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1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3) Streitwert: 35.529 Euro
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um eine außerordentliche Kündigung.
3Der am .1976 geborene Kläger – Vater eines Kindes – ist seit dem 01.01.2016 bei der Beklagten – zuletzt als Executive-Producer - beschäftigt. Seine zuletzt bezogene Bruttomonatsvergütung belief sich auf 11.843 Euro. Er hatte Gesamtprokura und besitzt 5 % der Geschäftsanteile an der Beklagten. Als Eintrittsdatum gilt entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelungen der 01.05.2011. Auf den schriftlichen Arbeitsvertrag wird verwiesen, Blatt 19 ff. der Akte.
4Die Beklagte beschäftigt ausschließlich der Auszubildenden mehr als 10 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat existiert nicht.
5Die Beklagte entwickelt und realisiert TV-Formate sowie Werbe- und Imagefilme. Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit liegt im Bereich von non-fiktionalen TV-Formaten, darunter Formate wie „…..“ sowie früher „…..“ oder „…..“. Zu den Auftraggebern gehören alle namhaften privaten und öffentlich-rechtlichen TV-Sender.
6Als Executive Producer war der Kläger für Produktionen zuständig und Vorgesetzter der in den einzelnen Produktionen arbeitenden Beschäftigten. Der Kläger hatte eng mit den Producern zusammenzuarbeiten, die für die reibungslose inhaltliche und organisatorische Abwicklung fast aller Bereiche einer Fernsehproduktion zuständig waren. Für ein Format wie „…..“ werden die Themen, die gezeigt werden sollen, mit den Protagonisten vorbesprochen, hieraus die Episoden entwickelt und mit dem Sender abgestimmt. Dem Kläger oblag es, die dem Kunden abzuliefernden Leistungen zu überprüfen. Nichts hätte ohne seine Freigabe an den Kunden gehen dürfen.
7In Januar 2016 verhandelte der Kläger über die Privatnutzung der dienstlichen IT-Geräte. Dies lehnte die Beklagte ab und untersagte die Privatnutzung im Rahmen des Arbeitsvertrages ausdrücklich. Hiergegen verstieß der Kläger mehrfach.
8Am 26.02.2019 meldete sich der Kläger gegenüber der Producerin Frau ….. per Whatsapp-Nachricht unter teilte mit, dass er erkrankt ist. Am Abend des 05.03.2019 teilte er auf Nachfrage Frau ….. mit, dass er am 06.03.2019 wieder zu Arbeit kommen wird.
9In der Zeit vom 26.02.2019 bis zum 05.03.2019 befand er sich zusammen mit der Producerin Frau ….. – zu der er in der Zeit von April 2018 bis Mai 2019 in einer privaten Beziehung stand - in ….. im gemeinsamen Urlaub.
10Ende des Jahres 2018/Anfang des Jahres 2019 entstanden Diskussionen zwischen dem Kläger und der Geschäftsführerin, ob das Arbeitsverhältnis mit der Producerin Frau ….. beendet werden muss.
11Der Kläger kopierte am 06.01.2019 eine Korrespondenz zwischen ihm und der Geschäftsführerin über die Frage der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Frau ….., löschte den Satz „Sevi is doing a good job. I understand her personality but her work ethic is strong“ und schickte die Kopie unmittelbar an Frau ….., verbunden mit der Frage, was er sagen solle. Auf Blatt 91 der Akte wird verwiesen.
12Am 19.06.2018 versandte der Kläger Vertragsunterlagen an seine private Mailadresse weiter. Es handelte sich um einen Vertragsentwurf zwischen Frau ….. und der Firma ….. für das Format …...
