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Die Anträge werden zurückgewiesen.
G R Ü N D E
2I .
3Die Beteiligten streiten vornehmlich über die Aufhebung von Einstellungen.
4Die Arbeitgeberin betreibt mit etwa 160 Arbeitnehmern in H. ein Warenumschlagslager im 3-Schicht-Betrieb, für das der antragstellende Betriebsrat gewählt ist. Die zentrale Arbeitseinheit bildet eine Halle, an der Lastkraftwagen ausgeladen werden, deren Ladung anschließend auf Warenbändern neu sortiert wird, und sodann umsortiert wieder in Lastkraftwagen eingeladen wird.
5Bis November 2021 von der Arbeitgeberin befristet beschäftigte Arbeitnehmer wurden im Anschluss im Wege der Arbeitnehmerüberlassung von ihr weiterbeschäftigt. 41 von diesen Arbeitnehmern wurden ab Februar 2022 von der Firma I (nachfolgend X) übernommen und im Wege eines Werkvertrages mit im Wesentlichen gleichen Arbeiten betraut.
6In dem Werkvertrag zwischen X und der Arbeitgeberin vom 31.01.2022, wegen dessen weiteren Inhalts auf Bl. 12ff. dA. Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise:
7§ 1 Auftragsgegenstand
81. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit verschiedenen Hallenumschlagleistungen. Einzelheiten ergeben sich aus Anlage 1.
92. Der Auftragnehmer verpflichtet sich zur vertragsgemäßen Ausübung der vereinbarten Leistungen. Qualitätsmängel sind in Anlage 2 definiert.
103. Die Organisation der Leistungen einschließlich des Einsatzes von Personal und Arbeitsmitteln obliegt dem Auftragnehmer.
114. Der Auftragnehmer wird vom Auftraggeber ermächtigt, die zu Leistungsbeginn vorhandenen Arbeitsmittel kostenlos zu nutzen. Er ist dann für die pflegliche und sachliche Behandlung verantwortlich.
125. Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer abgegrenzte Produktionsstätten zur Nutzung zur Verfügung.
13…
14§ 2 Personal
151. Der Auftragnehmer stellt sicher, dass seine Mitarbeiter regelmäßig im Umgang mit den Arbeitsmitteln geschult und entsprechend den gesetzlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften sowie den Regelungen dieses Vertrages unterwiesen werden. Der Auftragnehmer stellt dabei sicher, dass seine Mitarbeiter sprachlich in der Lage sind, die Schulungsinhalte und Unterweisungen zu verstehen; ggf. sind den Mitarbeitern die Schulungsinhalte in anderer Form zugänglich zu machen. Über die Durchführung der Unterweisung ist dem Auftraggeber ein schriftlicher Nachweis vorzulegen.
16.…
176. Der Auftragnehmer ist nicht berechtigt, seinerseits Subunternehmer mit der Durchführung der ihm auf Grundlage dieses Vertrages erstellten Aufträge zu beauftragen.
18…
19§ 7 Gefahrgut und Radioaktivware
201. Der Auftragnehmer stellt sicher, dass sein eingesetztes Personal regelmäßig und insbesondere vor Aufnahme der Tätigkeit nach den jeweils gültigen gesetzlichen Vorschriften und Bestimmungen des ADR in der jeweils gültigen Fassung (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße) tätigkeitsbezogen durch den Gefahrgutbeauftragten des Auftraggebers im Umgang mit Gefahrgut unterwiesen und geschult wird.
21…
22§ 12 Ansprechpartner
23Der Auftragnehmer benennt dem Auftraggeber einen Verantwortlichen vor Ort und einen Stellvertreter, die dem Auftraggeber als alleinige Ansprechpartner für alle Belange des Auftrags dienen und Weisungsrecht gegenüber den vom Auftragnehmer eingesetzten Mitarbeitern haben.
