Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.10.2020 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Streitwert: 7.724,49 €
Tatbestand
2Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen eine fristgerechte Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses.
3Die am …1973 geborene Klägerin ist alleinerziehende Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Sie ist seit dem 28.09.1991 bei der Beklagten tätig. Sie arbeitet als Verladerin im … …. Die Klägerin ist in Teilzeit im Umfang von 27 Stunden je Woche tätig. Ihr durchschnittliches Bruttomonatsgehalt beträgt 3250 €.
4Die Beklagte ist ein deutsches Großunternehmen mit mehreren 1000 Mitarbeitern, die an zahlreichen Standorten im Bereich der … tätig sind. Ein Betriebsrat ist gebildet.
5Die Klägerin wies in den vergangenen Jahren zahlreiche auf Arbeitsunfähigkeit beruhende Fehlzeiten auf. Im Jahr 2014 fehlte die Klägerin an 47 Arbeitstagen, im Jahr 2015 an 34 Arbeitstagen, im Jahr 2016 an 46 Arbeitstagen, im Jahr 2017 an 79 Arbeitstagen, im Jahr 2018 an 60 Arbeitstagen, im Jahr 2019 an 23 Arbeitstagen sowie im Kalenderjahr 2020 an 45 Arbeitstagen. In den Jahren 2014-2019 waren alle Fehltage mit Lohnfortzahlung begleitet. Im Kalenderjahr 2020 wurde Lohnfortzahlung für 40 der 45 Krankheitstage gewährt. Die Lohnfortzahlungskosten beliefen sich insgesamt auf 40.064,55 € im angegebenen Zeitraum. Im Zeitraum Oktober bis Dezember 2017 war die Klägerin vom 13.10. bist 17.10.2017 an 5 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, sowie vom 23.11. bis 24.11.2018 an 2 Arbeitstagen. Hinsichtlich der Krankheitstage für die Jahr 2018 bis 2020 hat die Klägerin Auskunft über die Krankheitsursachen gegeben. Nach der Erkrankung 27.5 bis 14.7.2020 war die Klägerin nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt. Wegen der Einzelheiten der Verteilung der Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 2014 bis 2020 wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.
6Im Rahmen einer …ärztlichen Eignungsuntersuchung, die am 18.08.2020 durchgeführt wurde, wurde festgestellt, dass keine gesundheitlichen Bedenken ärztlicherseits bestehen und die Klägerin voll einsatzfähig sei. Die Klägerin wurde durch die Beklagte am 15.07.2020 zu einem BEM-Gespräch eingeladen. Im Einladungsschreiben heißt es unter anderem:
7„Wir weisen sie darauf hin, dass personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes erhoben und gespeichert werden. Das betrifft insbesondere die uns bislang bekannten Daten zu ihrem Krankheitsverlauf und deren Ursachen. Es wird gegebenenfalls erforderlich werden, in Abstimmung mit ihnen noch weitere Daten zu erheben, zu verwenden und zu übermitteln. Dabei wird unter Umständen auch auf vorhandene oder noch einzuholende Arztberichte, medizinische Einschätzungen und Atteste zurückzugreifen sein.“
8Mangels Rückmeldung erfolgte am 28.08.2020 eine Erinnerung an die Einladung. Die Klägerin hat das BEM-Gespräch sodann am 10.09.2020 die Einladung angenommen. Das Gespräch wurde am 15.09.2020 durchgeführt. Ausweislich des Protokolls, hatte die Klägerin erklärt, dass sie die geschuldete Arbeitsleistung als Verladerin problemlos verrichten könne. Es gebe keine arbeitsplatzbezogenen Ursachen für die Erkrankung. Diese stünden insbesondere nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz und dem Arbeitsverhältnis insgesamt. Der Arbeitgeber könne nichts veranlassen, um zukünftige Ausfälle der Klägerin zu verhindern.
9Die Beklagte hörte sodann den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten krankheitsbedingten Kündigung an. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf die Anlage zum Klageerwiderungsschriftsatz Bezug genommen. Der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen. Er hat in seinem Widerspruch vom 12.10.2020 ausgeführt, dass er eine dauerhafte negative Krankheitsprognose nicht sehe.
10Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis sodann mit Schreiben vom 19.10.2020 unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.05.2021 gekündigt.
11Mit ihrer am 29.10.2020 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung.
12Sie hält die Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Eine negative Zukunftsprognose sei nicht ersichtlich. Die Klägerin habe im Kalenderjahr 2019 lediglich an 23 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. Hierdurch sei die negative Zukunftsprognose, die man in den Vorjahren hätte stellen können, unterbrochen worden. Die Klägerin hat die Krankheitsursachen für die Kalenderjahre 2018 bis 2020 bekannt gegeben. Im Jahr 2018 sei sie im Frühjahr zehn Tage an einem grippalen Infekt/Bronchitis erkrankt, sodann 17 Tage aufgrund von Schulter- und Rückenbeschwerden. Insoweit sei eine manuelle Therapie durchgeführt worden. 28 weitere Tage beruhten auf einem Fersensporn, der operativ behandelt worden sei. Das Jahr 2019 sei wegen der Gesamtzahl der Arbeitsunfähigkeitstage von 23 von der Beklagten hinzunehmen. 8 Tage beruhten auf Gliederschmerzen bzw. Schlafstörung. Die Tage vom 5. bis 9. August werden von der Klägerin bestritten. 10 Tage im November beruhten auf einem grippalen Infekt und Schlafstörungen. Im Jahr 2020 sei die Klägerin erneut im Februar für 12 Tage an einem grippalen Infekt erkrankt sowie an einem Schulterarmsyndrom gelitten. Dieses sei auf die Tätigkeit bei der Beklagten zurückzuführen. Die weitere Erkrankung von Mai bis Juli beruhe auf einer Erkrankung der Zehen. Diese sei operativ behandelt worden und insgesamt ausgeheilt. Es könne daher nicht von einer negativen Zukunftsprognose gesprochen werden.
13Insoweit sei zusätzlich zu berücksichtigen, dass ein BEM nicht entsprechend den Be-stimmungen des Gesetzes durchgeführt worden sei.
14Die Klägerin beantragt,
15festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.10.2020 nicht aufgelöst worden ist.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die zahlreichen Erkrankungen seit dem Jahr 2014 massiv beeinträchtigt sei. Der Beklagten sei eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, denn durch die Höhe der Entgeltfortzahlungen in der Vergangenheit habe es massive betriebliche Auswirkungen gegeben, die der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machten. Da die Klägerin im Rahmen des Verfahrens des betrieblichen Eingliederungsmanagements erklärt habe, dass die Erkrankungen nicht auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen seien, habe man nur die Möglichkeit der Kündigung gesehen. Angesichts der hohen Krankheitszeiten in den Jahren seit 2014 könne man nicht wegen der nur im Kalenderjahr 2019 etwas geringeren Krankheitszeit, von einer Durchbrechung der negativen Gesundheitsprognose sprechen. Es sei insoweit zu beachten, dass die Klägerin im Jahr 2019 sehr viele Urlaubstage genommen habe. Die Beklagte weist insoweit neben den Krankheitstagen auch auf die Fehltage infolge von Urlaubszeiten hin. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin in der Zeit vom 13.2. – 28.2.2020 an einem grippalen Infekt sowie einem Schulterarmsyndrom gelitten habe, welches auf die Arbeit bei der Beklagten zurückzuführen sei. Dies widerspreche den Angaben im bEM-Gespräch. Sie bestreitet, dass die Operationen an den Füßen/Zehen einmaliger Natur gewesen seien und durch Operation und Nachbehandlung ausgeheilt seien. Dies gelte auch für die vorgetragenen grippalen Infekte.
19Die Fehlzeiten der Klägerin hätten zum einen negative betriebliche Auswirkungen, da sie mit Ausnahme des Jahres 2019 seit 2014 regelmäßig zu Entgeltfortzahlungskosten von mehr als 6 Wochen geführt hätten. Daneben seien auch erhebliche betriebliche Betriebsablaufstörungen in Form von Störungen des Arbeitsablaufs durch ständige Vertretung der Klägerin durch Kolleginnen und Kollegen und die damit verbundene Belastung für diese zu verzeichnen. Die Fehlzeiten der Klägerin führten zu Mehrbelastungen der Kollegen/-innen.
20Die Beklagte habe die Klägerin unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen zu einem Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement eingeladen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Klageerwiderungsschriftsatz Bezug genommen.
21Die Beklagte habe eine Interessenabwägung durchgeführt. Diese könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Beklagte habe berücksichtigt, dass das Arbeitsverhältnis ansonsten unbelastet sei. Sie habe die Dauer der Beschäftigung betrachtet. Angesichts des Lebensaltes der Klägerin von erst 48 Jahren, sei sie jedoch noch weit von den Rentenjahrgängen entfernt. Dies stelle einerseits bei zu erwartenden hohen Krankheitszeiten eine Belastung für die Beklagte dar. Andererseits gehöre die Klägerin noch nicht zu der Gruppe, die es am Arbeitsmarkt besonders schwer habe. Da das BEM keinen Hinweis dafür erbracht habe, dass durch eine Veränderung am Arbeitsplatz mit geringeren Krankheitszeiten zu rechnen sei, sei die Kündigung sozial gerechtfertigt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen
23Entscheidungsgründe
24Die Klage ist zulässig und begründet.
25Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht durch die Kündigung vom 19.10.2020 mit Ablauf des 31.05.2021 sein Ende gefunden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.
26Dabei ist zwischen den Parteien unstrittig dass das Kündigungsschutzgesetz aufgrund der Betriebsgröße der Beklagten und der Dauer der Beschäftigung der Klägerin gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung findet. Die Klägerin hat die Kündigung mit Klage, die am 29.10.2020 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, auch rechtzeitig gemäß § 4 KSchG angegriffen.
27Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, denn es liegen keine Gründe vor, die der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen würden. Insoweit stützt die Beklagte ihre Kündigung ausschließlich auf krankheitsbedingte mithin personenbedingte Kündigungsgründe.
28Die Beklagte stützt die Kündigung auf häufige Kurzerkrankungen der Klägerin in der Vergangenheit.
29Die Wirksamkeit einer auf häufige Kurzerkrankungen gestützten ordentlichen Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen (erste Stufe). Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen (zweite Stufe). Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen (dritte Stufe) (BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 -Juris).
30Die richterliche Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung erfolgt in drei Stufen. Maßgeblicher Beurteilungszeitraum für die Frage der negativen Zukunftsprognose ist der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Zu diesem Zeitpunkt muss die negative Prognose mit der erforderlichen Sicherheit gestellt werden können. Eine spätere Entwicklung kann mit bewertet werden, soweit sie die Prognose im Kündigungszeitraum bestätigt. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen.
31Der von der Beklagten vorgetragene Verlauf der krankheitsbedingten Fehlzeiten rechtfertigt nicht die Prognose, die Klägerin werde künftig im gleichen Maße fehlen wie in den vergangenen 7 Jahren. Abzustellen ist bei der Prognose auf den Zeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung (BAG vom 6.9.1989 -2 AZR 19/89; Juris). Dabei ist nicht nur auf die Kalenderjahre abzustellen, sondern auf den Zeitraum im laufenden Jahr, in dem die Kündigung erklärt worden ist. (BAG vom 23.1.2014 -2 AZR 582/13-; Juris) Dies ist vorliegend der Oktober des Jahres 2020.
32In dem als Grundlage für die Prognose geeigneten Zeitraum lagen die Krankheitszeiten nicht jeweils über der als kündigungsrelevant angesehenen Zeit von mehr als 6 Wochen Entgeltfortzahlung im Jahr. Denn die Klägerin war im Kalenderjahr 2019 lediglich an 23 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Hierdurch trat eine Unterbrechung des bis dahin negativen Verlaufs der Erkrankungen ein. Soweit die Beklagte ausgeführt hat, die Klägerin habe im Jahr 2019 an zahlreichen Tagen wegen Urlaubs gefehlt, so ist dies eine unzulässige Vermischung von Fehlzeiten. Es kann nicht unterstellt werden, dass die Klägerin ansonsten höhere Krankheitszeiten gehabt hätte. Die Urlaubnahme ist nur möglich, wenn die Arbeitnehmerin gesund ist. Der für die Bewertung der negativen Zukunftsprognose zu beurteilende Zeitraum, trat damit erneut nach dem Jahr 2019 ein. Es zeichnet sich insoweit im Weiteren ab, dass eher mit geringeren Krankheitszeiten zu rechnen ist. Denn im Jahr 2020 lag die Krankheit mit 45 Tagen zwar über einem Zeitraum von 6 Wochen. Dabei gliederte sich die Erkrankung in zwei Krankheitszeiträume. Der erste von 12 Tagen war auf einen grippalen Infekt und ein Schulterarmsyndrom zurückzuführen. Der zweite von 38 Tagen auf Erkrankungen der Füße. Diese sind nicht in die Zukunftsprognose mit einzubeziehen, da diese Erkrankung durch Operationen beseitig worden sind. Die Erkrankung an den Füßen ist auch nicht jährlich zu beobachten gewesen. Im Jahr 2019 war keine Fußerkrankung der Klägerin gegeben. Insgesamt ist eine positive Entwicklung bei den Erkrankungen der Klägerin zu erkennen. Dies bestätigt sich auch durch den weiteren Verlauf der Erkrankungen. Nach dem 14.7.2020 war die Klägerin nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt. Dies setzt sich auch nach Ausspruch der Kündigung fort. Dieser Zeitraum ist nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt ihres Zugangs an. Es ist aber –insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt- nicht unzulässig, die spätere Entwicklung in den Blick zu nehmen, soweit sie – wie hier- die Prognose bestätigt. (BAG vom 23.1.2014 aaO).
33Diese Prognose wird letztlich auch durch die durchgeführte ärztliche Untersuchung vom 19.8.2020 bestätigt. Die Arbeitsmedizinerin hat bestätigt, dass die Klägerin aus ärztlicher Sicht weiterhin die Eignung für ihre Tätigkeit als Verladerin besitzt.
34Mangels negativer Gesundheitsprognose ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt.
35Die Kündigung stellt sich im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht als mildestes Mittel dar. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass vor Ausspruch der krankheitsbedingten Kündigung ein bEM-Gespräch in der Regel erforderlich ist. Die Beklagte hat mit der Klägerin ein solches Gespräch durchgeführt.
36Es bestehen jedoch Bedenken gegen die Wirksamkeit des durchgeführten bEM. Die Hinweise der Beklagten im Einladungsschreiben zum bEM sind unzureichend im Hinblick auf die Belehrungen zum Datenschutz. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines bEM zu ergreifen. Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht (BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62). (BAG vom 22.11.2014 -2 AZR 755/13-, Juris).
37Die Einladung zum bEM vom 15.7.2020 genügt diesen Anforderungen nicht. Denn es fehlt der Hinweis, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung der Klägerin dienendes Gespräch zu führen.
38Des Weiteren ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits 48 Jahre alt ist und seit 29 Jahren im Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht. Sie ist während der gesamten Dauer ihres Arbeitslebens nur bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Hierdurch wird eine Veränderung auf dem Arbeitsmarkt erschwert. Das Arbeitsverhältnis ist abgesehen von den Erkrankungen seit den Jahren 2014 unbelastet. Die Beklagte hat erst nach Ausspruch der Kündigung, im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits Möglichkeiten einer anderweitigen Beschäftigung der Klägerin überprüft. Es ist zutreffend, dass diese nunmehr durch die Klägerin abgelehnt worden sind, da sie ihr nicht genügend Einkommen verschaffen. Es wird hieraus aber ersichtlich, dass die Kündigung, die nur als ultima ratio gerechtfertigt ist, zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung unverhältnismäßig war. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte vor dem Jahr 2020 mit der Klägerin kein bEM-Gespräch geführt hat. Dies wäre angesichts der Krankheitstage in den Jahren 2014-2018 sicherlich angezeigt gewesen und hätte den gesetzlichen Anforderungen entsprochen.
39Der Klage war mithin stattzugeben.
40Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 ZPO, 42 Abs. 2 GKG.