13Am 31.08.2018 leitete der Kläger in einem Gruppenchat zwischen ihm, der Producerin Frau ….. und der Redakteurin Frau ….. Nacktbilder einer Mitarbeiterin weiter, die dem Kläger als Redakteurin der Sendung „…..“ unterstand und ihm die Bilder geschickt hatte. Dies erfolgte mit den Kommentaren „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert“ bzw. „Dafür will ich macho Respekt“ und „Sie wollte mir heute im Büro einen blasen“. Auf Blatt 98 der Akte wird verwiesen.
14Am 12.03.2019 schickte der Kläger per Mail Auszüge aus dem Vertrag zur Mitwirkung in Medienproduktionen zwischen der damals noch als ….. GmbH firmierenden Beklagten und den Protagonisten der Produktion „…..“ unter anderem an den Leiter der Rechtsabteilung von …...
15Am 14.03.2019 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer Herrn ….. und dem Kläger statt. Inhalt des Gespräches war die Frage der Arbeitsmotivation des Klägers. Eine Kündigung wurde nicht ausgesprochen.
16Am Abend des 14.03.2019 verfasste Frau ….., die Tochter der Hauptprotagonistin Frau ….., eine SMS-Nachricht an den Creative Producer Herrn …..mit folgendem Inhalt:
17„Hallo ….., da wir mitbekommen haben, dass einige personelle Veränderungen bei euch stattfinden und es mir sehr weh tut das Menschen gehen sollen die 1. Uns mit aufgebaut haben 2. 24 Stunden für uns da waren 3. Immer egal in welchen Situationen zu uns gestanden hat. 4. Die uns privat auch helfen wollten finanziell als es uns scheisse ging was ….. und ….. nicht geschafft haben 5. Der sich krank für die Firma den arsch aufgerissen hat. 6. Der durch die Firma seine Freundin verloren hat Und jetzt will man ihm auch noch die Arbeit nehmen? Ich sage es dir jetzt als erstes, das wir dann auch die Produktiobsfirma verlassen werden & wir werden solange nicht drehen bis das geklärt ist. Wir sind Menschen mit Herz, ich hoffe positive Nachrichten von euch zu bekommen, weil ich dies jetzt auch so an ….. weitergeben werde..“
18Auf Blatt 61 der Akte wird verwiesen.
19Die Geschäftsführerin Frau ….. erhielt am Morgen des 15.03.2019 Anrufe der …..-Redaktion. Hierbei wurde sie gefragt, “ was los sei“.
20Am Montag, den 18.03.2019, fand ein Telefonat zwischen der Beklagten und dem Kunden ….. statt. Hieran nahmen auf Seiten der Beklagten die Geschäftsführerin Frau ….., der Kläger und Herr ….., Geschäftsführer der ….. GmbH teil. Es wurde dem Kunden zugesichert, dass es keine personellen Veränderungen geben wird. Dies wurde vom Kläger bestätigt. Die Produktion der Sendung „…..“ wurde fortgesetzt.
21Am 14.06.2019 wandten sich Frau ….. und Frau ….. an die Geschäftsführerin Frau ….. und beschwerten sich über den Kläger. Hintergrund der Beschwerde war der Umstand, dass die beiden Damen zuvor Nachrichten des Klägers verglichen und ausgetauscht hatten. Auf Blatt 68 ff. der Akte wird verwiesen.
22Am 18.06.2019 übergab die Geschäftsführerin der Beklagten dem Kläger die streitgegenständliche Kündigung.
23Der Kläger ist der Ansicht, dass diese unwirksam sei.
24Der Vorwurf des Arbeitszeitbetruges sei falsch. Er habe tatsächlich die von ihm behaupteten Krankheitssymptome gehabt. Dies sei aber irrelevant, da er bei Frau ….. Urlaub angemeldet habe. Wenn die Meldung von ihr nicht eingetragen worden sei, könne dies nicht zu seinen Lasten bewertet werden.
