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Einzelfall zum Ersatz von Ausbildungskosten aufgrund einer tariflichen Reglung
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert beträgt 168.143,64 Euro.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Höhe einer Versorgungsanwartschaft des Klägers.
3Der am ……………………. geborene Kläger begehrt vom Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung aufgrund der am 27.03.2015 eröffneten Insolvenz über das Vermögen seiner letzten Arbeitgebergesellschaft, der ……………………….. (im Folgenden: ………….) Leistungen gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG. Zum 01.07.1989 begründete der Kläger ein Arbeitsverhältnis mit der ………………………... Von der Rechtsnachfolgerin ………………. (im Folgenden ……..) erhielt der Kläger unter dem 06.06.2007 eine Versorgungszusage mit Bezugnahme auf die Leistungsordnung C des Essener Verbands. Zum 01.12.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ……………….. eröffnet. Im Rahmen einer übertragenden Sanierung wurde das Unternehmen mit dem Betriebsteil, in welchem der Kläger beschäftigt war, zum 01.02.2011 von der …………………….. (im Folgenden …….) übernommen. Am 01.06.2012 wurde sodann das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ……………. eröffnet. Zum 27.12.2013 wurde der Beschäftigungsbetrieb wiederum im Rahmen einer übertragenden Sanierung von der ………………… übernommen. Unter dem 17.04.2014 erhielt der Kläger mit Wirkung zum 27.12.2013 einen Arbeitsvertrag für außertarifliche Angestellte, in dessen § 3 Ziff. 4 es zur betrieblichen Altersvorsorge unter anderem heißt:
4„(1) …………….. verpflichtet sich, dem Mitarbeiter rückwirkend ab 01.07.1989 eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der jeweils aktuellen Bestimmungen der Satzung und der Leistungsordnung „C“ des Essener Verbandes mit folgender Einstufung zu gewähren:
5Gruppe 31
6Beginn der Betriebszugehörigkeit: 01.07.1989
7(2) In Abänderung der Leistungsordnung des Essener Verbandes werden die Leistungen jeweils monatlich nachträglich gezahlt.“
8Nach der anwendbaren Fassung der Leistungsordnung C des Essener Verbands (Anlage 2 zur Klageschrift, Bl. 32 ff. d.A.) beträgt das hierin geregelte Ruhegeld 4 % des Betrags der Gruppe, zu der der Angestellte jeweils angemeldet worden ist (§ 3 Abs. 3). Jedes angefangene Kalenderjahr gilt als volles Dienstjahr (§ 3 Abs. 2). Gemäß § 14 Abs. 1 der Leistungsordnung tritt der Leistungsfall am Ersten des Monats ein, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag des Leistungsberechtigten bei seinem Arbeitgeber oder beim Essener Verband eingegangen ist und die weiteren Anspruchsvoraussetzungen nach der Leistungsordnung vorliegen. Mit Insolvenzeröffnung über das Vermögen der …………… (im Folgenden auch „Insolvenzschuldnerin“) am 27.03.2015 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis aus. Das Ruhegehalt der Gruppe 31 der Leistungsordnung lag zu diesem Zeitpunkt bei 5.317,00 Euro. Mit Datum vom 03.07.2017 erteilte der Beklagte dem Kläger einen Anwartschaftsausweis, welcher eine unverfallbare Anwartschaft in Höhe von 281,90 Euro monatlich auswies. Der Beklagte erläuterte auf Anfrage mit Schreiben vom 15.05.2018 die Berechnung des Ruhegeldanspruchs wie folgt:
9Mögliche Betriebszugehörigkeit
1001.07.1989 bis 09.06.2021 11.498 Tage
11Tatsächliche Betriebszugehörigkeit
1201.06.2012 bis 27.03.2015 1.016 Tage
13Zeitwertfaktor 1.016 : 11.498 = 0,088363
14Monatliches Ruhegeld: 5.317 Euro x 60 % = 3.190 Euro
153190,00 Euro x 0,088363 = 281,90 Euro.