24In der Anlage 1 zum Werkvertrag, wegen dessen weiteren Inhalts auf Bl. 20ff. dA. Bezug genommen wird, heißt es:
25I. Aufgabenbeschreibung Zustellung
26Der Auftragnehmer, nachfolgend AN genannt, übernimmt selbständig Tätigkeiten im Relations-Wareneingang, nachfolgend R genannt. …In den Bereichen der Bandauflage hat der AN folgende Tätigkeiten auszuführen:
27Bandauflage:
28Die Bandauflage wird vom AN besetzt, Der AN übernimmt die Mischpaletten ab der Bereitstellungszone für die Bandauflage am Sorter. In dem Bereich der Bandauflage hat der AN folgende Tätigkeiten auszuführen:
29Bandabnahme:
30Die Bandabnahme wird vom AN besetzt….
31II. Zeitliche Lage und Karenzzeiten für den R
32Sortierung Sorter
33Beginn der Sortierung liegt im Ermessen des AN. Der AN muss den Beginn der Sortierung so wählen, dass in Abhängigkeit zum Auftragseingang ein Sortierende bis 07:00 Uhr sichergestellt ist, Es wird dem AN eine Karenzzeit von 15 min eingeräumt. Der Auftraggeber hat dem AN dafür alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.
34Bandabnahme Großposten
35Der Beginn der Sortierung der Bandabnahme Großposten ist variabel und liegt im Ermessen des AN. Der AN muss den Beginn der Sortierung so wählen, dass in Abhängigkeit zum Auftragseingang ein Sortierende bis 08:30 Uhr sichergestellt ist. Es wird dem AN eine Karenzzeit von 15 min eingeräumt.
36III. Obhutszeitraum des AN
371. Beginn des Obhutszeitraums:
38Der Obhutszeitraum des AN hinsichtlich der Leistung
39— Bandauflage
40beginnt mit der Übernahme der Ware bzw. Paletten am für den Prozess definierten Übernahmeplatz (Pufferbereich bzw. Bereitstellungszone).
41Der Obhutszeitraum des AN hinsichtlich der Leistung
42— Bandabnahme
43— Überlauf
44— NoRead
45beginnt mit der Ausschleusung (Abgreifen) der Ware am Sorter….
46Der Werkvertrag erfasst regelmäßig in der Nachtschicht zu erledigende Tätigkeiten, die Erstreckung auch auf in der Spätschicht zu erledigende Tätigkeiten wurde zuletzt zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat verhandelt. X wird nach der Zahl abgewickelter Packstücke pro Arbeitstag vergütet, Bl. 27 dA. Die Arbeitgeberin teilt X das zu erwartende Arbeitsvolumen mit, X disponiert nach eigener Planung ihre dafür eingeteilten Arbeitnehmer und auch die Zahl der davon als Vorarbeiter eingeteilten Beschäftigten. Die Arbeitnehmer von X arbeiten an den Arbeitsmitteln der Arbeitgeberin, wobei die Vorarbeiter auch allgemeine Packarbeiten erledigen. Die Personalhoheit für die Arbeitnehmer der X liegt hinsichtlich der Erstellung von Dienstplänen sowie der Abwicklung von krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfallzeiten in deren Händen. Von ihr erhalten deren Mitarbeiter ihre persönliche Schutzausrüstung, sie tragen in der Halle orange Westen, deren Vorarbeiter blaue Westen. Arbeitnehmer der Arbeitgeberin sowie ihr überlassene Arbeitnehmer tragen keine Westen oder zeitweise gelbe Westen. Den im Wege der Arbeitnehmerüberlassung tätigen Beschäftigten wie auch den Arbeitnehmern von X sind gemeinsame Umkleidekabinen zugewiesen, den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin davon getrennte Umkleidekabinen. Die Pausen verbringen alle Beschäftigtengruppen in gemeinsamen Räumen, streitig ist, in welchem Umfang dies zeitgleich geschieht.
