Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, für den von ihr als „Warnstreik“ bezeichneten Streik der Tarifbeschäftigten der Flughafenfeuerwehr, der vom 17. März 2023 von 07.30 Uhr bis zum 18. März 2023, 07.30 Uhr andauert, und sodann für sämtliche weiteren Arbeitskampfmaßnahmen in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst (Bund und VKA) 2023, die bis mindestens zum 29. März 2023 andauert, längstens bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung zwischen den Parteien, folgenden Notdienst jeweils vollkontinuierlich für 24 Stunden an jedem Tag der Woche (also 24 Stunden an 7 Tagen) für die Werkfeuerwehr (bei der Verfügungsklägerin intern als AF bezeichnet) einzurichten:
2. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, für den von ihr als „Warnstreik“ bezeichneten Streik der Tarifbeschäftigten, Auszubildenden, Praktikant*innen und Studierenden, der vom 16. März 2023 von 22.00 Uhr (Beginn der Nachschicht) bis zum 17. März 2023, 24.00 Uhr andauert, und sodann für sämtliche weitere Arbeitskampfmaßnahmen in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst (Bund und VKA) 2023, die bis mindestens zum 29. März 2023 andauert, längstens bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung zwischen den Parteien, folgenden Notdienst jeweils vollkontinuierlich für 24 Stunden an jedem Tag der Woche (also 24 Stunden an 7 Tagen) für die Abteilungen AS (Abteilung Flughafensicherheit), AV (Abteilung Flugbetrieb), AT (Abteilung Verkehr- und Terminalbetrieb); BL (Abteilung Ground Services) sowie die Technik in den Werkstätten TEW 1,2 und 3 Energieerzeugung (TZ), Werkstatt TFW 1 und 3, Werkstatt TNW 1 und 2, Werkstatt TVW 1, 2 und 3 sowie im Werkstattbereich TMZ einzurichten:
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungsklägerin zu ¼ und die Verfügungsbeklagte zu ¾.
5. Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um die Einrichtung von Notdiensten.
3Die Verfügungsklägerin ist Betreiberin des Flughafens K mit ca. 1.760 Mitarbeitern und Mitglied des Ko Die Verfügungsbeklagte ist die V und führt die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst auf Gewerkschaftsseite.
4Bei der Verfügungsklägerin ist eine staatlich angeordnete (Werk-)Feuerwehr nach § 16 Abs. 1 des Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen () gebildet. Ihre Funktionsstärke ergibt sich aus dem Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 09.09.2020, wonach bei der Verfügungsklägerin entsprechend des für sie vorgesehenen Bedarfs- und Entwicklungsplans vollkontinuierlich (7 Tage mit jeweils 24 Stunden) 27 Funktionen der Werkfeuerwehr vorgesehen sind.
5Am 24.01.2023 führten die Parteien erste Verhandlungen zur aktuellen Tarifrunde, die ergebnislos beendet und vertagt wurden. Am 10.02.2023 und am 23.02.2023 fanden zwischen den Parteien Gespräche über den Umfang eines bei der Werkfeuerwehr und dem Rettungsdienst der Verfügungsklägerin im Rahmen eines Streiks vorzuhaltenden Notdienstes statt.
6Anlässlich von Streitmaßnahmen der Verfügungsbeklagten am 25.02.2023 und am 26.03.2023 fand ein einstweiliges Verfügungsverfahren zunächst beim Arbeitsgericht Köln (Az.: – 9 Ga 6/23 –) und sodann beim Landesarbeitsgericht Köln (Az.: – 6 SaGa 2/23 –) statt. Im letztgenannten Verfahren schlossen die Parteien am 25.02.2023 einen Vergleich, dessen Nr. 1 wie folgt lautet:
7„Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass für den kommenden Warnstreit (gemeint ist hier offenbar ‚Warnstreik‘) vom 26. bis 28.02.2023 ein Notdienst für die Feuerwehr eingerichtet wird entsprechend des Bescheides der Bezirksregierung. Dabei sind sich die Parteien aber einig, dass von dieser Besetzung zwei Funktionen Rettungsdienst und eine Funktion Feuerwehrmann/-frau auf dem Rettungstreppenfahrzeug gestrichen werden.“
8Nach einem Streikaufruf seitens der Verfügungsbeklagten vom 15.03.2023 soll die Flughafenfeuerwehr der Verfügungsklägerin von Freitag, dem 17.03.2023 bis Samstag, dem 18.03.2023 sowie die sonstige Belegschaft der Verfügungsklägerin ab Donnerstag, dem 16.03.2023 mit die Beginn der Nachtschicht um 22.00 Uhr bis Freitag, dem 17.03.2023 um 24.00 Uhr streiken. Gespräche zwischen den Parteien zur Vereinbarung eines Notdienstes während dieser Zeiten scheiterten.
9Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die Festlegung eines Not- und Erhaltungsdienstes durch das Arbeitsgericht im Wege der einstweiligen Verfügung nach Maßgabe der Klageanträge zu 1. und 2. sei aus den von ihr in der Klageschrift vom 15.03.2023 im Einzelnen genannten Gründen zwingend erforderlich.
10Die Verfügungsklägerin beantragt sinngemäß,
111. die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, für den von ihr als „Warnstreik“ bezeichneten Streik der Tarifbeschäftigten der Flughafenfeuerwehr, der vom 17. März 2023 von 07.30 Uhr bis zum 18. März 2023, 07.30 Uhr andauert, und sodann für sämtliche weiteren Arbeitskampfmaßnahmen in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst (Bund und VKA) 2023, die bis mindestens zum 29. März 2023 andauert, längstens bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung zwischen den Parteien, folgenden Notdienst jeweils vollkontinuierlich für 24 Stunden an jedem Tag der Woche (also 24 Stunden an 7 Tagen) für die Werkfeuerwehr (bei der Verfügungsklägerin intern als AF bezeichnet) einzurichten:
122. die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, für den von ihr als „Warnstreik“ bezeichneten Streik der Tarifbeschäftigten, Auszubildenden, Praktikant*innen und Studierenden, der vom 16. März 2023 von 22.00 Uhr (Beginn der Nachschicht) bis zum 17. März 2023, 24.00 Uhr andauert, und sodann für sämtliche weitere Arbeitskampfmaßnahmen in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst (Bund und VKA) 2023, die bis mindestens zum 29. März 2023 andauert, längstens bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung zwischen den Parteien, folgenden Notdienst jeweils vollkontinuierlich für 24 Stunden an jedem Tag der Woche (also 24 Stunden an 7 Tagen) für die Abteilungen AS (Abteilung Flughafensicherheit), AV (Abteilung Flugbetrieb), AT (Abteilung Verkehr- und Terminalbetrieb); BL (Abteilung Ground Services) sowie die Technik in den Werkstätten TEW 1,2 und 3 Energieerzeugung (TZ), Werkstatt TFW 1 und 3, Werkstatt TNW 1 und 2, Werkstatt TVW 1, 2 und 3 sowie im Werkstattbereich TMZ einzurichten:
163. die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren beim Arbeitsgericht Köln bei weiteren Streikaufrufen im Rahmen der des Arbeitskampfes im Öffentlichen Dienst 2023 die in Nr. 1 und 2 definierten Notdienste vom Streikaufruf auszunehmen und die daran beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht am Zugang zu ihren Arbeitsplätzen zu hindern,
194. der Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Duldungs- und Unterlassungspflicht gemäß Nr. 1 und 2 ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten anzudrohen.
20Die Verfügungsbeklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie ist der Meinung, der von ihr angebotene Notdienstumfang verhindere streikbedingte Gefahren für Leib und Leben Dritter und erhalte die Infrastruktur des Flughafens in der Weise, dass der Regelbetrieb nach Beendigung der Arbeitskampfmaßnahme unverzüglich wieder angefahren werden könne. Unkalkulierbaren Gefahren des Luftverkehrs werde zudem dadurch Rechnung getragen, dass jederzeit eine notbedingte Beendigung der Streikmaßnahmen als Rückfallebene des Notdienstes bereitgestellt bleibe.
23Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.02.2023 (Az.: – 9 Ga 6/23 –) wurde zu Informationszwecken hinzugezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Klageschrift nebst Anlagen, die eingereichten Schutzschriften sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 15.03.2023 Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26I. Die Klage ist zulässig und hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. begründet.
271. Die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten verlangen, ihre Arbeitskampfmaßnahmen nur unter Wahrung eines Notdienstes der bei der Verfügungsklägerin eingerichteten Werkfeuerwehr nach Maßgabe des Klageantrags zu 1. durchzuführen.