25Zudem habe er keine Inhalte des Gespräches zwischen ihm und dem Geschäftsführer vom 14.03.2019 weitergebeben. Die Inhalte der Unterredung seien bekannt geworden, nachdem er gegen 17 Uhr von einer Mitarbeiterin gesucht worden sei und diese Mitarbeiterin von der Geschäftsführerin den Hinweis erhalten habe, dass es einen Streit zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer gegeben habe.
26Im Rahmen des Telefonats zwischen ihm und Frau ….. am 14.03.2019 sei er von Frau ….. auf die in ca. 6 Monaten stattfindende Hochzeit angesprochen worden. Der Kläger habe aufgrund des vorherigen Gespräches mit dem Geschäftsführer lediglich darauf hingewiesen, dass dies nicht mit ihm zu besprechen sei, da sich die Beklagte von ihm trennen wolle. Er habe aber mit keinem Wort erwähnt, dass Frau ….. den Kunden ….. informieren solle.
27Das bloße Schmieden von Plänen stelle zudem noch keine Abwerbung dar.
28Die damalige Weiterleitung interner Korrespondenz an Frau ….. sei allein deswegen erfolgt, um Frau ….. davon zu überzeugen, bei der Beklagten weiter zu arbeiten. Es sei im Betrieb zudem nicht unüblich, betriebsinterne Mitarbeiter in Vorgänge einzuweihen.
29Die Weiterleitung von Auszügen aus dem Vertragswerk mit den Protagonisten der Sendung „…..“ an ….. sei nach Genehmigung durch Herrn ….. und zur Klärung der Frage, wer und in welchem Umfang Exklusivrechte an dem Format habe, erfolgt.
30Dass er Vertragsunterlagen zudem an seine private Mailadresse geschickt habe, liege an dem Umstand, dass er auch außerhalb des Büros habe arbeiten wollen.
31Etwaige Beleidigungen müssten zudem im Zusammenhang betrachtet werden. Im Unternehmen herrsche ein rauer, mitunter auch grenzwertiger Sprachgebrauch. Dass sich keiner der Betroffenen beschwert habe, verdeutliche dies. Die Aussagen seien – soweit sie überhaupt getätigt worden seien – im Rahmen einer Vertraulichkeit erfolgt.
32Gleiches gelte letztlich für die Weiterleitung der Nacktbilder. Es habe sich um eine vertrauliche Gruppe von 3 Mitarbeitern gehandelt. Beide Mitarbeiterinnen hätten sich zudem der Thematik zugewandt gezeigt und eine Meldung an einen Vorgesetzten demzufolge unterlassen. Zu beachten sei ebenfalls, dass die auf den Fotos abgelichtete Person diese Fotos nicht nur an den Kläger, sondern ebenfalls an diverse andere Personen im Betrieb der Beklagten geschickt habe. Die Intimsphäre sei von der abgelichteten Person also bewusst und gewollt abbedungen worden.
33Zuletzt sei die private Nutzung der dienstlichen Arbeitsmittel üblich und nicht ungewöhnlich.
34Der Kläger beantragt,
35festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die schriftliche, außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.06.2019, zugegangen am 18.06.2019, nicht aufgelöst worden ist.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Sie erkennt eine Vielzahl von arbeitsvertraglichen Verstößen.
39Zum einen habe der Kläger in der Zeit vom 28.02.2019 bis zum 05.03.2019 einen Arbeitszeitbetrug begangen, da er sich krank gemeldet habe und in Urlaub geflogen sei. Urlaub habe er hierfür nicht genommen.
40Zudem liege ein Wettbewerbsverstoß vor. Der Kläger habe versucht, die Produktion „…..“ von der Beklagten abzuwerben. So habe er im Rahmen des Telefonats am 14.03.2019 mit Frau ….. mitgeteilt, dass die Beklagte ihm gekündigt habe. Gleichzeitig habe er darum gebeten, die Beklagte zu informieren, dass Frau ….. nicht mehr mit ihr weiterarbeiten wolle. Auch der Kunde ….. solle von ihr benachrichtigt werden. Gegenüber Frau ….. habe er zudem stets kommuniziert, dass er eine eigene Produktionsfirma gründen wolle.
