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Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, Mitarbeiterschulungen zur Montage, Reparatur und Instandsetzung von F & K-E durchzuführen, bevor über die Durchführung dieser Schulungen eine Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat erfolgt ist oder eine solche Einigung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt wurde.
Gründe
2I.
3Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Unterlassung der Durchführung von Schulungen.
4Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein deutschlandweit tätiges Einzelhandelsunternehmen mit derzeit 68 Filialen. Sie vertreibt vorwiegend K, darunter K und K-E.
5Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat (im Folgenden: Gesamtbetriebsrat).
6Bislang ließ die Arbeitgeberin einfache und Kleinstreparaturen an den von ihr verkauften Produkten (insbesondere F, K, E) durch einen externen Dienstleister durchführen. Nunmehr sollen diese bislang durch einen externen Dienstleister erbrachten Tätigkeiten intern durch eigene Mitarbeiter der Arbeitgeberin durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt sie, diejenigen Mitarbeiter, die sich freiwillig für eine Tätigkeit im Reparaturdienst melden, zu schulen. Die Schulung soll durch den bisherigen Dienstleister jeweils in den einzelnen Betrieben der Arbeitgeberin auf Grundlage ihrer Übersicht zur „Mitarbeiterschulung zur Montage, Reparatur und Instandsetzung von F & K-E“ erfolgen. Wegen der Einzelheiten der Schulungsinhalte wird auf die Anlage AST2 (Bl. 17 f. d.A.) Bezug genommen.
7Die Beteiligten befinden sich etwa seit Oktober 2024 im Austausch über das von der Arbeitgeberin beabsichtigte „Inhousing“ des Z. Am 27.01.2025 teilte die Arbeitgeberin dem Gesamtbetriebsrat per E-Mail mit, nunmehr die Umsetzung der Maßnahme zum 26.02.2025 vollziehen zu wollen. Mit Schreiben vom 13.02.2025 (Bl. 22 f. d.A.) forderte der Prozessbevollmächtigte des Gesamtbetriebsrates die Arbeitgeberin dazu auf, die Durchführung der Schulungen auszusetzen, bis eine Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat erzielt oder ein Einigungsstellenverfahren erfolgt ist. In dem hierauf gerichteten Antwortschreiben des Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 14.02.2025 (Bl. 24 ff. (dort Bl. 26 unten) d.A.) bot diese dem Gesamtbetriebsrat an, in der Woche vom 17.02.2025 – 23.02.2025 noch einmal das Gespräch zu suchen und eine „für alle Beteiligten interessengerechte Lösung [zu] erzielen“. Mit einer weiteren E-Mail vom 17.02.2025 (Bl. 28 d.A.) teilte der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin dem Prozessbevollmächtigten des Gesamtbetriebsrates mit, dass nunmehr kurzfristig eine erste Schulung erfolgen solle. Eine erste Schulung ist am 18.02.2025 erfolgt. Weitere Schulungen sollen am 04.03.2025 in F, am 05.03.2025 in K und am 06.03.2025 in Kö stattfinden.
8Der Gesamtbetriebsrat hat am 27.02.2025 im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt, der Arbeitgeberin die Durchführung der Schulungen gerichtlich zu untersagen. Er behauptet, unter dem 12.02.2025 ordnungsgemäß Beschluss über die Einleitung des hiesigen Verfahrens und die Bestellung seines Prozessbevollmächtigten gefasst zu haben. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird Bezug genommen auf Bl. 107 d.A.. Ihm stehe ein Verfügungsanspruch aus § 98 Abs. 1 BetrVG zur Seite. Denn mit den Schulungen der Arbeitgeberin liege eine betriebliche Fortbildung vor und nicht bloß eine „Einweisung“ i.S.d. § 81 Abs. 1 BetrVG. Aus der Vorschrift des § 98 Abs. 1 BetrVG folge zudem auch ein allgemeiner Unterlassungsanspruch gegen die Arbeitgeberin. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Vorschrift einen allgemeinen Unterlassungsanspruch nicht begründe, so läge jedenfalls ein grober Verstoß i.S.d. § 23 Abs. 3 BetrVG vor.
9Der Gesamtbetriebsrat beantragt,
10der Beteiligten zu 2) im Wege einer einstweiligen Verfügung ohne, hilfsweise mit mündlicher Verhandlung aufzugeben, es zu unterlassen, Mitarbeiterschulungen zur Montage, Reparatur und Instandsetzung von F & K-E durchzuführen, bevor über die Durchführung dieser Schulungen eine Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat erfolgt ist oder eine solche Einigung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt wurde.