47Der Betriebsrat macht geltend, die von der Arbeitgeberin ausgegliederten Tätigkeiten würden in einer Halle „Hand-in-Hand“ in sich räumlich überschneidenden, nicht abgegrenzten Arbeitsbereichen ausgeführt. Ablauf- bzw. verfahrensbezogene Weisungen sowie warenspezifische Unterweisungen erfolgten durch die Arbeitgeberin auch für die Arbeitnehmer der X, insbesondere, wenn deren Führungspersonal sich nicht am Ort einer schnell erforderlichen notwendigen Entscheidung befinde. Umgekehrt würden auch X-Arbeitnehmer den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin Anweisungen erteilen, Bl. 274 dA. Daher handele es sich um ein gemeinsames „Werk“ der drei verschiedenen Arbeitnehmergruppen, nämlich der zur Arbeitgeberin gehörenden Arbeitnehmer sowie der Arbeitnehmerüberlassungs- wie auch der Werkvertragshelfer. Für deren Eingliederung in den Betrieb der Arbeitgeberin spreche die wechselseitige Abhängigkeit der Arbeitenden, die dadurch gekennzeichnet werde, dass die Leistungserbringung der einen Gruppe notwendig auf die der anderen Gruppe angewiesen sei. Daher und wegen der von allen Beschäftigten gleichermaßen zu beachtenden betrieblichen Ordnungsvorschriften, aber auch wegen gemeinsamer Aufenthalts- und Umkleideräume seien deren Arbeitnehmer in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert und der Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 BetrVG an diesen Einstellungen zu beteiligen. Hilfsweise stehe ihm ein Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 iVm. § 111ff. BetrVG zu.
48Der Antragsteller beantragt,
49die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, die Einstellung der von der X eingesetzten Arbeitnehmer: M. A. B., S.Y.; B. O., T. P., A. K. O.; I. A., Y. O., A. A. Y., A. H. A. T., B. A., D. G., N. A. S., S. H. T., D. C. D., H. M., N. H. I. P. S. P., M. M., Z. K., J. A., S. A., A. S., A. O., S. M. M. B., J. A., A. A., W. A., P. R., A. A. A., D. N., E. N., B. S., J. A., B. I. U., Y. R., S. M., K. B. und W. A., aufzuheben
50und hilfsweise
51der Beteiligten zu 2 aufzugeben, es zu unterlassen, die Tätigkeiten der Bandauflage und Bandabnahme durch die Firma X oder eine andere Fremdfirma durchführen zu lassen, solange der Antragsteller seine Zustimmung nicht erteilt hat oder diese durch einen Einigungsstellenspruch ersetzt worden ist.
52Die Beteiligte zu 2 beantragt,
53die Anträge zurückzuweisen.
54Die Arbeitgeberin beruft sich auf die durch den Werkvertrag gezogene und nach ihrer Auffassung auch betrieblich umgesetzte organisatorische Trennlinie zwischen den durch sie und den durch X organisierten Tätigkeiten. Zusätzlich macht sie geltend, die Tätigkeiten seien durch ihre zeitlich versetzte und räumlich zugewiesene Erledigung auch tatsächlich klar voneinander abgegrenzt. Eine einmalige Einweisung genüge zum Erlernen der Tätigkeiten, tatsächlich finde wegen der multinationalen Arbeitskräfte und der sehr einfachen Tätigkeiten im Fall einer notwendigen Verständigung diese regelmäßig nonverbal statt, eine Schulung gem. § 7 Ziff. 1 des Werkvertrages habe noch nicht stattgefunden.
55Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Betriebs beim Ortstermin am 09.01.2023 (vgl. Bl. 194ff. dA.).
56Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Beteiligtenschriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
57II.
58Die Anträge sind zulässig, aber unbegründet.
59A.
60Der Aufhebungsantrag des Betriebsrats ist unbegründet. Der Einsatz der benannten Arbeitnehmer der X im Betrieb der Arbeitgeberin bedarf nicht der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG.
611. Gemäß § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn dieser die Maßnahme ohne die Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt hat.
62a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. Eine Einstellung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen (BAG 08.11.2016 – 1 ABR 57/14 – Rn. 14; 13.05.2014 - 1 ABR 50/12 - Rn. 17 f. mwN). Auf das Rechtsverhältnis, in dem die Personen zum Betriebsinhaber stehen, kommt es nicht an. Eingegliedert ist, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die der Arbeitgeber organisiert (BAG 23.06.2010 - 7 ABR 1/09 - Rn. 13). Der Beschäftigte muss so in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert sein, dass der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft.
