitgebers abhängen, ob sich dieser zu einer Strafanzeige entschließt oder nicht. Dies gilt um so mehr, als vorliegend im Zuge interne Ermittlungen bereits explizit die Frage nach Einschaltung der Ermittlungsbehörden aufgeworfen wurde, so dass die Erwähnung derartiger Umstände im Zeugnis mehr als nahegelegen hätte.“ (vgl. mwN. OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juli 2021 – 1 Ws 190/21 –, juris Rdnr. 56 - 58).
83Demgegenüber kommt beispielsweise das Arbeitsgericht Düsseldorf mit der nachfolgenden Begründung im Urteil vom 15. 12. 2003 - 7 Ca 9224/03 zu dem Ergebnis, dass ein laufendes staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren grundsätzlich nicht im Zeugnis aufzunehmen ist.
84„Soweit sich die Vertreter der gegenteiligen Auffassung im Schrifttum allein auf das Urteil des BAG vom 5. 8. 1976 (AP Nr. 10 zu § 630 BGB) berufen, kann dies die Kammer nicht überzeugen. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt, wesentlich vom vorliegenden abweicht. Der dortige Kl. war als Heimerzieher in einer Erziehungsabteilung eines Jugendwohnheimes tätig. Es bestand der Verdacht, dass der Kl. an drei Jungen im Alter von 14 Jahren unsittliche Handlungen vorgenommen habe. Betroffen war somit ein anderes Rechtsgut, dem irreparabler Schaden drohte. Des Weiteren waren dem dortigen Kl. diese Jungen gerade anvertraut worden. Es kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob in einem solchen Fall im Rahmen der womöglich erforderlichen Interessenabwägung ausnahmsweise die Erwähnung eines Ermittlungsverfahrens im Arbeitszeugnis zulässig ist (dagegen Schleßmann, S. 80).
85Ebenfalls nicht überzeugend ist der Hinweis, dass es sich bei einem Ermittlungsverfahren um eine Tatsache handelt (vgl. Staudinger/Preis, § 630 BGB Rdnr. 41). Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist zunächst wiederum ein Verdacht. Das Ende des Verfahrens ist grundsätzlich völlig offen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch ein Arbeitgeber in der Lage ist, ein Ermittlungsverfahren auf den Weg zu bringen, wenn er gegen den Arbeitnehmer Strafanzeige erhebt und der Staatsanwaltschaft erhebliche Verdachtsmomente mitteilt.
86Die grundsätzlichen Erwägungen der Kammer ergeben sich insbesondere aus dem Umstand, dass das Arbeitszeugnis etwas Endgültiges hat und dem Arbeitnehmer für den Rest seines Berufslebens als Bewerbungsgrundlage dienen muss (vgl. Eisbrecher, S. 119; Schleßmann, S. 80; vgl. auch Staudinger/Preis, § 630 BGB Rdnr. 44). Das Ermittlungsverfahren kann aus den unterschiedlichsten Gründen, insbesondere aber auch mangels hinreichender Verdachtsmomente eingestellt werden (Schleßmann, S. 80). Das Zeugnis bliebe hingegen unverändert bestehen.
87Nach Auffassung der Kammer ist es sach- und systemgerechter, den Arbeitgeber für den Fall der Bestätigung der Verdachtsmomente und einer Verurteilung des Arbeitnehmers auf die Möglichkeit des Widerrufs des Zeugnisses hinzuweisen. Dies gilt auch im Hinblick auf eine mögliche Haftung des Arbeitgebers gegenüber einem künftigen Arbeitgeber, der auf das ausgestellte Zeugnis vertraute und nunmehr einen Schaden erlitten hat. Eine derartige Schadensersatzpflicht wird grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 826 BGB in Betracht kommen. Dem Arbeitgeber bleibt aber die Möglichkeit, nach Verurteilung des Arbeitnehmers wegen festgestellter Straftaten das Zeugnis zu widerrufen (vgl. Schleßmann, S. 81). Zeugnisse stellen keine Willenserklärungen, sondern Wissenserklärungen dar, die nicht nach §§ 119ff. BGB angefochten, sondern widerrufen werden können. Insoweit ist anerkannt, dass ein Arbeitgeber, dem nachträglich Tatsachen bekannt werden, die eine andere Beurteilung rechtfertigen und das Zeugnis deshalb bei rückschauender Betrachtung wesentliche Unrichtigkeiten oder erhebliche Lücken aufweist, die für die Einstellungsentscheidung eines neuen Arbeitgebers von ausschlaggebender Bedeutung sein können, das Zeugnis widerrufen werden kann (Schwerdtner, in: MünchKomm, BGB, § 630 Rdnr. 46; vgl. auch Staudinger/Preis, § 630 BGB Rdnr. 60).
