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1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 15.08.2022, dem Kläger am 18.08.2022 zugegangen, rechtsunwirksam ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 893,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 178,60 brutto seit dem 01.08.2022, seit dem 01.09.2022, seit dem 01.10.2022, seit dem 01.11.2022 und seit dem 01.12.2022 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtstreits werden gegeneinander aufgehoben.
5. Streitwert: 23.020,36 €.
6. Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung und Ansprüche auf eine arbeitgeberseits gewährte sogenannte Hauserhöhung.
3Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges und auf die Reparatur von Autoglas spezialisiertes Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern. Sie betreibt deutschlandweit ca. 370 Werkstätten. Der Hauptsitz der Beklagten ist in K.
4Der 45-jährige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 09.09.1999, zuletzt als sogenannter „Leiter Service-Center“ beschäftigt. Nach eigenen Angaben erzielte der Kläger zuletzt ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von ca. 4.389,03 €.
5Die Beklagte gewährt ihren Mitarbeitern regelmäßig einmal im Jahr eine Gehaltserhöhung, die unternehmensintern als sogenannte „Hauserhöhung“ bezeichnet wird. Zum 01.07.2022 betrug die Hauserhöhung 5 %. Die Gehaltserhöhung wurde jedoch nicht an den Kläger weitergegeben.
6Unter dem 14.02.2022 vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich „aufgrund der Entscheidung des Arbeitgebers über die Betriebsänderung der Operativen Service-Struktur“ in dem es u.a. wie folgt heißt:
7„Die aktuelle Organisationsstruktur des Bereichs Operations beinhaltet folgende Stellen:
8- 15 Regional Manager
9- 52 Filialgebietsleiter
10- 168 Leiter Service-Center
11- 16 Leiter Service-Center Springer
12- 66 Leiter Mobile Branch
13- 38 Service Berater / Service Manager
14- 1. 077 Service Monteure, inklusive stellvertretende Leiter Service-Center,
15Service Monteure mit Betriebsleiterfunktion und Mobilmonteure
16- 51 Service Monteure Springer
17(…)
18Durch die Reorganisation des Bereichs Operations werden sich nach dem Abschluss dieses Interessenausgleichs sukzessive folgende organisatorische Veränderungen in diesem Bereich ergeben und die folgenden Stellen besetzt:
19(…)
20- 15 Regional Manager
21- 98 Area Manager
22- bis zu 89 Service Berater
23- 1. 077-1.330 Service Monteure, inklusive Service (Standortverantwortliche) und
24Mobilmonteure
25- 51-67 Service Monteure Springer
26(…)
27g) Service Monteure mit Betriebsleiterfunktion / Standortverantwortliche
28Die Rolle als Standortansprechpartner und die Funktion als bei der Handwerkskammer eingetragener Betriebsleiter werden zukünftig in einer Person vereinigt. Die Mitarbeiter, die zukünftig die Rolle als Standortansprechpartner und die Funktion als bei der Handwerkskammer eingetragener Betriebsleiter ausüben, werden einheitlich als "Standortverantwortliche" bezeichnet. Es wird also zukünftig für jedes Service-Center, WAP, S-Arbeitsplatz, Mobile Branch und A-Arbeitsplatz einen Standortverantwortlichen geben, der sowohl bei der Handwerkskammer als Betriebsleiter eingetragen ist als auch die Rolle als Ansprechpartner für die Mitarbeiter im Service-Center übernimmt. Zentrale Aufgabe des Standortverantwortlichen ist die Koordination des Tagesgeschäfts, die fachliche Aufsicht, das Anlernen der Mitarbeiter und die Überwachung der internen und externen Standards gemäß Stellenbeschreibung als Standortverantwortlicher in der jeweils aktuellen Fassung“.
29Mit Schreiben vom 08.04.2022 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger er werde zum 01.05.2022 als Service-Monteur mit Betriebsleiterfunktion und nicht mehr als Leiter Service-Center eingesetzt. Die Hauserhöhung entfiele ab dem Jahr 2022 bis zum Jahr 2025 aufgrund der Regelungen im Interessenausgleich vom 14.02.2022. Der Kläger widersprach einer entsprechenden Versetzung.
30Mit Schreiben vom 15.08.2022, dem Kläger zugegangen am 18.08.2022 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Änderungskündigung zum 31.03.2023 aus, verbunden mit dem Angebot ab dem 01.04.2023 als „Service-Monteur mit Betriebsleiterfunktion“ am Standort H weiterbeschäftigt zu werden.
31In der Änderungskündigung heißt es wörtlich wie folgt:
32„Wir bieten Ihnen zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.04.2023, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, zu den folgenden geänderten Bedingungen an:
331. Sie werden als Service-Monteur mit Betriebsleiterfunktion (Standortverantwortlicher) im Standort H, M-B.-All (KST: 0265) in der Region Ha versetzt werden. In dieser Funktion berichten Sie an den Area-Manager der Area 89. Ihre neue Funktion ist mit dem Grade 2C im Rahmen der Ca Stellenbewertungssystematik bewertet. Es gilt die jeweils aktuelle Stellenbeschreibung für die Funktion, die jederzeit auf den Intranetseiten vom O Support Service Delivery abgerufen werden kann.
342. Ihr neues Bruttomonatsgehalt setzt sich ab dem 01.03.2023 wie folgt zusammen:
35Grundgehalt: 3.272,00 €
3639-Stunden-Ausgleich: 84,54 €
37Betriebsleiterzulage: 300,00 €
38Gesamt: 3.656,54 €
393. Die funktionsgebundene Betriebsleiterzulage in Höhe von monatlich 300,00 € brutto ist mit Ihrer Bereitschaft zur Eintragung als Betriebsleiter bei der Handwerkskammer (HWK) verbunden und wird so lange gewährt, wie diese Funktion von Ihnen wahrgenommen wird. Sollten Sie als Betriebsleiter für den o. g. Standort ausgetragen werden oder die Funktion dauerhaft nicht mehr ausüben können, entfällt ab dem darauffolgenden Monat die Zulagengewährung.
404. Der Anspruch auf die variable Vergütung/Jahresprämie für das Jahr 2022 entfällt. Stattdessen sind Sie ab diesem Jahr bezugsberechtigt hinsichtlich der Weihnachtsprämie gern. Betriebsvereinbarung vom 31.01.2017 sowie hinsichtlich der freiwilligen Unternehmenserfolgsprämie nach der jeweils gültigen betrieblichen Regelung.
415. Alle bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen zur fixen Vergütung sowie zur variablen Vergütung werden aufgehoben und durch obenstehende Regelungen vollständig ersetzt.
426. Der Anspruch auf die Teilnahme an der Hauserhöhung entfällt gemäß Interessenausgleich vom 14.02.2022 für die Jahre 2022 bis 2025. Ab dem Jahr 2026 nehmen Sie wieder an der Hauserhöhung teil.
437. Im Übrigen bleiben die arbeitsvertraglichen Bedingungen unverändert.“
44Der Kläger nahm die Änderungskündigung am 05.09.2022 unter Vorbehalt an.
45Eingehend beim Arbeitsgericht ebenfalls am 05.09.2022 erhob der Kläger die streitgegenständliche Änderungskündigungsschutzklage und begehrt die Zahlung der ihm seit Juli 2022 vorenthaltenen Hauserhöhung in Höhe von rechnerisch unstreitigen 178,60 € brutto monatlich.
46Der Kläger behauptet die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Es läge kein Wegfall des Beschäftigungsbedarfes für seine ursprüngliche Tätigkeit als Leiter Service-Center vor, sondern die Beklagte betreibe lediglich eine Umbenennung mit dem Ziel ihm in ungerechtfertigter Weise Entgeltbestandteile zu entziehen. Zudem sei die Änderungskündigung nicht hinreichend bestimmt. Sie sei intransparent und insgesamt verwirrend, da nicht klar sei, welche Entgeltbestandteile wegfielen und inwieweit dies überhaupt Folge der Kündigung sei. Außerdem sei es nicht gerechtfertigt ihm die Hauserhöhung bereits ab Juli 2022 und damit lange vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31.03.2022 zu entziehen. Mithin verbleibe es auch unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bei einem Anspruch auf Weitergabe der Hauserhöhung, wie sie auch anderen Mitarbeitern gewährt worden sei.
47Der Kläger beantragt,
481. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 15.08.2022, ihm am 18.08.2022 zugegangen, rechtsunwirksam ist.
492. Die Beklagte zu verurteilen, ihn als Leiter Service Center zu beschäftigen.
503. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 893,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 178,60 brutto seit dem 01.08.2022, seit dem 01.09.2022, seit dem 01.10.2022, seit dem 01.11.2022 und seit dem 01.12.2022 zu zahlen.
514. Die Beklagte zu verurteilen, die mit Wirkung zum 01.07.2022 gewährte Hauserhöhung 2022 in Form der Erhöhung der monatlichen Grundgehälter um 5 % auf ihn anzuwenden.
52Die Beklagte beantragt,
53die Klage abzuweisen.
54Die Beklagte verteidigt die von ihr auch in einer Vielzahl von anderen Fällen ausgesprochenen Änderungskündigungen. Diese seien betriebsbedingt und folgten aus den umfänglichen Regelungen zur Änderung und Umorganisation der Geschäftsstruktur im Interessenausgleich vom 14.02.2022. Hierbei habe sich die Beklagte auch darauf beschränkt, nur die wirtschaftlich notwendigen Änderungen vorzunehmen. Die ehemaligen Stellen der Leiter Service-Center seien entfallen. Dafür gebe es nunmehr neben den einfachen Service-Monteuren die Service-Monteure mit Bereichsleiterfunktion. Im Gegensatz zu den ehemaligen Leitern Service-Centern verfügten diese nicht mehr über ein fachliches Weisungsrecht gegenüber den unter ihnen tätigen Monteuren in den jeweiligen Werkstätten. Dieses Weisungsrecht sei vielmehr auf die neu geschaffenen Stellen der Area-Manager verlagert worden. Hierbei handele es sich um eine Beförderungsstelle. Die Vergütung sei gleichgeblieben. Allerdings erfolge ein Teil der Vergütung nunmehr in Form einer Zulage. Dies sei nicht zu beanstanden, da umfangreiche Marktanalysen bestätigt hätten, dass die bisher den Leitern-Service-Center gezahlte Vergütung weit über dem marktüblichen Niveau gelegen hätte.
55Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Niederschriften zum Güte- und Kammertermin Bezug genommen.
56E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
57Die als Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
58Im Einzelnen
591. Die vom Kläger rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 KSchG angegriffene ordentliche Änderungskündigung vom 15.08.2022 ist unwirksam.
60Die Kammer schließt sich diesbezüglich wie bereits die 5. und 16. Kammer des hiesigen Gerichtes vollumfänglich den überzeugenden Ausführungen der 8. Kammer an, die diese im Rahmen eines Parallelverfahrens durch Urteil vom 17.11.2022 tätigte (8 Ca 3900/22). Darin hieß es auszugsweise wie folgt:
61„Der Änderungsschutzantrag war begründet.
62Die Änderungskündigung vom 06.07.2022 ist sozial ungerechtfertigt und darüber hinaus auch wegen des unangemessenen Änderungsangebots rechtsunwirksam.
631.) Die streitgegenständliche Änderungskündigung ist bereits wegen fehlender Angemessenheit des Änderungsangebots rechtsunwirksam.
64Bei einer Änderungskündigung muss – bei wie vorliegend unstreitiger Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes - für deren Rechtswirksamkeit zum einen eine soziale Rechtfertigung nach § 1 KSchG vorliegen, darüber hinaus muss das Änderungsangebot auch unter Wahrung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sein. Insofern muss sich das Änderungsangebot insbesondere auf diejenigen Punkte beschränken, für die sich der Arbeitgeber auf eine soziale Rechtfertigung der Kündigung in Form eines Kündigungsgrundes beruft. Es ist insbesondere unzulässig, bei Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses nur zur Änderung einzelner Punkte der Arbeitsbedingungen gleich einen komplett neuen Arbeitsvertrag zum Gegenstand des Änderungsangebots zu machen, mit dem auch weitere Arbeitsbedingungen geändert werden, wofür gar kein dringendes betriebliches Erfordernis besteht.
65Hiervon ausgehend ist die streitgegenständliche Änderungskündigung bereits offensichtlich rechtsunwirksam, weil sie mit dem Änderungsangebot eine Vielzahl von Arbeitsbedingungen zum Gegenstand hat, für die auch nach eigenem Vortrag der Beklagten unstreitig nicht sämtlich ein dringendes betriebliches Erfordernis besteht.
66Unwirksam ist die Änderungskündigung bereits deswegen, weil die künftige Tätigkeit des Klägers nicht im Änderungsangebot konkret umschrieben wird, sondern sich die Beklagte hier künftig eine einseitige Änderungsmöglichkeit vorbehalten möchte. Gegenstand des Änderungsangebots ist die Formulierung „Es gilt die jeweils aktuelle Stellenbeschreibung für die Funktion, die jederzeit auf den Intranetseiten vom O Support Service Delivery abgerufen werden kann.“. Ein derartiges Änderungsangebot mit einer völlig ins Belieben des Arbeitgebers gestellten Änderungsmöglichkeit der Tätigkeit kann kein angemessenes Änderungsangebot sein. Aufgrund fehlender Bestimmtheit muss eine derartige Regelung zwingend zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung aufgrund Unangemessenheit des Änderungsangebots führen.
67Auch hinsichtlich der Vergütung ist das Änderungsangebot unbestimmt und damit unangemessen. Die Beklagte möchte einen Teil der bisherigen Vergütung in Höhe von 300.-Euro monatlich in eine „funktionsgebundene Betriebsleiterzulage“ umwandeln. Das Änderungsangebot enthält hierzu die Formulierung, dass die Zulage „so lange gewährt (wird), wie diese Funktion von Ihnen wahrgenommen wird. Sollten Sie als Betriebsleiter für den o. g. Standort ausgetragen werden oder die Funktion dauerhaft nicht mehr ausüben können, entfällt ab dem darauffolgenden Monat die Zulagengewährung.“ Die Formulierung „sollten Sie als Betriebsleiter für den o. g. Standort ausgetragen werden“ impliziert, dass die Beklagte sich auch hier die Möglichkeit einseitig vorbehalten möchte, dem Kläger die Betriebsleiterfunktion künftig einseitig zu entziehen, mit der Folge, dass sich dann auch aufgrund der einseitigen Entscheidung der Beklagten die Vergütung des Klägers um 300.-Euro reduzieren soll.
68Das Änderungsangebot ist mithin auch hinsichtlich der Vergütung evident unangemessen. Ebenfalls unangemessen und unzulässig ist es, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen teilweise nach Vorstellung der Beklagten schon vor Ablauf der Kündigungsfrist greifen soll. Eine ordentliche Änderungskündigung kann Arbeitsbedingungen erst zum Zeitpunkt mit Ablauf der Kündigungsfrist ändern und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Gegenstand des streitgegenständlichen Änderungsangebots ist, dass der Kläger bereits keine „Hauserhöhung 2022“ erhalten soll, die bereits zum 01.07.2022 fällig wird, obwohl die Änderungskündigung erst zum 31.01.2023 ausgesprochen wurde. Auch dies ist evident unwirksam.
69Auf die weiteren klägerseitig gerügten Punkte der Änderungskündigung kam es mithin nicht mehr entscheidungserheblich an, da bereits aus vorstehenden Gesichtspunkten das Änderungsangebot offensichtlich unangemessen und damit rechtsunwirksam ist.“
702.) Die streitgegenständliche Änderungskündigung ist darüber hinaus auch unwirksam, weil es an einer sozialen Rechtfertigung nach § 1 KSchG in Form eines hinreichenden Kündigungsgrundes fehlt.
71Die Beklagte beruft sich auf einen betriebsbedingten Kündigungsgrund. Sie hat jedoch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass der Beschäftigungsbedarf für die bisherige Tätigkeit des Klägers als Leiter des Service Center künftig entfällt.
72Das Service Center St existiert künftig auch weiterhin nach der unternehmerischen Planung der Beklagten. Die Beklagte beabsichtigt, künftig in diesem unverändert ihre unternehmerischen Leistungen für die Kunden anzubieten.
73Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, was sich künftig am Beschäftigungs-bedarf ändern soll, so dass die bisherige Tätigkeit des Klägers als Leiters dieses Service Centers künftig aufgrund unternehmerischer Entscheidung zur Umstrukturierung nicht mehr benötigt werden sollte.
74Bei den von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen handelt es sich um handwerkliche Dienstleistungen. Der Kläger hat substantiiert dargelegt, dass es handwerksrechtlich erforderlich ist, dass insofern ein verantwortlicher Betriebsleiter vor Ort ist und dort die Aufsichtsverpflichtung erfüllt, die Tätigkeit, welche der Kläger bisher im Service Center St ausgeübt hat. Dem ist die Beklagte nicht mehr konkret entgegen getreten. Die Beklagte legt nicht substantiiert dar, wie ihre Unternehmensstruktur künftig organisiert sein soll, so dass der Beschäftigungsbedarf für diese Tätigkeit künftig entfallen sollte.
75Soweit die Beklagte relativ pauschal vorträgt, die Verantwortung sollte künftig auf einer höheren Hierarchieebene bei den „Area Managern“ liegen, die nicht mehr für ein Service Center, sondern für mehrere Service Center zuständig sein sollen und die dann auch die „Fachaufsicht“ für die Servicemonteure in den Service Centern haben sollen, erschließt sich dem Gericht die Umsetzbarkeit einer derartigen unternehmerischen Entscheidung nicht.
76Im Kammertermin wurde erläutert, dass unter Fachaufsicht etwa auch zu verstehen sein dürfte, dass ein Servicemonteur fachliche Anleitungen erhält, auf welche Art und mit welcher konkreten technischen Fertigung eine Autoglasscheibe zu montieren ist. Hierfür ist für das Service Center St unstreitig in der bisherigen Struktur der Kläger zuständig für die dortigen Service Monteure. Wenn nun in der „künftigen Struktur“ ein Servicemonteur eine fachliche Frage zur Montage von Scheiben hat, erschließt sich dem Gericht aus dem Vortrag der Beklagten nicht, wie dies künftig praktisch durchgeführt werden soll, insbesondere, ob dann ggf. erstmal gar keine Scheiben mehr im Service Center St montiert werden sollen, bis – ggf. erst Tage oder Wochen später – der zuständige Area Manager das Service Center St wieder vor Ort aufsucht, wenn vor Ort kein Mitarbeiter mehr mit fachlicher Weisungsbefugnis vorhanden sein soll. Diese Frage konnte die Beklagte im Kammertermin nicht schlüssig beantworten.
77Ebenso konnte sie nicht beantworten, wie eine derartige Konstruktion ohne fachliche Weisungsbefugnis vor Ort handwerksrechtlich zulässig sein soll.
78Die Umsetzbarkeit einer etwaigen unternehmerischen Entscheidung, durch die der Beschäftigungsbedarf für die bisherige Tätigkeit des Klägers als Leiter des Service Centers St künftig entfallen soll, war mithin für die Kammer nicht ersichtlich.
79Hinzu kommt, dass auch die künftige Tätigkeit des „Area Managers“ offenbar sehr nah an der bisherigen Tätigkeit des Klägers zu liegen scheint, mit dem Unterschied, dass der künftige „Area Manager“ nicht für eine, sondern für mehrere Service Center zuständig sein soll. Wenn die Beklagte hier also die Entscheidung getroffenen haben sollte, statt bisher einem Standortverantwortlichen mit fachlicher Führungsbefugnis pro Standort künftig zur Kostenersparnis nur noch einen solchen Standortverantwortlichen mit fachlicher Führungsbefugnis für mehrere Standorte tätig werden zu lassen, hätte hin-sichtlich der Auswahlentscheidung, welcher der bisherigen Standortverantwortlichen künftig diese Aufgabe gleich für mehrere Standorte ausüben soll, die Beklagte eine Auswahlentscheidung nach den sozialen Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG vornehmen müssen. Nicht zulässig ist es demgegenüber, anstelle einer Sozialauswahl die Auswahlentscheidung arbeitgeberseitig nach vermeintlichen „Leistungskriterien“ durchführen zu wollen, indem sich die bisherigen Standortverantwortlichen für eine künftige Führungsaufgabe neu „bewerben“ sollen. Gesetzlich ist in § 1 Abs. 3 KSchG ein gegensätzliches Konzept zwingend vorgeschrieben.“
80Die Ausführungen der 8. Kammer sind aufgrund der Parallelität der Verfahren vollumfänglich auf den hiesigen Sachverhalt übertragbar. Auch auf die ergänzenden Begründungen der übrigen Kammern in den den Parteien bekannten weiteren Parallelverfahren sei hierbei ergänzend verwiesen. Auch die weiteren Ausführungen der Beklagten im hiesigen Verfahren vermögen keine anderweitige Entscheidung zu begründen. Insbesondere vermag die Beklagte auch weiterhin nicht zu begründen, inwieweit der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen sein soll und inwieweit eine vollständige Übertragung des fachlichen Weisungsrechtes auf die Area-Manager funktionieren soll. Selbst wenn man eine solche betriebliche Rechtfertigung annehmen wollte, verbliebe es nach Auffassung der erkennenden Kammer jedenfalls bei den bereits von der 8. Kammer aufgezeigten eklatanten Mängeln in der Bestimmtheit der Änderungskündigung.
812. Dem Kläger steht weiterhin der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 893,00 € brutto aus jeweils 178,60 € brutto für die Monate Juli bis November 2022 zu. Anspruchsgrundlage ist insofern die arbeitgeberseitige Gesamtzusage, eine entsprechende Gehaltserhöhung zu gewähren, in Verbindung mit dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
82Unstreitig hat die Beklagte ihren Mitarbeitern eine Gesamtzusage („Hauserhöhung“) erteilt, ab dem 01.07.2022 die Gehälter um fünf Prozent einheitlich zu erhöhen.
83Soweit die Beklagte den Kläger und andere Mitarbeiter, welche die streitgegenständlichen Änderungskündigungen erhalten haben, von dieser Gehaltserhöhung ausnehmen möchte, ist dies wegen Verstoß gegen den allgeneinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unzulässig.
84Der richterrechtlich entwickelte und inzwischen gewohnheitsrechtlich angerkannte allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass ein Arbeitgeber, der Teilen seiner Arbeitnehmer freiwillig nach einem bestimmten erkennbaren generalisierenden Prinzip Leistungen gewährt, diese Gruppen mit anderen Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleichbehandelt. Untersagt ist ihm sowohl eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2022 - 5 AZR 412/21, Rn. 30; juris).
85Bei der Gehaltserhöhung zum 01.07.2022 um einheitlich fünf Prozent („Hauserhöhung“) handelt es sich unzweifelhaft um eine unter kollektiven Gesichtspunkten gewährte Leistung. Der Kläger wird – wie nach Angaben der Beklagten auch die weiteren von den vergleichbaren Änderungskündigungen betroffenen Mitarbeiter – insofern ungleich behandelt, da er von der Gehaltserhöhung ausgeschlossen sein soll. Diese Ungleichbehandlung beruht nicht auf einem sachlichen Grund. Eine rechtsunwirksame Änderungskündigung ist per se nicht als Differenzierungsmerkmal geeignet, einzelne Arbeitnehmer von einer kollektiven Leistung auszunehmen. Auch insoweit schließt sich die Kammer den den Parteien bekannten Entscheidungen der benannten anderen Kammern des Arbeitsgerichts vollumfänglich an und macht sich deren Begründung zu eigen. Soweit sich die Beklagte vorliegend zuletzt darauf berufen hat, die Ungleichbehandlung der von der Änderung betroffenen Arbeitnehmer sei berechtigt, da nur durch dieses Vorgehen eine unternehmensweit angemessene Gehaltsstruktur erreicht werden könne, überzeugt dies nicht. So legt die Beklagte nicht einmal ansatzweise dar, woraus die angebliche vorherige Überbezahlung der betroffenen Arbeitnehmer folgen soll und beruft sich lediglich pauschal auf eine angeblich durchgeführte Marktanalyse. Dies kann zur Begründung der unzweifelhaft gegebenen Ungleichbehandlung nicht ausreichen.
86Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
873. Der vom Kläger gestellte Beschäftigungsantrag war hingegen abzuweisen. Der Kläger hat die streitgegenständliche Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen und damit nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entgegen dem Obsiegen im allgemeinen Kündigungsschutzverfahren keinen Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen, da seinem Beschäftigungsinteresse hinreichend gedient ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.01.1990 - 2 AZR 183/89).
88Soweit sich der Kläger darauf beruft, er wolle keinen Weiterbeschäftigungsantrag stellen, sondern einen allgemeinen Beschäftigungsantrag, so fehlt es hierzu jedenfalls am Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Kläger wird nach eigenen Angaben derzeit auf seiner ehemaligen Position ohne jegliche Veränderung in seiner Tätigkeit beschäftigt.
894. Der Klageantrag auf „Anwendung der Hauserhöhung" ist bereits unzulässig. Auch insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen der 8. Kammer an, die hierzu ausgeführt hat:
90„Der Antrag ist bereits zu unbestimmt. Es ist für das Gericht nicht verständlich, was der Kläger damit meint. Der Kläger hat bereits einen Zahlungsantrag für die ihm nicht gewährte Gehaltserhöhung (..) gestellt. Dieser wurde beschieden. Welchen Zweck darüber hinausgehend der Klageantrag zu 5) haben soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Der Kläger kann selbstverständlich die Gehaltserhöhung nicht doppelt verlangen.
91Sollte der Antrag dahingehend zu verstehen sein, dass der Kläger damit einen Antrag auf künftige Leistung für noch nicht fällige Monate stellen möchte, ist dieser Antrag unzulässig.
92Grundsätzlich können nur bereits fällige Leistungen eingeklagt werden. Eine Klage auf künftige Leistung ist nur ausnahmsweise zulässig, nach § 259 ZPO muss insofern regelmäßig die weitere besondere Voraussetzung erfüllt sein, dass den Umständen nach zu besorgen ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.
93Im arbeitsgerichtlichen Verfahren kommt eine Klage auf künftige Vergütung regelmäßig nicht in Betracht. Die Frage, ob ein arbeitsrechtlicher Vergütungsanspruch besteht oder nicht, hängt von vielen, teilweise komplexen Faktoren ab. Diese sind regelmäßig nicht im Vorfeld abschließend für die Zukunft prognostizierbar. Insbesondere für Zeiten der Nichtbeschäftigung kann nicht im Vorfeld abschließend durch eine gerichtliche Titulierung geklärt werden, ob ausnahmsweise trotzdem ein Vergütungsanspruch besteht (etwa unter dem Gesichtspunkt der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, des Annahmeverzugs o. ä.) oder nicht.
94Hiervon ausgehend besteht vorliegend keine Rechtfertigung für eine ausnahmsweise Titulierung einer erst künftig fällig werdenden Leistung.
95Sollte der Antrag dahingehend zu verstehend sein, dass der Kläger Partizipation an etwaigen künftigen „Hauserhöhungen" begehrt, ist der Antrag ebenfalls unzulässig. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zum Schluss der mündlichen Verhandlung steht nicht fest, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen und für welche Personengruppen es künftig „Hauserhöhungen" bei der Beklagten geben wird. Sollte es solche Hauserhöhungen künftig geben und der Kläger sich erneut zu Unrecht nicht oder nicht in vollem Umfang berücksichtigt fühlen, mag er bei Fälligkeit eine entsprechende Zahlungsklage erheben. Es ist nicht möglich, einen derartigen — derzeit noch nicht bekannten — potentiellen künftigen Streit bereits im Vorfeld durch einen Antrag wie den Antrag zu 5) zu klären.“
96Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 3 ff. ZPO im Urteil festzusetzen. Die Berufung war, soweit nicht bereits gesetzlich zulässig, nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG wegen der Vielzahl der betroffenen Arbeitsverhältnisse in Bezug auf die Hauserhöhung, gesondert zuzulassen.