63b) Die Frage der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation hängt dabei von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (BAG 13. Mai 2014 - 1 ABR 50/12 - Rn. 18). Eine Eingliederung in den Betrieb und dessen Organisation ist allerdings nicht schon dann anzunehmen, wenn Personen im Betrieb des Auftraggebers tätig werden und ihre Dienstleistung oder das von ihnen zu erstellende Werk nach Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den betrieblichen Arbeitsprozess eingeplant oder detailliert beschrieben ist. Es genügen auch weder die enge räumliche Zusammenarbeit von Arbeitnehmern im Betrieb noch die Einweisung und Koordination des Fremdfirmeneinsatzes durch Beschäftigte des Betriebsinhabers oder der Umstand, dass die betreffende Tätigkeit bislang von Arbeitnehmern des Beschäftigungsbetriebs ausgeführt wurde und zu bestimmten Zeiten weiterhin durchgeführt wird (BAG 08.11.2016 – 1 ABR 57/14 – Rn. 14 - Rn. 15 mwN).
64c) Es kann dahinstehen, ob es sich vorliegend tatsächlich um einen Werkvertrag handelt. Dieser würde voraussetzen, dass es sich um ein abgrenzbares abnahmefähiges Werk handelt, vgl. LAG BB 05.12.2019 – 21 TaBV 489/19 – Rn. 121. Vorliegend wurde als Werk jedoch lediglich die Zahl der „Abwicklung von Packstücken“ (Bl. 27 dA.) als Vergütungsgegenstand vereinbart, obwohl fraglich sein könnte, inwieweit die X Packstücke alleine „abwickelt“. Gleichwohl wäre auch bei einem freien Dienstvertrag danach zu unterscheiden, ob es um eine selbständige Diensterbringung geht oder um eine weisungsgebundene.
65d) Der Begriff der Eingliederung von Arbeitnehmern, die bei Fremdarbeitgebern tätig werden, wird insbesondere im Rahmen von Fragen der Arbeitnehmerüberlassung noch weiter ausdifferenziert. So hat das BAG zuletzt von der arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis die projektbezogene werkvertragliche Anweisung i.S.d. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB unterschieden. Die werkvertragliche Anweisung ist sachbezogen, ergebnisorientiert und gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht hingegen ist personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert und beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und weiterhin die Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind (BAG 05.07.2022 – 9 AZR 323/21 –, juris-Rn. 19). Der Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten ist danach sowohl auf Grundlage der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags zu bestimmen. Sprechen einige Kriterien für die Annahme, der Arbeitnehmer sei als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags tätig geworden und andere Kriterien für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung, ist eine umfassende Abwägung aller in die Entscheidung einzustellenden Gesichtspunkte vorzunehmen. Dabei sind die der Entscheidung zugrundeliegenden Aspekte zu benennen, diese zu gewichten und schließlich im Wege der Abwägung nachvollziehbar zu erläutern, aus welchen Gründen in der Gesamtbetrachtung das Ergebnis folgt (BAG, Urteil vom 5. Juli 2022 – 9 AZR 323/21 –, juris-Rn. 25).