88In diesem Rahmen ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung des BAG ein Arbeitgeber bei der Einstellung nach Vorstrafen und nach laufenden Ermittlungsverfahren fragen kann (vgl. BAG [20. 5. 1999], NZA 1999, 975; vgl. auch LAG Brandenburg, Urt. v. 27. 1. 1998 - 2 Sa 664/97; ArbG Frankfurt a.M. [7. 1. 2002], RDV 2002, 318), wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt. Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne liegt dann vor, wenn ein Ermittlungsverfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen kann (BAG [20. 5. 1999], NZA 1999, 975). Als Beispiel hat das BAG einen Kindergärtner genannt, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindergartenkindern im vorhergehenden Arbeitsverhältnis läuft. Künftige Arbeitgeber haben es also selbst in der Hand, durch entsprechende Fragen im Einstellungsverfahren die Geeignetheit des Bewerbers zu überprüfen, gerade dann, wenn sie von dem Lauf eines Ermittlungsverfahrens abhängt. Nach alldem überwiegt das Interesse eines Arbeitnehmers, ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen ihn nicht in einem Arbeitszeugnis zu erwähnen. Sollten die Verdachtsmomente zu einer Verurteilung des Arbeitnehmers führen, kann der Arbeitgeber das Zeugnis widerrufen und ein abgeändertes Zeugnis mit dem Hinweis auf die Verurteilung erteilen.“ (vgl. ArbG Düsseldorf, Urteil vom 15. 12. 2003 - 7 Ca 9224/03, NZA-RR 2004, 294, ff.)
89Vorliegend durfte die Beklagte die strittigen Formulierungen bezüglich der laufenden Ermittlungsverfahren und des Kündigungsgrundes in das Zeugnis aufnehmen.
90Insoweit schließt sich die erkennende Kammer der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an. Selbst wenn man mit der in der Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Meinung davon ausgeht, dass laufende staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren grundsätzlich nicht im Zeugnis aufzunehmen sind, ist der erkennende Kammer der Überzeugung, dass vorliegend ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, der selbst nach dieser Ansicht die Aufnahme in das Zeugnis rechtfertigt.
91Dies folgt, wie bereits unter I. 2. d) festgestellt, daraus, dass der Kläger sich im Zeitraum vom 27.07. bis 05.08.2021 mehrere kinder- und jugendpornographische Dateien, auf denen männliche Jungen nackt, posend oder masturbierend abgebildet wurden, auf sein Diensthandy schicken ließ. In einem derartigen Fall muss nicht nur zum Schutze eines zukünftigen Arbeitgebers, sondern umso mehr zum Schutz der Kinder, die mit dem Kläger berufsbedingt in Kontakt gelangen könnten, ausgeschlossen werden, dass der Kläger in einem neuen Arbeitsverhältnis erneut einen Beruf ausüben kann, in dem letzteres möglich ist. Insoweit schließt sich die erkennende Kammer den Ausführungen von Professor Dr. L. S von C in der Urteilsbesprechung zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05.08.1976 - 3 AZR 491/75 (vgl. AP BGB § 630 Nr. 10, beck-online) an, wonach aus der Überlegung, dass alle Rechte und Pflichten seitens der Rechtsordnung auch unter dem Blickwinkel der Wahrung der Allgemeinbelange verliehen sind, folgt, dass auch auf sie in dem Zeugnisinhalt Rücksicht zu nehmen ist (Drittbezug der subjektiven Rechte auf die Allgemeinheit wie in Art. 14 GG). Der effektive Schutz der Kinder gebietet es, dass bei derartigen feststehenden Verfehlungen sowohl selbige als auch laufende Ermittlungsverfahren in ein Zeugnis aufgenommen werden dürfen. Denn weder das Fragerecht des neuen Arbeitgebers, noch ein etwaiger Widerruf des Zeugnisses, führen zu einem annähernd effektiven Schutz vor einem berufsbedingten Zusammentreffen des Klägers mit Kindern, wie ein wahrheitsgemäßes Zeugnis. Schließlich muss niemandem erklärt werden, dass ein künftiger Arbeitgeber es einmal vergessen kann, nach Vorstrafen und nach laufenden Ermittlungsverfahren im Rahmen des Einstellungsverfahrens zu fragen. Genauso gut ist es möglich und nach der allgemeinen Lebenserfahrung mehr als wahrscheinlich, dass ein Bewerber den fragenden potentiellen Arbeitgeber diesbezüglich schlicht anlügt und sich den neuen Arbeitsplatz im Wege des Einstellungsbetrugs verschafft. Ein Beschuldigter könnte auf diese Art und Weise noch während des Laufes des Ermittlungsverfahrens eine Folgebeschäftigung eingehen und Kinder gefährden. Diesen würde es überhaupt nicht helfen, dass die Beklagte für den Fall, dass die Verdachtsmomente zu einer Verurteilung des Klägers führen, das Zeugnis widerrufen und ein abgeändertes Zeugnis mit dem Hinweis auf die Verurteilung erteilen kann. Zudem wäre der neue Arbeitgeber mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Wege der Anfechtung oder Kündigung belastet, während er sich bei einem wahrheitsgemäßen Zeugnis von Anfang an gut überlegen kann, ob er den Kläger in einem Arbeitsverhältnis beschäftigen möchte, in dem dieser erneut mit Kindern berufsbedingt Kontakt hat.