41Darüber hinaus habe der Kläger sich dadurch pflichtwidrig verhalten, dass er interne Diskussionen über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit Frau ….. unmittelbar an die betroffene Mitarbeiterin weitergeleitet habe.
42Die Weiterleitung vertraulicher Vertragsinformationen per Mail an ….. könne ebenfalls nicht hingenommen werden. Hierzu habe es keine Genehmigung gegeben. Eine solche hätte ohnehin nur die Geschäftsführung aussprechen können.
43Auch sei der Kläger nicht berechtigt gewesen, vertrauliche Vertragsinformationen an seine private Mailadresse weiterzuleiten. Die Beklagte geht davon aus, dass die Weiterleitung zur Vorbereitung seiner Wettbewerbstätigkeit erfolgt sei.
44Zudem könne die Beklagte die zahlreichen beleidigenden Äußerungen des Klägers („der Hinterlistigste von allen“, „abscheulich“, „unfähig“, „asozialer Versager“, „Fotze“) über verschiedene Personen nicht hinnehmen.
45Gleiches gelte für die Weiterleitung von Nacktbildern an untergebene Mitarbeiterinnen.
46Zuletzt wolle die Beklagte auch die unerlaubte Privatnutzung des dienstlichen Email-Postfaches nicht akzeptieren.
47Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschriften zum Güte- sowie Kammertermin verwiesen.
48E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
49Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
50Die Kündigung galt nicht gemäß §§ 4,7,13 KSchG als von Anfang an wirksam, da der Kläger fristwahrend Kündigungsschutzklage erhob.
51Die Kündigung beendete das Arbeitsverhältnis jedoch außerordentlich, da ein wichtiger Grund vorlag.
52Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
53Diese Prüfung erfolgt regelmäßig in zwei Schritten:
54Im Rahmen eines ersten Schrittes ist zu überprüfen, ob das der klagenden Partei vorgeworfene Verhalten an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
55Im Falle der Bejahung erfolgt auf zweiter Prüfungsebene eine Interessenabwägung im Einzelfall (BAG vom 23.10.2014, 2 AZR 865/13).
56Das dem Kläger vorgeworfene Verhalten war an sich geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen.
57Dies ergab sich bereits aus dem unstreitigen Vortrag, dass der Kläger Nacktbilder einer ihm hierarchisch untergebenen Kollegin ohne ihr Einverständnis an 2 ihm untergebene Mitarbeiterinnen schickte und dies mit – ebenfalls das Persönlichkeitsrecht verletzenden – Äußerungen verband.
58Bei dieser Bewertung war es für die Kammer nicht relevant, ob diese Pflichtverletzung für die Beklagte den Hauptgrund für den Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung darstellte oder ob die weiteren, von ihr behaupteten Verfehlungen entscheidend für den Ausspruch der Kündigung waren.
59Das Weiterleiten von Nacktbildern über den Whatsapp-Messenger ohne das erforderliche Einverständnis der abgebildeten Person verletzt rechtswidrig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person (OLG Oldenburg vom 05.03.2018, 13 U 70/17).
60Eine Rechtfertigung schied aus. Die diesbezüglichen Einlassungen des Klägers lassen ein fehlendes Problembewusstsein erkennen:
61Eine „vertrauliche Gruppe von 3 Mitarbeitern“ kann natürlich dann nicht entlastend berücksichtigt werden, wenn das Persönlichkeitsrecht einer nicht in der Gruppe involvierten Person verletzt wird. Offenbar geht der Kläger davon aus, dass er in kleiner Gruppe berechtigt ist, die Persönlichkeitsrechte anderer Personen zu verletzen. Diese Argumentation erschließt sich dem Gericht nicht. Ein Chat mit 3 Personen stellt keinen rechtsfreien Raum dar.