28a) Zum Bestehen eines solchen Anspruchs der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte hat bereits die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Köln im Urteil vom 24.02.2023 des zwischen den Parteien unter dem Aktenzeichen – 9 Ga 6/23 – anhängig gewesenen vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens wörtlich folgendes ausgeführt:
29„A. Die Verfügungsklage ist zulässig.
30Insbesondere verfügt die Arbeitgeberin über das notwendige Rechtsschutzinteresse. Einigen sich die Tarifpartner im Rahmen eines Arbeitskampfes nicht auf den Abschluss einer erforderlichen Notdienstvereinbarung, so kann der Notdienst durch die Arbeitsgerichte im Verfahren der einstweiligen Verfügung auch auf Antrag des Arbeitgebers geregelt werden (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. September 2018 – 6 SaGa 7/18 –, Rn. 2, juris; Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 13. Juli 2015 – 12 SaGa 21/15 –, juris). Zwar wird dies teilweise abweichend beurteilt, weil der Arbeitgeber jedenfalls über eine eigenständige Regelungskompetenz hinsichtlich der Einrichtung eines Notdienstes verfügt (LAG Berlin-Brandenburg v. 16.5.2012 – 23 Ta 506/12). Die Kammer vertritt indessen die Auffassung, dass vorliegend beide Parteien ein berechtigtes Interesse an einer zügigen gerichtlichen Entscheidung in der Sache haben, denn sowohl die Streikkontrahenten als auch die auf die Notdienste Angewiesenen brauchen eine klare und schnelle Regelungen in der Sache (so auch Korinth in: Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, J. Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitskampf, Rn. J_37).
31B. Die Verfügungsklage ist auch überwiegend begründet.
32Denn die Verfügungsklägerin konnte für ihre Anträge einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft machen.
33I. Es entspricht ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Lehre, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung auch im Bereich des Arbeitskampfrechts in Betracht kommt (statt aller: Hessisches LAG 3. September 2021 – 16 SaGa 1046/21 – juris mwN.; LAG Hamm 13. Juli 2015 – 12 SaGa 21/15 – juris; Frieling/Jacobs/Krois § 11 Rdnrn. 3ff.; Kissel § 65 Rn. 4), wenn ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund vorliegen.
34Der Anspruch auf Unterlassung einer Streikmaßnahme folgt grundsätzlich aus den §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 14 GG. Das Recht des Betriebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist nach § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB deliktisch geschützt (vgl. BAG 26. Juli 2016 – 1 AZR 160/14 – juris; 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – juris). Es ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung des von dem Betriebsinhaber geführten Betriebs gerichtet und umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht. Es handelt sich bei dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb um einen ‚offenen Tatbestand‘, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessenssphäre ergeben (vgl. BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – juris).
35Zu beachten ist, dass bei allen Eingriffen durch das Arbeitsgericht in den Arbeitskampf ein strenger Maßstab anzulegen ist. Denn jegliche gerichtliche Maßnahme verschiebt die Kampfparität zwischen den streikenden Gewerkschaften und den bestreikten Arbeitgebern zugunsten der einen und zuungunsten der anderen Seite. Das gilt auch für die Anordnung eines Notdienstes. Sie berührt die Arbeitskampffreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG. Denn sie begrenzt die Reichweite und das Ausmaß des Streikaufrufs, die für den Notdienst vorgesehenen und eingeteilten Arbeitnehmer werden vom Streik ausgenommen und können somit – möglicherweise gegen ihren Willen – nicht am Arbeitskampf teilnehmen (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. September 2018 – 6 SaGa 7/18 –, Rn. 51, juris).
36II. An diesen Maßstäben gemessen ist der Antrag zu 1) der Verfügungsklägerin begründet.
37Die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten gem. §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 14 GG verlangen, ihre Arbeitskampfmaßnahmen nur unter Wahrung eines Notdienstes der bei der Verfügungsklägerin eingerichteten Werksfeuerwehr nach Maßgabe des Antrags zu 1) durchzuführen. Denn auch ein – ansonsten zulässiger – Streik, der aber unter Außerachtlassung eines jeglichen Notdienstes durchgeführt würde, wäre rechtswidrig (vgl. BAG, 30.03.1982 - 1 AZR 265/80, AP Nr. 74 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; 31.01.1995 - 1AZR 142/94, AP Nr. 135 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; LAG Hamm 16.01.2007 - 8 Sa 74/07, NZA-RR 2007, 250; Däubler-Reinfelder, Arbeitskampf, 3. Aufl. 2011, § 15 Rn 36 m. w. N.), weil er unverhältnismäßig ist.
381) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts schützt das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG zum einen den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Geschützt ist zum anderen auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - juris; BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - juris).
39Das Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG ist jedoch nicht uneingeschränkt gewährt. Es kann insbesondere durch andere verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter eingeschränkt werden. Es unterliegt damit zum Schutz von Rechtsgütern und Gemeinwohnbelangen Schranken, wenn diesen ein gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang zukommt (vgl. BVerfG 06.02.2007 - 1 BVR 978/05- juris; 14.11.1995 - 1 BVR 601/92 – juris). In jeden Fall bedarf es eines verhältnismäßigen Ausgleichs (sog. praktische Konkordanz) beider geschützten Interessen (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - juris).
40Zentraler Maßstab für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit eines Streiks ist mithin der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - juris).
412) Das Abwägungspostulat der Verhältnismäßigkeit erfordert stets eine Würdigung, ob ein Kampfmittel zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfziels geeignet und erforderlich und bezogen auf das Kampfziel angemessen (proportional bzw. verhältnismäßig im engeren Sinn) eingesetzt worden ist (vgl. BAG 11. Mai 1993 - 1 AZR 649/92 - juris; 12. März 1985 - 1 AZR 636/82 - juris).
42Geeignet ist ein Kampfmittel, wenn durch seinen Einsatz die Durchsetzung des Kampfziels gefördert werden kann. Dabei kommt den einen Arbeitskampf führenden Koalitionen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie haben einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine Arbeitskampfmaßnahme geeignet ist, Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben. Die Einschätzungsprärogative ist Teil der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Freiheit in der Wahl der Arbeitskampfmittel. Sie betrifft grundsätzlich nicht nur die Frage, welches Kampfmittel eingesetzt wird, sondern auch, wem gegenüber dies geschieht (BAG 18. Februar 2003 - 1 AZR 142/02 - juris). Nur wenn das Kampfmittel zur Erreichung des zulässigen Kampfziels offensichtlich ungeeignet ist, kann eine Arbeitskampfmaßnahme aus diesem Grund für rechtswidrig erachtet werden (BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - juris).
43Erforderlich ist ein Kampfmittel, wenn mildere Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels nach der Beurteilung der den Arbeitskampf führenden Koalition nicht zur Verfügung stehen. Auch insoweit umfasst deren Betätigungsfreiheit grundsätzlich die Einschätzung, ob sie zur Erreichung des verfolgten Ziels das gewählte Mittel für erforderlich oder andere Mittel für ausreichend erachtet (vgl. dazu auch BAG 21. Juni 1988 - 1 AZR 651/86 - juris). Die Grenze bildet auch hier der Rechtsmissbrauch. Ein solcher liegt dann vor, wenn es des ergriffenen Kampfmittels zur Erreichung des Ziels - etwa deshalb, weil der Gegner dazu erkennbar ohnehin bereit ist - offensichtlich nicht bedarf.
44Verhältnismäßig im engeren Sinn (proportional) ist ein Arbeitskampfmittel, das sich unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellt. Insoweit steht einer Arbeitskampfpartei keine Einschätzungsprärogative zu, geht es doch hierbei nicht um eine tatsächliche Einschätzung, sondern um eine rechtliche Abwägung. Allerdings ist bei dieser stets zu beachten, dass es gerade das Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme ist, durch Zufügung wirtschaftlicher Nachteile Druck zur Erreichung eines legitimen Ziels auszuüben. Unverhältnismäßig ist ein Arbeitskampfmittel daher erst, wenn es sich auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen darstellt (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - juris; 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 –juris).
453) Nach wiederholter Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles ist die erkennende Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die von der Verfügungsbeklagten beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahmen sich ohne die tenorierten Einschränkungen als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen darstellen.
46a) Im vorliegenden Fall rügt die Verfügungsklägerin die Verhältnismäßigkeit des Streiks im engeren Sinne.
47Der Streik habe ohne die begehrte Regelung zur Folge, dass die Verfügungsklägerin die im Bescheid der Bezirksregierung (Anlage AS3) vorgegebene Funktionsstärke nicht erreichen und damit der ihr obliegenden Betriebspflicht gem. § 45 LuftVZO nicht nachkommen könne. Zum einen könne sie dann nicht mehr den Gebäudebrandschutz gewährleisten. Zum anderen könne auf gegebenenfalls eintretende Luftnotlagen nicht mehr jederzeit reagiert werden. Dies sei indessen erforderlich, um das Notlanden von Flugzeugen, den Transport von Organen, medizinische Einsätze der Bundeswehr und Rettungseinsätze der Hubschrauber ‚Christoph 3‘ und ‚Christoph Rheinland‘ zu gewährleisten. Damit hat die Verfügungsklägerin in schlüssiger Weise Rechtsgüter und Gemeinwohnbelange aus dem Bereich der Daseinsvorsorge vorgetragen, die durch eine im Hinblick auf die Werkfeuerwehr unbeschränkte Streikmaßnahme in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt würden. Es handelt sich nämlich um Aufgaben, auf welche die Menschen existentiell angewiesen sind und die deshalb nach allgemeinem Verständnis der Staat zu gewährleisten hat, wenn er sie nicht ohnehin selbst erbringt. Dies betrifft im vorliegenden Fall insbesondere den Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG, welcher infolge einer ansonsten notwendigen vollständigen Aussetzung des Flugbetriebs im Hinblick auf die dann nicht mehr möglichen Notlandungen, die Einsätze zum Transport von Organen, die medizinischen Einsätze der Bundeswehr und die Einsätze der Rettungshubschrauber betroffen wäre (so Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 1. Juli 2022 – 10 SaGa 8/22 –, Rn. 75, juris zum Falle eines Streiks im Krankenhaus).
48Im Rahmen der praktischen Konkordanz waren die widerstreitenden Verfassungsgüter deshalb durch die Kammer dahingehend in Ausgleich zu bringen, dass eine den Mindestumfang der notwendigen Werksfeuerwehr sichernde Notdienstanordnung getroffen wurde.
49b) Das Gericht hat danach im Rahmen des § 938 Abs. 1 ZPO einen Notdienst für erforderlich gehalten, der sich inhaltlich an den Vorgaben der Bezirksregierung aus ihrem Bescheid vom 09.09.2020 orientiert (so auch Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. September 2018 – 6 SaGa 7/18 –, Rn. 58, juris in einem ähnlichen Fall). Aufgrund des Inhalts und der Begründung des Bescheids der Bezirksregierung sowie der Sachnähe und der einschlägigen Kompetenz der Behörde hat die Kammer nach dem gegenwärtigen Stand keine Anhaltspunkte, dass auch eine andere Funktionsstärke für die vorgegebenen Verpflichtungen im Rahmen der Betriebspflicht des Flughafens ausreichen könnte. Ferner konnte auch die Verfügungsbeklagte keine Anhaltspunkte dafür vorbringen, dass die Aufsichtsbehörde diesen Personalschlüssel übersetzt hat. Soweit die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die Bezirksregierung gehe in ihrem Bescheid zur Begründung des Funktionsumfangs der Werksfeuerwehr von einem Flugaufkommen aus, dass es streitbedingt gerade nicht geben werde, so mangelt es an konkretem Vortrag der Verfügungsbeklagten, welche konkrete Funktionsstärke während der Arbeitskampfmaßnahme aus ihrer Sicht in Abweichung von den Vorgaben des Bescheids geboten wäre.
50Schließlich hilft auch das Angebot der Verfügungsbeklagten, dass jederzeit eine notbedingte Beendigung der Streikmaßnahmen als Rückfallebene des Notdienstes bereitgestellt bleibe, nicht weiter. Erstens wäre ein derartiger ‚Streik in Bereitschaft‘ kein gleichwertiger Ersatz für einen Notdienst in voller Funktionsstärke. Denn auf diese Weise kann nicht gewährleistet werden, dass die Werkfeuerwehr in der vorgegebenen Zeit zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben einsatzbereit ist. Zum anderen könnte die Verfügungsklägerin auf diese Weise aber jedenfalls auch nicht die an sie im Bescheid der Bezirksregierung vom 09.09.2020 konkret aufgestellten Anforderungen erfüllen. Denn dort ist eine Funktionsstärke in dem im Antrag zu 1) vorgesehenen Umfang vorgegeben.