16Der Kläger ist der Auffassung, dass aufgrund der Versorgungszusage vom 17.04.2014 für die Berechnung seiner Anwartschaft eine tatsächliche Betriebszugehörigkeit seit dem 01.07.1989 zu berücksichtigen sei und seine Anwartschaft daher (5.317 Euro x 0,805966=) 4.285,32 Euro betrage. Die Insolvenzschuldnerin sei als Erwerberin in vollem Umfang in die bestehenden Versorgungsverbindlichkeiten eingetreten. Ihre Versorgungszusage vom 17.04.2014 entfalte allenfalls in Hinblick auf die Unverfallbarkeit keine Wirkung zu Lasten des Beklagten, binde diesen aber jedenfalls in Hinblick auf die Höhe der Leistung. Auch seien die von der Rechtsprechung entwickelten Grund-sätze über die Anrechnung von Vordienstzeiten anwendbar. Die ebenfalls von der Rechtsprechung angewandte Haftungsbegrenzung für Erwerber in der Insolvenz sei Gegenstand einer Vorlageentscheidung an den EuGH, so dass das Verfahren mit Blick hierauf vorläufig auszusetzen sei. Im Ergebnis habe die Insolvenzschuldnerin in vollem Umfang für die erteilte Versorgungszusage gehaftet, der Beklagte sei entsprechend zur Sicherung verpflichtet.
17Der Kläger beantragt zuletzt:
18Der Beklagte wird verurteilt, ihm erneut einen Anwartschaftsausweis zu erteilen über einen möglichen Versorgungsanspruch zum Endalter in Höhe von 4.285,32 Euro unter Zugrundelegung der Endaltersgrenze 65 Jahre entsprechend der Versorgungsordnung der ……………………………...
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er ist der Auffassung, dass ihn die Vereinbarung vom 17.04.2014 nicht binde und seine Haftung für die Versorgungsansprüche des Klägers entsprechend der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Haftung des Erwerbers bei Betriebsübergangen aus der Insolvenz beschränkt sei. Die ………………..habe hiernach lediglich für die ab Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der …….. begründeten Versorgungsansprüche gehaftet. Auf diesen Haftungsumfang beschränke sich seine gesetzliche Verpflichtung zur Sicherung der vom Kläger erworbenen Anwartschaft. Die für die Zeiten davor bestehenden Forderungen stellten dagegen Insolvenzforderungen in den jeweiligen Insolvenzverfahren dar.
22Im Übrigen wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie der Terminsprotokolle Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24I. Die – nach § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 263 Alt. 1 ZPO zulässig umgestellte - Klage ist unbegründet. Der Kläger kann vom Beklagten ab 31.07.2021 keine über die im Anwartschaftsausweis vom 03.05.2017 anerkannten 281,90 Euro hinausgehende Leistung und daher auch nicht gemäß § 9 Abs. 1 BetrAVG die Erteilung eines entsprechend korrigierten Anwartschaftsausweises verlangen.
251. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BetrAVG haben Personen, denen aufgrund Direktzusage eines Insolvenzschuldners bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine nach § 1b BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft zusteht, bei Eintritt des Versorgungsfalls einen entsprechenden Leistungsanspruch gegen den Beklagten als Träger der Insolvenzsicherung.
262. Die dem Kläger aufgrund der Versorgungszusage der Fa. A vom 06.06.2007 zustehende Anwartschaft ist – zwischen den Parteien insoweit unstreitig – unverfallbar in diesem Sinne. Die Voraussetzungen der einschlägigen Übergangsregelung in § 30f Abs. 2 BetrAVG sind gegeben. Bei Eintritt der Insolvenz am 27.03.2015 bestand die Versorgungsanwartschaft des damals ………..Klägers aufgrund der Zusage vom 06.06.2007 bereits mehr als fünf Jahre. Die Betriebszugehörigkeit wird von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB nicht unterbrochen und auch nicht durch spätere Verbesserungen der Zusage gestört (vgl. § 1b Abs. 1 Satz 3 BetrAVG). Insolvenzrechtliche Besonderheiten bestehen insoweit nicht. Auf die Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zur Anrechnung von Vordienstzeiten kommt es danach nicht an.
273. Der Beklagte hat die Höhe der dem Kläger zustehenden Anwartschaft mit 281,90 Euro monatlich – bei einem Rentenbezug ab 31.07.2021 - zutreffend berechnet.
28a) Der Kläger stützt seine Berechnung auf die in der Vereinbarung vom 17.04.2014 festgesetzte Betriebszugehörigkeit seit dem 01.07.1989. Hierbei verkennt er, dass diese Vereinbarung aufgrund der Anordnung in § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten zu begründen vermag.
29aa) § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG schließt einen Anspruch auf Insolvenzsicherung aus, soweit nach den Umständen des Falls die Annahme gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre(r) Verbesserung gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Nach § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG besteht ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur (1.) für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu 4 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder (2.) für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.