66d) In der Literatur ist teilweise bestätigt worden, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern eines Drittunternehmens aufgrund eines echten Werkvertrags keine Einstellung iSv. § 99 darstellt (zB. Ricken in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Auflage 2022, § 99 BetrVG, Rn. 21; Kania in Erfurter Kommentar, 23. Aufl. 2023, § 99 BetrVG Rn. 9 auch zu sog. On-Site-Werkverträgen). Entscheidend sei hierbei, ob die von diesen Personen zu verrichtende Tätigkeit ihrer Art nach eine über den Umfang des § 645 I 1 BGB hinausgehende, in fachlicher und zeitlicher Hinsicht weisungsgebundene Tätigkeit ist. Selbst bei Fallgestaltungen, bei denen dem Arbeitgeber nicht nur Räumlichkeiten, sondern auch Personal von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden, damit zusammen mit eigenen Arbeitnehmern der Arbeitgeber in diesen Räumen tätig wird, könne in Bezug auf das zur Verfügung gestellte Personal von einer Einstellung ausgegangen werden, wenn dieses Personal den Weisungen der Stammarbeitnehmer Folge zu leisten hat. Dies gelte auch dann, wenn die Tätigkeit des Fremdpersonals unverzichtbare Hilfsfunktion für den Betriebszweck ist und der Einsatz des Fremdpersonals durch Arbeitnehmer des Betriebs koordiniert werden muss (Ricken in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Auflage 2022, § 99 BetrVG, Rn. 21). Allerdings wird auch befürwortet, den Begriff der Eingliederung weiter zu verstehen. So verstanden wird es für eine Eingliederung gehalten, wenn typische Weisungen über den Arbeitseinsatz vom Auftraggeber getroffen werden, also solche, mit denen die individuelle Arbeitspflicht nach Gegenstand, Ort und Zeit konkretisiert wird, etwa die Bestimmung des tägl. Arbeitsbeginns, die Zuweisung einer bestimmten Aufgabe oder die Reihenfolge der Arbeitsschritte. (ErfK/Kania, 23. Aufl. 2023, BetrVG § 99 Rn. 9). Auch wenn zB. den Urlaub betreffende Weisungen beim Vertragsarbeitgeber blieben, stehe dies einer Einstellung iSd § 99 BetrVG nicht entgegen (differenzierender für eine besondere Bedeutung der Dienstpläne Henssler/Grau, Arbeitnehmerüberlassung, Solo-Selbständige und Werkverträge, 3. Aufl. 2022, S. 98). Teilweise wird jedoch auch befürwortet, allein das nach Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort vom Arbeitgeber geplante betriebliche Zusammenwirken bereits als Einstellung iSv. § 99 BetrVG zu werten, unabhängig davon, wer die Einzelweisungen gibt (Fitting BetrVG § 99 Rn. 70a/b). Konkret wird im Fall wiederkehrender Tätigkeiten innerhalb eines getakteten Arbeitsprozesses, die wegen ihrer Verzahnung ein funktionierendes Wechselspiel verlangen, dann eine Einstellung angenommen, wenn der Arbeitgeber die operative Steuerung vornimmt, indem er zB. das Fremdpersonal anlernt, dessen Arbeitsergebnisse kontrolliert oder es sonst eng begleitet (Fitting BetrVG § 99 Rn. 70e). Allerdings wird in der Literatur auch auf den möglichen Wertungswiderspruch hingewiesen, der sich ergibt, wenn die Weisungsausübung des Werkvertraggebers gegenüber Erfüllungsgehilfen des Werkvertragnehmers als Einstellung iSv. § 99 BetrVG gewertet wird, jedoch nicht zugleich als Arbeitnehmerüberlassung (Raab GK-BetrVG, § 99 Rn. 49 mwN.).
672. In Anwendung dieser Maßstäbe ist eine Eingliederung der im Hauptantrag aufgeführten X-Arbeitnehmer in den Betrieb der Arbeitgeberin zu verneinen. Die Gesamtbetrachtung der Integration der X-Beschäftigten in die betriebliche Arbeitsorganisation unter dem Gesichtspunkt des Weisungsrechts ergibt, dass die Arbeitgeberin nicht das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat.
68a) Es sprechen Kriterien für das Vorliegen einer Eingliederung in den Betrieb der Arbeitgeberin und es sprechen Kriterien dagegen.