92Daran vermag auch die Überlegung, dass das Arbeitszeugnis etwas Endgültiges hat und dem Arbeitnehmer für den Rest seines Berufslebens als Bewerbungsgrundlage dienen muss nichts zu ändern. Denn wie in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums richtig erkannt wird, kann das Ermittlungsverfahren aus den unterschiedlichsten Gründen eingestellt werden. Gleiches gilt für das sich anknüpfende Hauptsacheverfahren. Dies kann bspw. aufgrund von Verfahrensfehlern, wie z.B. dem Fehlen des gem. §§ 203, 207 StPO erforderlichen Eröffnungsbeschlusses, erfolgen. Ein neues gerichtliches Verfahren wegen derselben Tatvorwürfe setzt die Erhebung einer neuen Anklage voraus (vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 3.6.2014 – III-2 RVs 55/14, BeckRS 2014, 12276, beck-online). Geschieht dies aus welchen Gründen auch immer nicht, hätte der Kläger für immer ein Zeugnis, aus dem sich seine feststehenden arbeitsvertraglichen Verfehlungen in keiner Weise ergeben und jeglicher Schutz sowohl des zukünftigen Arbeitgebers als auch der Kinder wäre nicht gegeben.
93(2) Auch der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses darf im vorliegenden Einzelfall explizit im Zeugnis erwähnt werden.
94Im Erfurter Kommentar wird hierzu auszugsweise ausgeführt:
95„Ein Brennpunkt der Wahrheitspflicht ist die Behandlung von Art und Grund der Vertragsbeendigung im Zeugnis (Popp NZA 1997, 588 (590)). Der Endtermin des ArbVerh. ist korrekt anzugeben, auch wenn er den Schluss auf eine ungewöhnl. Beendigung zulässt (BAG 14.6.2016, BeckRS 2016, 73357 Rn. 17). Nach verbreiteter Auff. dürfen der Grund und die Art des Ausscheidens ohne oder gegen den Willen des AN aus dem Zeugnis nicht ersichtl. sein (LAG Düsseldorf 22.1.1988, LAGE BGB § 630 Nr. 4; LAG Köln 29.11.1990, LAGE BGB § 630 Nr. 11; LAG Hamm 12.7.1994, LAGE BGB § 630 Nr. 26). Das BAG (12.8.1976, AP BGB § 630 Nr. 11) hat hierzu ausgeführt, das Zeugnis dürfe nicht ohne sachl. Anlass erkennen lassen, dass sich die Arbeitsvertragsparteien im Streit trennten. Doch wird zumindest für den Fall des vom AN begangenen Vertragsbruchs eine Erwähnung im Zeugnis zulässig sein (LAG Hamm 24.9.1985, LAGE BGB § 630 Nr. 1; Dietz S. 14; Stoffels Vertragsbruch S. 182 ff.; Popp NZA 1997, 588 (589) [im qualifizierten Zeugnis]; aA Schleßmann Rn. 426).“ (vgl. ErfK/Müller-Glöge, 25. Aufl. 2025, GewO § 109 Rn. 26).
96Der sachliche Anlass, aus dem vorliegend der Beendigungsgrund in das Zeugnis aufgenommen werden darf, liegt darin, dass die Büroräumlichkeiten der Beklagten durch die Polizei durchsucht und das Diensthandy des Klägers, auf welches er sich im Zeitraum vom 27.07. bis 05.08.2021 mehrere kinder- und jugendpornographische Dateien schicken ließ, beschlagnahmt wurde.
97II. Die Berufung ist nicht gesondert zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO. Die Kostenquotelung entspricht dem anteilsmäßigen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und § 3 ZPO.