30Weil der Beklagte grundsätzlich keinen Einfluss auf den Umfang seiner Haftung nehmen kann, hat der Gesetzgeber diese Beschränkung der Insolvenzsicherung vorgesehen, um einem Missbrauch entgegen zu wirken (vgl. BAG, Urteil vom 24. Februar 2011 – 6 AZR 626/09 –, Rn. 36, juris; Höfer Band I/Höfer/Reich, 22. EL Januar 2018, Betriebsrentengesetz § 7 Rn. 252-253). Die Fälle des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG begründen eine unwiderlegbare Missbrauchsvermutung (Höfer aaO Rn. 292). Der Beklagte ist in diesen Fällen nicht berechtigt, Leistungen zu erbringen. Denn hierdurch würden die widerrechtlich in Anspruch genommenen Leistungen in unzulässiger Weise den beitragspflichtigen Mitgliedern aufgebürdet (Höfer aaO Rn. 252-253).
31bb) Die Kammer hat keine Zweifel an der Unionsrechtskonformität der Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG.
32Allerdings sind die Mitgliedstaaten nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Betriebsrentnern in der Insolvenz zu treffen. Dies bedeutet indes nicht, dass Betriebsrentner nach dem Willen des Richtliniengebers auch insoweit eines Schutzes bedürfen, wie sie ihre Betroffenheit von der Insolvenz rechtsmissbräuchlich herbeigeführt haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geht die Anwendung des Unionsrechts nicht so weit, dass davon auch missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2017 – C-251/16 –, Rn. 27, juris mwN). Entsprechend bedeutet es keine Unterschreitung des unionsrechtlich gebotenen Schutzniveaus, wenn die nach deutschem Recht vorgesehene Insolvenzsicherung von Betriebsrentenansprüchen Konstellationen ausnimmt, in denen anzunehmen ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre(r) Verbesserung gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen.
33Aus Sicht der Kammer ist die vom deutschen Gesetzgeber insoweit in § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG vorgenommene Typisierung nicht zu beanstanden. Bei der Umsetzung des Unionsrechts steht dem nationalen Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu und er ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu Typisierungen nach allgemeinen Kriterien berechtigt (vgl. etwa Schlussanträge vom 07.02.2013 im Verfahren vor dem EuGH, C-546/11, Celex-Nr. 62011CC0546). Dies kann etwa der Gewährleistung der Praktikabilität und Justitiabilität der Regelung sowie einer vorhersehbaren Rechtslage und damit der Rechtssicherheit dienen.
34Die Ausgestaltung der gesetzlichen Vermutung in § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Bei Abreden zur Begründung oder Verbesserung einer betrieblichen Altersversorgung, welche innerhalb von zwei Jahren vor Eintritt der Insolvenz getroffen werden, kann - unabhängig von der Frage, inwieweit die Vereinbarungen für die Insolvenzschuldner jeweils bindend war - im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass sich zumindest die Arbeitgeberseite auf die Leistungszusage in Kenntnis des eigenen Leistungsausfallrisikos und damit nur mit Blick auf den gesetzlichen Insolvenzschutz einlässt.
35cc) Die am 17.04.2014 getroffene Vereinbarung mit der Insolvenzschuldnerin liegt innerhalb der Zweijahresfrist des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG. Die beiden Rückausnahmen von der fehlenden Eintrittsverpflichtung des Beklagten sind nicht einschlägig. Insbesondere hat keine „Übertragung“ der Versorgungszusage im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG iVm. § 4 BetrAVG stattgefunden, was eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzt hätte. Der Beklagte ist daher nicht eintrittspflichtig für die mit der Zusage vom 17.04.2014 herbeigeführten Verbesserungen der Versorgungszusage des Klägers.
36b) Die Höhe der Versorgungsanwartschaft des Klägers berechnet sich nach alledem gemäß § 7 Abs. 2, § 2 Abs. 1 BetrAVG iVm. der Versorgungszusage vom 06.06.2007 – und unter Berücksichtigung der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für Betriebsübergänge aus der Insolvenz geltenden Haftungsbeschränkungen.
37aa) Die Höhe des Anspruchs gegen den Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung bestimmt sich bei Eintritt des Versorgungsfalls wegen Erreichens der Altersgrenze grundsätzlich nach der Höhe des Teils der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Versorgungsleistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. einer davor liegenden, in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht (§ 7 Abs. 2 Satz 3 iVm. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrAVG – zur Frage der Unionsrechtskonformität dieser Regelung – vgl. BAG, Urteil vom 19. Juli 2011 – 3 AZR 434/09 –, BAGE 138, 346-359, Rn. 21 und nachfolgend: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. Mai 2012 – 1 BvR 3201/11 –, Rn. 38). Für die Berechnung der Höhe des Anspruchs wird die Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Sicherungsfalls berücksichtigt (§ 7 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG).