69aa) Für das Vorliegen einer Eingliederung spricht hier – bei Anlegung eines auf das Gesamtarbeitsergebnis „Hallenumschlag“ bezogenen Blickwinkels - die enge räumliche und zeitliche Verzahnung einfachster Arbeitstätigkeiten, hauptsächlich des Greifens und Bewegens von Packstücken. Sie bewirkt, wovon die Kammer sich durch die Inaugenscheinnahme der betrieblichen Verhältnisse ein lebendiges Bild verschaffen konnte, eine Beteiligung der drei verschiedenen Beschäftigtengruppen (Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, dieser überlassene Arbeitnehmer, Erfüllungsgehilfen des Werkvertragsunternehmens) an dem Arbeitsergebnis „Hallenumschlag“, das sie tatsächlich als Glieder einer Kette der Arbeitsteilung an Arbeitsmitteln der Arbeitgeberin erscheinen lässt. Unabhängig von der Häufigkeit der von den Beteiligten im Einzelnen streitig beschriebenen Überschneidungen zeitlicher Natur („Obhutszeitraum“, Leistungsbeschreibung Bl. 25 dA.) oder räumlicher Natur („Übergabeplatz“, „Puffer“- bzw. „Bereitstellungszonen“, Leistungsbeschreibung Bl. 24 dA.) bleibt es selbst dann, wenn zugunsten der Arbeitgeberin seltene Überschneidungen unterstellt werden, bei einer kleinteiligen Aufteilung der Arbeitsschritte auf verschiedene Beschäftigtengruppen, die allesamt an den Arbeitsmitteln der Arbeitgeberin verrichtet werden. Die im Hinblick auf das Gesamtarbeitsergebnis bestehende Verzahnung der Arbeitsschritte wird auch durch die optische Kenntlichmachung der X-Arbeitnehmer mittels oranger bzw. blauer Westen nicht in Frage gestellt. Sie geben allenfalls dem Betrachter Ausschluss über den jeweiligen Vertragsarbeitgeber der Arbeitnehmer, ändern jedoch nichts an den unter diesen aufgeteilten Arbeitsschritten, die erst in der Zusammenschau den vollständigen Umschlag einer Wareneinheit ermöglichen. Das Gleiche gilt für die teils gemeinsam genutzten Pausenräumlichkeiten, jedoch getrennt genutzten Umkleideräume.
70bb) Allerdings spricht die grundsätzliche räumlich-zeitliche Abgrenzung der X-Leistung in der Halle gegen eine Eingliederung. Denn innerhalb des Gesamtarbeitsergebnisses Hallenumschlag wird die im Werkvertrag angelegte Trennung der von X zu erledigenden Aufgaben auch tatsächlich im Grundsatz vollzogen. So wird die in § 1 des Werkvertrages beschriebene Hallenumschlagsleistung von X dem Grunde nach unbestritten selbst von dieser organisiert und mit deren Arbeitnehmern einschließlich des von ihr eingesetzten Führungspersonals erbracht. Denn die gem. Anl. 1 zum Werkvertrag grundsätzlich geregelte Aufgabenbeschreibung wird auch vom Betriebsrat nicht in Frage gestellt, dh. er stellt nicht in Abrede, dass die Tätigkeiten der Bandauflage, der NoRead-Station, der Bandabnahme und des Überlauf-Bereiches von X erledigt werden. Vielmehr gründet er seinen Antrag auf die Bewertung des von ihm vorgetragenen „In-die-Quere-kommens“, eines „wilden Durcheinanders“ und „bunten Treibens“ wegen der Raumverhältnisse, in deren Folge „fortlaufend Kommunikation, Interaktion und Abstimmung unter den Arbeitnehmern“ stattfinde, Bl. 119, 121, 123 dA. Diese raumzeitliche Vermischung der Arbeitnehmergruppen bezieht der Betriebsrat allerdings ganz vornehmlich auf die Übergabeorte der jeweiligen Aufgaben, während deren grundsätzliche Zuordnung außerhalb dieser Übergabeorte nicht nur durch den Werkvertrag klar geregelt und vom Betriebsrat unbestritten ist, sondern auch von der Kammer bei der Inaugenscheinnahme nachvollzogen wurde. Dort wurde unstreitig die Anlieferung von Paletten durch Nicht-X-Arbeitnehmer erledigt, deren Abpacken aber durch X-Arbeitnehmer, Bl. 195 dA. Das Gleiche gilt für die Besetzung der „Büdchen“ und - soweit die Pakete über die Sortieranlage geführt werden - das erneute Packen der Paletten, Bl. 196 dA. Auch die grundsätzliche zeitliche Trennung der Tätigkeiten wird – folgend aus der örtlichen Trennung der Aufgabenbereiche – nicht grundlegend vom Betriebsrat in Frage gestellt, da er sich selbst auf das der X im Werkvertrag eingeräumte Ermessen bezüglich des Beginns der Sortierung und die Karenzzeit von 15 Minuten bezogen auf das Sortierende beruft, Bl. 295 dA.