11Die Arbeitgeberin beantragt,
12den Antrag zurückzuweisen.
13Sie rügt die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrates. Ferner rügt sie seine Zuständigkeit. Denn der hier in Streit stehende Reparaturservice und die damit korrespondierenden Schulungen würden auf der Ebene der einzelnen Filialen durchgeführt werden und damit in die Zuständigkeit der einzelnen Betriebsräte fallen. Schließlich handele es sich bei den „Schulungen“ nur um eine Einweisung i.S.d. § 81 Abs. 1 BetrVG. Denn es handele sich um einfachste Handgriffe, für die keine besondere Ausbildung erforderlich sei und die die Kunden auch selbst erledigen könnten. Nichts Anderes gelte für die beabsichtigten einfachsten Reparaturen im Rahmen der Gewährleistung. Auch hierfür bedürfe es keiner vertieften Kenntnisse der Mitarbeiter. Jedenfalls vermittele § 98 Abs. 1 BetrVG ausweislich der besonderen Gesetzessystematik keinen allg. Unterlassungsanspruch. Soweit der Gesamtbetriebsrat auf § 23 Abs. 3 BetrVG abstelle, sei ein grober Verstoß iS.d. Vorschrift bereits deshalb auszuschließen, weil sich die Arbeitgeberin auf den ohne weiteres vertretbaren Standpunkt stelle, dass es sich um keine Schulungen i.S.d. § 98 BetrVG, sondern Einweisungen i.S.d. § 81 BetrVG handele. Selbst wenn diese Rechtsauffassung rechtsirrig sein sollte, so sei sie doch zumindest vertretbar. In dieser Konstellation habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass dann kein grober Verstoß des Arbeitgebers vorliege, der eine Unterlassungsverfügung rechtfertigen könne. Schließlich liege jedenfalls kein Verfügungsgrund vor. Ausweislich der Schutzschrift der Arbeitgeberin vom 09.12.2025 (Bl. 42 ff. d.A.) habe der Gesamtbetriebsrat bereits seit Herbst des Jahres 2024 Kenntnis von den Planungen der Arbeitgeberin gehabt, ohne diesbezüglich gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.
14Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der Verhandlungen Bezug genommen.
15II.
16Der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist zulässig und begründet.
171.
18Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft und beruht auf einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung zur Einleitung des Verfahrens und Beauftragung des Prozessbevollmächtigten.
19a)
20Der Antrag ist statthaft.
21Gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung auch im Beschlussverfahren zulässig. Das Gericht kann unter den Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO eine einstweilige Verfügung erlassen. Dafür muss der Antragsteller neben einem Verfügungsanspruch auch einen Verfügungsgrund glaubhaft machen. Denn erst die Gefahr einer Erschwerung für die Verwirklichung des Rechts einer Partei begründet die Notwendigkeit einer Regelung (Korinth in: Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 5. Auflage 2022, H. Der einstweilige Rechtsschutz im Betriebsverfassungsrecht, Rn. H_2a ; MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 16, beck-online).
22b)
23Ferner beruht die Einleitung des Verfahrens nach der insoweit im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung durch die Kammer auf einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung.
24Der Betriebsrat trifft seine Entscheidungen als Kollegialorgan durch Beschluss (BAG 22.11.2017 – 7 ABR 46/16, NZA 2018, 732; 9.12.2014 – 1 ABR 19/13, NZA 2015, 368; 15.4.2014 – 1 ABR 2/13, NZA 2014, 551). Dieser ist beachtlich, wenn er ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Dazu muss der Betriebsrat beschlussfähig iSd § 33 BetrVG sein und sich auf einer Betriebsratssitzung aufgrund einer mit den Vorschriften des BetrVG in Einklang stehenden Ladung mit dem jeweiligen Sachverhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt haben (BAG, NZA 2018, 732 Rn. 12, beck-online). Der Betriebsrat hat in einem gerichtlichen Verfahren im Bestreitensfall die Voraussetzungen für eine wirksame Beschlussfassung darzulegen (So im Falle einer streitigen Beschlussfassung zur Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat, vgl. BAG NZA 2015, 370 Rn. 36). Diesen Anforderungen genügt der Betriebsrat zunächst, wenn er vorträgt, dass in einer ordnungsgemäß einberufenen Betriebsratssitzung von den anwesenden Betriebsratsmitgliedern ein Beschluss über die Zustimmungsverweigerung zu dem Antrag des Arbeitgebers gefasst worden ist (BAG a.a.O.). Wird aus der Sitzungsniederschrift die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats ersichtlich, bedarf es im Regelfall keiner weitergehenden tatsächlichen Darlegungen oder einer darauf gerichteten Durchführung einer Beweisaufnahme. Vielmehr obliegt es dann dem Arbeitgeber, den Beweiswert der Niederschrift zu erschüttern oder unter Beweisantritt einen für die Führung des Gegenbeweises über das (Nicht-)Vorliegen eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses geeigneten Vortrag zu halten (BAG, NZA 2015, 370, beck-online).