38cc) Ein während des Bestands des Arbeitsverhältnisses erfolgter Übergang desselben gemäß § 613a BGB berührt den Bestand der Versorgungszusage und auch die Höhe der Einstandspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung grundsätzlich nicht. Der Erwerber tritt im Regelfall gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vollumfänglich in die Verpflichtungen aus einer Zusage des Veräußerers ein.
39Bei Betriebsübergängen aus der Insolvenz heraus besteht allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Beschränkung der Erwerberhaftung: Kommt es zu einem Betriebsübergang aufgrund einer Betriebsveräußerung durch den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veräußerers, haftet der Betriebserwerber hiernach nur für den Anteil einer Versorgungsanwartschaft, der vom Arbeitnehmer in der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdient wird. Grund für diese Haftungsbeschränkung ist, dass nach dem § 613a BGB kraft Spezialität vorgehenden insolvenzrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung - „par conditio creditorum“ - alle vermögenswerten Rechte, die bei Insolvenzeröffnung vorhanden sind, allein nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu befriedigen sind (vgl. BAG, EuGH-Vorlage vom 16. Oktober 2018 – 3 AZR 878/16 (A) –, Rn. 18 ff., juris).
40cc) Die Kammer geht davon aus, dass diese richterrechtlich entwickelte Beschränkung der Erwerberhaftung – soweit sie für den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt Anwendung findet - mit Unionsrecht vereinbar ist. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlage des Bundesarbeitsgerichts im Verfahren 3 AZR 878/16 (A) war mangels Zweifeln der Kammer an der Unionsrechtskonformität des angewandten nationalen Rechts nach Art. 267 Abs. 2 AEUV nicht angezeigt.
41Dabei kann dahinstehen, ob sich das für Versorgungsansprüche zu gewährleistende Schutzniveau (allein) nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b, Art. 5 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2001/23/EG oder (auch) nach Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG richtet (vgl. Vorlagenfragen Nr. 2, 4 und 5) bestimmt.
42In der zur Entscheidung stehenden Konstellation bestand bei Eintritt der Vor-Insolvenzen (Stichtage 01.12.2009 und 01.02.2011) nach der maßgeblichen Bestimmung des § 30f Abs. 2 BetrAVG noch keine unverfallbare Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und mithin kein im Sinne von Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG „erworbenes“ Anwartschaftsrecht. Die strengeren Anforderungen an die Verfallbarkeit von Betriebsrentenanwartschaften nach der Mobilitätsrichtlinie 2014/50/EU vom 16.04.2014 sind für den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht von Relevanz. Die Richtlinie wurde vom deutschen Gesetzgeber zulässigerweise (vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2014/50/EU) erst zum 01.01.2018 umgesetzt.
43Bei verfallbaren Anwartschaften kann der Berechtigte den bis zur Insolvenzeröffnung erdienten Teil der Versorgungsanwartschaft nach § 174 Absatz 1 Satz 1, § 175 Absatz 1 Satz 1 InsO zur Insolvenztabelle anmelden, die gesetzliche Insolvenzsicherung greift nicht (vgl. BAG, EuGH-Vorlage vom 16. Oktober 2018 – 3 AZR 878/16 (A) –, Rn. 22, juris). Hinsichtlich der unverfallbaren Anwartschaften besteht dagegen die vollumfängliche gesetzliche Insolvenzsicherung nach § 7 BetrAVG, welche den durch den Europäischen Gerichtshof aufgestellten Anforderungen gerecht wird (mind. 50%-Sicherung – vgl. EuGH, Urteil vom 06. September 2018 – C-17/17 –, Rn. 50 ff., juris). Aus Sicht der Kammer bestehenden keine durchdringenden Zweifel daran, dass dieses System der Insolvenzsicherung von Ansprüchen aus betrieblicher Altersversorgung in Einklang mit europäischem Recht steht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Mai 2014 – 1 BvR 2681/11 –, Rn. 13, juris).