71bb) Gegen eine Eingliederung spricht darüber hinaus der unstreitige Umstand, dass die gesamte Personalverwaltung einschließlich des Aufstellens von Dienstplänen unter Berücksichtigung von Einsatz-, Urlaubs-, Krankheits- oder sonstigen Ausfallzeiten von X geleistet wird. Dieser Kern der für ein Arbeitsverhältnis typischen, weil grundlegend auf Ort und Zeit der Leistungserbringung bezogenen Weisungshoheit, wird nur auf kleinteiligerer Ebene modifiziert. Das bedeutet, dass die durch die Dienstpläne vorgegebene Ort und Zeit der Leistungserbringung lediglich im Betrieb bezogen auf die Tagesarbeit konkretisiert wird, etwa durch die örtliche Festlegung der wenig variablen Arbeitsinhalte oder der Pausen. Diesbezüglich sieht der Werkvertrag in § 12 allerdings ausdrücklich vor, dass alleinig die X das Weisungsrecht gegenüber ihren Arbeitnehmern behält. Im Rahmen der Inaugenscheinnahme erklärten die Beteiligten auch übereinstimmend, dass X selbst entscheiden kann, wie viele Vorarbeiter in der Halle eingesetzt werden und wo sich diese aufhalten, Bl. 196 dA. Auch deren Weisungsausübung gegenüber den X-Arbeitnehmern blieb unstreitig. Hier zeigt sich allerdings auch, dass bei Leistungen, deren Erfolg in der Vornahme einer körperlichen Handlung – dem Packvorgang – liegt, der für einen Werkvertrag typische sachbezogene Erfolg kaum mehr von der für einen Arbeitsvertrag typischen personenbezogenen Ablauforientierung zu unterscheiden ist. Insoweit erscheint es kaum sachgerecht, das Vorliegen einer Eingliederung davon abhängig zu machen, ob die Synchronisation der einzelnen Arbeitsschritte als arbeitsvertragliche Weisungen oder als werk-/dienstvertragliche Abstimmungen zu verstehen sind. Das gilt umso mehr, als auch der Betriebsrat vorträgt, dass für die von ihm geltend gemachte „Hand-in-Hand-Arbeit“ erforderliche Weisungen sowohl an die X-Arbeitnehmer ergehen als auch von diesen gegeben werden, Bl. 274 dA.
72b) Die Gewichtung der Kriterien nimmt die Kammer dahingehend vor, dass es im vorliegenden Fall für das für das Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht maßgeblich nicht auf die ablaufbezogene, sondern auf die personenbezogene Weisungshoheit, insbesondere die Dienstplanung, ankommt. Dies folgt aus dem Schutzzweck des § 99 BetrVG.
73aa) Nach den geschilderten Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts sind weder die vorherige oder zeitversetzte Tätigkeitserledigung durch „eigene“ Arbeitnehmer noch die enge räumliche Zusammenarbeit der verschiedenen Arbeitnehmergruppen im Betrieb für eine Eingliederung iSv. § 99 BetrVG entscheidend. Die Kammer hält es aufgrund der vorgenannten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen arbeits- und werkvertraglicher Weisung für naheliegend, das Vorliegen einer Eingliederung unter Rückgriff auf den Schutzzweck des § 99 BetrVG zu beurteilen. Dieser zielt in erster Linie auf die vorhandene Belegschaft, aber teils auch auf die Individualinteressen der von einer Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer (vgl. Fitting BetrVG § 99 Rn. 3; Raab GK-BetrVG, § 99 Rn. 5 mwN.). Er gibt dem Betriebsrat Zustimmungsverweigerungsrechte insbesondere bei rechtsverletzenden personellen Maßnahmen, Nachteilsbesorgnissen oder unterbliebenen Ausschreibungen. Solche Zustimmungsverweigerungsrechte kommen zwar auch bei dem Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften in Betracht, in der Praxis häufiger jedoch bei Verstößen gegen Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder bei Kündigungen oder Befristungen. Diese materiellen Rechtsnachteile dürften sich jedoch im Regelfall nicht dann verwirklichen, wenn auf kleinteiliger Ebene Arbeitsvorgänge unter den Beschäftigten koordiniert werden. Auch der Betriebsrat macht vorliegend nicht geltend, dass die „Hand-in-Hand-Arbeiten“ aus Unfallverhütungssicht besonders kritisch wären. Stattdessen wäre eher die Annahme gerechtfertigt, dass etwa eine von der Arbeitgeberin auch für die X-Arbeitnehmer vorgenommene Dienstplanung deren Interessen maßgeblich beeinträchtigen könnten, etwa mit Blick auf geltende Arbeitszeitregeln.