51Danach war grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Notdienst im Umfang einer Funktionsstärke entsprechend des Antrags zu 1) notwendig ist, um Gefahren für Leib und Leben effektiv abzuwehren.“
52b) Die erkennende Kammer schließt sich diesen Erwägungen der 9. Kammer, die hier wegen völliger Identität der Sach- und Rechtslage in gleicher Weise gelten, aus Gründen der Rechtssicherheit und im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung vollinhaltlich an. Das Vorbringen der Verfügungsbeklagten im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren, insbesondere ihrer Verfahrensvertreter im Kammertermin am 15.03.2023, ist nicht geeignet, eine von den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen der 9. Kammer im Urteil vom 24.02.2023 abweichende Bewertung zu rechtfertigen.
532. Ebenso kann die Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten verlangen, ihre Arbeitskampfmaßnahmen nur unter Wahrung eines Notdienstes der bei der Verfügungsklägerin im Klageantrag zu 2. im Einzelnen genannten Abteilungen nach dortiger Maßgabe einzurichten.
54Dieses Begehren der Verfügungsklägerin rechtfertigt sich aus einem im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 24.02.2023 (Az.: – 9 Ga 6/23 –) festgestellten Einverständnis der Verfügungsbeklagten.
55a) Wörtlich heißt es im Tatbestand des Urteils (dort auf Seite - 5 -): „In dem Gespräch am 23. Februar 2023 erklärte die Verfügungsbeklagte sich mit Ausnahme des hier streitgegenständlichen Bereichs der Werkfeuerwehr (…) mit dem von der Verfügungsklägerin entworfenen Notdienstplan einverstanden.“
56b) Diese, von der Verfügungsbeklagten nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO angegriffenen, Feststellungen haben gemäß § 314 ZPO Beweiskraft und Bindungswirkung auch für die erkennende Kammer (vgl. BAG, Urteil vom 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, AP Nr. 8 zu § 308 BGB, zu A. II. der Gründe). Etwas anderes gölte nur dann, wenn diese Feststellungen unklar, lückenhaft oder widersprüchlich wären (vgl. BAG, Urteil vom 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, a.a.O., zu A. II. der Gründe). Dies ist jedoch weder erkennbar, noch von der Verfügungsbeklagten bislang – soweit ersichtlich – konkret dargetan worden, so dass sich die Verfügungsbeklagte auch im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren an ihrem Einverständnis festhalten lassen muss.
573. Mit dem Antrag zu 3. ist die Klage dagegen unbegründet.
58a) Zu dem von der Verfügungsklägerin in dem beim Arbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen – 9 Ga 6/23 – anhängig gewesenen einstweiligen Verfügungsverfahren gestellten Antrag mit identischen Inhalt hat bereits die 9. Kammer im Urteil vom 24.02.2023 (dort auf Seite - 15 -) wörtlich folgendes ausgeführt: „Mit ihm verfolgt die Verfügungsklägerin die Verurteilung der Verfügungsbeklagten zu einer zukünftigen Leistung (genauer: zu einem zukünftigen Unterlassen). Gesetzliche Unterlassungsansprüche entstehen indessen erst dann, wenn die Gefahr einer Wiederholung oder einer erstmaligen Begehung besteht (BGH NJW 2004, 1035, 1036). Derartige Umstände sind von der Verfügungsklägerin nicht dargelegt worden.“
59b) Dem schließt sich die erkennende Kammer ebenfalls an.
604. Über den Antrag zu 4., mit dem die Verfügungsklägerin die Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Duldungs- und Unterlassungspflicht gemäß den Anträgen zu 1. und 2. begehrt, wird gemäß § 890 Abs. 2 ZPO durch gesonderten Beschluss entschieden.
61II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V. mit § 495 ZPO i.V. mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
62III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Hinsichtlich der Bedeutung und Tragweite, die der Streik für alle Beteiligten hat, war zunächst von dem in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG geregelten Höchststreitwert auszugehen, der jedoch zu halbieren war, weil die Verfügungsklägerin nicht die vollständige Untersagung des Streiks, sondern nur die Errichtung von Notdiensten begehrt (im Anschlus an ArbG Köln, Urteil vom 24.02.2023 – 9 Ga 6/234, Seite - 15 -).
63IV. Die Berufung war nicht gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. a), Abs. 3 ArbGG zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG) und die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ArbGG nicht gegeben waren. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung war gemäß § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG im Tenor des Urteils auszu-sprechen (vgl. BAG, Urteil vom 25.01.2017 – 4 AZR 519/15, AP Nr. 51 zu § 64 ArbGG 1979, zu II. 2. c) bb) (2) (b) der Gründe m.w. Nachw.).