25An diesen Maßstäben gemessen hat der Gesamtbetriebsrat in der Sitzung vom heutigen Tag hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten und die Einleitung des hiesigen Verfahrens auf einem ordnungsgemäßen Beschluss des Gremiums beruhen. Nachdem die Arbeitgeberin die ordnungsgemäße Beschlussfassung erstmals in der Sitzung vom heutigen Tage gerügt hat, konnte der Gesamtbetriebsrat in der Sitzung die unterschriebene Beschlussfassung vom 12.02.2025 vorlegen und hierzu erklären, dass sie im Rahmen einer ordnungsgemäßen Sitzung erfolgt ist. Gründe, aus denen die Beschlussfassung rechtsunwirksam gewesen sein könnten, waren danach weder vorgetragen, noch waren sie sonst für die Kammer ersichtlich.
262.
27Der Antrag des Gesamtbetriebsrates ist begründet. Denn er konnte einen Verfügungsanspruch und auch einen Verfügungsgrund glaubhaft machen.
28a)
29Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig.
30Gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 HS 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Im Bereich der Berufsbildung der Arbeitnehmer ist der Gesamtbetriebsrat für solche Angelegenheiten zuständig, die von der Unternehmensleitung zentral durchgeführt werden. Dies gilt insbes. für generelle Regelungen über Berufsbildungsmaßnahmen, wenn sie Ausfluss einer unternehmensweiten Personalplanung sind (Fitting, 32. Aufl. 2024, BetrVG § 50 Rn. 54; ErfK/Koch, 25. Aufl. 2025, BetrVG § 50 Rn. 5; BAG NZA 1992, 657 beck-online). Dies ist hier der Fall. Denn vorliegend kann das Mitbestimmungsrecht sinnvoll nicht von den Betriebsräten der Einzelbetriebe wahrgenommen werden, weil es sich um die Ausgestaltung einer unternehmenseinheitlichen Schulung handelt, die keinen inhaltlichen Bezug zu den Einzelbetrieben aufweist.
31b)
32Es liegt ein Verfügungsanspruch vor.
33aa)
34Dem Gesamtbetriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht nach § 98 Abs. 1 BetrVG zu.
35Der Begriff der betrieblichen Berufsbildung ist weit auszulegen. Er umfasst alle Maßnahmen der Berufsbildung iSd. § 1 Abs. 1 BBiG und damit ua. solche der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung und der beruflichen Umschulung. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die über die - mitbestimmungsfreie - Unterrichtung des Arbeitnehmers über seine Aufgaben und Verantwortung, die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs sowie über die Unfall- und Gesundheitsgefahren und die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren iSd. § 81 BetrVG hinausgehen, indem sie dem Arbeitnehmer gezielt Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die ihn zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit erst befähigen.
36Die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 81 BetrVG erschöpft sich dagegen in der Einweisung an einem konkreten Arbeitsplatz. Dieser Einsatz setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die für die Ausübung "seiner Tätigkeit" an diesem Arbeitsplatz erforderlichen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen schon besitzt. Nur auf der Grundlage dieser Kenntnisse und Erfahrungen kann dem Arbeitnehmer seine Tätigkeit im Betrieb zugewiesen werden, über deren konkrete Ausübung unter Einsatz seiner Kenntnisse und Erfahrungen er dann nach § 81 BetrVG zu unterrichten ist (BAG NZA 1991, 817, beck-online).