74Als Einstellung bewertet die Kammer im vorliegenden Fall demnach die Weisungsausübung, die statt der kleinteiligen Abstimmung der Packvorgänge die grundlegenden Arbeitsumstände durch die Dienstplanung festlegt. Diese Wertung findet sie dem Grunde nach in der Rechtsprechung bestätigt, in der gerade die vertragliche Entäußerung jedes eigenen weisungsgestaltenden Einflusses des Werkunternehmers auf seine Arbeitnehmer zur Annahme der Arbeitnehmerüberlassung führt (LAG BB 05.12.2019 – 21 TaBV 489/19, Ls. 4, juris-Rn. 135; zum gegenteiligen Fall BAG 18.01.2012 – 7 AZR 723/10, juris-Rn. 30). Das gilt umgekehrt auch für die Wertung, nach der gerade die Aufstellung von Dienstplänen für Personal des Werkunternehmers seitens des Arbeitgebers oder das für dieses angewiesene Führen von Tagesberichten bzw. die Abgabe von Arbeitsnachweisen für eine betriebsverfassungsrechtlich relevante Arbeitgeberstellung spricht, selbst wenn dies keine ausschließlichen Kriterien sein müssen (BAG 13.05.2014 – 1 ABR 50/12, juris-Rn. 23, 28, 31). Diese Rechtsprechung berücksichtigt auch letztlich den in der Literatur vertretenen Gedanken, wonach die enge Verzahnung der Tätigkeit eines Werkunternehmers mit dem getakteten Arbeitsprozess des Arbeitgebers dann als Einstellung zu werten ist, wenn der Arbeitgeber auch die Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers operativ steuert (Fitting BetrVG § 99 Rn. 70e).
75c) Nach alledem liegt keine Einstellung der Erfüllungsgehilfen der X iSv. § 99 BetrVG in den Betrieb der Arbeitgeberin vor. Die personenbezogene Weisungshoheit mit dem entscheidenden Schwerpunkt der vollständigen Dienstplanung der X-Arbeitnehmer ist bei dieser verblieben. Darüber hinaus sind der X erhebliche Eigensteuerungsprozesse überlassen, in deren Ausübung sie nicht nur Zahl und Verteilung ihrer Vorarbeiter selbst festlegt, sondern in ihrem räumlich und zeitlich definierten Zuständigkeitsbereich auch in den „Pufferzeiten und –zonen“ an einer gegenseitigen Abstimmungssteuerung der verschiedenen Arbeitnehmergruppen des Betriebs teilnimmt. Da diese Gruppen aber grundsätzlich in eigener Zuständigkeit arbeiten und lediglich in raumzeitlichen Pufferzonen „Hand-in-Hand“ nicht in der Form einseitiger, sondern vielmehr in der Form gegenseitiger Abstimmungsweisungen, fehlt es am für ein Arbeitsverhältnis typischen Weisungsrecht der Arbeitgeberin gegenüber den X-Arbeitnehmern und damit an deren Einstellung.
76B.
77Der Hilfsantrag des Betriebsrats ist ebenfalls unbegründet. Erst auf Nachfrage im Kammertermin hat der Antragsteller lediglich die Normenkette der §§ 23, 111ff. BetrVG benannt, ohne weitere Tatsachen im Hinblick etwa auf einen groben Verstoß iSV. § 23 Abs. 3 BetrVG oder das Vorliegen einer Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG konkret vorzutragen. Eine rechtliche Beurteilung, die der Kammer erläutert hätte, welche bereits vorgetragenen oder sonst ersichtlichen Tatsachen vom Antragsteller als maßgeblich für die Annahme erfüllter Tatbestandsvoraussetzungen der benannten Normenkette gelten sollen, erfolgte ebenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht.