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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.199,09 Euro festgesetzt.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Zahlung von Zinsen als Hauptforderung.
3Die Parteien sind verbunden durch Arbeitsvertrag. Die Klägerin ist als Justizbeschäftigte in der Serviceeinheit ,'B Abteilung bei der Staatsanwaltschaft K eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag der Länder (TV-L) Anwendung.
4Die Klägerin hat am 27.08.2018 einen Antrag auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9/9a ab dem 01.02.2018 gestellt. Am 09.09.2020 hat das Bundesarbeitsgericht in den Verfahren 4 AZR 195/20 und 4 AZR 196/20 für Recht erkannt, dass Beschäftigte einer Serviceeinheit eines Amtsgerichts eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 beziehungsweise 9a ausüben. Alle Tätigkeiten in der Serviceeinheit einer Geschäftsstelle seien ihnen einheitlich zugewiesen und führten zu einem Arbeitsergebnis. Die gesamte Tätigkeit diene dem Arbeitsergebnis der Betreuung der Aktenvorgänge in der Serviceeinheit, vom Eingang bis zum Abschluss des Verfahrens.
5Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Landes Be und der TdL wurde vom Bundesverfassungsgericht unter dem 04.10.2022 nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 04. Oktober 2022 - 1 BvR 382/21 -).
6Am 01.03.2023 erfolgte die Entschließung der TdL zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Infolgedessen begann das beklagte Land mit der Übertragung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf insgesamt ca. 5.800 Fälle (Bl. 7 f.). Am 16.10.2023 hat das beklagte Land unter Verweis auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichts die entsprechende Eingruppierung ab dem 01.02.2018 vorgenommen. Die seit Februar 2018 fortlaufenden Zahlungsrückstände wurden am 30.11.2023 ausgeglichen.
7Die Klägerin verfolgt nunmehr die Zahlung von Verzugszinsen aus den seit dem 01.02.2018 aufgelaufenen Differenzlohnansprüchen. Hierzu vertritt sie die Auffassung, der Anspruch ergebe sich gemäß § 288 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 247 BGB aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
8Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.199,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 22.01.2024 an die Klägerin zu zahlen.
10Das beklagte Land beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Das beklagte Land vertritt die Auffassung, es habe sich nicht im Schuldnerverzug befunden, weil die Leistung infolge eines Umstands unterblieben sei, den es nicht zu vertreten habe. So habe die Leistungspflicht des beklagten Landes von der Beantwortung einer umstrittenen Rechtsfrage abgehangen, die noch nicht höchstrichterlich geklärt gewesen sei. In einem solchen Fall liege ein unverschuldeter Rechtsirrtum des Schuldners vor, der ihn von den Folgen des Verzugs freistelle (zu vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2005 - VIII ZR 79/04 -; ArbG Leipzig, Urteil vom 11.09.2007 - 5 Ca 2317/07; LAG Hessen, Urteil vom 30.1.2023 – 2 Sa 629/13, BeckRS 2014, 70919; BAG, Urteil vom 07.10.1981 - 4 AZR 225/79 - m. w. N.).
13Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der Verhandlungen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16I.
17Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Zahlung von Verzugszinsen aus §§ 286 II Nr. 1, 288 I, 247 BGB.
18Denn der Arbeitgeber handelt jedenfalls nicht fahrlässig und kommt daher nicht in Verzug, soweit die Rechtslage nicht eindeutig ist und sein Handeln auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt beruht (BAG, Urteil vom 13.06.2002, Az.: 2 AZR 391/01, NZA 2003, 44, 48; LAG Hessen Urt. v. 30.10.2013 – 2 Sa 629/13, BeckRS 2014, 70919, beck-online). Dies ist vorliegend der Fall.
19Im Hinblick auf die Eingruppierung von Serviceeinheiten der Gerichte und Staatsanwaltschaften befand sich das beklagte Land unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und unter Würdigung der gegebenen tatsächlichen Umstände in einem unverschuldeten Rechtsirrtum.
20Nach § 286 IV BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Zu vertreten hat der Schuldner gemäß § 287 S. 1 BGB während des Verzugs jede Fahrlässigkeit. Unter Beachtung dieses Maßstabs scheidet ein Vertretenmüssen aber aus, wenn sich der Schuldner in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden hat. Die Voraussetzung an einen schuldausschließenden Rechtsirrtum sind streng (BAG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 AZR 167/09, zitiert nach Juris Rn. 48). Dieser kann dann angenommen werden, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat; das heißt, der Schuldner seine Auffassung nach verständiger Würdigung des Sachverhalts für vertretbar halten durfte (vgl. BAG, Urteil vom 15. September 2011 - 8 AZR 846/09, NZA 2012, S. 377 f.; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. August 2011 - 9 Sa 155/11, zitiert nach Juris).
21An diesen Maßstäben gemessen befand sich das beklagte Land im Streitfall bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde der TdL und des Landes Be in einem schuldausschließenden Rechtsirrtum. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war höchstrichterlich nicht geklärt, ob die von der Klägerin behauptete tarifliche Bewertung ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin einer Serviceeinheit mit der EG9/EG9a zutreffend ist. Die Rechtslage war objektiv zweifelhaft. Dies folgt schon aus der Vielzahl an klageabweisenden Entscheidungen der Arbeitsgerichte im Hinblick auf die von den Arbeitnehmern geführten Eingruppierungsfeststellungsklagen, welche Gerichtsbekannt sind. Jedenfalls zeigt sich die objektiv zweifelhafte Rechtslage aber exemplarisch an dem Verfahrensgang des von der Klägerin selbst vorgelegten Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 09.09.2020 (4 AZR 195/20). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Mai 2019 - 56 Ca 14381/18). Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 12. Februar 2020 -15 Sa 1260/19). Auf die Revision der dortigen Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben und die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert.
22Anschließend hat das beklagte Land die Entschließung der Tarifgemeinschaft der Länder vom 01.03.2023 abgewartet und die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts innerhalb eines Zeitraums von ca. 7 Monaten auf insgesamt knapp 6.000 Beschäftigte übertragen. Auch insofern hat das beklagte Land die unterbliebene Leistung im Hinblick auf die Komplexität des Verfahrens und den Umfang der zu bearbeitenden Fälle nicht zu vertreten.
23II.
24Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91 Abs. 1 ZPO. Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorlagen. Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 3 ff. ZPO.