37An diesen Maßstäben gemessen liegt eine Maßnahme i.S.d. § 98 Abs. 1 BetrVG vor. Denn den Mitarbeitern soll im Rahmen der Schulungen neue Kenntnisse und Fähigkeiten aus den Bereichen Z und E vermittelt werden, die diese zur Durchführung ihrer neuen Aufgaben befähigen. Die Schulung dient gerade nicht bloß zur Einweisung in betrieblichen Abläufe, weil die betroffenen Mitarbeiter nicht auf der Grundlage vorhandenen Wissens in die Arbeitsabläufe eines konkreten Arbeitsplatzes eingewiesen werden, sondern ihnen die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten hierzu erst durch die Schulung vermittelt werden. Dies folgt auch daraus, dass die Schulung durch einen externen Anbieter erfolgen soll. Dies zeigt, dass es der Arbeitgeberin um die Vermittlung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten und nicht um die konkrete Anwendung von in dem Betrieb bereits vorhandenem Wissen geht.
38bb)
39§ 98 Abs. 1 BetrVG vermittelt dem Gesamtbetriebsrat einen allgemeinen Unterlassungsanspruch.
40Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann dem (Gesamt-) Betriebsrat im Falle der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte unabhängig von § 23 Abs. 3 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zustehen (vgl. grundlegend BAG [3. 5. 1994], BAGE 76, 364 = NZA 1995, 40 = NJW 1995, 1044; vgl. auch Raab, ZfA 1997, 183). Dieser beruht auf einer sich aus dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats i.V. mit § 2 BetrVG ergebenden Nebenpflicht des Arbeitgebers. Allerdings führt nicht jede Verletzung von Rechten des Betriebsrats ohne weiteres zu einem Unterlassungsanspruch. Vielmehr kommt es auf die einzelnen Mitbestimmungstatbestände, deren konkrete gesetzliche Ausgestaltung und die Art der Rechtsverletzung an. Es ist daher möglich, einen Unterlassungsanspruch bei Verstößen gegen § 87 BetrVG zu bejahen, ihn aber im Zusammenhang mit der Mitbestimmung bei bestimmten personellen Einzelmaßnahmen oder in wirtschaftlichen Angelegenheiten möglicherweise zu verneinen (vgl. BAGE 76, 364 = NZA 1995, 40 = NJW 1995, 1044).
41Unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des dem (Gesamt-) Betriebsrat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung durch § 98 Abs. 1 BetrVG verliehenen Mitbestimmungsrechts ist bei dessen Verletzung ein allgemeiner Unterlassungsanspruch gegeben (so auch Fitting, 32. Aufl. 2024, BetrVG § 98 Rn. 42 ;Oetker in: GK-BetrVG § 23 Rdnr. 193 f.; Raab in: GK-BetrVG § 98 Rdnr. 34). Denn dem Betriebsrat steht kein anderer wirksamer Weg zur Durchsetzung dieses Mitbestimmungsrechts zur Verfügung. Dem Arbeitgeber drohen für den Fall der Verletzung des Mitbestimmungsrechts - anders als etwa im Falle des § 102 BetrVG oder des § 111 BetrVG - keine Sanktionen. Auch gibt es - anders als etwa in den Fällen des § 99 BetrVG (vgl. § 101 BetrVG) - kein eigens für den Fall der Verletzung des Mitbestimmungsrechts vorgesehenes gesetzliches Verfahren (BAG, NZA 2005, 1372, beck-online).
42Schließlich folgt eine abweichende Beurteilung auch nicht aus der Systematik des § 98 Abs. 5 BetrVG. Die dortige Regelung ist im Zusammenhang mit der Systematik der Absätze 1 bis 3 der Vorschrift zu betrachten. Die Regelung des Absatz 5 beruht danach auf der besonderen Anordnung des Gesetztes, dass bei einer fehlenden Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat – anders als in den Fällen der Absätze 1 und 3 – das Arbeitsgericht und nicht die Einigungsstelle entscheidet. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs war dafür maßgebend, dass das Recht des Betriebsrats anders als in den Absätzen 1 und 3 der Vorschrift an die in Absatz 2 näher umschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft ist, hier also lediglich eine Kompetenz zur Rechtskontrolle besteht (BT-Drs. VI/1786, 51). Die Vorschrift dient damit allein der prozessualen Durchsetzung des Verfahrens nach Absatz 2 und steht der Annahme eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs im Hinblick auf die Absätze 1 und 3 des § 98 BetrVG nicht entgegen (Oetker in: GK-BetrVG § 23 Rdnr. 193 f.).
43d)
44Schließlich besteht auch ein Verfügungsgrund
45Die Eilentscheidung ist nach umfassender Interessenabwägung durch die Kammer zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig.
46a)
47Es kommt insoweit darauf an, ob die glaubhaft gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige Regelung zu treffen. Bei dieser Abwägung können die Anforderungen an den Verfügungsgrund umso geringer sein, desto schwerer und offenkundiger die bestehende Rechtsverletzung sich darstellt. Ein Verfügungsgrund besteht nicht, wenn es dem Betriebsrat selbst in zumutbarer Weise möglich ist, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Gefahr des Eintritts gravierender Nachteile oder ähnlich erheblicher Folgen zu verringern, wenn nicht sogar abzuwenden (Korinth in: Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 5. Auflage 2022, H. Der einstweilige Rechtsschutz im Betriebsverfassungsrecht, Rn. H_2a).
48Daran gemessen fiel die Interessenabwägung zugunsten des Gesamtbetriebsrates aus. Denn dieser konnten einen hinreichend schwerwiegenden Verstoß gegen sein Mitbestimmungsrecht aus § 98 Abs. 1 BetrVG glaubhaft machen. Augenscheinlich führt die Arbeitgeberin eine mitbestimmte Maßnahme nach § 98 Abs. 1 BetrVG durch, ohne dass sie die Zustimmung des Gesamtbetriebsrates eingeholt hat oder seine Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist. Die Durchführung der noch anstehenden Schulungen würde den Gesamtbetriebsrat daher erheblich in seinen betriebsverfassungsrechtlichen Rechten verletzen. Da nicht absehbar ist, ob in Zukunft über den 06.03.2025 hinaus noch weitere Schulungen durch die Arbeitgeberin geplant sind, droht dem Gesamtbetriebsrat die vollständige Rechtsvereitelung. Diesem Umstand kann nur durch eine Unterlassungsverfügung begegnet werden.
49b)
50Schließlich hat der Gesamtbetriebsrat die Dringlichkeit der Verfügung auch nicht selbst widerlegt.
51Die Mitbestimmung wird grundsätzlich in Form einer Betriebsvereinbarung ausgeübt. Einstweilige Verfügungen auf Unterlassung mitbestimmungswidriger Maßnahmen haben eine dienende Funktion, sie sollen verhindern, dass der Arbeitgeber die Ausübung des Mitbestimmungsrechts durch einseitige Maßnahmen verhindert, erschwert oder verzögert. Wenn der Betriebsrat über einen längeren Zeitraum nichts tut, um sein Mitbestimmungsrecht inhaltlich wahrzunehmen, indem er etwa den Arbeitgeber zu Verhandlungen auffordert bzw. den Entwurf einer Betriebsvereinbarung vorlegt, hat er keinen Verfügungsgrund für eine Unterlassungsverfügung.
52Diese Voraussetzungen liegen indessen nicht vor. Es mag zwar sein, dass der Gesamtbetriebsrat von der groben Planung der Arbeitgeberin bereits seit Herbst 2024 Kenntnis hatte. In der Zwischenzeit hat er indessen wiederholt den Versuch einer einvernehmlichen Regelung unternommen. Dies – ausweislich des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten – selbst noch am 13.02.2025. Hierauf hat die Arbeitgeberin selbst mit dem Angebot reagiert, noch in der Woche ab dem 17.02.2025 eine „für alle Beteiligten interessengerechte Lösung erzielen“ zu wollen. Danach konnte und musste der Gesamtbetriebsrat nicht davon ausgehen, seine Mitbestimmungsrechte allein durch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes wahren zu können. Schließlich gilt es bei der Interessenabwägung zu beachten, dass der Gesetzgeber angeordnet hat, dass in nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten nur aus rechtskräftigen Beschlüssen der Arbeitsgerichte die Zwangsvollstreckung stattfindet (§ 85 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Selbst wenn der Gesamtbetriebsrat also bereits im Januar 2025 ein Verfahren nach § 100 ArbGG eingeleitet hätte, so wäre im Hinblick auf die Verfahrensabläufe nicht mit der Durchführung der Einigungsstelle vor Mitte März zu rechnen gewesen.
533.
54Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, vgl. § 2 Abs. 2 GKG.