62Dass sich – wie der Kläger behauptet – die beiden Damen „zugewandt“ gezeigt hätten, ändert nichts an der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Mitarbeiterin. Dass keine Meldung an den Vorgesetzen erfolgte, mag viele Gründe haben. Vielleicht lag es an der Befürchtung, Ärger im Betrieb zu verursachen, zumal der Kläger selber ein Vorgesetzter war. Vielleicht störte die Damen die Weiterleitung tatsächlich nicht. Dies kann aber sicherlich nicht zur Rechtfertigung des klägerischen Verhaltens herangezogen werden, wenn andere Personen die Verletzung begrüßen oder zumindest hinnehmen.
63Für das Gericht war auf erster Prüfungsstufe nicht relevant, ob die betroffene Person die Fotos tatsächlich auch an „diverse andere Personen“ im Betrieb weitergeleitet hatte. In diesem Falle verbliebe es dabei, dass die Person die Bilder weder an Frau ….. noch an Frau ….. verschickte. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass es allein eine Entscheidung der betroffenen Person darstellt, den Personenkreis, der diese Bilder einsehen darf, selber zu bestimmen. Unabhängig davon konkretisierte der Kläger seine pauschale Äußerung auch nicht. Er führte nicht aus, welcher Person die streitgegenständlichen Fotos angeblich ebenfalls geschickt worden sein sollen.
64Das dem Kläger vorgeworfene Verhalten war mithin an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
65Die Kammer nahm zudem an, dass der Ausspruch der Kündigung – auf zweiter Prüfungsstufe – auch verhältnismäßig war. Einer Abmahnung bedurfte es nicht.
66Die Abmahnung ist grundsätzlich bei Störungen im Verhaltens- und Leistungsbereich vorher auszusprechen. In einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise muss der Arbeitgeber seine Beanstandungen vorbringen und den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfalle sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Entbehrlich ist eine Abmahnung dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden durfte (vgl. BAG AP-Nr. 9 zu § 1 KSchG "Verhaltensbedingte Kündigung"). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten sowie dann, wenn die Pflichtverletzung derart erheblich ist, dass dem Arbeitnehmer auch ohne Abmahnung hätte sein müssen, dass sein Verhalten vom Arbeitgeber nicht geduldet wird (BAG vom 09.06.2001, 2 AZR 381/10; LAG Rheinland-Pfalz vom 08.06.2006, 4 Sa 231/06).
67Die Kammer ging von einer derart erheblichen Pflichtverletzung aus. Die Kombination aus Handlung und schriftlicher Kommentierung war nicht hinnehmbar. Es bedurfte keiner Abmahnung. Dem Kläger hätte klar sein müssen, dass sein Verhalten das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin verletzt und dies von der Beklagten nicht hingenommen werden kann.
68Dabei verkannte das Gericht nicht, dass die abgebildete Person die Bilder vorher selbst gefertigt und weitergeleitet hatte. Dies ist durchaus im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Allerdings stellt das Verschicken von derartigen Bildern keineswegs die Aufforderung dar, diese an Kolleginnen im Betrieb weiterzuleiten und mit respektlosen Kommentierungen zu verbinden. Es kann unterstellt werden und es liegt auf der Hand, dass die Mitarbeiterin eine solche Vorgehensweise wohl kaum akzeptiert hätte.
69Hinzu tritt der Umstand, dass der Kläger in gehobener Position tätig war. Er war Prokurist, besitzt Geschäftsanteile an der Beklagten und verfügt über ein gutes Einkommen. Er war Vorgesetzter der beteiligten Mitarbeiterinnen. Von diesem Mitarbeiter kann erwartet werden, dass er sich respektvoll und vorbildlich verhält. Hiergegen hat er in besonderem Maße verstoßen.