44Die aufgrund eines der Insolvenz nachfolgenden, das Arbeitsverhältnis erfassenden Betriebsübergangs nach deutschem Recht vorgesehene Beschränkung der Erwerberhaftung führt nicht zu einer weiteren „Kappung“ der Ansprüche. Vielmehr haftet der Betriebserwerber gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vollumfänglich für den Teil der Versorgungsanwartschaften, für den die erforderliche Arbeitsleistung oder Betriebszugehörigkeit nach Insolvenzeröffnung erbracht wurde (BAG, EuGH-Vorlage vom 16. Oktober 2018 – 3 AZR 878/16 (A) –, Rn. 20, juris). Sieht man mit dem Bundesverfassungsgericht den Verweis der Inhaber verfallbarer Anwartschaften auf die Geltendmachung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren als rechtmäßig im Sinne von Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG an (vgl. zustimmend auch etwa Polloczek/Rein NZI 2019, 65, 70), ist auch der nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b bzw. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2001/23/EG „notwendige Schutz“ der Anwartschaftsrechtinhaber nicht zweifelhaft. Denn der nach Insolvenzeröffnung erdiente Teil der Versorgungsanwartschaften ist vom Erwerber uneingeschränkt zu bedienen. Durch die Ausklammerung des bis zur Insolvenzeröffnung erdienten Teils der Anwartschaften aus seiner Haftung erhöht sich – worauf der dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts zutreffend hinweist (vgl. BAG, EuGH-Vorlage vom 16. Oktober 2018 – 3 AZR 878/16 (A) –, Rn. 36, juris) – zudem die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt zu einem Betriebsübergang und damit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kommt. Dies kommt wiederum den Anwartschaftsinhabern zugute, die damit im laufenden Arbeitsverhältnis zu einer Erhöhung der übergegangenen Anwartschaften beitragen können.
45dd) Im Fall des Klägers führt die Anwendung der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze dazu, dass der Beklagte nach § 7 Abs. 2 BetrAVG nur für die ab Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Vorgänger-Gesellschaft …… am 01.06.2012 erdienten Anwartschaftsteile zu haften hat. Dies führt zu einer Anwartschaft in Höhe von 281,90 Euro – wie im Anwartschaftsausweis vom 03.05.2017 ausgewiesen. Dem liegt folgende Berechnung zugrunde:
46(1) Ausgangswert
47Die Höhe der dem Kläger ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Betriebsrente berechnet sich nach Maßgabe des § 3 Nr. 4 der Leistungsordnung C des Essener Verbands als Produkt des jeweiligen Gruppenbetrags und dem sich für die jeweilige individuelle Betriebszugehörigkeit errechnenden Prozentsatz. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der Zusage vom 06.06.2007 mit diesem Datum zum Essener Verband angemeldet worden ist. Aufgrund von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG ist die Vereinbarung der Rückwirkung der Versorgungszusage auf den 01.07.1989 im Verhältnis zum Beklagten nicht zu berücksichtigen (vgl. unter 3.a der Gründe). Es sind damit bis zum Ausscheidenszeitpunkt bei Erreichen der sich aus § 3 Abs. 1 Buchst. b der Leistungsordnung ergebenden festen Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) am 08.06.2021 15 Dienstjahre im Sinne der Leistungsordnung zu berücksichtigen (vgl. § 3 Abs. 2 der Leistungsordnung). Der maßgebliche Betrag der dem Kläger zugesagten Gruppe 31 lag bei Insolvenzeröffnung bei 5.317 Euro. Auf spätere Erhöhungen kommt es nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG (in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung) nicht an. Es ergibt sich ein mögliches monatliches Ruhegeld in Höhe von (5.317 Euro x 0,04 x 15=) 3.190,20 Euro.
48(2) Faktor
49Der sodann aufgrund der vorzeitigen Insolvenz nach § 7 Abs. 2 Satz 3 iVm. § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG zu bildende Faktor berechnet sich wie folgt:
50Zu berücksichtigende tatsächliche Betriebszugehörigkeit:
5101.06.2012 – 27.03.2015 = 1.016 Tage
52Mögliche Betriebszugehörigkeit:
5301.07.1989 – 08.06.2021 = 11.498 Tage
54Verhältnis gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 iVm. § 2 Abs. 1 BetrAVG:
551.016 / 11.498 = 0,088636
56(3) Möglicher Betriebsrentenanspruch
57Die Höhe der Anwartschaft – bei einem Leistungsbezug ab dem 31.07.2021 – beträgt damit 3.190,20 Euro x 0,088363 = 281,90 Euro.
584. Rechte aus einer unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG macht der Kläger ebenso wenig geltend wie aus einer unterlassenen Richtlinienum-setzung.
59II. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 ZPO).
60III. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und ist mit dem 42-fachen Wert der geltend gemachten Anwartschaftsdifferenz bemessen.
61IV. Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen. Zulassungsgründe im Sinne von § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht ersichtlich.