70Dieser erheblichen Pflichtverletzung standen die 8jährige Betriebszugehörigkeit sowie die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber. Dabei war die Kammer aber der Auffassung, dass der Beklagten noch nicht einmal die Einhaltung der Kündigungsfrist zugemutet werden konnte. Die Schwere der Pflichtverletzung überwog dem Interesse des Klägers, zumindest die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Sein Verhalten offenbarte eine nicht hinzunehmende Einstellung gegenüber den Rechten anderer, ihm unterstellter Mitarbeiterinnen. Seiner Vorbildfunktion wurde er hierbei nicht ansatzweise gerecht. Hier bedurfte es nach Auffassung der Kammer auch keiner näheren Aufklärung, ob im Betrieb tatsächlich ein rauer Umgangston herrschte. Dies mag sein, denn ansonsten wäre zu erwarten gewesen, dass sich die beiden Mitarbeiterinnen, die Adressat der weitergeleiteten Bilder waren, ebenfalls belästigt gefühlt hätten. Die Reaktion der Mitarbeiterinnen lässt den Rückschluss zu, dass dies offenbar nicht der Fall war. Allerdings gilt auch in Betrieben, in denen offenbar ein etwas anderer Umgangston herrscht, dass die Beteiligten das geltende Recht einzuhalten und insbesondere die Persönlichkeitsrechte anderer Personen zu beachten und zu respektieren haben. Dies hätte der Kläger als weiterleitende Person und als Vorgesetzter wissen müssen.
71Die außerordentliche Kündigung war mithin auch verhältnismäßig.
72Zuletzt wurde die Frist des § 626 Absatz 2 BGB eingehalten.
73Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB.
74Die zeitliche Begrenzung der Ausübung des Kündigungsrechts dient dem Gebot der Rechtssicherheit (BAG NZA 2006, Seite 101). Hat der eine Vertragsteil die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung verwirklicht, darf nicht unangemessen lange Zeit ungewiss bleiben, ob der andere Teil daraus die kündigungsrechtlichen Folgen zieht (ErfK/Müller‑Glöge § 626 BGB Rdn 200). Andererseits soll der Kündigungsberechtigte nicht zur hektischer Eile angetrieben werden (BAG 15.11.1995 AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73).
75Die Ausschlussfrist wird den Kündigenden veranlassen, sich alsbald schlüssig zu werden, ob er aus einem bestimmten wichtigen Grund kündigen will. Ansonsten würde bald zweifelhaft werden, ob der Grund so schwer wiegt, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Auch soll die Frist dem Kündigungsgegner frühzeitig darüber Gewissheit verschaffen, ob sein Arbeitsverhältnis auf Grund eines bestimmten Vorgangs durch eine außerordentliche Kündigung aufgelöst wird (BAG NZA 2006, Seite 101).
76Hierbei ist zu beachten, dass der Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erst mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (BAG 23.10.2008 AP BGB § 626 Nr. 217).
77Die Frist beginnt mithin erst bei einer zuverlässigen und möglichst vollständigen Kenntnis. Hierzu ist der Arbeitgeber berechtigt, notwendig erscheinende Maßnahmen zügig durchzuführen (BAG NZA 2006, Seite 1211).
78Zwar erfolgte die Weiterleitung der Bilder bereits am 31.08.2018. Die Kenntnis hierüber erlangte die Beklagte allerdings erst am 14.06.2019, mithin 4 Tage vor Ausspruch der Kündigung.
79Die Frist war eingehalten, die außerordentliche Kündigung also wirksam.
80Mithin war es für das Gericht nicht relevant, ob und in welcher Form dem Kläger weitere Pflichtverletzungen vorzuwerfen waren.
81Die Klage war abzuweisen.
82Die Kostenentscheidung ergab sich aus § 91 ZPO. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
83Die Streitwertfestsetzung beruhte dem Grunde nach auf § 61 Absatz 1 ArbGG. Es wurde ein Quartalsgehalt festgesetzt, § 42 Absatz 2 GKG.